Protokoll der Sitzung vom 06.05.2015

Meine Damen und Herren, wir erwarten von Ihnen, dem Wirt schaftsministerium, dass Sie Bürokratie bekämpfen, anstatt mit Steuergeldern unnötige Belastungen für die Wirtschaft zu unterstützen und diejenigen zu diffamieren,

(Glocke des Präsidenten)

die zu Recht auf die erhöhte Bürokratie hinweisen.

Herr Kollege Herr mann, Sie haben drei Minuten plus Begründung. Ich muss ein fach darauf hinweisen – deswegen habe ich die Glocke be dient –, dass das auch strikt einzuhalten ist.

Ich habe neun Sekunden über zogen.

Nein, Sie haben 13 Se kunden überzogen. Das ist mir wurscht.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Drei Minuten sind drei Minuten.

Jetzt antwortet die Regierung fünf Minuten. – Bitte, Herr Staatssekretär Hofelich.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung von Baden-Württemberg wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass Bürokratielasten ins besondere für die mittelständische Wirtschaft, für kleine und mittlere Unternehmen gering gehalten werden. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass auch bei der Umsetzung des Mindestlohngesetzes, bei den Dokumentationspflichten die Stimme der mittelständischen Wirtschaft in Baden-Würt temberg gehört wird.

Insofern habe ich eine klare Antwort, Herr Kollege Herrmann, auf Ihre Frage. Das ist unsere Aufgabe, genauso wie es selbst verständlich auch unsere Aufgabe ist, im Sinne des Landes Baden-Württemberg für Anstand am Arbeitsmarkt zu sorgen – und damit auch für einen gesetzlichen Mindestlohn – und dafür zu sorgen, dass die schwarzen Schafe, die es in kleiner Zahl gibt, nicht das Bild bestimmen dürfen, während die Un ternehmen, die gerecht und fair vorgehen, darunter leiden.

Auch das ist klar. Deswegen haben wir da eine klare Leitli nie.

Die Kritik am Mindestlohngesetz richtet sich ja insbesonde re – ich habe es gesagt – gegen die Aufzeichnungspflichten, wonach Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit erfassen müssen. Das gilt jedoch nur für gewerb lich tätige Minijobber und für Beschäftigte aus für Schwarz arbeit anfälligen Branchen wie z. B. dem Bau oder der Gast ronomie. Darüber hinaus sind nach der Mindestlohndokumen tationspflichten-Verordnung Arbeitsverhältnisse ausgenom men, sofern ein regelmäßiges Monatsentgelt von über 2 958 € brutto gegeben ist.

Bestehende Dokumentationspflichten sind erforderlich, um die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns überprüfen zu können und auch einen Missbrauch zu verhindern. Andern falls würde auch die Intention des gemeinsam beschlossenen Gesetzes in Berlin, einen wichtigen Beitrag zur Sicherung ei ner auskömmlichen Lebensgrundlage zu leisten – darum geht es ja –, ins Leere laufen. Darüber hinaus werden wir erst durch die aufgrund der Dokumentationspflichten ermöglichten Kon trollen auch faire Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft schaffen. Ich habe darauf hingewiesen.

Sie haben nun bereits angesprochen, dass unser Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid, der stellvertretende Mi nisterpräsident, sich auch an Bundesminister Gabriel und Bun desministerin Nahles gewandt hat. Er hat in dem Schreiben auch zum Ausdruck gebracht, dass der gesetzliche Mindest lohn aus seiner Sicht, aus unserer Sicht eine Erfolgsgeschich te ist und dass es eine Frage der sozialen Gerechtigkeit ist, dass Menschen in einer sozialen Marktwirtschaft von ihrer Arbeit anständig leben können.

Wir haben darauf hingewiesen, dass es vielfältige Stellung nahmen und praktische Hinweise gibt, insbesondere aus dem Handwerk und dem Mittelstand in Baden-Württemberg. Wir haben uns auch ganz klar bemüht, dies schon zu einem frü hen Zeitpunkt innerhalb dieses Jahres aufzunehmen. Was die Erfassung der Arbeitszeit angeht, Herr Kollege Herrmann, schlug der Minister in einem Schreiben nun konkret vor, dass der Bund Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten bei der Anschaffung von technischen Lösungen zur Erfassung der Ar beitszeit unterstützen soll, da die Erfassung gerade kleinere Unternehmen vor enorme Herausforderungen stelle.

Für mich hat eine solche Unterstützung nicht, wie Sie es for mulierten, den Charakter, dass Bürokratie mit Bürokratie be kämpft wird, sondern ich halte dies für einen Vorschlag, mit hilfe technischer Möglichkeiten eine Erfassung zu erleichtern, und zwar gerade auch bei kleineren Betriebseinheiten. Wir ge ben ihnen etwas, womit man das Ganze vielleicht noch einfa cher machen kann.

Das ist die Antwort auf Ihre Frage. Insgesamt gilt also: Wir unterstützen die Linie der Bundesregierung beim Mindest lohngesetz. Wir haben dazu ja auch anhand Großer Anfragen hier im Parlament bereits debattiert. Wir hatten Abstimmun gen. Es ist bereits genügend Raum in diesem Parlament ge wesen. Wir unterstützen das.

Klar ist aber, dass wir Signale zu Bürokratielasten aufnehmen und diese ernsthaft prüfen und substanziell nach Berlin wei

tergeben. Wir haben jetzt einen Vorschlag gemacht, den ich persönlich für sinnvoll halte. Man wird sehen, ob sich noch weitere Vorschläge ergeben können.

Ich würde gern, wenn es der Präsident erlaubt – die Zeit läuft noch –, aus meiner eigenen praktischen Tätigkeit etwas hin zufügen. Ich war 21 Jahre in der Industrie tätig. Der Begriff „Bürokratie“ ist durchaus etwas schillernd.

Zunächst einmal: 90 % der Bürokratielasten, die von der öf fentlichen Hand kommen, gehen auf die europäische Ebene und die Bundesebene zurück. Nach der Statistik, die wir alle verwenden, bleiben 10 % übrig, die auf das Land und die Kommunen zurückgehen.

Ich will aber aus der Praxis auch sagen: Es gibt auch Büro kratie in Unternehmen. Wenn ein Unternehmen in Schwierig keiten ist, macht es sofort bei den Reisekosten strammere Auf lagen. Was meinen Sie, was das an Bürokratie in einem gro ßen Unternehmen bedeutet? Was meinen Sie, was ISO-Nor men im Unternehmen bedeutet haben?

Ich reflektiere hier nur einmal – weil mir das ein Anliegen ist – den Begriff Bürokratie: Bürokratie ist eine Hydra, der man die Köpfe abschlägt, und dann kommen wieder neue Köpfe heraus. So lebt man damit – nicht gern. Aber ich warne etwas davor, das Thema Bürokratie allein Richtung Politik zu brin gen. Wir haben alle mit dem Phänomen zu kämpfen.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Mir liegen keine weiteren – – Doch. Herr Abg. Hahn.

Herr Staatssekretär, meine Da men und Herren! Mich interessiert der Bereich der Saisonar beitskräfte bezogen auf den Mindestlohn. Im Zusammenhang mit der Mindestlohnregelung gab es eine Neuregelung für den Bereich der Saisonarbeitskräfte. So wurde die Möglichkeit der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung von 50 auf 70 Tage ausgeweitet. Für Saisonarbeitskräfte aus Drittlän dern gibt es eine Freigabe für 70 Tage – zum Teil ohne Sozi alversicherungspflicht. Gibt es schon Erkenntnisse, wie sich die Betriebe auf diese Neuregelung hin einrichten? Gibt es schon Erkenntnisse, wie das jetzt läuft?

Wir haben das noch nicht ins gesamt gesammelt. Aber es ist natürlich klar, dass wir das tun werden. Wir hören zwar einzelne Klagen, aber kein gesamtes Konzert an Klagen.

Herr Abg. Mack.

Herr Staatssekretär, aus Ihren wortreichen Äußerungen

(Heiterkeit des Staatssekretärs Peter Hofelich)

ist nicht hervorgegangen, ob Sie einen Änderungsvorschlag bezüglich der Nahles-Bürokratie an den Bund geschickt ha ben oder ob der Vorschlag, die Unternehmen bei der Beschaf fung von Zeiterfassungsgeräten monetär zu unterstützen, der einzige Vorschlag ist, der Ihnen bisher eingefallen ist. Wo kon kret könnte die Nahles-Bürokratie nach Ihrer Vorstellung ab geändert werden?

Meine wortreichen Äußerun gen habe ich innerhalb meiner Redezeit gemacht.

Wir haben insgesamt die Lage geschildert, Herr Abgeordne ter. Der genannte Vorschlag war ein operativer Vorschlag. Wir haben aber selbstverständlich das, was wir vom Handwerk, vom Mittelstand gehört haben – übrigens auch von den Ge werkschaften; es gibt ja auch Hinweise darauf, wo jetzt wirk lich ein Missbrauch entdeckt worden ist –, in Gänze kommu niziert.

Herr Abg. Herrmann.

Herr Staatssekretär, ich teile Ihre Einschätzung, dass viele Bürokratievorgaben von der EU, vom Bund oder auch von den Unternehmen selbst ausgehen. Aber wir sollten auf allen Ebenen – jeweils dort, wo wir ver antwortlich sind – erreichen, Bürokratie möglichst zu mini mieren.

Deshalb meine Frage: Es sind jetzt einige Erleichterungen und Veränderungen für das Schaustellergewerbe erreicht worden. Wie steht die Landesregierung dazu, dass man diese Erleich terungen möglicherweise auch auf andere, gleichgeartete und ähnliche Unternehmen übertragen kann?

Herr Staatssekretär, bit te.

Wir haben, Herr Kollege Herrmann, bei einer Veranstaltung in Stuttgart die Schaustel ler mit Frau Ministerin Nahles zusammengebracht. Sie hat schon damals problembewusst antworten können. Sie hatte mit den Schaustellern insgesamt, mit Marktkaufleuten, einen Termin, der dann zu der Erleichterung geführt hat, die Sie ge nannt haben – ich persönlich habe in meiner Zusatzaufgabe als Mittelstandsbeauftragter von Schaustellern ein kleines Dankeschön für diese Vermittlung bekommen –; man wird nun sehen müssen, ob dies bei einzelnen weiteren Berufsgrup pen möglich ist. Das war auch Teil dessen, was wir als gesam melte Wortmeldung, als gesammelte Kommunikation nach Berlin gegeben haben.

Eine weitere Zusatzfra ge des Herrn Abg. Mack.

Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt praktisch gesagt, Sie hätten gesammelt, was bei Ihnen an Stellungnahmen eingegangen sei, und hätten das nach Berlin weiterbefördert. Aber Sie sagen jetzt nicht, ob die Landesre gierung oder zumindest das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft der Meinung ist, dass an diesem Regelwerk aus dem Hause Nahles etwas geändert werden müsse. Wenn ja: Welche konkreten Schritte will die Landesregierung unterneh men? Es kommt einmal ein Wortbeitrag des SPD-Fraktions vorsitzenden, dann sagt der Ministerpräsident bei einer Pres sekonferenz etwas. Aber wir sehen noch nichts Substanziel les. Sind Sie denn bereit, da eine ernsthafte und ernst gemein te Initiative mit konkreten Vorschlägen in Richtung Haus Nah les zu starten?

(Zuruf des Abg. Martin Hahn GRÜNE)

Bitte, Herr Staatssekre tär.

Danke schön, Herr Präsident. – Ich müsste aus Ihren Worten, Herr Kollege Mack – es wa ren ebenfalls mehrere –, herausfiltern, wo genau Sie die Ak tion verlangen. Ich will einmal aufdröseln, um was es bei dem gehen könnte, wozu Sie von uns eine Aktion erwarten.

Sie könnten etwas bei dem Thema erwarten, das gerade das Thema hinter dem Thema ist. Ihre Frage könnte sein, ob wir jenseits des Mindestlohngesetzes an der Arbeitszeitordnung bzw. an den Arbeitszeitschutzgesetzen etwas ändern wollen. Diese sind – wenn ich mich recht entsinne – in der Ära Hel mut Kohl beschlossen worden. Wir müssten uns dann darü ber unterhalten, ob dort Änderungen vorgenommen werden. Letztendlich zielen die Vorschläge aus der Gastronomie eher auf die Arbeitszeitthemen. Sie müssten sagen, ob Sie bezogen darauf etwas von uns erwarten. Ich hielte dies für problema tisch.

Sie müssten zweitens sagen, ob es Ihnen um die 8,50 DM

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

8,50 € – geht, die nun im Gesetz stehen, unter dem nun auch die Tinte von beiden großen Volksparteien steht. Wenn das das Thema wäre, müssten Sie es uns sagen. Ich selbst würde Ih nen dann sagen, dass wir das nicht weitertragen würden.

Oder Sie müssten uns sagen, dass es Ihnen um die Dokumen tationspflichten – das, was in der Wortmeldung von Herrn Herrmann Thema war und was allgemein Thema ist – geht. Wenn es Ihnen darum ginge, würde ich Ihnen antworten: Wir, das Land – das hier nicht gesetzgeberisch unterwegs ist –, ha ben das, was da ist, zusammengetragen. Wir wissen, dass ei ne Revision, eine Überarbeitung bzw. eine Diskussion – ich will mich nicht auf einen Begriff festlegen – innerhalb des Bundes, bei Frau Nahles stattfindet. Damit sind auch die Mei nung Baden-Württembergs und die Erfahrungen Baden-Würt tembergs im Korb. Das ist unsere jetzige Haltung.

Wenn diese Diskussion im Bund stattfindet, werden wir se hen, welche politischen Initiativen wir ausgehend davon noch selbst zu entfalten haben.

Mehr kann ich Ihnen dazu heute nicht sagen. Das ist der po litische Prozess. Wir, das Land, geben die Realität, die wir wahrnehmen – übrigens unterschiedliche Realitäten; ich ha be es bereits genannt –, an die Bundesebene, an das dort fe derführende Ministerium weiter. Dort wurde jetzt ein Prozess organisiert, in dem über die Erfahrungen gesprochen wird. Der Mindestlohn gilt dann seit ein paar Monaten. Ich halte es für fair, nach diesem Zeitraum eine Zwischenbilanz zu zie hen. Ich halte es übrigens bei der öffentlichen Diskussion, die es gibt, auch für notwendig, dass wir eine Zwischenbilanz zie hen.

Bitte, Herr Abg. Schebes ta.