Frau Präsidentin, ich zitie re aus den „Badischen Neuesten Nachrichten“ vom 23. Janu ar 2016. Die Überschrift lautet:
Als „Schrott“ bezeichnete der grüne Landtagsabgeord nete Siegfried Lehmann die „vielen Schulstrukturen in Baden-Württemberg“.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Würt temberg und anderer Gesetze – Drucksache 15/7957
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir ha ben heute unter Tagesordnungspunkt 3 eine Änderung des Schulgesetzes und anderer Gesetze als Beratungsgegenstand zu behandeln. Ich möchte vorweg betonen, dass für mich, für uns als Landesregierung und auch für die regierungstragen den Fraktionen die Schulen in freier Trägerschaft ein wichti ger Bestandteil unseres Schulsystems sind und insbesondere angesichts der aktuellen Veränderungen in unserer Schul- und Bildungslandschaft gerade auch beim Thema Inklusion eine zentrale Rolle spielen.
Die gemeinsame Wahrnehmung von Bildungsaufgaben durch die öffentliche Hand und freie Träger hat sich in Baden-Würt temberg seit langer Zeit bewährt. Die Einbeziehung zivilge sellschaftlicher Akteure im Bildungsbereich ist dabei nicht nur Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft, sondern auch ein Beitrag zum Funktionieren unserer freiheitlich-demokrati schen Grundordnung. Bewährt hat sich nämlich auch die Zu sammenarbeit, weil die freien Partner wichtige pädagogische Impulse setzen und so dazu beitragen, dass sich Bildungsan gebote in einem fairen Wettbewerb weiterentwickeln können.
Im Bereich der Sonderpädagogik sind die freien Träger in Ba den-Württemberg traditionell besonders stark. Rund ein Vier tel der früheren Sonderschulen bzw. der jetzigen sonderpä dagogischen Bildungs- und Beratungszentren befinden sich in freier Trägerschaft. Dieses Know-how ist insbesondere bei der Umsetzung von Inklusion von großer Bedeutung.
Deswegen wollen wir mit der vorgesehenen Gesetzesände rung die Möglichkeit schaffen, dass allgemeine Schulen bei der Inklusion verstärkt auch von sonderpädagogischen Kom petenzen der Lehrerinnen und Lehrer an freien Schulen pro fitieren. Wir erfüllen damit einen entsprechenden Auftrag des Landtags vom 15. Juli 2015, nämlich die Kooperationsmög lichkeiten für öffentliche und private Schulen bei der sonder pädagogischen Bildung auszuweiten.
Baden-Württemberg war und ist im Bereich der Sonderpäda gogik traditionell sehr gut aufgestellt. Deshalb war es uns wichtig, die Professionalität und die Kompetenzen in diesem Bereich im Rahmen der Inklusion zu bewahren und so wei terzuentwickeln, dass die jungen Menschen im Land, egal, ob sie an einer Sonderschule, an einem sonderpädagogischen Bil dungs- und Beratungszentrum oder an einer allgemeinen Schule beschult werden, auch künftig maximal von diesem Wissen, von dieser sonderpädagogischen Expertise profitie ren können, und zwar unabhängig davon, wo der jeweilige Lernort definiert wird.
Das Wahlrecht der Eltern war und ist für uns der entscheiden de Punkt. Es wurde im vergangenen Jahr im Rahmen der ent sprechenden Schulgesetzänderung ins Schulgesetz eingeführt. Eltern haben heute die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob ihr Kind an einer allgemeinen Schule oder einem sonderpäd agogischen Bildungs- und Beratungszentrum lernen soll. Mit diesem Mehr an Freiheit wird auch ein Mehr an Flexibilität aufseiten der Schulverwaltung notwendig, denn daran, wie viele Eltern sich für ein inklusives Bildungsangebot entschei den, bemisst sich natürlich auch der Bedarf an Sonderpäda gogen an allgemeinen Schulen.
Um hier die Optionen zu erweitern, wollen wir in enger Ab stimmung mit den Privatschulverbänden die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sonderpädagogische Fachkräfte von frei en Schulen bei Bedarf auch an öffentlichen Schulen eingesetzt werden können. Der heute diskutierte und dann auch zur Ab stimmung kommende Gesetzentwurf sieht vor, dass die pri vaten sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren für eine an einer öffentlichen Schule eingesetzte Lehrkraft zu sätzlich zur Erstattung der Personalkosten einen Zuschlag in Höhe von 15 % erhalten, um den zusätzlichen Aufwand und das Ausfallrisiko auszugleichen.
Diese Regelung ist, so meine ich, eine gute und auch für alle Beteiligten faire Lösung. Begleitend wird in Kürze eine ent sprechende Rahmenvereinbarung mit der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen unterzeichnet. Generell gilt, dass es richtig und notwendig ist, die freien Schulen dabei in ihrer Arbeit finan ziell zu unterstützen. Denn qualitätsvolle Bildungsangebote hängen auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. Die Zu schüsse für die sogenannten Kopfsatzschulen haben wir des halb im Laufe dieser Legislaturperiode bereits mehrfach an gehoben. Dies ist ein weiterer wichtiger Punkt dieser Schul gesetzänderung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den weiteren Zuschusserhöhungen, die nun beschlossen werden sollen, wird ein einheitlicher Deckungs grad von mindestens 78,1 % der Kosten eines Schülers an ei ner öffentlichen Schule erreicht, ein Wert, von dem die Pri vatschulen unter den früheren Landesregierungen trotz der immer wieder versprochenen 80 % nur träumen konnten. Die Stellungnahmen, die uns zu diesem Gesetzentwurf vonseiten der Privatschulverbände erreicht haben, drücken dementspre chend unisono Anerkennung und Zustimmung aus und begrü ßen den Entwurf ausdrücklich.
Ich darf zusammenfassen: Insgesamt wurden die Zuschüsse an die Privatschulen in dieser Legislaturperiode fünf Mal – also jedes Jahr ein Mal – strukturell, nicht infolge höherer Schülerzahlen, um insgesamt 72,5 Millionen € erhöht. Hinzu kommen Erhöhungen durch die im Privatschulgesetz veran kerte Dynamisierung aus der Erhöhung der Beamtenbesol dung und aufgrund steigender Schülerzahlen. Mit den weite ren Erhöhungsschritten, die in diesem Gesetzentwurf vorge sehen sind, wird das Zuschussvolumen in diesem Jahr insge samt um rund 160 Millionen € höher liegen als noch zu Be ginn dieser Legislaturperiode. Die Zahlen: 2011 waren es 431 Millionen €, jetzt, im Jahr 2016, sind es 589 Millionen €.
Deshalb, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ist dieser Gesetz entwurf ein weiterer wichtiger und guter Schritt, der von ei ner breiten Basis und auch von den Privatschulverbänden voll
unterstützt wird. Deswegen hoffe ich und gehe ich davon aus, dass Sie alle dieser Gesetzesänderung zur Stärkung der priva ten Schulen und zur Stärkung einer verbesserten Kooperation zwischen dem allgemeinen Bereich und dem Privatschulbe reich zustimmen können.
Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die Schulen in freier Trägerschaft haben nicht nur einen Anspruch auf öffentliche Unterstützung; sie verdienen sie auch, weil sie eine hervorragende pädagogische Arbeit leisten. Sie ergänzen nicht nur das öffentliche Schul wesen, sondern bereichern es auch durch ihre pädagogischen Innovationen. Das möchte ich für die CDU-Fraktion gleich an den Anfang stellen.
Es ist allerdings, meine Damen und Herren, auch kein Wun der, dass die Landesregierung jetzt endlich die Anpassung als notwendigen Schritt vollzieht. Denn angesichts der außeror dentlich günstigen Steuereinnahmen, über die diese Landes regierung im Moment verfügt, ist es eine Pflicht, dass gerade in dieser Zeit auch das Bruttokostenmodell in Gänze schnells tens umgesetzt wird.
Damit können Sie sich nicht rühmen, sondern das ist eine Pflichtaufgabe, die Sie mit diesem Gesetz auch erfüllen.
Meine Damen und Herren, es ist davon auszugehen, dass die Schulen in freier Trägerschaft eine weitere öffentliche Unter stützung benötigen. In der vorherigen Debatte ist zu Recht da rauf hingewiesen worden – deshalb kann ich, Herr Minister, dieses Thema auch nicht aussparen –: Wir haben schon eine Schere, die deutlich auseinandergeht. Interessanterweise voll zieht sich die Öffnung der Schere bei der Schülerzahlentwick lung bei den Privatschulen im Vergleich zum öffentlichen Schulwesen sehr deutlich seit dem Jahr 2011. Wir haben es seit dem Jahr 2011 mit einer Umwälzung des Bildungssys tems zu tun.
Ich sage dies in aller Deutlichkeit; denn gerade in den Jahren 2011 bis 2013/2014 haben an den Realschulen die Schüler zahlen um 4,1 % abgenommen; an den öffentlichen Gymna sien betrug der Rückgang 0,3 %. Wenn die Menschen volles Vertrauen in das öffentliche Schulwesen hätten, müssten sich die Schülerzahlen an den Privatschulen genauso entwickeln. Das tun sie allerdings nicht. Wir haben in diesem Zeitraum an den Privatschulen bei den Realschulen ein Plus von 2,1 % und bei den Gymnasien sogar ein Plus von 6,5 %.
Die Schülerzahlen an den Privatschulen haben also deutlich zugenommen, während sie an den öffentlichen Schulen ten denziell zurückgehen. Diese Entwicklung setzt sich in den da
rauf folgenden Jahren fort. Das ist eine Entwicklung, die wir mit größter Sorge beobachten müssen vor dem Hintergrund: Es kann nicht sein, dass die Förderung der Privatschulen sich im Grunde nur darauf konzentriert, das Defizit Ihrer Bildungs politik im öffentlichen Schulwesen beseitigen zu müssen –
obwohl selbstverständlich die Schulen in freier Trägerschaft auch dann diese finanzielle Unterstützung verdienen und ei nen Anspruch darauf haben.
Zweite Bemerkung, Inklusion: Es war die CDU-Fraktion, die zum Inklusionsgesetz einen Antrag eingebracht hatte, den Grün-Rot abgelehnt hat. Ich zitiere den Änderungsantrag der CDU-Fraktion zur Änderung des Schulgesetzes:
Zur Umsetzung der Inklusion können sonderpädagogi sche Lehrkräfte der freien Schulen an den öffentlichen Schulen des Landes eingesetzt werden.
Wir halten diesen Schritt für notwendig, sagen aber auch gleichzeitig: Dem, was wir als notwendig und im Ergebnis als richtig bewerten, ist ergänzend hinzuzufügen: Sie machen ei ne Gerechtigkeitslücke auf, meine Damen und Herren. Die Versorgungsabgabe ist die größte Sünde, die Sie in diesem Zusammenhang dem Parlament vorlegen. Es kann doch nicht sein, dass Sie eine Versorgungsabgabe für neue beamtete Lehrkräfte, die nach dem Stichtag des Jahres 2014 jetzt im Privatschulwesen übernommen werden, einführen wollen.
Es kann nicht sein, dass die Schulen in freier Trägerschaft, die einen sehr hohen Anteil an beamteten Lehrern haben, gegen über den Schulen, die einen sehr geringen Anteil an beamte ten Lehrkräften haben, benachteiligt werden. Wenn Sie mit den Schulen in freier Trägerschaft reden, werden Sie feststel len, dass es nicht wenige Privatschulen sind, die genau durch diese Ungleichbehandlung, die Sie jetzt sozusagen im Privat schulgesetz systematisieren, erhebliche finanzielle Schwierig keiten haben. Meine Damen und Herren, das ist schlicht und einfach inakzeptabel. Wir wollen auch hier eine gerechte Ba lance zwischen den Schularten innerhalb des Privatschulwe sens. Sie schaffen eine Ungleichheit, die wir nicht akzeptie ren können.
Im Übrigen, wenn Sie das Einvernehmen mit den Privatschul verbänden würdigen, darf ich in diesem Zusammenhang, was die Umsetzung der Versorgungsabgabe betrifft, ein Zitat aus einem Schreiben des Privatschulverbands anführen:
Der aktuell vorliegende diesbezügliche Entwurf wider spricht deutlich dem im Herbst 2013 im Vorfeld der Ver einbarung zwischen Vertretern des Kultus-, Finanz- und Wirtschaftsministeriums und den Vertretern der AGFS ausgehandelten Verfahren.
Auch das ist Bestandteil der Wahrheit. Sie haben an dieser Stelle die Privatschulverbände vom Tisch gefegt.
Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung: Wir finden es außerordentlich schade, dass Sie hier die Zusage nicht ein gehalten haben, dass Sie sich nicht an die parlamentarischen Spielregeln halten. Auch dieser Gesetzentwurf ist so sehr mit heißer Nadel gestrickt worden, dass wir hierzu eine Sonder sitzung des zuständigen Ausschusses benötigen; wir haben den Gesetzentwurf im Grunde erst vor wenigen Stunden er halten. Das ist meines Erachtens kein guter parlamentarischer Brauch. Aber eine neue Landesregierung im Jahr 2016 wird hier Besseres tun, als diese Regierung es getan hat.