Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

Auch beim Einkommen werden Frauen nach wie vor diskri miniert. Männer verdienen ca. 22 % mehr als Frauen, was sich bis an das Lebensende der Frauen auswirkt. Von Lohngerech tigkeit sind wir also noch weit entfernt. Hinzu kommt, dass Frauen im Vergleich mit Männern noch erheblich mehr unbe zahlte Familienarbeit und Arbeit bei der Versorgung von An gehörigen leisten. Auch hier sind wir von Gleichberechtigung noch weit entfernt.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ach, Schätzle!)

Aber seit dem Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutsch land am 1. Februar 2018 ist es eine dauerhafte Aufgabe aller staatlichen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen –, heute und in der Zukunft all diese Verpflichtungen umzusetzen, das heißt, alles zu unternehmen, um Gewalt in jeglicher Form an Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Dies gilt insbesonde re im häuslichen Bereich.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Doch im häuslichen Bereich sieht es noch sehr dramatisch aus. Alle drei Tage stirbt in Deutschland eine Frau durch ih ren Partner oder Ex-Partner. 77 % aller Opfer von Mord und Totschlag in Beziehungen sind Frauen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: 77,3!)

Jeden Tag versucht ein Mann, seine Frau oder Ex-Frau umzu bringen. Bei zwei von drei Tötungen in Beziehungen

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: „Arsen und Spitzenhäubchen“! – Gegenruf: Klappe!)

geht es um Trennung, sprich die Frau verlässt den Mann, der Mann nimmt dies als Machtverlust wahr und tötet die Frau.

Neben solch brutaler physischer Gewalt sind Frauen in den meisten Fällen aber auch diejenigen, die verbaler Gewalt so wie Bedrohungen und Hetzkampagnen ausgesetzt sind.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ach, Schätz le! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Diskriminierende Äußerung! Herr Fiechtner, gehen Sie doch einfach! – Weitere Gegenrufe, u. a.: Das gibt es ja wohl nicht! – Er hat nichts verstanden, aber gar nichts! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Hal lo! Das war doch sehr nett von ihm! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das ist im Grunde eine Beleidi gung der Abgeordneten! – Unruhe)

Wir lassen die Redezeit dann weiterlaufen, Frau Kollegin.

(Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Denn zur Gewalt gehört eben nicht nur die körperliche, sondern auch die verbale Ge walt. Das möchte ich auch an Sie richten.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Verbale Gewalt durch die Sprache, die jetzt als neues Phäno men ebenso im Netz auftritt – nicht nur hier im Landtag –, verbale Einschüchterungen und Beschimpfungen übelster Art bis hin zu Vergewaltigungsandrohungen werden millionen fach im Netz gelikt, geteilt und gefeiert. Frauen sollen dadurch eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden.

Verbale Gewalt findet aber auch in der Musik, insbesondere in Hip-Hop-Texten, statt.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Echt schlecht überall!)

Das Bübchen in der letz ten Reihe ist jetzt mal still.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner [fraktionslos]: Jawohl, Schätzle! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Verbale Gewalt ist das!)

In diesen Texten kommt Frauenfeindlichkeit weitaus häufiger vor als eine andere Dis kriminierungsform wie z. B. Homophobie und Rassismus.

Aber was sind nun die Ursachen für diese geschlechtsspezifi sche Hate Speech? Dazu müssen wir unser gängiges Ge schlechterverständnis einmal genauer ansehen. Sexismus und Frauenfeindlichkeit wurzeln in hierarchischen Geschlechter bildern und patriarchen Macht- und Herrschaftsverhältnissen

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

in unserer Gesellschaft.

(Abg. Anton Baron AfD: Sie lassen doch solche Leu te hier herein!)

Jegliches Infragestellen dieser vermeintlich natürlichen und als rechtmäßig wahrgenommenen Ordnung wird von vielen Männern als Verlust ihrer Privilegien sowie ihrer Macht- und Einflussmöglichkeiten gesehen.

(Beifall bei den Grünen)

Wer sind nun die Betroffenen? Vor allem sind das Frauen, die in der Politik ihre Stimme erheben und ihre Meinung klar äu ßern. Hetzkampagnen sind zudem heftiger, wenn mehrere Dis kriminierungsformen zusammenkommen. Das betrifft vor al lem schwarze Frauen und „Women of Color“, Frauen mit Mi grationshintergrund, Frauen mit Behinderung, lesbische und Transgender-Frauen, Dicke und Dünne. Und warum?

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Einzig und allein deshalb, weil sie Frauen sind. Dagegen müs sen wir uns entschlossen wehren, und zwar auf Landes- und auf Bundesebene,

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

nicht zuletzt deswegen, weil Frauenfeindlichkeit ein Einfalls tor für Rechtsextremismus ist und als Demokratiegefährdung ernst zu nehmen ist.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Die Lin ken haben auch Frauen erschossen!)

Die Attentäter von Halle und Hanau haben in ihren Manifes ten einen wahnhaften Frauenhass und hasserfüllte,

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

frauenverachtende Ideologien offenbart. Sie sind der Gruppe der sogenannten Incels – also grob übersetzt: unfreiwillig im Zölibat lebend – zuzuordnen. Der Hass auf Frauen wird da mit begründet,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist ja Männerhass, was Sie da propagieren!)

dass Feminismus und Emanzipation zu einem Niedergang westlicher Gesellschaften aufgrund sinkender Geburtenraten führten – so deren Behauptung.

Doch Antifeminismus ist leider auch in konservativen Krei sen weit verbreitet und macht den Rechtspopulismus damit anschluss- und gesellschaftsfähig.

(Beifall bei den Grünen)

Frauen werden objektiviert, in eine traditionelle Rolle als Mut ter zurückgedrängt, und die Gleichstellung der Geschlechter wird als Genderdiktatur abgetan.

Immerhin gibt es in Baden-Württemberg erste Initiativen, die sich des Themas annehmen. Mit der Meldestelle „respect!“ des Demokratiezentrums Baden-Württemberg gibt es seit En de 2017 die bundesweit einzige Meldestelle gegen Hass im Netz, die strafrechtlich relevante Hetze anzeigt. Auch die In ternetwache der Polizei Baden-Württemberg

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist Ideologie!)

ermöglicht Onlinemeldungen von Hasskommentaren.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Eine neue Form der Stasi!)

Mir ist es ein großes Anliegen, dass betroffene Frauen schnell und unbürokratisch Hilfe erfahren.

Entschuldigung. Noch ein mal stopp! – Herr Abg. Dr. Fiechtner, zum einen ziehe ich Ih nen diese Zwischenrufe demnächst von Ihrer Redezeit ab,

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Staatssekre tärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Und die Diäten dann auch kürzen!)

und zum Zweiten haben Sie jetzt hier wieder irgendjemanden als Stasi beschimpft, wenn ich das richtig verstanden habe.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Nein, nein! Da haben Sie wieder falsch zugehört!)