Zu den humanitären Aufgaben gehört auch, dass ich die Frage der Altfallregelungen hier durchaus vertrete.
Alle Innenminister waren sich bei der ersten Altfallregelung darin einig, dass es nur eine Altfallregelung geben darf und nicht zig Wiederholungen. Bei der letzten Innenministerkonferenz – diejenigen, die sich ein bisschen auskennen, wissen das – wurde stundenlang darum gerungen, ob die Innenminister aus unionsgeführten Ländern überhaupt bereit wären, einer Altfallregelung zuzustimmen. Als Sprecher der B-Länder habe ich Herrn Schily zugesagt, dass ich mich dafür stark machen werde, dass wir zu einer Altfallregelung kommen. Ich habe aber von vornherein gesagt, dass das nur eine ganz eng begrenzte Regelung sein könne, weil die anderen Unionsminister sonst nie zugestimmt hätten. Es gibt zwei Möglichkeiten, eine Altfallregelung zu schaffen, zum einen per Gesetz im Bundestag. Dafür haben Sie keinen Entwurf vorgelegt, obwohl Sie das jederzeit tun könnten. Die zweite Möglichkeit ist eine einstimmige Regelung in der Innenministerkonferenz. Die einstimmige Regelung haben wir in der Innenministerkonferenz zuwege gebracht. Ich sage an die Adresse von Herrn...: Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen, auch dann nicht, wenn du ein engagierter Flüchtlingsarbeiter bist. Seine Aussage, wir würden das anders als andere Länder handhaben, ist falsch.
Wir machen das bei Familien genauso wie Baden-Württemberg und Hessen, exakt so, wie es vereinbart worden ist. Ich räume ein, dass sich z.B. Rheinland-Pfalz von der Verabredung entfernt hat und weit darüber hinaus geht; bei den anderen SPD-geführten Ländern ist es unterschiedlich. Es stimmt nicht, wie Frau Paulig sagt, dass wir die Altfallregelung nur dann anwenden, wenn die gesamte Familie da ist. Der Begriff Familie beinhaltet aber, dass mehr als einer da ist. Es müssen also entweder die Ehegatten oder ein Elternteil mit Kind da sein, damit der Familienbegriff erfüllt ist.
Nun zur Rückkehr nach Bosnien: Es ist geltendes Recht, dass in jedem Einzelfall nachgeprüft werden muss, ob diejenigen, die zurückkehren, dort sicher sind und geeignete Lebensumstände vorfinden. In verschiedenen Fällen haben Mitarbeiter meines Hauses in Sarajewo die Frage der medizinischen Versorgung geklärt. Mit Unterstützung von Frau Kollegin Stamm – dafür bedanke ich mich ausdrücklich – möchten wir in bestimmten Bereichen die medizinische Hilfe ausbauen, zum Beispiel für die Behandlung von traumatisierten Personen. Das Traumatisierungszentrum in Sarajewo hält es für wichtig, dass diese Menschen von Ärzten behandelt werden, die ihre Sprache beherrschen, und es wäre falsch, sie hier zu behandeln. Wir wollen beim Ausbau des Zentrums in Sarajewo mithelfen und bemühen uns darum, dass ein derartiges Zentrum auch nach Banja Luka kommt. Niemand wird abgeschoben, ohne dass im Einzelfall geklärt ist, dass er eine Lebensgrundlage in dem Land hat, in das er zurückkehrt. Damit können wir uns in Europa vor jedem anderen sehen lassen. Wir haben es nicht nötig, uns in eine fremdenfeindliche Ecke stellen zu lassen. Es bleibt das Vorrecht der SPD, das zu tun.
Wir müssen unser Land in maßvoller Weise für Menschen öffnen, die unserer Volkswirtschaft nützen und die wir brauchen. Das ist eine riesige Aufgabe. Viele Leute haben darauf hingewiesen, angefangen vom Bundeskanzler, dass nicht automatisch jeder, der hierher kommt, der Volkswirtschaft und den Sozialkassen nützt. Der Bundeskanzler hat sehr wohl darauf hingewiesen, dass die Umsteuerung der Einwanderungspolitik sehr viel stärker den wirtschaftlichen Nutzen zu beachten habe, wie es bei allen anderen Einwanderungsländern selbstverständlich der Fall ist. Im wissenschaftlichen Bereich – Stichwort Hochschulen – haben wir in der Vergangenheit relativ großzügig gehandelt.
Ich habe auch darauf hingewiesen, dass man sehr vorsichtig sein muss, wenn es um Menschen geht, die im Wettbewerb mit unseren Arbeitslosen stehen, und dass nicht jeder Wunsch aus dem Handwerk erfüllt werden kann, weil wir eine besondere Verpflichtung gegenüber der einheimischen Bevölkerung haben, sie vor Billigarbeitskräften aus den Drittländern zu schützen. Wer das für ausländerfeindlich hält, dem empfehle ich, so eine Forderung bei Gewerkschaften vorzutragen. Alle Regelungen, die wir mühsam zustande gebracht haben – Tariftreue, Subunternehmer, Nachunternehmererklärung – haben das eine Ziel, die hier lebenden Menschen – dazu gehören auch türkische oder jugoslawische Gastarbeiter – vor einer Verdrängung durch Billigarbeitskräfte zu schützen. Ich stehe auch heute zu meiner Auffassung, dass wir das sorgfältig prüfen müssen und dass wir eine besondere Verantwortung gegenüber den Menschen haben, die nicht viel Geld haben, sondern deren Arbeitsleistung die Grundlage ihres oft bescheidenen Lebensstandards ist.
Dass die Klärung, wo wir Menschen brauchen, die unserer Volkswirtschaft nützen, ein Problem ist, habe ich durch eine Zahl dargetan, die jeder wissen müsste. Im Jahr 1972, dem letzten Jahr der Anwerbung von Gastarbeitern, hatten wir 3,5 Millionen ausländische Mitbür
ger in Deutschland, wovon 2,3 Millionen sozialversicherungspflichtig berufstätig waren. Im Jahr 1998 haben wir 7,3 Millionen ausländische Mitbürger. Das ist eine Steigerung um 3,8 Millionen. Gleichzeitig sind 300000 Leute weniger sozialversicherungspflichtig tätig. Es gibt zwar den Familiennachzug und Selbstständige, aber jeder weiß, dass die Zahl der Arbeitslosen mit dem Faktor 3 und die Zahl der Sozialhilfebezieher unter den ausländischen Mitbürgern mit dem Faktor 4 im Vergleich zur übrigen Bevölkerung malzunehmen ist. Deswegen muss man diese Probleme ernst nehmen.
Ich räume ein, dass ich gesagt habe, wir müssen es konsequent beenden, wenn uns welche ausnützen. Ich habe auch gesagt, wen ich damit konkret meine, nämlich nicht all diejenigen, die als Asylbewerber abgelehnt werden; da gibt es Grenzfälle, über die man streiten kann. Es gibt aber mehrere Zehntausend – das Bundeskriminalamt schätzt, dass es pro Jahr mindestens 50000 Menschen sind –, die durch kriminelle Schleuserorganisationen nach Deutschland mit gefälschten Identitäten und gefälschten Geschichten geholt werden. Diese Leute haben von vornherein das Ziel, sich den Aufenthalt hier möglichst lange mit jedem Rechtsmittel und jeder Verzögerungsmöglichkeit zu sichern, um die Schleuserlöhne zu zahlen und hier selbst eine Zeit zu leben, obwohl sie wissen, dass sie nie eine Chance haben. Da das Bundeskriminalamt erklärt, dass die organisierte Kriminalität durch Schleuser dabei ist, die Drogenkriminalität in Europa zu überholen, muss ein Innenminister auf dieses Problem hinweisen, wenn er seine Pflicht nicht versäumen will. Man reißt aber dieses Problem völlig aus dem Zusammenhang und stellt bestimmte Leute mit polemischer Demagogik in eine ganz bestimmte Ecke, obwohl andere inhaltlich genau dasselbe gesagt haben.
Jeder von Ihnen in der SPD sollte sich einmal mit den Kollegen in Berlin unterhalten. Wir sind in sehr viel engeren Gesprächen. Fragen Sie einmal nicht nur Herrn Schily, sondern auch Herrn Struck oder Herr Wiefelspütz oder auch andere in der Bundesregierung – denen ist völlig klar, dass eine Einwanderungsregelung entweder mit uns gemacht wird oder gar nicht kommen wird. Die Einwanderungskommission, die gerade so gelobt worden ist, hat doch zunächst das Ziel, über die Landtagswahlen in Baden-Württemberg hinauszukommen. Fragen Sie Leute in der SPD. Ich kann Ihnen das Protokoll geben, das zeigt, dass darüber gesprochen worden ist, dass die Kommission nach Möglichkeit über die Landtagswahlen des nächsten Jahres kommen sollte, weil man dieses Thema nicht haben will.
In der Zwischenzeit ist ein Umdenken im Gange. Man sagt, man könnte sich vorstellen, die Zuwanderungskommission zu bitten, schneller zu Ergebnissen zu kommen.
Eines will ich sagen: Jeder weiß, dass ich mit Herrn Schily ein durchaus fruchtbares Spannungsverhältnis habe. Ich muss aber auch sagen: Eine Kommission zu machen, in denen nur Leute von seinen Gnaden sind, in der gleichzeitig aber unsere Meinung dargestellt werden soll – so läuft das in einer Demokratie nicht. In der Demokratie bestimmen schon noch wir selber, wer unsere Meinung darstellt. Es kann nicht etwa so sein, dass Herr Schily sagt: Das sind gute Unionsleute, die hole ich, die Präsidentin a. D., die anderen hole ich nicht herein,
die haben dann anschließend die Ergebnisse zu verkünden. Demokratie ist nicht nur Beifall für Weltstaatsmänner; in der Demokratie heißt die Aufgabe der Opposition, harte Kritik zu üben. Wir machen es hart, aber fair und nicht so, wie heute Herr Maget.
Deswegen sage ich: Wir werden uns dieser Aufgabe stellen. Ich warne jeden, die Einforderung eigener Interessen bei der Frage der Einwanderungspolitik auch nur annähernd in den Bereich des Rechtsextremismus zu rücken. Dies ist ein polemischer Versuch, mit dem Boden gut gemacht werden soll, die politischen Koordinaten verschoben werden sollen. Wir werden es nicht hinnehmen, dass wertkonservative Haltungen unterdrückt werden; denn Demokratie lebt von Toleranz.
Toleranz gibt es nicht nur gegenüber den GRÜNEN und deren Vorstellungen, sondern Toleranz muss dann auch für 60 oder 70% der Bevölkerung gelten.
Derjenige, der den Eindruck erweckt, dass wertkonservative Haltungen, das, was Demokratisch-Konservative darstellen, in den Bereich des Rechtsextremismus fallen, oder, noch unanständiger, Nährboden für Gewalt sind, macht sich nicht etwa an der Demokratie verdient, sondern trägt selbst dazu bei, dass die Demokraten weniger werden und der Extremismus gestärkt wird.
Meine Damen und Herren, als bayerischer Innenminister sage ich: Ich bin froh darüber, dass Ausländer, dass jüdische Mitbürger in Bayern an jedem Platz in unserem Lande sicher leben. Jede der Straftaten, die an ihnen begangen wird, bedeutet eine Beeinträchtigung unserer Rechtsordnung, die uns massivst bedrückt. Polizei, alle Sicherheitskräfte und, Herr Justizminister, natürlich auch Justiz und Staatsanwaltschaft unternehmen alle Anstrengungen, um dies in den Griff zu bekommen und es mit Konsequenz und Härte entsprechend zu verfolgen. Wir haben keine Belehrungen dazu nötig. Wir wissen, dass man mit Extremisten keine gemeinsame Sache macht. Wir wären dankbar, wenn die SPD dies auch wüsste und nicht etwa wegen Ministerposten in
Es hat immer einen demokratischen Grundkonsens gegeben: Mit Extremisten macht man keine gemeinsame Sache. Ich fordere die SPD auf, zu diesem Grundkonsens zurückzukehren. Dann werden wir Gewalt und Fremdenfeindlichkeit wirklich in den Griff bekommen.
Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Kollege Jung. Bitte schön. Herr Kollege, Sie haben theoretisch noch 20 Minuten Redezeit. Die Staatsregierung hat die ihre gerade verbraucht, Herr Staatsminister.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie brauchen keine Sorge zu haben: Wertkonservative Ansichten werden von uns nie als rechtsextrem bezeichnet werden – im Gegenteil: Wir meinen, rechtsextreme Auffassungen finden sich zum Teil bei Ihnen, wertkonservative dagegen schon längst bei den Sozialdemokraten.
Wenn es darum geht, Schöpfung zu bewahren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann sollten Sie sich sowohl hier als auch im Deutschen Bundestag einmal sorgfältig die Diskussionen anhören und prüfen, wo tatsächlich wertkonservative Haltungen zum Ausdruck gebracht werden.
Zunächst zu Ihnen, Herr Fraktionsvorsitzender Glück. Ich habe Ihnen eigentlich mit Hochachtung und Respekt entgegenzutreten. Auch schon der Altersunterschied gebietet dies.
Aber leider ist es aus meiner Sicht für Ihre Funktion peinlich – ich komme um das Wort flegelhaft nicht herum –, wie Sie Ihre Rede begonnen haben.
Der zweite Teil war dann Gott sei Dank anders. Solche Hasstiraden gegen unsere neue Führung, unseren neuen Fraktionsvorsitzenden. Welche Sorgen haben Sie denn, Herr Glück?
Zunächst haben Sie sich bemüßigt gesehen, den Begriff des Ministerpräsidenten von der durchrassten Gesellschaft wieder aufzubringen und haben erklärt, er bedauere diesen Begriff und hätte sich entschuldigt. Dazu haben wir, zumindest ich, bis heute vom Herrn Ministerpräsidenten noch keine Silbe gehört.
Es ist schön, wenn Sie das heute für ihn erklären, aber das sollte doch der Ministerpräsident am besten hier selbst machen. Wir haben Verständnis dafür, dass er nicht da ist; dies lassen wir heute aus gutem Grund durchgehen. Es wäre aber doch angebracht, dies in diesem Haus zu erklären. Warum Sie Ihre Rede so mimosenhaft, so ausfällig begonnen haben, ist mir trotzdem nicht nachvollziehbar, und vor allem haben Sie hierzu nicht den geringsten Anlass.
Der Herr Innenminister hat jetzt sein besonders fruchtbares Verhältnis zu Bundesinnenminister Otto Schily betont. Ich will nicht daran erinnern, wie gerade Otto Schily von Ihnen und Ihren Streitern im Wahlkampf auf’s Übelste diffamiert und mit Hetzparolen belegt wurde. Terroristenanwalt, Gefahr für die nationale Sicherheit und Ähnliches waren noch die harmlosesten Formulierungen.
Welche Ergüsse haben Sie denn über Gerhard Schröder unter anderem im Zusammenhang mit Vorkommnissen vor vielen Jahren in Hannover immer wieder gebracht?