Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 65. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben zwar um Aufnahmegenehmigung gebeten, die auch erteilt wurde; offenkundig ist aber außer dem Bayerischen Rundfunk niemand da.
Der Kollege Traublinger, der heute Geburtstag feiert, ist auch nicht da. Aber wir gratulieren ihm natürlich, wie sich das gehört, und wünschen ihm alles Gute, Gesundheit, Freude und Erfolg bei der parlamentarischen Arbeit.
Ich bitte zunächst Herrn Staatssekretär Freller um die Beantwortung der ersten Fragen. Erster Fragesteller ist Herr Kollege Irlinger, Bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, nachdem die Staatsregierung angekündigt hat, einige Gymnasien und Hauptschulen als Ganztagsschulen zu führen, frage ich, ob, wann und unter welchen Rahmenbedingungen die Hauptschule Spardorf bei Erlangen – ehemals staatliche Ganztagsschule – damit rechnen kann, wieder als Ganztagsschule installiert zu werden.
Herr Abgeordneter Irlinger, von den beiden Staatsministerien für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen sowie für Unterricht und Kultus wird derzeit ein Gesamtkonzept zur familiengerechten Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen erarbeitet. Darin sind auch mögliche Formen von Ganztagsangeboten außerhalb des Unterrichts und der Tagesschule dargestellt.
Das Konzept wird voraussichtlich noch vor der Sommerpause im bayerischen Ministerrat behandelt. Ich bitte um Verständnis dafür, dass erst im Anschluss daran über Standorte oder über Zeitpläne diskutiert werden kann.
Wenn vor der Sommerpause ein Konzept erstellt werden soll, muss es doch ein paar Grundgedanken geben und nach denen frage ich jetzt. Wird es Hauptschulen als Ganztagsschulen geben? Wird es so genannte staatliche Schulen geben, die nicht im Rahmen der Jugendhilfe oder der kommunalen Unterstützung nachmittägliche Betreuung anbieten? Hat damit eine Hauptschule wie Spardorf, die im Brennpunkt liegt
und seinerzeit schon sozial schwache, benachteiligte Jugendliche aufnahm, Chancen, aufgenommen zu werden?
Herr Abgeordneter Irlinger, ich bitte nochmals um Verständnis, dass die Diskussion über das Gesamtkonzept sicherlich auch dafür ausschlaggebend sein wird, wo konkret entsprechende Schulen eingerichtet werden bzw. wo Schulen die Möglichkeit gegeben wird, eine entsprechende Tagesbetreuung anzubieten.
Man wird dabei sicherlich auf die entsprechenden Einzugsbereiche Rücksicht nehmen und auch auf die Schülerklientel. Das ist keine Frage. Mich hat vor einigen Wochen auch schon Herr Abgeordneter Herrmann angeschrieben und auf die besondere Dringlichkeit dieser Schule, der Pentzoldt-Schule, wenn ich sie namentlich benennen darf,
und des Einzugsgebiets bezüglich einer Tagesbetreuung hingewiesen. Diese Schule hat, glaube ich, in der Vergangenheit bereits Erfahrungen als Ganztagsschule sammeln können, was sicherlich ernst zu nehmen ist.
Aber ich bitte um Verständnis dafür, dass ich nicht frühzeitig Hoffnungen wecken möchte, wenn noch nicht feststeht, wie das Gesamtkonzept zwischen dem Familienministerium und dem Kultusministerium aussehen wird und wie es vor allen Dingen auch in Abstimmung mit dem Finanzministerium bezüglich der Finanzierung der Zahl der Standorte aussehen wird.
Nachdem Sie jetzt nichts Konkretes sagen können, bestenfalls vor der Sommerpause mit einem Konzept zu rechnen ist, andererseits Schulträger und das Umfeld Zeit zur Vorplanung und Vorarbeit haben müssen, gehe ich davon aus, dass Sie es genau so sehen wie ich, dass dann für das neue Schuljahr wohl nichts mehr drin ist mit Ganztagsschulen in Bayern.
Herr Abgeordneter Irlinger, Sie wissen, dass insbesondere wenn das Finanzministerium berührt ist, Verhandlungen ausschlaggebend sind, wie schnell etwas umgesetzt werden kann. Wir sind selbstverständlich um rasche Umsetzung bemüht. Auf der anderen Seite gehe ich auch davon aus, dass wir einen gewissen Vorlauf brauchen, der möglicherweise nicht mehr das kommende Schuljahr fasst. Aber auch dies ist eigentlich eine zu früh gegebene Auskunft, weil ich es noch nicht absehen kann.
Uns ist sicherlich an einer frühen Umsetzung gelegen, aber ich kann nicht ausschließen, dass es an verschiedenen Schulen – das hängt davon ab, ob es ein Stufenkonzept geben wird – auch noch ein oder zwei Schuljahre dauert. Ich werde Sie aber umgehend informieren, wenn entsprechende Entscheidungen fallen, auch Spardorf betreffend.
Ich denke, der Herr Staatssekretär ist mit mir einer Meinung, dass sich ein Abgeordneter des Bayerischen Landtags mit dieser Antwort nicht zufrieden geben kann, die im Grunde genommen keine Antwort war. Deshalb bitte ich, in kurzen Worten doch noch einmal deutlich zu sagen, wann und mit welchem Status die bayerischen Schulen mit der Deckung ihres Bedarfs an Ganztagsangeboten rechnen können.
Herr Abgeordneter Irlinger, aufgrund der langjährigen engen Zusammenarbeit, die wir pflegen, wissen Sie sicherlich, dass die Konzepte, die erarbeitet werden, erst abgestimmt werden müssen, damit so viel nach außen gegeben werden kann, dass gehandelt werden kann.
Herr Staatssekretär, nach Artikel 2 des Konkordats zwischen Seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern vom 29. März 1924 unterliegen Orden, die die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts genießen, keiner besonderen staatlichen Beschränkung oder Aufsicht. Für Träger von sozialen oder medizinischen Einrichtungen ist aber eine Aufsicht geboten, da es sich zum Teil um staatlich bezuschusste Einrichtungen handelt, die der Sicherstellung der medizinischen Versorgung der bayerischen Bevölkerung dienen. Dieser Fall ist aber im Konkordat nicht klar geregelt, und nach Artikel 15 § 1 des Konkordats verpflichten sich der Bayerische Staat und der Heilige Stuhl, gemeinsam eine freundliche Lösung herbeizuführen, falls sich bei der Auslegung der Bestimmungen „irgendeine Schwierigkeit“ ergibt. Daher frage ich die Staatsregierung, inwieweit sich der Freistaat Bayern mit dem Heiligen Stuhl in Verbindung gesetzt hat und in welcher Form eine gemeinsame Lösung mit dem Heiligen Stuhl angestrebt wird.
Herr Abgeordneter Dr. Dürr, unabhängig von den Regelungen des Bayerischen Konkordats ist eine Aufsicht der Staatsregierung gegenüber kirchlichen Einrichtungen, die mit der Aufsicht gegenüber nachgeordneten Behörden vergleichbar wäre, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Artikel 4 sowie Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3
der Weimarer Reichsverfassung garantieren das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Darüber hinaus wird das Selbstbestimmungsrecht der kirchlichen Orden durch das Bayerische Konkordat geschützt.
Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat bereits in seiner Antwort vom 29. März dieses Jahres auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Werner Schieder, Drucksache 14/6265, ausgeführt, dass als Kern des Schutzbereichs in Artikel 2 des Bayerischen Konkordats zwar die Entfaltung des religiösen Lebens anzusehen ist, die Orden aber seit Jahrhunderten auch im Bildungswesen und im sozial-karitativen Bereich tätig sind, sodass sich diese Aktivitäten aus dem Schutzbereich der genannten Konkordatsbestimmung nicht ausgrenzen lassen.
Der letzte Satz der Vertragsbestimmung zugunsten der Orden lautet: „In Bezug auf den Erwerb, den Besitz und die Verwaltung ihres Vermögens sowie in der Ordnung ihrer Angelegenheiten unterliegen sie keiner besonderen staatlichen Beschränkung oder Aufsicht.“
Die Aufsicht über kirchliche Orden – auch hinsichtlich eines möglichen sozialen Engagements – kommt den zuständigen kirchlichen Stellen zu. Die Rechtslage ist insoweit klar. Schwierigkeiten bei der Auslegung der einschlägigen Konkordatsbestimmungen, wie sie die Freundschaftsklausel in Artikel 15 § 1 des Konkordats voraussetzt, bestehen daher nicht.
Unter Berücksichtigung der Rechtslage hat die Staatsregierung mit der für die Aufsicht über den Deutschen Orden zuständigen Kongregation der Römischen Kurie Kontakt aufgenommen. Die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens hat mittlerweile einen päpstlichen Visitator für den Deutschen Orden eingesetzt. Die Staatsregierung steht mit ihm in ständigem Kontakt. Der Visitator wird über seine Arbeit an die Kongregation berichten, die die weiteren Entscheidungen zu treffen hat.
Das Fehlen einer staatlichen Aufsicht entbindet die Orden nicht von der Pflicht, die allgemein geltenden Gesetze zu beachten. Wenn Orden soziale oder medizinische Einrichtungen betreiben, werden sie deshalb insoweit nicht anders behandelt als andere Träger. Weder die Krankenhausplanung noch die Krankenhausförderung nach dem KHG und nach dem Bayerischen Krankenhausförderungsgesetz haben aber aufsichtlichen Charakter. Die Krankenhausplanung prüft lediglich, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Krankenhausplan vorliegen. Wenn die Fördervoraussetzungen für Krankenhausinvestitionen vorliegen, hat der Krankenhausträger, egal in welcher Trägerschaft, einen Anspruch auf Krankenhausförderung.
Sofern also der Deutsche Orden als Träger einer sonstigen sozialen Einrichtung auftritt, gelten für diese grundsätzlich die für solche Einrichtungen einschlägigen Vorschriften, wie zum Beispiel das Heimgesetz und die darin geregelte Heimaufsicht bzw. die staatliche Aufsicht nach dem Bayerischen Kindergartengesetz.
Herr Staatssekretär, ich frage nach, in welcher besonderen Weise die Staatsregierung versucht hat, den Heiligen Stuhl an seine Verantwortung im Falle des Deutschen Ordens zu erinnern.
Die Staatsregierung hat in mehrfacher Weise den Heiligen Stuhl daran erinnert. Das ist unter anderem auch bei einem Besuch der bayerischen Kultusministerin in Rom geschehen. Es gibt einen ausführlichen diesbezüglichen Schriftwechsel mit der Römischen Kurie. Die Antwort bestand letztlich auch in der weit reichenden und wichtigen Entscheidung, einen Visitator einzusetzen, der sich um diese Angelegenheiten zu kümmern hat. Aber ich betone noch einmal ausdrücklich und nütze dazu auch die Gelegenheit Ihrer Anfrage, dass die Verantwortung in der Tat voll auf kirchlicher Seite liegt. Für uns war und ist es ganz entscheidend, herauszustellen, dass wir hier eine Körperschaft öffentlichen Rechts kirchlicher Natur haben, wobei die Gesamtverantwortung eindeutig und zweifelsohne bei den kirchlichen Stellen liegt.
Herr Staatssekretär, nachdem mir die Rechtslage, die Sie ausführlich geschildert haben, auch bekannt ist, und nachdem Sie selbst erneut betont haben, dass die Verantwortung in Rom liegt, frage ich Sie, ob dies nicht ein unbefriedigender Zustand ist, weil die Einrichtungen, die der Deutsche Orden führt, in Bayern liegen und bayerische Patientinnen und Angestellte davon betroffen sind. Es ist doch ein Unterschied, ob ich in Rom bin und die Verantwortung habe oder ob ich in Bayern bin und in der Staatsregierung sitze.
Herr Abgeordneter Dürr, ich bitte nochmals deutlich zu unterscheiden, wer bei dieser Rechtsform der Verantwortliche ist. Das ist nicht der Freistaat, sondern das ist eindeutig die Kirche. Wir haben die Kirche in entsprechender Weise auf ihre Verantwortung hingewiesen. Die Verantwortung muss von dort wahrgenommen werden. Wir haben nicht das Recht, anstelle der Kirche Haftung zu übernehmen. Wir haben weder die Pflicht noch das Recht. Ich möchte das nochmals ausdrücklich hervorheben. Die Rechtslage ist auch in den diversen Antworten sehr deutlich dargelegt worden. Auch der Berichtsauftrag des Landtages hat in seiner Beantwortung eine Klarstellung gebracht, was die Haftungsfrage angeht.
Ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich darauf hinweisen, dass die Kirche nicht umhin kommt, die Verantwortung zu übernehmen und zu tragen. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt, der aber
Die Staatsregierung räumt ein, dass die Rechtslage in diesem Punkt unbefriedigend ist. Im Berichtsantrag ist das eingeräumt. Meine mündliche Anfrage zielt deshalb auch darauf, ob die Staatsregierung nicht daran denkt, in diesem Punkt mit dem Heiligen Stuhl nachzuverhandeln, weil diese unbefriedigende abstrakte Verantwortung, die jetzt in Rom liegt, wobei die praktische Verantwortung aber in München liegt, angesichts der Situation nicht länger aufrechtzuerhalten ist.