Sepp Dürr

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute ziemlich viel heiße Luft zum Thema Bürokratieabbau mitbekommen. Bürokratieabbau – darauf hat Kollege Dr. Runge schon hingewiesen – besteht nicht darin, Arbeitnehmerrechte einzuschränken oder den Umweltschutz abzubauen. Es kann nicht darum gehen, bornierte einseitige Interessen durchzusetzen, selbst wenn es die Interessen von Unternehmern sind.
Dafür, was Bürokratie in Bayern wirklich bedeutet, werde ich Ihnen jetzt ein Beispiel geben. Kollege Huber, ich möchte Sie in die Wirklichkeit zurückholen, damit Sie sehen, wie groß die Aufgaben in Bayern sind. Das ist ein kleines, simples Beispiel.
Wir haben zu Hause einen Gemüseanbau. Seit Jahrzehnten fressen die Hasen und die Rehe alles weg. Am Anfang habe ich gedacht, ich lasse sie auch fressen; das sind sozusagen auch Menschen, die wollen auch leben. Die Hasen und Rehe haben sich im Laufe der Jahre bei mir aber immer wohler gefühlt und sich immer weiter ausgebreitet. Im letzten Jahr wurde bei uns im Betrieb nichts mehr geerntet, weil alles abgefressen war. Weit und breit ist nämlich kaum etwas, was man fressen kann; das schmeckt keinem Hasen und keinem Reh mehr. Deshalb kommen sie immer zu uns zum Fressen. Die bevorzugen auch den Ökoanbau. Das haben Fütterungsversuche nachgewiesen.
Wir haben also beschlossen, einen Wildschutzzaun zu errichten. Er kostet ziemlich viel Geld. Das Material kostet viel, und man muss auch viel Arbeit reinstecken. Kollege Huber, ein Wildschutzzaun ist genehmigungsfrei, oder sagen wir: Es heißt, er ist genehmigungsfrei. Sie haben uns vorher mit Stolz erzählt, dass seit der Änderung der Bauordnung 1994 fast ein Drittel aller Wohngebäude genehmigungsfrei gebaut worden sei. Versuchen Sie doch einmal, etwas genehmigungsfrei zu bauen! Wir haben versucht, einen Zaun genehmigungsfrei zu bauen.
Anfang Oktober 2002 haben wir bei unserem Bauamt in Germering eine Anfrage gestellt, ob ein Bauantrag erforderlich sei. Die Auskunft Mitte Oktober, also schon zwei Wochen später, lautete: Wir müssen einen Ortstermin mit einem Vertreter des Bauamts durchführen, weil zwar die Errichtung des Wildschutzzauns bis zu zwei Metern Höhe genehmigungsfrei sei, aber dennoch eine Stellungnahme des Bauamts erforderlich sei; das sei aber kein Problem, die Notwendigkeit sei nämlich klar, und wir bekämen eine Woche nach Rücksprache mit dem Bauamtsleiter Bescheid.
Das dauert nicht so lange, wie die Errichtung des genehmigungsfreien Zauns gedauert hat, keine Frage.
Anfang November letzten Jahres haben wir erneut telefonisch nachgefragt, wo die Antwort bleibt. Dann hieß es: Eine Zustimmung ist nicht möglich, weil das Landwirtschaftsamt dagegen ist. Also haben wir eine Auskunft beim Landwirtschaftsamt eingeholt. Wir haben bei dem Herrn angerufen, der vom Bauamt um eine Stellungnahme gebeten worden war. Er war in Dachau, nicht in Fürstenfeldbruck. Der Fürstenfeldbrucker war offensichtlich nicht da. Er hat den Zaun abgelehnt, wollte aber keine schriftliche Begründung geben, und eine mündliche Begründung hat er nicht zustande gebracht. Er hat aber auf seine Kollegin in Fürstenfeldbruck verwiesen, weil die eigentlich zuständig sei. Obwohl die eigentlich zuständig war, hat er sich eingemischt. Dann haben wir beim Landwirtschaftsamt Fürstenfeldbruck angerufen. Es hieß, wir müssten eine schriftliche Begründung für den Zaunbau liefern, eine Aufstellung des Schadens und einen Lageplan.
Das haben wir denen alles zugeschickt. Ende November haben wir beim Landwirtschaftsamt Fürstenfeldbruck angefragt, wo denn die Stellungnahme bleibt. – Schade, dass Kollege Miller nicht da ist; das wäre für ihn sehr interessant, interessanter als eure langweiligen Anträge. – Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt, weil sie vom Bauamt nicht beantragt wurde. Deswegen hat das Landwirtschaftsamt keine Stellungnahme abgegeben. Trotzdem haben die uns an die Regierung von Oberbayern verwiesen, weil die Stellungnahme zu speziell sei.
Anfang dieses Jahres fand ein Ortstermin statt zusammen mit dem zuständigen Herren der Regierung von Oberbayern. Die haben auch viel Zeit. Die Stellungnahme war positiv. Die Privilegierung war klar. Allerdings darf der Zaun nur 1,80 Meter hoch sein, warum, weiß kein Mensch. Es hieß, die Stellungnahme, die er abgibt, geht an das Landwirtschaftsamt, die können wir nicht haben, die Stellungnahme dürfen sie nur an Behörden geben. Das hat der Herr von der Regierung von Oberbayern gesagt.
Dann – es war schon Februar 2003 – haben wir in Fürstenfeldbruck angerufen, warum es keinen Bescheid gibt. Dort wurde gesagt, sie seien der Annahme gewesen, dass wir ein Duplikat bekommen. Also haben wir erneut warten müssen. Wir haben die Stellungnahme nicht bekommen, weil sie direkt an die Behörden geht, und das Duplikat haben wir auch nicht bekommen. Also haben wir wieder gewartet.
Dann hat das Landwirtschaftsamt doch noch Kontakt mit dem Bauamt aufgenommen. Im März dieses Jahres gab es einen Gesprächstermin im Bauamt mit der Vertreterin des Landwirtschaftsamts und dem Herrn der Regierung von Oberbayern. Die Positionen waren klar. Die Zustimmung konnte eigentlich nicht verweigert werden. Nach einem Hinweis des Landwirtschaftsamtes ist klar geworden, dass der Wildschutzzaun zwar genehmigungsfrei ist, aber ein formloser Antrag inklusive Lageplan und Skizze erforderlich ist; das sollten wir beim Bauamt einreichen. Inzwischen war es März 2003. Im Oktober 2002 hatten wir angefragt, ob ein Bauantrag oder Ähnliches erforderlich ist.
Am 1. April haben wir einen Antrag beim Bauamt eingereicht, und – man glaubt es kaum – nach mehrmaligem Anruf haben wir eine telefonische Zusage bekommen. Am 14. Mai dieses Jahres haben wir eine schriftliche Zusage bekommen, dass wir einen genehmigungsfreien Zaun errichten dürfen.
Wenn alles, was in Bayern genehmigungsfrei ist, so abläuft, dann gute Nacht, Herr Huber!
Der Fahrplan der Ammerseeschifffahrt für den Sommer 2003 weist gegenüber 2002 Einschränkungen auf. Auf der Strecke Stegen – Schondorf – Herrsching fahren danach an Wochentagen nur noch drei (bisher fünf), an den Sonntagen vier (bisher sieben) Schiffe. In der Gegenrichtung verkehren an Wochentagen noch drei (bisher fünf), an den Sonntagen vier (bisher sechs) Kurse. In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung:
Frage 1: Wie wurden die betroffenen Gemeinden am Ammersee über das neue Fahrplankonzept informiert?
Frage 2: Vor welchem Hintergrund wurde der Fahrplan derart zusammengestrichen?
Frage 3: Welches Einsparziel verfolgt der Freistaat mit der Fahrplanausdünnung?
Frage 4: Wie verträgt sich die Fahrplanausdünnung mit dem Flottenerneuerungsprogramm?
Frage 5: Wie steht die Staatsregierung zu ihren Aussagen, die beispielsweise am 11. Mai 2001 in der Welt nachzulesen waren: „Wir wollen die Attraktivität unserer Bayerischen Seenschifffahrt verbessern."?
Antwort der Staatsregierung: Antwort zu Frage 1: Die Schifffahrt Ammersee sammelt bereits im Vorfeld der Fahrplanaufstellung sämtliche ihr unterbreiteten Anregungen und Wünsche und wertet diese umfassend aus. Das Angebot der Schifffahrt Ammersee ist somit das Resultat und nicht erst der Ausgangspunkt eines ständigen Kommunikationsprozesses im Interesse der Fahrgäste. Im Rahmen dieses Kommunikationsprozesses werde ich mich im Juli diesen Jahres mit den Bürger
meistern der Ammerseegemeinden zu einem Gedankenaustausch über die Schifffahrt Ammersee treffen.
Antwort zu Frage 2: Das Angebot der Schifffahrt Ammersee ist nicht zusammengestrichen, sondern qualitativ erheblich verbessert und erweitert worden. Die Schifffahrt Ammersee bietet ab der Schifffahrtssaison 2003 unter anderem erstmals echte große Seerundfahrten auf einer touristisch attraktiven Route an, bei der das lästige Umsteigen am Steg Herrsching entfällt. Ferner werden aufgrund der starken Nachfrage wesentlich mehr Sonder- und Erlebnisfahrten außerhalb des klassischen Linienverkehrs durchgeführt.
Antwort zu Frage 3: Wie bereits dargelegt, ist das Angebot der Schifffahrt Ammersee qualitativ erheblich verbessert und um neue, hochattraktive Angebote erweitert worden. Damit sollen Fahrgastaufkommen und Umsatz nachhaltig gesteigert und die sehr positive Entwicklung der Schifffahrt Ammersee weiter verstetigt werden. Die Fahrgastzahlen der ersten Wochen der neuen Schifffahrtssaison bestätigen die Richtigkeit dieses Konzepts: Im Zeitraum zwischen dem 12. April 2003 und 8. Mai 2003 konnte die Zahl der verkauften großen Rundfahrten gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres mehr als vervierfacht werden!
Antwort zu Frage 4: Dank des neuen Schaufelraddampfers RMS Herrsching konnte die Schifffahrt Ammersee ihre Fahrgastzahlen im vergangenen Jahr trotz ungünstiger Witterung und gegen den Branchentrend um hervorragende 12,9% steigern. Mit den neuen Angeboten sollen die Vorzüge des neuen Schaufelraddampfers, insbesondere seine komfortable Ausstattung und die ausgezeichnete Schiffsgastronomie, noch besser zur Geltung gebracht werden.
Antwort zu Frage 5: Diese Aussage ist unverändert gültig. Mit den neuen Angeboten der Schifffahrt Ammersee wird die Attraktivität der Bayerischen Seenschifffahrt nochmals spürbar gesteigert.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Bio-Anbau in Bayern war einmal Vorbild und Vorreiter für Europa. Heute liegen wir national und international weit zurück. Innerhalb von gut zehn Jahren hat es die Staatsregierung geschafft, aus einem Branchenprimus ein Schlusslicht zu machen und
herunterzuwirtschaften. Sie hat leichtfertig das Kapital verspielt, das die Pioniere des Bio-Anbaus in Bayern mühsam erwirtschaftet hatten, und zwar damals auch gegen den Widerstand von Bauernverband und Staatsregierung.
Die Schweiz und Österreich, in denen der Öko-Anbau damals ähnlich weit entwickelt war wie bei uns, haben vor zehn Jahren erkannt, dass im Öko-Anbau ein großes wirtschaftliches Potenzial liegt und haben entsprechend gehandelt. Unsere Staatsregierung hat dagegen aus rein ideologischen Gründen alles dafür getan, dass der Öko-Anbau in einer Nische bleibt.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, große Hoffnung habe ich nicht, dass Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ablegen. Ein Anzeichen dafür ist schon, dass Sie heute nicht einmal einen Antrag dazu vorgelegt haben, während Sie sonst zu allen Themen, die Ihnen wichtig sind, in der Beratung der Dringlichkeitsanträge Gegenanträge vorlegen. Das ist offensichtlich ein Thema, das Sie überhaupt nicht interessiert. Das wird man bei den Öko-Verbänden und bei den Umweltschutzverbänden gerne hören. Das wird bestätigen, dass Sie immer noch um Jahrzehnte zurück sind.
Sie sollten die großen Chancen nutzen, die die ökologische Landwirtschaft für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber gerade auch für unsere bäuerlichen Betriebe bietet, für die Umwelt, für die Tiere und als Wirtschaftsfaktor. Wir fordern die Staatsregierung auf, ein Aktionsprogramm „Öko-Offensive Bayern“ vorzulegen. Sie muss einen konkreten Stufenplan vorgeben, wie sie ihr selbst gestecktes Ziel, 10% Öko-Anbau in den nächsten 10 Jahren, erreichen will. Das geht am besten mit einer festen Quote von 10%.
Zur Lage des Öko-Anbaus in Bayern: Laut Eurostat 2000 haben Öko-Betriebe in Europa durchschnittlich 3% Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Es führen mit 8% Österreich und Italien. Deutschland war im Jahr 2000 mit 3% nur Durchschnitt. Ein Jahr später, unter Renate Künast, war die Öko-Fläche im deutschen Durchschnitt laut Angaben von Landwirtschaftsminister Miller auf 3,7% gewachsen. Wiederum ein Jahr später lag die Fläche in Bayern – wieder laut Aussagen von Staatsminister Miller – erst bei 3,5%. Wir haben noch nicht einmal den Durchschnitt der Bundesrepublik erreicht; wir sind noch schlechter geworden. Selbst bei der Zahl der ökologischen Betriebe liegt Bayern im Jahr 2002 unter dem deutschen Durchschnitt des Vorjahres: Bayern fällt zurück.
Herr Minister Miller, trotzdem erzählen Sie uns immer noch, wie großartig Sie sind. Das Rezept ist ganz einfach: Sie blenden alle entscheidenden Fakten einfach aus. Zur „Biofach“ haben Sie die absoluten Zahlen der bayerischen Öko-Betriebe genannt und wohlweislich darauf verzichtet, den europäischen oder deutschen Vergleichsmaßstab anzugeben. Als Sie angegeben haben, wie stark sich die Verbandsbetriebe in Bayern gesteigert hätten, haben Sie besonders schäbig getrickst, indem Sie für Bayern das Boom-Jahr 2001 und für Deutschland das Krisenjahr 2002 genannt haben. Sie
haben damals Äpfel mit Birnen verglichen – absichtlich, behaupte ich. So deuten Sie Misserfolge in Erfolge um.
Sie haben für Bayern bei den Verbänden eine Steigerung im Jahr 2001 von 6,8% genannt und behauptet, im Bund habe die Steigerung nur bei 3,8% gelegen. Das stimmt, aber das war im Jahr 2002. In dem Jahr, in dem Sie den Vergleich für Bayern angestellt haben, im Jahr 2001, lag die Steigerung in Deutschland im deutschen Durchschnitt bei 15,14%. Zwischen 15,14%, die man im Bundesdurchschnitt hatte, und 6,8%, die wir in Bayern haben, besteht ein deutlicher Unterschied. Diese Bilanz ist für Sie beschämend. Es ist noch schäbiger, dass das von Ihnen so versteckt wird.
Sie wollen damit die Leute für dumm verkaufen und glauben, dass man mit Tricksen vom Letzten zum Ersten wird. Aber das funktioniert so nicht.
An großspurigen Erklärungen hat es der Staatsregierung noch nie gefehlt. Was ausbleibt sind die Taten. Im Juni 2001 hat Minister Miller erklärt, Bayern soll ein Kompetenzzentrum für Ökolandbau werden. Er und Ministerpräsident Stoiber haben ein eigenes Forschungsinstitut für Öko-Landbau angekündigt. Man wolle den Anteil des Bio-Landbaus an der gesamten Landwirtschaft von derzeit 2,5% auf später 10% steigern. Damit sind der Herr Minister und auch der Herr Ministerpräsident hausieren gegangen. Bayern strebe beim Öko-Landbau eine Vorreiterrolle an.
Ja, von hinten. Die Letzten sind wir. Wir waren einmal vorne. Wir waren über Jahrzehnte die Ersten. Zu uns sind die Leute gekommen, um zu lernen. Jetzt stehen wir mit leeren Händen da. Das ist ein Resultat Ihrer Politik.
Das von Ministerpräsident Stoiber und Minister Miller ausgegebene Ziel, 10% Öko-Anbau in den nächsten Jahren, ist ohne verbindliche Schritte und einen konkreten Stufenplan nicht zu erreichen. Prof. Hamm und andere haben den europäischen Öko-Markt analysiert und haben ein Erfolgsrezept gefunden. Staatliche Politik müsse funktionierende Märkte stützen, also beide Seiten, die Nachfrage und die Angebotsseite gleichzeitig fördern. Ganz wichtig, wenn man wirklich eine Ausweitung des Marktes will, seien Forschung, Beratung, Erziehung und Verbraucherinformation. Vorbildlich war für Hamm und andere der staatliche Aktionsplan in Dänemark. Aus diesen Erfahrungen heraus, die man in Europa inzwischen gemacht hat und mit denen man sehr viele Erfolge erzielt hat, von denen wir in Bayern noch weit entfernt sind, fordern wir ein Aktionsprogramm „Öko-Offensive Bayern“ mit folgenden sechs Schritten:
Erstens. Es muss ein Stufenplan festgelegt werden. Die Staatsregierung muss konkrete Maßnahmen benennen, wie sie diese 10% Öko-Anbau, die sie angeblich anstrebt, stufenweise und in welchen Schritten bis zum Jahr 2006 erreichen will.
Zweitens. Umstellung der Förderpolitik: Das Aktionsprogramm muss einen eigenen Titel im Agrarhaushalt bekommen.
Er soll 10% der bayerischen Agrarfördermittel umfassen. Das ist ja logisch: Wenn man 10% will, muss man dafür auch 10% ausgeben. Die Agrarförderpolitik muss umgestellt werden. Je mehr ökologische, tiergerechte und arbeitsmarktrelevante Leistungen erbracht werden, desto stärker muss in Zukunft auch in Bayern gefördert werden. Deshalb müssen die Abstände in der Förderhöhe zwischen anerkannter ökologischer Bewirtschaftung und den addierbaren Einzelfördertatbeständen der konventionellen Betriebe spürbar erhöht werden.
Drittens: Forschung und Lehre ökologisieren. Forschung, Lehre, Ausbildung und Beratung sollen 10% ihrer Mittel und ihres Personals zur Förderung des ökologischen Anbaus einsetzen. Bei der neuen Landesanstalt wären das zum Beispiel 100 Leute; sie dürften künftig für den Öko-Anbau arbeiten. Die EU-Kommission hat vor kurzem gefordert, Forschung, Ausbildung und Beratung in den Ländern besser auf die Erfordernisse der Öko-Landwirtschaft auszurichten. Da gäbe es einen hohen Bedarf.
Einen ziemlich hohen Bedarf gibt es bei uns in Bayern, Herr Minister Miller. Ein erster Schritt wäre ein eigenes Institut für ökologischen Anbau, das Sie und der Ministerpräsident versprochen haben. Außerdem muss der seit vier Jahren leerstehende, nur auf dem Papier existierende Lehrstuhl in Weihenstephan für ökologischen Landbau endlich besetzt werden.
Viertens: Ernährungsberatung neu organisieren. Die staatliche und schulische Ernährungsberatung muss herausstellen, wie wichtig die Ernährung mit ökologischen Lebensmitteln für Gesundheit und Lebensqualität ist. Es ist absurd, wenn Minister Sinner bunte Prospekte zu gesund Essen und Trinken auflegt, aber kein einziges Wort über Bioprodukte verliert.
Die sind gesünder. Auch wenn darüber in Bayern nicht geforscht wird – anderswo hat man die bessere Qualität von Öko-Lebensmitteln bereits nachgewiesen. Beispielsweise hat eine Studie der University of Washington gezeigt, dass Kinder, die mit Bio-Lebensmitteln ernährt werden, in einem sechs- bis neunmal geringerem Umfang giftigen Pestiziden ausgesetzt sind als Kinder mit konventioneller Nahrung. Das ist ein drastischer Unterschied. Dazu erwarten die Menschen auch in Bayern ein Wort von Minister Sinner. Herr Sinner, dazu dürfen Sie ruhig einmal etwas sagen. Statt zu jubeln, dass 70% des bayerischen Obstes und Gemüses nicht mit Pestiziden belastet sind, sollten Sie sich einmal Gedanken über das restliche Drittel machen. Was ist denn mit diesen 30%, die permanent mit Pestiziden belastet sind? Herr Minister, bei Milch, bei Fleisch und bei Käse sieht es noch düsterer aus. Nur 10% sind frei von Pestiziden. Das ist die Bilanz Ihrer Politik. Finden Sie sie toll?
Finden Sie Pestizide gesund? Finden Sie es gut, wenn diese in Lebensmitteln sind? Ist das das Ziel Ihrer Politik?
Obwohl das so ist, behaupten Minister Sinner, Minister Miller und die gesamte CSU immer wieder, es gebe keinen Unterschied zwischen Öko und konventionell. Wenn ich Sie so anschaue: Die Affen in Kopenhagen sind schlauer; sie wählen immer zuerst die Bio-Bananen; erst wenn nichts anderes mehr da ist, nehmen sie die konventionellen. So machen die das. Die konventionellen Bananen schälen sie; die ökologischen essen sie mit Schale. Das müssen Sie nicht nachmachen, aber sonst sind sie ein Vorbild für Sie.
Fünftens: Imagekampagne durchführen. Die Staatsregierung muss Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast endlich darin unterstützen, die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Vorzüge regionaler Herkunft, artgerechter Tierhaltung und ökologischer Produktion aufzuklären. Bayerische Marken mit definierten ökologischen und sozialen Standards müssen besser beworben und gefördert werden.
Sechstens: Großküchenprogramm nach österreichischem Vorbild.
Das ist ein Witz. Das ist ja das Problem. Deswegen wollten wir ja das österreichische Modell. Leider kenne ich es. Das, was ich kenne, ist verheerend. Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten kürzlich aufgefordert, zugunsten des ökologischen Anbaus aktiv zu werden. Haben Sie schon gehandelt, Herr Minister Sinner? Insbesondere Großküchen von Schulen, Unternehmen und Krankenhäusern müssten gewonnen und unterstützt werden. Deshalb fordern wir, dass beim Ausbau der Mittags- und Ganztagsbetreuung Küchen eingeplant werden und dass darin auch 10% ökologische Erzeugnisse aus Bayern eingesetzt werden. Wir brauchen Richtlinien für Großküchen der staatlichen Behörden und der öffentlichen Einrichtungen. Das und anderes kann die Staatsregierung in Österreich lernen. Man kann lernen, wie man Kostensätze anpasst, wenn es sein muss, und eventuelle Mehrkosten ersetzt. Zum Beispiel hat allein das Bundesland Oberösterreich im letzten Jahr über 360000 e dafür bereitgestellt. Wer Hemmungen hat, von Österreich zu lernen, kann sich, Herr Minister Sinner, immer noch die dänischen Affen zum Vorbild nehmen. Der Kopenhagener Zoo bietet seinen Tieren schon seit zwei Jahren 10% Bio-Futter an und will diesen Anteil bis 2005 auf 33% erhöhen. Das wäre doch auch ein Vorbild für Sie.
Kolleginnen und Kollegen, Ministerpräsident Stoiber hat erklärt, er wolle den Anteil des Öko-Landbaus in Bayern auf 10% steigern. Davon sind wir kilometerweit entfernt. Bayern ist vom Vorbild zum Nachzügler geworden. Unsere Nachbarländer Italien und Österreich haben bewiesen, dass durch gezielte Programme ein Markt für Ökoprodukte geschaffen werden kann. Diesen muss man schaffen; dafür muss man etwas tun. Man kann das nicht einfach dem Markt überlassen. Dass so etwas geht, kann man in diesen Ländern lernen.
Das ist auch ein Ausweis für Ihre dürftige Sachkenntnis, Herr Minister.
Genauso wie Ihre Politik und wie Sie reden, sehen auch Ihre Resultate aus. Bayern ist zurückgefallen. Das ist Ihr Resultat. Das kann sich Bayern aber nicht leisten.
Wir können es uns nicht leisten, national und international den Anschluss zu verpassen. Gerade für unsere bäuerlichen Betriebe bietet die ökologische Landwirtschaft eine zukunftsfähige Perspektive. Deswegen sollten Sie unserem Antrag zustimmen, auch wenn es Ihnen schwer fällt.
Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! Es ist bezeichnend – Kollege Dr. Scholz hat das am Ende seines Beitrags deutlich gemacht – welches Menschenbild die CSU hat. Sie müssen die Menschen bevormunden.
Natürlich, Sie müssen die Menschen bevormunden.
Wir reden über Erwachsene, die motiviert sind und die sich weiterbilden wollen. Sie kennen ihre Qualifikationen und sie haben im Laufe ihres Berufslebens Selbstbewusstsein entwickelt. Sie sind erwachsen genug, um dies anzugehen. Diese Menschen wollen Sie deckeln. Ich finde das absurd. Es wäre verständlich, wenn Sie diese Menschen vor irgend etwas schützen müssten.
Sie aber wollen ihnen den Zugang verwehren. Das ist ständestaatliches Denken und Dünkel. Sie denken, diese Menschen sind nicht gut genug für die akademische Ausbildung.
Es gibt zwei Punkte, einmal die Qualifikation und zum anderen die Motivation. Sie stellen die Qualifikation infrage. Ich meine – Kollege Dr. Scholz hat dies ausführlich dargestellt –, dass die Qualifikation da ist. Sie sind qualifiziert und wollen sich weiterbilden. Sie wissen, auf welchen Weg sie sich einlassen, ganz im Unterschied zu Abiturienten, die dies sehr häufig nicht wissen und häufig nicht motiviert genug sind. Deshalb sind die Abbrecherquoten so hoch. Die Menschen, die den beruflichen Weg gehen, sind motiviert und qualifiziert. Sie können die Weiterbildung schaffen. Würden Sie an die individuelle Förderung glauben und würden Sie den Menschen Chancen einräumen, würden Sie nicht die Decke einziehen.
Zwar wird den Studierenden zugetraut, das Latinum nachzuholen, das Erlernen einer lebenden Sprache nicht. Sie glauben nicht, dass sich ein intelligenter Mensch Englisch studienbegleitend aneignen kann. Sie haben anscheinend damit ein Problem.
Diese Meinung ist durch nichts gerechtfertigt, außer durch Ihren Dünkel. Das ist bezeichnend für Ihr Menschenbild. Das ist ein Skandal.
Herr Staatsminister, nachdem im Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz erwogen wird, im Veterinärwesen die momentan verwendete Software für das Datenerfassungs- und Informationssystem für die Veterinärverwaltung, DIVA, durch eine neu zu entwickelnde zu ersetzen, frage ich die Staatsregierung, inwiefern die bisherige, die nach allen Auskünften mittlerweile den Anforderungen gerecht wird, nicht durch Updates zu behebende Mängel aufweist, welche Kosten für Entwicklung und Implementierung der neuen Software anfallen und mit welchen Folgekosten für Pflege, und Wartung der Software sowie für Schulungen gerechnet wird.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, bitte.
Deshalb wurden verschiedene Möglichkeiten untersucht, wie man die Übermittlung von Daten ohne Medienbrüche durchführen kann. Wir wollen eine qualitativ bessere und schnellere Datenübermittlung. Bei dieser Frage wird berücksichtigt, dass an den Landratsämtern, die Sachaufwandsträger sind, bereits funktionierende Softwarelösungen im Einsatz sind. Im Veterinärwesen ist es das Programm DEVIS, das aus dem Programm DIVA weiterentwickelt wurde. Ich sage dies, damit nicht der Eindruck entsteht, hier würde ein anderes Programm eingeführt. DEVIS ist DIVA, und es wird landesweit eingesetzt.
Um diese Investition zu schützen – es wurde viel Geld investiert – und um die bereits geleisteten Schulungsaufwendungen zu sichern, werden wir eine Schnittstelle für den Datenaustausch entwickeln. Damit kann DEVIS oder auch ein anderes Programm – manche Landratsämter verwenden eine andere Software –, nach kleinen Modifikationen, weiter verwendet werden. Die Anpassung von DEVIS wird im Rahmen der laufenden Programmpflege erfolgen. Mit dieser Schnittstelle wollen wir auch die Lebensmittelüberwachung und die Futtermittelkontrolle durch die derzeit eingesetzten Programme
bedienen. Das bedeutet, wir schaffen über eine Schnittstelle eine Komplettlösung.
Das wird derzeit im Rahmen einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Sachaufwandsträgern überlegt. Ich möchte aber hinzufügen, dass es sinnvoll wäre, wenn die Landratsämter selbst bei der Lebensmittelüberwachung und im Veterinärwesen Schnittstellen schaffen würden, um den Datenaustausch auch vor Ort zu ermöglichen. Das ist auch eine Aufgabe der Landratsämter als Sachaufwandsträger. Die Arbeit der vor Ort tätigen Lebensmittelüberwacher und Veterinäre würde damit deutlich erleichtert.
Es wird also keine Investition vernichtet, sondern wir versuchen das Programm weiterzuentwickeln. Diese Weiterentwicklung lässt sich mit dem Begriff „Update“ umschreiben. Es geht also um interne Schnittstellen sowie um Schnittstellen nach oben, zum Ministerium und zum Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es Zusatzfragen? – Herr Dr. Dürr, bitte.
Habe ich Sie richtig verstanden, DEVIS bzw. DIVA sollen nicht durch neue Programme ersetzt werden, sondern im bestehenden System sollen die Mängel, die derzeit beispielsweise bei der Übermittlung von Daten der Lebensmittelund Futtermittelkontrolle nach München entstehen, bereinigt werden? Der Standard, der jetzt in der Veterinärverwaltung erreicht wurde, ist – wie Sie sich wohl noch erinnern können – sehr mühsam erkauft. Deshalb ist in den Veterinärämtern die Angst sehr groß, dass man vielleicht von Neuem anfangen und viel Mühe und Zeit in neue Programme investieren muss.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, bitte.
Möglicherweise machen wir auch einen Rahmenvertrag, dass man neue Anlagen installiert. Es gibt Landratsämter, die noch nicht so weit sind, weshalb wir landesweit noch nicht zu einheitlichen Standards kommen. Das wären dann aber Neuentwicklungen. All diesen Problemen kann durch die Schnittstellen Rechnung getragen werden. Damit haben wir eine Lösung, die die Vielfalt,
die sich an den Landratsämtern entwickelt hat, integriert. Die Probleme, die Sie geschildert haben, werden damit vermieden. Insofern haben Sie mich richtig verstanden.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es weitere Zusatzfragen, Herr Dr. Dürr? – Bitte.
Mit welchen Kosten bzw. Folgekosten rechnen Sie?
Derzeit werden die Anforderungen zusammengestellt und mit dem Landkreistag und den Betroffenen abgestimmt. Es sind auch Anwender dabei, sowohl von der Lebensmittelüberwachung als auch von den Veterinären. Wir gehen davon aus, dass das Konzept im Laufe des nächsten halben Jahres ausgeschrieben und installiert wird. Sie wissen selbst, ein Programmieraufwand ist vorher nicht exakt vorherzusagen. Es kommt auch darauf an, welche Zusatzwünsche es noch gibt und wie man die Daten verdichten will. Wir orientieren uns an den Lösungen in anderen Bundesländern. Baden-Württemberg beispielsweise verwendet hauptsächlich HAMLET. Die Firma BALVI in Nordrhein-Westfalen arbeitet vor allem mit der Schnittstellenlösung. Auch dort sind Entwicklungsprozesse im Gange. Möglicherweise können wir auch vorhandene Entwicklungen übernehmen bzw. auf sie zurückgreifen. Das alles ist aber Gegenstand der Arbeitsgruppe und der nachfolgenden Ausschreibung.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächster Fragesteller ist Herr Prof. Dr. Vocke. Bitte.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Um es kurz zu machen – meine grundsätzlichen Ausführungen zu dem Thema habe ich gestern schon gemacht –: Das Gesetz ist überfällig; denn allzu lange wurde nur versprochen und nichts getan. Deshalb können wir dem Gesetz zustimmen.
Wir haben auch kein Problem mit dem Gesetz selbst, sondern mit der Umsetzung. Bei uns im Landwirtschaftsausschuss wurde ausführlich diskutiert, wobei Nachfragen von allen Fraktionen kamen. Auch Herr Kollege Zengerle, der nicht da ist – doch, da hinten steht er, aber er hört nicht zu; das macht nichts; dann sage ich es für ihn – hat sich sehr kritisch geäußert. Die Ausschreibung und das Ergebnis der Ausschreibung haben alle drei Fraktionen mit Skepsis gesehen. Leider werden wir in unserer Skepsis schon jetzt bestätigt, weil der größte Auftrag
nehmer, der ab 1. Januar die Tests vor allem in Schwaben durchführen soll, in Verruf gekommen ist. Es gibt drastische Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. Wohlgemerkt: Das ist derjenige, der von den vier Laboren mit Abstand den größten Auftrag in Bayern bekommt.
Der zweitgrößte Auftragnehmer, der TGD, der auch nicht viel weniger Aufträge bekommt, bereitet aus unserer Sicht ebenfalls Probleme, und zwar für die Bauern und Schlachthöfe. Der TGD versteht sich anscheinend von seinem Charakter her als mehr oder minder halbstaatliche Einrichtung, was man daran merkt, dass er – wie mir von Schlachthöfen berichtet worden ist – ab 17.00 Uhr nicht mehr in der Lage ist, Aufträge auszuführen. Ich hoffe, das wird sich in Zukunft in der Weise bessern, dass Proben auch noch kurz vor 17.00 Uhr angenommen werden und den Schlachthöfen zügig die Ergebnisse mitgeteilt werden, was bis jetzt offensichtlich nicht der Fall ist. Aus diesem Grund haben andere Labore den Auftrag bekommen und der TGD nicht mehr. Deswegen war er nicht mehr im Rennen.
Der zweite Punkt, den ich schon in einem Schreiben an Staatsminister Sinner angesprochen habe, ist der reduzierte Umsatzsteuersatz, mit dem der TGD arbeitet, der aber angeblich nicht in die Kalkulation eingegangen ist bzw. eingegangen ist, aber mitgeteilt wurde, dass der TGD die Tests auch mit einem normalen Steuersatz durchführen könnte. Ich finde das trotzdem sehr zweifelhaft und merkwürdig. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass Organisationen, die staatlich unterstützt werden, nicht mit Privatunternehmen in Konkurrenz treten sollen. Genau das ist beim TGD mit den Laboren der Fall. Wir werden die Ergebnisse der Ausschreibung und die Umsetzung dieses Gesetzentwurfs sehr kritisch beobachten.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Anders als Herr Kollege Spaenle im Eingangssatz andeutete, glaube ich nicht, dass wir heute das Thema zu Ende bringen. Ich sehe die heutige Behandlung des Themas als weiteren Schritt dazu, uns mit unseren Fundamenten und mit den Voraussetzungen unserer Demokratie auseinander zu setzen und unsere Demokratie weiterzuentwickeln. Der politische Prozess geht auch heute weiter. Auch dieser Gesetzentwurf ist sichtbar ein Teil des politischen Prozesses und der politischen Voraussetzungen, wie wir sie zurzeit in Bayern haben.
Mit dem nun vorliegenden Gesetz wird jedoch erstmals in Bayern ein gesetzlicher Rahmen für die KZ-Gedenkstättenarbeit geschaffen. Diesen weiteren Schritt begrüßen wir ausdrücklich. Der damit verbundene Diskussionsprozess hat gezeigt – es wurden mehrere Entwürfe notwendig und eine Anhörung durchgeführt –, dass wir uns auch heute noch schwer tun, die Erinnerung an die nationalsozialistische Terrorherrschaft, an die rassistische Massenvernichtung und das Gedenken an die Opfer in eine Form zu bringen, die allen Beteiligten gerecht wird. Bei der vom Landtag durchgeführten Anhörung wurde beispielsweise deutlich, dass bei den Opfern und deren Organisationen die Wunden, die ihnen in der Zeit des Nationalsozialismus zugefügt wurden, nicht verheilt sind. Allein deshalb ist ein hohes Maß an Sensibilität und Kooperation mit den Opfern und ihren Organisationen erforderlich, wenn wir Erinnerungsarbeit konzipieren und umsetzen.
Frau Köhler, die ich heute krankheitsbedingt vertrete, hat in der Ersten Lesung bereits Dr. Jack Terry, einen ehemaligen KZ-Häftling, zitiert, dessen Ausführungen exemplarisch deutlich gemacht haben, wie wichtig es war, die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in das Stiftungsgesetz aufzunehmen. Dies ist also nicht nur vonseiten der Städte, sondern auch vonseiten der Opfer wichtig.
Des Weiteren begrüßen wir es ausdrücklich, dass es durch die intensive Diskussion möglich wurde, die Bedeutung der Außenlager hervorzuheben und in den Gesetzentwurf einzubeziehen; denn die Opferorganisationen klagten immer wieder, dass sie als die „vergessenen Lager“ bezeichnet werden müssen. Frau Köhler zitierte auch Herrn Uri Chanoch, einen ehemaligen Häftling des Außenlagers 1 des KZ Dachau. Nicht nur Dachau und Flossenbürg waren Horte des Grauens, sondern wir hatten ein ganzes Netz von Lagern, in denen nicht weniger Grausames passierte, etwa in Mühldorf und in Landsberg-Kaufering. Die dort verur
sachten Leiden müssen ebenfalls dokumentiert werden. Auch diese Orte sind in der Pflicht. Sie setzen sich bereits zum großen Teil mit ihrer Geschichte – die teilweise nicht nur ihre, sondern unser aller Geschichte ist – wesentlich offener und intensiver als früher auseinander.
In der Diskussion steht jetzt wieder der Spöttinger Friedhof in Landsberg. Auch er gehört in diesen Zusammenhang, weil dort ein Teil der Geschichte, die wir heute diskutieren, mit den Hinrichtungen der Kriegsverbrecher ein Ende gefunden hat. Auch die dazu geführte Diskussion zeigt, dass wir noch lange nicht am Ende unseres Diskussionsprozesses angelangt sind. Der Diskussionsprozesses wird wohl nie ein Ende nehmen, weil wir unsere Demokratie lebendig erhalten müssen, auch in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Trotz intensiver Diskussion und mehrmaliger Änderungen ist es leider nicht gelungen, bei der Zusammensetzung des Stiftungsrates eine befriedigende Lösung zu finden. Der Stiftungsrat ist leider exekutivlastig. Bei den Opfern wurde immer eingewendet, so viele Leute könne man nicht aufnehmen – bei der Exekutive war dies sehr wohl möglich. Man konnte zwischen den einzelnen Ministerien differenzieren. Dieser Punkt schmerzt uns und Teile der Opferorganisationen nach wie vor. Wir glauben, dass die Verstärkung der Opferorganisationen im Stiftungsrat allein schon deswegen für sie notwendig gewesen wäre, weil sie mit der Gedenkstättenarbeit und damit mit der Voraussetzung für das heutige Gesetz erst begonnen haben; denn sie haben die Erinnerungsarbeit immer wieder angemahnt und in Dachau, Flossenbürg, Mühldorf und Kaufering darauf gedrungen, dass die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät.
Auch die Finanzierung ist, wie Herr Kollege Dr. Hahnzog schon gesagt hat, nicht zufriedenstellend gelöst. Wir hoffen auf die Chance, ein eigenes Stiftungskapital aufzubauen. Wir sehen natürlich, dass dies momentan schwierig ist, wollen dieses Vorhaben aber nicht aus dem Auge verlieren.
Wir unterstützen bei der Frage der Besetzung des Leiters der Stiftung die Anregungen von Herrn Benz vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Er sprach sich dafür aus, eine unabhängige Persönlichkeit fachlicher und moralischer Autorität zu suchen.
Wir brauchen ein den Bedürfnissen der betroffenen Menschen und der historischen Katastrophe angemessenes Stiftungsrecht, um all diesen Anforderungen gerecht zu werden. Einen Teil davon konnten wir mit diesem Gesetz wirklich befriedigen. Eine lebendige Erinnerungsarbeit ist eine Maßnahme gegen das Vergessen in der Geschichte, aber auch eine Maßnahme für unsere Zukunft. Sie ist die Voraussetzung für einen über sich selbst aufgeklärten demokratischen Rechtsstaat.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem kabarettistischen Beitrag ist es schon schwer, wieder zum Ernst der Lage zurückzufinden.
Der Schock der BSE-Krise ist genau zwei Jahre her. Damals wurde für alle wieder einmal sichtbar, dass auch
in Bayern die Welt weder heil noch in Ordnung ist – im Gegenteil: Wegen kurzsichtiger wirtschaftlicher Interessen hat die Staatsregierung den vorbeugenden Verbraucherschutz sträflich vernachlässigt. Unsere Bäuerinnen und Bauern wiederum sahen sich von Regierung und Bauernverband hilflos den Machenschaften der Futtermittel- und Fleischlobby ausgeliefert. Ministerpräsident Stoiber hat letzte Woche an dieser Stelle von einer beispiellosen Vertrauenskrise zwischen Bürger und Politik gesprochen. Das war die BSE-Krise. Diese Vertrauenskrise war und ist heute beispiellos. Die Menschen in Bayern hatten jedes Vertrauen in die Staatsregierung und in den Ministerpräsidenten verloren.
Agrarpolitik in Bayern war damals schon Chefsache. Der Ministerpräsident selber hatte sich vor der BSE-Krise zum höchsten Lobbyisten der Agrar- und Fleischindustrie ausgerufen. Er hat sich an die Spitze derer gesetzt, die alle vorbeugenden Maßnahmen zum Verbraucherschutz blockiert haben. Danach musste er dann das eigene Versagen möglichst schnell überspielen, und dafür hat er ein neues Ministerium aus dem Hut gezaubert, wobei, weil es gar so schnell gehen musste, unterwegs auch gleich der Minister verloren ging. Er hat dann einen anderen gefunden, und er legte schnell noch einmal 600 Millionen DM für die so genannte Verbraucherinitiative auf den Tisch. Heute wird dieser Tisch abgeräumt. Von der Verbraucherinitiative bleibt nichts mehr übrig.
Um nochmals Ministerpräsident Stoiber von letzter Woche zu zitieren: Ohne Glaubwürdigkeit der Regierung gibt es keine sinnvolle und zukunftsfähige Politik. Es ist genau umgekehrt: Nur eine sinnvolle und zukunftsfähige Politik schafft Glaubwürdigkeit.
Wer wie Ministerpräsident Stoiber fundamentale politische Probleme mit ein paar Show-Effekten aus der Welt schaffen will, verschärft auf Dauer nur die Vertrauenskrise seiner Politik. An der Ausrichtung der grundfalschen bayerischen Agrar- und Verbraucherschutzpolitik hat sich in den vergangen zwei Jahren nichts geändert. Es sollte sich ja auch nichts ändern. Der Bauernverband und die Agrar- und Fleischlobby geben nach wie vor den Ton an, zulasten der bayerischen Verbraucherinnen und Verbraucher und zulasten der bayerischen Bauern.
Ich habe damals vor zwei Jahren kritisiert, die Staatsregierung handle nach dem Motto des Fürsten von Salina: Es muss sich etwas ändern, damit alles so bleiben kann, wie es ist. Genauso ist es gekommen.
Sehen wir uns einmal die beiden Kaninchen an, die der Ministerpräsident in höchster BSE-Not aus dem Hut zauberte: das so genannte Verbraucherministerium und die so genannte Verbraucherinitiative. Was haben sie
gebracht? Wie geht es weiter? Schon bevor die neue Streichungsliste kam, hat die „Main-Post“ getitelt: „Die Kunst der leeren Pakete – Verbraucherinitiative fällt dem Rotstift zum Opfer“. Die „Main-Post“ hat gespottet, von der Verbraucherinitiative ist außer einem teuren Ministerium nicht mehr viel übrig geblieben. Genauso ist es.
Gehen wir mal die einzelnen Punkte der Verbraucherinitiative der Reihe nach durch, so wie sie am 14. Februar 2001 vom Ministerpräsidenten vorgestellt wurden.
Erstens. Verstärkung und Kontrolle des Verbraucherschutzes vor Ort, 72 Millionen DM. Das ist einer der Kernbereiche des neuen Ministeriums. Minister Sinner erklärte dazu im September vorigen Jahres, die zusätzlichen 360 Stellen seien im Wesentlichen besetzt bis auf die 75 Veterinärassistenten, die zum 1. Oktober eingestellt würden – wohlgemerkt zum 1. Oktober 2001. Jetzt, Anfang Dezember 2002, kann Minister Sinner schon wieder einen Erfolg feiern: Er stellt das neue Berufsbild des Veterinärassistenten und dessen Ausbildung vor.
Knapp zwei Jahre nach der Ankündigung sind die 75 Veterinäre schon in Ausbildung, aber es sind nur noch 71. Das ist eine tolle Leistung. Sie sollen Futtermittelproben nehmen und die Tierkennzeichnung kontrollieren. Wer hat diese Arbeit bisher gemacht? Gab es da eine Lücke im Verbraucherschutz, oder sind sie überflüssig?
Zweitens. Verbesserung der Schlachttechnik, 10 Millionen DM. Seit Ihren ersten Tagen als Minister, Herr Minister Sinner, haben Sie sich gerühmt, sichere Schlachttechniken eingeführt zu haben. Im Haushalt sind aber jetzt statt 5 Millionen e nur bescheidene 250000 e für Studien, Gutachten und Forschungsaufträge eingestellt. Das heißt doch, dass Sie entgegen Ihrer beständigen Prahlerei über das Versuchsstadium noch nicht hinaus sind. Heißt das nicht, dass hier eine eklatante Lücke im Verbraucherschutz klafft?
Drittens. BSE-Forschung, 20 Millionen DM. Hier sind wir noch keinen Schritt weiter – außer Kollege Kiesel, der sowieso schon alles weiß. Wir wissen aber bis heute nicht, warum BSE regional gehäuft und innerhalb Bayerns wiederum regional gehäuft auftritt. Wir wissen sogar noch weniger, als Staatsregierung und Wissenschaft bis jetzt behauptet und erklärt haben zu wissen. Inzwischen wird sogar vermutet, dass BSE nicht nur die Variante, sondern die klassische Kreuztfeld-JacobKrankheit verursachen könnte. Sie, Herr Minister, haben dem Landtag auf einen Landtagsbeschluss hin versprochen im Dezember einen Zwischenbericht über die Forschungsergebnisse vorzulegen. Jetzt ist es Dezember. Wo ist der Bericht?
Viertens. Verbraucherinformation, 13 Millionen DM. Daran, wie Sie, Herr Minister, diese Aufgabe missverste
hen, wurde im Haushaltsausschuss selbst von Ihrer eigenen Fraktion massiv Kritik geübt. Sie verstehen darunter offensichtlich in erster Linie Öffentlichkeitsarbeit und den medialen Tätigkeitsnachweis für Ihr Ministerium. Eine große Windmaschine ist aber noch lange kein Beweis dafür, das Sie tatsächlich etwas bewegen.
Im Gegenteil: Je mehr Wind Sie machen, Herr Minister, desto offensichtlicher wird, wie wenig Ihr Ministerium tatsächlich bewirken kann.
Fünftens. Qualitätssicherungssysteme. Kollege Kobler, mit 30 Millionen DM sollte die vielzitierte gläserne Produktion verwirklicht werden. Inzwischen gibt es ein so genanntes Qualitätssiegel für Rindfleisch aus Bayern; das ist das Nachfolgeprogramm des unsäglichen QHBs. Dieses Programm hieß garantiert BSE-freie Herkunft.
Mit diesem Programm wird die alte Tradition der Verbrauchertäuschung konsequent fortgesetzt; denn das neue Qualitätssiegel enthält im Wesentlichen Vorschriften, die schon jetzt – oder bald – gesetzlich verpflichtend sind, sagt aber nichts aus über die Art der Tierhaltung und gar nichts über die Herkunft der Futtermittel.
Der Ministerpräsident – bei „Ministerpräsident“ darf auch die CSU klatschen – hat vor knapp zwei Jahren erklärt:
Ziel unseres Umstellungsprogramms ist es, die Tierhaltung für alle Tiere zu verbessern. Zur Umsteuerung in der Landwirtschaft
damals hat er noch eine Umsteuerung in der Landwirtschaft gefordert –
gehört auch, dass wir unsere Tiere wieder mit heimischen, möglichst auf eigenem Hof angebauten Futtermitteln füttern.
Das ist ein richtiges und wichtiges Ziel, aber wer das wirklich anstrebt, Herr Minister, muss das auch im Qualitätssiegel „Geprüfte Qualität – Bayern“ festschreiben, nicht nur davon reden.
Sechstens, Umstellungsprogramm für die Landwirtschaft, 150 Millionen DM. Die darin versprochenen Hilfen zur Verbesserung der Lebens- und Aufzuchtbedingungen für alle Tiere wurden inzwischen genauso gestrichen wie die Mittel zur Verfütterung von weitgehend heimischen, möglichst am Hof angebauten Futtermitteln. Die Staatsregierung macht gar nichts mehr. Sie lässt lieber Brüssel und Berlin machen und Brüssel und Berlin zahlen. Nur gut, dass sich die bayerischen Bauern und Verbraucher wenigstens auf Franz Fischler und Renate Künast verlassen können.
Siebtens, Förderung des Regionalmarketings, 25 Millionen DM. Ministerpräsident Stoiber hatte versprochen, Vermarktungskonzepte für gesunde Nahrungsmittel zu
fördern unter dem grünen Motto: Aus der Region – für die Region. Auch dieses Programm wird einfach gestrichen. Minister Sinner unternimmt zur Zeit alle möglichen Werbemaßnahmen. So rät er zum Beispiel Großküchen, leicht und mediterran zu kochen. Nichts gegen eine gute italienische Küche, aber von einem bayerischen Minister erwarte ich doch, dass er sich bei öffentlichen und privaten Großküchen für ökologische und regionale Produkte aus Bayern einsetzt.
Minister Miller wiederum ist ganz stolz darauf, dass er regionale Produkte, zum Beispiel bayerisches Bier, in Brüssel hat schützen können. Was aber nützt uns sein Inventar regionaler bayerischer Spezialitäten, wenn er damit nicht die Herkunft der Rohstoffe vorschreibt?
„Müller Milch“ verkauft unter dem Siegel der Staatlichen Molkerei Weihenstephan mit der Qualitäts- und Frischegarantie, mit Raute und Löwe auch sächsische Milch. Dafür ist Finanzminister Faltlhauser verantwortlich; denn für eine Auflage, dass unter der blauen Linie nur bayerische Produkte verkauft werden dürfen, hätte er, wie er ehrlicherweise zugibt, erheblich weniger Geld bekommen. In derselben Weise setzt sich die Staatsregierung durchgehend für Regionalvermarktung ein – nämlich überhaupt nicht.
Geschützt sind laut Staatsminister Miller – auch darauf ist er stolz – Nürnberger Bratwürste. Das Schweinefleisch aber kommt aus Dänemark. Das ist Verbrauchertäuschung erster Güte, und das schadet unseren Bauern.
Die für Verbraucherschutzfragen zuständige Food Standard Agency in Großbritannien fordert jetzt, dass Schinken, der aus dänischem Schweinefleisch hergestellt wird – die haben offensichtlich das gleiche Problem – künftig nicht mehr als „britisch“ bezeichnet werden dürfe. Mit einer solchen Art von Verbrauchertäuschung sollte endlich auch die Bayerische Staatsregierung aufräumen.
Achtens, Förderung des Ökolandbaus, 20 Millionen DM. Minister Miller hat damals großspurig erklärt, Bayern wolle ein Kompetenzzentrum für Ökolandbau werden. Ministerpräsident Stoiber hat das Ziel von 10% Ökobetrieben in den nächsten Jahren ausgegeben. Passiert ist aber nichts.
Seit vier Jahren gibt es einen einzigen Lehrstuhl für Ökoanbau in Bayern, und der ist seit vier Jahren unbesetzt, den gibt es nur virtuell. Wahrscheinlich ist das die virtuelle Hochschule, von der heute schon gesprochen wurde. Minister Miller hatte versprochen, im Zuge der Neuausrichtung der Landesanstalten werde ein eigenes Institut für den ökologischen Landbau eingerichtet werden. Pustekuchen! Aus den Augen der Öffentlichkeit, aus dem Sinn des Ministerpräsidenten – Ökoinstitut gestrichen.
Genauso gestrichen wurden die Mittel für die bessere Vermarktung von Ökoprodukten. Die Förderung für die Ökobetriebe werde ins KuLaP übernommen, hat Minister Miller die Kritik meiner Kollegin Emma Kellner im Haushaltsausschuss zurückgewiesen. Daran beteilige sich die EU – so hat er auch noch erklärt – mit 50% an der Finanzierung. Jetzt kürzt er die KuLaP-Mittel um 5 Millionen und verzichtet zusätzlich zu Lasten der bayerischen Bäuerinnen und Bauern auf mehr als 4 Millionen EU-Mittel.
Ministerpräsident Stoiber hat Anfang Oktober noch beteuert, er werde die Mittel des Kulturlandschaftsprogramms auf keinen Fall kürzen. Er sagte, Bayern werde das mit Sicherheit nicht machen. So viel ist das Wort eines Ministerpräsidenten wert! Er hat ausgeführt:
Die Pflege der Landschaft ist ein ganz wichtiges Anliegen. Das sehe ich nicht als Kürzungsmasse an.
Jetzt werden die Mittel für das Kulturlandschaftsprogramm schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen gekürzt. Sind das die verlässlichen und kalkulierbaren Rahmenbedingungen, die Ministerpräsident Stoiber beständig fordert?
Neuntens, DNA-Rinderdatenbank, 15 Millionen DM. Kernstück des bayerischen Qualitätssiegels für Rindfleisch ist die Herkunftssicherung. Dafür muss jetzt offenbar die in Verruf gekommene HI-Tierdatenbank ausreichen. Im Dezember 2000, also mitten in der BSEKrise, hat sich Minister Miller – der hat damals ja viel gesagt – noch dessen gerühmt, wie gut Erfassung und Kontrolle der Rinder funktioniere. Als Anfang dieses Jahres dann die EU erhebliche Mängel feststellte, stritt Miller alles ab. Wenige Tage später frohlockte Minister Sinner, man habe mittlerweile alle Voraussetzungen für ordnungsgemäße Kontrollen geschaffen. Dafür habe man Stellen für 79 Veterinärassistenten geschaffen, die staatliche Kontrollaufgaben übernehmen sollten. Das sind, wohlgemerkt, die gleichen 71 Assistenten, die man zur Zeit gerade ausbildet.
Aber Minister Sinner hat ja alles im Griff. Deswegen braucht er jetzt auch die DNA-Datenbank nicht mehr, die Ministerpräsident Stoiber und er selbst mehrfach als neueste Errungenschaft angekündigt haben. Erst kürzlich hat er ihre Vorzüge im Haushaltsausschuss betont. Aber Geld gibt es keines mehr. Damit, Herr Minister Sinner, ist auch das Herzstück Ihrer stets propagierten gläsernen Produktion gestrichen. Der lückenlose Herkunfts
nachweis, den Sie den Verbrauchern stets versprochen haben – von der Ladentheke in den Stall – fällt damit aus.
Zehntens, BSE-Hilfen, 245 Millionen DM. Diese Mittel haben offensichtlich im Gegensatz zu den anderen davor wirklich ihren Zweck erfüllt. Sie sind eine wertvolle Unterstützung für die Futtermittel- und Fleischindustrie, für die Industrie, die im Verein mit dem Bauernverband und der Staatsregierung für den BSE-Skandal verantwortlich war. Das ist das Verursacherprinzip auf bayerisch.
Das ist alles in allem eine ziemlich trostlose Bilanz für so eine großartig angekündigte Initiative. Überall dort, wo es um Verbraucherschutz und gesunde Landwirtschaft geht, gibt es nur leere Sprüche. Außer Spesen nichts gewesen! So lautet auch die Bilanz des Verbraucherschutzministeriums. Es vergeht keine Woche, in der Minister Sinner nicht der überraschten Öffentlichkeit irgendeine einmalige Maßnahme verkauft, eine Maßnahme, von der die Öffentlichkeit schon längst geglaubt hat, sie wäre umgesetzt. Es kommt immer wieder etwas Neues, das eigentlich schon umgesetzt sein sollte.
Herr Minister, Sie haben vorher von der atmenden Verwaltung gesprochen. Ich habe eher das Gefühl, es handelt sich um eine hyperventilierende Verwaltung. Es ist bezeichnend, dass Sie vier Monate brauchen, um unsere Interpellation betreffend BSE-Bilanz für Bayern zu beantworten, das heißt, wenn wir sie demnächst überhaupt bekommen. Dass Sie keine Auskunft geben können über die Erfüllung der Aufgaben, für die Ihr Ministerium gegründet wurde, bestätigt alle Kritiker, die Ihr Ministerium für überflüssig halten. Der ohnehin kaum vorhandene Gestaltungsspielraum Ihres Ministeriums wird mit dem heutigen Haushalt noch weiter eingeengt. Sie wurden finanziell in wenigen Wochen zum zweiten Mal ordentlich gerupft.
Ihr Kollege Zehetmair sagte laut „Münchner Merkur“ vom 9. Oktober, Ihr Budget würde auf ein reales Maß zurückgeführt. Das ist, wie so oft, nur eine Halbwahrheit; denn das reale Maß wäre tatsächlich null. Es ist auffällig, wie Sie ständig neue Rechtfertigungen für die Existenz Ihres Ministeriums suchen. Ihre ganze Rede war eigentlich nichts anderes als der Versuch einer Legitimation.
Die Legitimation dafür war bisher schon immer weit hergeholt. Sie besteht hauptsächlich in Versprechungen. Heute haben Sie die Belege für die Existenzberechtigung Ihres Ministeriums von noch weiter hergeholt, nämlich von der Zukunftsforschung. Die CSU hat plötzlich die Zukunftsforschung entdeckt. Mit diesem Begriff werden wir zurzeit in Zitaten immer wieder beglückt. Es ist ja toll, dass Sie jetzt auch wissen, dass es eine Zukunft gibt. Offenbar handeln Sie nun nach dem Motto: Die Verbraucherinitiative ist tot, es lebe die Gesundheitsinitiative.
Irgendeine Initiative findet sich schon.
Zu Ihrem Kerngeschäft, für das Ihr Ministerium gegründet wurde, zur Lebenmittelsicherheit und Lebensmittelqualität fiel in Ihrer Rede heute kaum ein Wort. Das nehmen wir als Eingeständnis und Bankrotterklärung. Sie haben keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten, um auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion tatsächlich einzuwirken. Sie haben keine Möglichkeiten, eine risikomindernde, vorbeugende Lebensmittel- und Verbraucherschutzpolitik einzuleiten. Es fehlt Ihnen und Ihrer Aufgabe der Rückhalt von ganz oben. Weder der Ministerpräsident noch die CSU-Fraktion lassen Sie und Ihr Ministerium ihre Arbeit so machen, wie es im Sinne von Gesundheitsvorsorge und besserer Lebensmittelqualität nötig wäre.
Verbraucherschutzpolitik ist – wie gesagt – Chefsache in Bayern und seitdem extrem konjunkturabhängig – abhängig von der Medienkonjunktur. Ministerium und Verbraucherinitiative wurden in höchster BSE-Not vom Chef persönlich ins Leben gerufen, und genauso schnell wurde wieder abgebaut, als die Verbrauchersicherheit aus dem Focus der Medien geriet. Heute wird jegliche Initiative eingestellt. Die Show ist vorbei.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Kobler.
Bei mir auf der Liste heißt es: Herr Kobler. Wenn aber eine andere Absprache besteht – –
Herr Kobler, bitte.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn dies manchem hier nicht so sehr gefallen wird, werde ich mich, anders als meine drei Vorredner, nicht in den Abschiedsreigen einreihen.
Einer dieser drei Kollegen hat sich noch nicht verabschiedet, obwohl er es schon hätte machen können. Die anderen beiden wussten es schon.
Da unterscheide ich mich zumindest von einem Vorredner auf keinen Fall, selbst wenn es so kommen sollte, wie Sie das jetzt prognostizieren. Ein Kollege ist dann auf alle Fälle dabei, dem es ähnlich wie mir ginge.
Haben nur zwei Kollegen geredet? – Cui bono – wem nützt es, wem bringt es etwas? Nach dieser klassischen Frage muss sich die Politik seit den alten Römern verantworten. Die bayerische Agrarpolitik dient zurzeit allen möglichen Interessen, aber nicht denen der bayerischen Bäuerinnen und Bauern. Schlimmer noch: Sie schadet ihnen.
Wie muss die Agrarpolitik aussehen, die Bayern nützt? Landwirtschaftspolitik muss nicht nur die Interessen der Landwirtschaft und schon gar nicht nur die der Agrarlobby berücksichtigen, sondern die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Gesellschaft, der Tiere und der Umwelt. Wir sind davon überzeugt, dass eine konsequente Politik für die bäuerlichen Betriebe in Bayern allen nützt; denn Politik wird den bäuerlichen Betrieben nur dann eine langfristige Perspektive geben können, wenn sie nachhaltig darauf ausgerichtet ist, die Anforderungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher und Gesellschaft an sie stellen, zu erfüllen. Diese Lehre müssten eigentlich auch Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, aus der BSE-Krise gezogen haben. Damals haben Sie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher über Jahre, ja fast über Jahrzehnte, sträflich vernachlässigt.
((Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben sie den Interessen der Agrarlobby geopfert mit der Folge, dass in Bayern gerade die Bäuerinnen und Bauern dafür zahlen mussten.
Das Optimum für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Gesellschaft, für die Tiere und die Umwelt ist langfristig das Optimum für die Bäuerinnen und Bauern. Eine konsequent darauf ausgerichtete Politik könnte der Mehrheit der Betriebe den Wettbewerbsvorsprung verschaffen, der für ihr Überleben so wichtig ist.
Wer sind die bayerischen Bäuerinnen und Bauern? Die überwiegende Mehrheit sind kleine und mittlere Betriebe – keine Großbetriebe und schon gar keine Agrarfabriken. Sie stehen in scharfer Konkurrenz zu den Großbetrieben. Sie können in der Regel nicht nur kostengünstiger produzieren, sondern bekommen zusätzlich ungleich mehr Förderung. Diese angeblich so modernen Betriebe brauchen aus der EU-Kasse Zuschüsse in Höhe von bis zu 100000 Euro pro Arbeitskraft, um existieren zu können.
Ein bayerischer Bauer muss im Durchschnitt mit cirka 4000 Euro pro Arbeitskraft auskommen. Dies ist kein fairer Wettbewerb.
EU-Kommissar Fischler wollte bei der Halbzeitbewertung der Agenda 2000 für einen Abbau dieser Wettbewerbsverzerrung sorgen. Aber wer hat sich gegen diese Verbesserungen gestemmt und hat geholfen, die von den bisherigen Ungerechtigkeiten Profitierenden weiter davon profitieren zu lassen? Es waren die Bayerische
Staatsregierung und allen voran Minister Miller und Ministerpräsident Stoiber.
Minister Miller musste immer wieder sagen: Wir brauchen Planungssicherheit und keine überstürzten Reformen; das haben wir auch heute wieder gehört.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich frage Sie: Wollen Sie Planungssicherheit oder eine möglichst schnelle Beendigung der Ungerechtigkeit, wenn Sie unter massiver Ungerechtigkeit leiden?
Minister Miller hatte im Bundesrat mit seinem Antrag Erfolg, die Agrarreform auf 2007 zu verschieben. Er verkaufte dies als Erfolg für die bayerischen Bäuerinnen und Bauern und erklärte, eine grundlegende Reform zum jetzigen Zeitpunkt gefährde Unternehmenskonzepte und zerstöre das Vertrauen der Bauern in die Agrarpolitik. Dass dies nicht die Unternehmenskonzepte der bayerischen Bäuerinnen und Bauern sind, ist sicher.
Wie sehen diese Unternehmenskonzepte aus, die jetzt nicht zerstört werden, weil sich Minister Miller dafür eingesetzt hat? Die Pläne Fischlers sehen vor, dass künftig kein Betrieb mehr als 300000 Euro bekommen soll. Dagegen hat der Landwirtschaftsexperte aus Stoibers nicht benötigtem Kompetenzteam protestiert, eine solche Beschränkung gefährde Tausende von Arbeitsplätzen in Ostdeutschland. Die Betriebe seien dann nicht mehr lebensfähig.
Solche Äußerungen sind skandalös. Noch skandalöser ist, dass der bayerische Minister Miller dies auch noch unterstützt; denn was ist mit den bäuerlichen Arbeitsplätzen in Bayern, die wegen der ständigen Wettbewerbsverzerrung Jahr für Jahr verloren gehen? Warum sorgt sich Minister Miller nicht um diese Arbeitsplätze? In Bayern stehen ca. 400000 Arbeitsplätze – ungefähr ein Drittel der in Deutschland vorhandenen Arbeitsplätze – auf dem Spiel. Darum müssen Sie sich kümmern. Wo können mehr Arbeitsplätze verloren gehen – bei den Großbetrieben oder bei den vielen kleinen Betrieben?
In der EU gibt es keine 2000 Betriebe, die mehr als 300000 Euro Direktbeihilfe bekommen. Davon liegen zwei Drittel in Deutschland. In Bayern ist keine Handvoll solcher Betriebe.
((Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Loscher-Frühwald (CSU))
Herr Minister Miller, wem nützt also Ihre Politik? Sicher nicht den bayerischen Betrieben.
Die überwiegende Mehrheit der bayerischen Bäuerinnen und Bauern bemüht sich um eine artgerechte Tierhal
tung. Es gibt bei uns überall Betriebe, die ihren Schweinen einstreuen, die die Kühe auf die Weide bringen, die Laufställe bauen und Hühner im Freiland halten. Sie erbringen diese Leistungen, obwohl sie sich häufig wirtschaftlich nicht lohnen – im Gegenteil; denn sie müssen mit Preisen konkurrieren, die sich vielleicht bei Massentierhaltungen lohnen, aber nur so lange es diese Förderung gibt.
EU-Kommissar Fischler und Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast wollen die innerdeutschen und innereuropäischen Wettbewerbsverzerrungen abbauen. Eine Förderung soll es künftig nur noch geben, wenn auch in der Tierhaltung Minimumstandards eingehalten werden. Wer über die Minimumstandards hinaus für die artgerechte Tierhaltung mehr tut, soll zusätzlich gefördert werden. Das würde in Bayern gerade den bäuerlichen Betrieben nützen, die diese Leistungen bereits erbringen. Herr Minister Miller, warum schaden Sie diesen Betrieben? Weil Sie im Auftrag des ewigen Kanzlerkandidaten Stoiber die Agrarpolitik in Bayern missbrauchen, um damit Bundespolitik zu machen.
Der Großteil unserer Betriebe sind Nebenerwerbslandwirte. Sie brauchen ein zweites oder drittes Standbein, um überleben zu können. Zusätzliche Einkommen beziehen sie zum Beispiel aus ihrer Arbeit als Energiewirt. Dies hat mittlerweile sogar der Bayerische Bauernverband erkannt. Er lobt: Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft. Aber wer wollte diese Zukunft im Wahlkampf vorzeitig beenden: der ewige Kanzlerkandidat. Insofern sind die Bauern froh, dass wir GRÜNEN weiterhin in der Regierung sind.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien haben sich durch das Gesetz für erneuerbare Energien und durch unsere GRÜNEN-Politik positiv entwickelt. Wir sind froh, dass der Bauernverband diese Politik lobt. Aber noch mehr freuen wir uns darüber, dass diese Politik den bayerischen Bäuerinnen und Bauern nützt.
Herr Minister Miller, Ihre Blockadehaltung, mit der Sie jetzt die Modulation verhindern wollen, nützt unseren Bauern überhaupt nicht.
Sie sind stolz darauf, dass Sie im Bundesrat eine Mehrheit gegen das Modulationsgesetz gefunden haben. Aber dass Sie es nicht verhindern werden, wissen Sie. Sie sind stolz darauf, dass Sie im Auftrag Ihres Herrn der neuen Landwirtschaftspolitik von Renate Künast wieder einen kleinen Knüppel zwischen die Beine werfen konnten. Wer nichts zu sagen hat, will wenigstens stänkern. Dies hilft ein wenig über die eigene Bedeutungslosigkeit hinweg. Diese Hilfe braucht der ewige Kanzlerkandidat und Ministerpräsident Dr. Stoiber zurzeit dringend. Aber hilft dies auch den bayerischen Bäuerinnen und Bauern?
Herr Minister Miller, Sie mussten nach der Kabinettssitzung vom 15. Oktober sagen, dass die Freibeträge bei der Modulation viel zu niedrig seien. Es geht um 10000 Euro pro Betrieb. Für kleine und mittlere Betriebe, so sagten Sie, seien die Direktzahlungen unverzichtbarer Bestandteil ihres Einkommens. Sie müssten von Kürzungen verschont bleiben. Insofern haben Sie vollkommen Recht. Aber, Herr Minister Miller, Sie sagen nicht, dass diese Betriebe wegen des Freibetrags von 10000 Euro nicht betroffen sind. Das nenne ich Volksverdummung.
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass so etwas verfängt. So blöd kann niemand sein, dass er auf so etwas hereinfällt; denn in Bayern wissen jeder Bauer und jede Bäuerin, wie hoch die Förderbeträge sind, die sie bekommen. Wenn sie auf ihrem Konto nachsehen, stellen sie doch fest, dass sie im Jahr weniger als 10000 Euro bekommen. Also sehen sie auch, dass sie von der Modulation nicht betroffen sind. Auch Sie, Herr Minister, wissen dies genau; denn die Zahlen habe ich von Ihnen bekommen. Warum lügen Sie dann zum Schaden der bayerischen Landwirtschaft?
In Bayern bekommen 80% der Betriebe weniger als 10000,00 e. Das sind die kleinen und mittleren Betriebe – wer sonst? Das sind die Betriebe, um die sich Minister Miller angeblich sorgt. Diese 80% sind von den Kürzungen nicht betroffen. Umgekehrt könnten diese Betriebe aber davon profitieren, dass die größeren, die 20%, nicht zusätzlich gefördert werden. Die haben ohnedies Kostenvorteile. Da braucht man ihnen das Geld nicht hinterherwerfen. Das ist Wettbewerbsverzerrung, die den 80% schadet.
Warum schaden Sie diesen 80%, Herr Minister? Sie sollten endlich aufhören, zu lügen. Sie lügen auch, wenn es um das Geld geht. Anders als von Ihnen behauptet, geht der Landwirtschaft in Bayern durch die Modulation kein Geld verloren. Im Gegenteil: Es werden 4 Millionen e frei und dazu kommen noch einmal 4 Millionen e. Das ist doppelt so viel, wie Sie vorher hatten. Sie wissen auch, denn das wurde vorher mit Ihnen vereinbart, mit diesen Geldern werden Leistungen belohnt, die unsere Bäuerinnen und Bauern heute umsonst erbringen. Die Modulationsmittel werden für erweiterte Fruchtfolgen eingesetzt, zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit und damit zur nachhaltigen Sicherung der bäuerlichen Existenzgrundlage. Die Mittel werden eingesetzt für besondere umweltgerechte Produktionsweisen im Ackerbau und beim Grünland, also zum Nutzen von Landwirtschaft und Umwelt. Diese 8 Millionen e können in Bayern für besonders umwelt- und tiergerechte Haltungssysteme eingesetzt werden. Damit nützen diese Mittel nicht nur Umwelt und Tieren, sondern sie stärken auch die bäuerliche Landwirtschaft in Bayern gegen die Massentierhaltung. Das ist doch gerade der Witz dabei.
Selbst der Bauernpräsident Sonnleitner – den ich besonders gern zitiere – hat auf einer Bauernversammlung in Baden-Württemberg erklärt, dass er für die Modulation eintreten würde, wenn er nur die bayerischen Bauern vertreten müsste. Das hat er gesagt! Aber warum tritt unser Landwirtschaftsminister, der Minister der bayerischen Landwirte ist, nicht für unsere Bauern in Bayern ein?
Weil er Bundespolitik machen muss, weil sein Chef es so will. Das ist der Punkt. Agrarpolitik in Bayern ist schon seit geraumer Zeit Chefsache. Mit der Chefsache hat Herr Stoiber schon vor der BSE-Krise angefangen, und es ist dann nicht besser geworden. Nach der BSE-Krise hat er es wieder probiert, und bei der nächsten Krise wird es wieder so sein.
Agrarpolitik ist seither extrem konjunkturabhängig, nämlich abhängig von der Medienkonjunktur. Es zählt nicht mehr Sachpolitik, sondern nur noch die Show-Effekte, die sich damit erzielen lassen.
Die sogenannte Verbraucherinitiative wurde damals in höchster BSE-Not vom Chef persönlich ins Leben gerufen. Minister Miller hat noch gar nichts davon gewusst, da hat der Chef schon gewusst, was passiert.
Genauso schnell wurde sie auch wieder abgebaut, als anstelle der Verbrauchersicherheit die innere Sicherheit in den Fokus der Medien rückte. Heute wird sie eingestampft. Die Show ist vorbei. So sieht die Politik dessen aus, der sich im Bundestagswahlkampf als der ehrliche Kandidat aufspielte und auch heute noch mit seiner angeblichen Ehrlichkeit beschämen will. Nur weil einer aber kein Medienstar ist, ist er noch lange nicht ehrlich.
Das zeigt auch das Schicksal der sogenannten Verbraucherinitiative. Nach dem BSE-Skandal hat der bayerische Ministerpräsident von einer Zäsur gesprochen. Er hat gesagt, dass man die Fehlentwicklungen vieler Jahrzehnte nicht auf einmal rückgängig machen könnte. Das hat er in diesem Hause gesagt. Dann hat er die Verbraucherinitiative aus dem Hut gezaubert und den Ökoanbau entdeckt. Sie, Herr Minister Miller, durften im Auftrag Ihres Chefs große Versprechungen machen, dass Sie das neue Verbraucherbewusstsein als Chance für die bäuerliche Landwirtschaft nutzen wollten, dass Sie eine konsequente Weiterentwicklung des bayerischen Wegs in der Agrarpolitik für die kommenden Jahre und – nicht Jahrhunderte, aber – Jahrzehnte einleiten würden. Heute sind die Jahrzehnte aber schon wieder vorbei.
Sie, auch Herr Kollege Loscher-Frühwald, sprechen immer von verlässlichen Rahmenbedingungen. Was ist denn an einer derart kurzatmigen Politik verlässlich? Mit dieser Hauruck-Politik schaden Sie den bayerischen Bäuerinnen und Bauern. Versprochen – gebrochen. Das ist das Kennzeichen von Stoibers Agrarpolitik.
Damals hat der Ministerpräsident erklärt, er wolle 10% Ökobetriebe in den nächsten Jahren. Das ist doch ein Versprechen. Da hätte man doch eigentlich erwarten können, dass auch 10% der Mittel für dieses Ziel ausgegeben werden. Nicht nur der Fördermittel, sondern der Mittel für Anstrengungen bei der Beratung, der Forschung und der Lehre.
Wir können gern über Frau Künast reden, aber jetzt reden wir über den Lügner Miller und seinen Chef. Das ist der Punkt.
Nicht nur Förder-, sondern auch Forschungsmittel sollten dafür ausgegeben werden. Was aber ist der Fall? Genau das Gegenteil. Seit vier Jahren gibt es einen einzigen Lehrstuhl für Ökoanbau in Bayern. Doch den gibt es nur auf dem Papier.
Seit vier Jahren ist dieser Lehrstuhl nicht besetzt. Versprochen – gebrochen. Sie, Herr Minister, haben voriges Jahr hier versprochen: „Im Zuge der Neuausrichtung unserer Landesanstalten werden wir ein eigenes Institut für den ökologischen Landbau errichten.“ Ein eigenes Institut, das haben Sie gesagt. Pustekuchen. Aus den Augen der Öffentlichkeit – aus dem Sinn des Ministerpräsidenten. Das Ökoinstitut ist gestrichen. Versprochen – gebrochen. Sie, Herr Minister, und der Ministerpräsident persönlich haben im letzten Jahr erklärt, Sie wollten als Antwort auf die BSE-Krise die Regionalvermarktung stärken, die artgerechte Tierhaltung fördern und auf die Verfütterung von heimischen, möglichst am Hof angebauten Futtermitteln setzen. Ab heute sind diese Bemühungen für beendet erklärt. Versprochen – gebrochen.
Ministerpräsident Stoiber hat Anfang Oktober beteuert, er würde auf keinen Fall – so hat er in einem Interview gesagt – die Förderung zum Erhalt der Kulturlandschaft kürzen. Die Pflege der Landwirtschaft – so sagte er – sei ihm ein ganz wichtiges Anliegen. „Das sehe ich nicht als Kürzungsmasse“, sagte er. Das ist gerade einmal sechs Wochen her und jetzt will die Staatsregierung diese Fördermittel um insgesamt 4,3 Millionen e kürzen.
Wer so viele Versprechungen macht und sie in so kurzer Zeit bricht, sollte endlich aufhören, sich als Rächer der Enterbten aufzuspielen.
Er hat seine Glaubwürdigkeit verspielt. Cui bono – wem soll es nützen? Wenn wir die gegenwärtige bayerische Agrarpolitik danach befragen, kann jeder sehen: der bayerischen Landwirtschaft jedenfalls nicht. Was Sie, Herr Minister Miller, als bayerische Agrarpolitik im Auftrag Ihres Herrn verkaufen müssen, schadet der Agrarpolitik. Ich bin auch ziemlich sicher, dass Ihnen diese Mogelpackung nichts nützen wird. Bei den Bäuerinnen und Bauern sowieso nicht, denn die können auf ihrem Konto nachschauen, was los ist. Es nützt Ihnen aber auch nichts, bei dem Versuch, sich bundespolitisch wichtig zu machen, denn die Zeit ist vorbei. Dort haben jetzt andere die Hosen an. Es hilft Ihnen auch nichts für den bayerischen Wahlkampf. Gerade die bayerischen Bäuerinnen und Bauern werden bald merken, dass sie bei Ihrem üblen Spiel die Dummen sind. Dann bekommen Sie die Quittung, Herr Minister Miller.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich schon interessant, dass der Bayerische Rundfunk heute, wo es auch um seine Probleme geht, nicht hier ist.
Aber das Bayerische Fernsehen, über das wir hauptsächlich diskutieren wollen, ist nicht hier. Gut, das freut uns, Herr Spaenle, wenn Sie das so genau wissen.
Gut. „Bayerischer Schwarzfunk – ein Modell für Deutschland?“ ist der Titel der Aktuellen Stunde, der Ihnen, Herr Präsident, nicht gefallen hat.
Was uns nicht gefällt, ist, dass es einen „bayerischen Schwarzfunk“ gibt.
Was wir unsachlich finden, ist, dass Staatsregierung und CSU auf Programm und Posten bei ARD und ZDF parteipolitischen Einfluss nehmen.
„Bayerischer Schwarzfunk“ – damit kritisieren wir nicht die große Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, die sehr gute Arbeit nach journalistischen Kriterien machen.
Mit dem Begriff „bayerischer Schwarzfunk“ kritisieren wir die vielen Fälle politischer Einflussnahme durch CSU und Staatsregierung auf einzelne Sendungen, aber auch auf die Besetzung von Intendantenpositionen, Posten von Programmchefs und so weiter.
Diese andauernde und immer drohende Einflussnahme gefährdet die redaktionelle Unabhängigkeit und journalistische Qualität aller Sendungen des Bayerischen Fernsehens, die irgendwie mit Politik zu tun haben.
Das ist in Bayern alltäglich. Aktuell und damit Anlass für die Aktuelle Stunde wurde das Prinzip „Schwarzfunk“ dadurch, dass es CSU und Staatsregierung wieder einmal auch auf den Rest der Republik ausdehnen wollen.
Da gibt es nichts zu lachen, Kollege! Ziel ist dabei zurzeit vor allem das ZDF.
Die CSU setzt dabei mit vier Hebeln an: Durch massive Medienschelte, durch Intervention gegen unliebsame Personen, durch massive parteipolitische Einflussnahme bei der Besetzung von Stellen und schließlich dadurch, dass sie wieder einmal die Debatte über die Rundfunkgebühren dazu missbraucht – dabei tut sich auch Minister Huber besonders gut hervor –, die eigene Wichtigkeit zu demonstrieren.
Die eigene Wichtigkeit zu demonstrieren, ist jetzt besonders dringend, weil der bundespolitische Bedeutungsverlust so schmerzt.