Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Meine Damen und Herren, heute feiert der Kollege Franz Brosch seinen Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des gesamten Hauses und persönlich sehr herzlich und wünsche ihm für das neue Lebensjahr gute Gesundheit, viel Freude und Erfolg bei seinen parlamentarischen Aufgaben.
Für die heutige Sitzung war die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema „Politik für Frauen in Bayern“.
In die Beratungen beziehe ich den zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Lochner-Fischer, Biedefeld und Fraktion betreffend nachhaltige Politik für Frauen in ganz Bayern – Staatlichen Rahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie richtig setzen (Drucksache 14/11211), ein.
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält eines ihrer Mitglieder zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit. Ich bitte Sie, jeweils auf mein Signal zu achten.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist kein Mitglied der Staatsregierung da! So wichtig ist die Frauenpolitik in Bayern!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen mit Bestürzung fest, dass bei einem so wichtigen Thema kein einziges Mitglied der Staatsregierung auf der Regierungsbank Platz genommen hat.
Nicht einmal die zuständige Ministerin findet es wert zu kommen, wenn es darum geht, über mehr als die Hälfte der bayerischen Bevölkerung und deren Leben zu diskutieren. Ich halte es, unabhängig von dem, was wir heute noch diskutieren werden und müssen, für einen absoluten Skandal, dass eine Partei wie die CSU das Wort Familie oder Frauenförderung unter solchen Gesichtspunkten in Zukunft überhaupt noch traut sich in den Mund zu nehmen.
Dass Sie sich das als Partei überhaupt gefallen lassen! Sie sollten wirklich einmal mit sich selber ins Gericht gehen und auch mit Ihrer Staatsregierung, was die eigentlich mit Ihnen macht. Das hat auch etwas mit dem Selbstverständnis von Demokratie zu tun. Hören Sie auf mit dieser Vetternwirtschaft mit Ministern und Ministerinnen. Auch Sie haben vor Ort zu verantworten, was in dem Haus passiert, und nicht nur die Staatsregierung.
Wenn Sie es verantworten können, dass wir ein derartiges Thema ohne die Verantwortlichen heute diskutieren, dann sollten Sie dafür auch die Konsequenzen tragen.
Wir diskutieren heute ohne die zuständige Ministerin über die prinzipielle Benachteiligung – – Herr Glück, Ihre Zeit geht mir ab, und ich brauche sie. Sie können sich nachher zu Wort melden.
(Glück (CSU): Frau Kollegin, von mir aus können wir die Sitzung unterbrechen, bis die Ministerin da ist!)
Das ist Ihre Zeit, Frau Lochner-Fischer, haben Sie gesagt, und deswegen sollten Sie sie nutzen. Bitte.
Es geht heute nicht nur um Kinderbetreuungseinrichtungen, sondern es geht um die prinzipielle Benachteiligung von Frauen, die wir leider immer noch haben und die wir ganz einfach deshalb haben, weil Frauen Kinder bekommen können
und, wenn es so weitergeht, sich daran auch sicherlich nichts ändern wird. Wir erwarten von den Männern nicht, dass sie Kinder bekommen, sondern wir erwarten, dass dieser biologische Unterschied endlich auch gesellschaftlich so anerkannt wird, dass Frauen nicht benachteiligt werden, eben weil sie Kinder bekommen können.
Sie glauben immer noch, dass Sie sich aufgrund der Tatsache, dass wir irgendwann mal schwanger werden könnten, erlauben können, Frauen zurückzusetzen, sie gar nicht erst einzustellen oder nicht zu befördern.
Dummerweise sprechen gegen das, was Sie als Zwischenrufe machen, die gesellschaftlichen Zahlen. Ich möchte nur einige kleine Hilfestellungen geben, damit Sie vielleicht endlich einmal davon runterkommen, das als Schmarrn abzutun. Unser Problem mit Ihnen ist, dass Sie die Fakten im Land schlicht nicht anerkennen. Sie tun nach wie vor so, als gäbe es diese Benachteiligung nicht, obwohl sie eindeutig und nachweisbar ist. Ich möchte Sie nicht daran erinnern – Ihre Ministerin hat auch diese Zahl –, wie schlimm das nach der Vereinigung war, dass Frauen im Osten sich sogar massenweise haben sterilisieren lassen und mit diesem Zeugnis auf Arbeitssuche gegangen sind. Wenn Sie dann immer noch behaupten, wir hätten keine Benachteiligung, nur weil Frauen Kinder bekommen können, dann können Sie schlicht nicht lesen.
Wir müssen diesen Benachteiligungen auf vielfältige Weise begegnen. Die SPD schlägt heute in einem Dringlichkeitsantrag eine ganze Reihe von Maßnahmen vor, wie wir dieser prinzipiellen Benachteiligung auch als Freistaat Bayern sehr schnell und sehr wirksam begegnen können. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass auch die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft Sie ganz, ganz deutlich immer wieder gemahnt hat in den letzten Monaten, dies abzubauen und dafür Sorge zu tragen, dass Frauen Beruf und Familie wirklich miteinander verbinden können. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft hat sogar wörtlich geschrieben, dass „das Fehlen von entsprechenden Einrichtungen in Bayern sich zunehmend zu einem Standortnachteil für Bayern entwickelt“. Wenn Ihnen das immer noch nicht genügt, dass hier etwas im Argen liegt und dass es nicht nur die SPD ist, die die Wunden aufdeckt, dann weiß ich wirklich nicht, auf wen Sie noch hören.
Ich möchte heute trotz allem auch noch den Blick auf die Kinderbetreuung richten, und zwar unter einem anderen Gesichtspunkt, als Sie es immer tun.
In dem Bayern-Sachsen-Bericht, der uns vor einiger Zeit vorlag, stand etwas sehr Drolliges – ich habe den Eindruck, dass dies die Mehrheit der CSU immer noch glaubt –, nämlich dass die zunehmende Selbstständig
keit und das Selbstbewusstsein von Frauen dazu führen, dass Frauen mit der Familie allein nicht mehr ausgelastet sind und deshalb ein anderes Betätigungsfeld suchen und in die Arbeit gehen wollen. Der Bericht schlägt vor, den Frauen eine andere Aufgabe zu geben, damit sie sich die Berufstätigkeit abgewöhnen. Ich rede heute nicht von der kleinen Minderheit von Frauen, die tatsächlich bewusst und gewollt zu Hause bleibt und sagt, sie wolle keine Berufstätigkeit ausüben. Ich rede von der überwiegenden Mehrheit der bayerischen Frauen, die in diesem Lande schon immer in die Arbeit gehen musste und nie die Chance hatte, sich zwischen Familie und Beruf zu entscheiden.
Hier spielen die tatsächlichen staatlichen Leistungen eine gewaltige Rolle. Folgende Zahlen stammen von Ihrer eigenen Ministerin. Sie streiten sich mit uns darüber, ob wir bei den Kinderkrippen den von uns genannten Deckungsgrad von 1,4% oder einen Deckungsgrad von 3,5% haben, wie die Ministerin sagt. Dies ist den betroffenen Frauen völlig Wurscht, weil 26% der Mütter Kinder unter 3 Jahren haben und berufstätig sind. Das heißt, es fehlen nicht 1 oder 2%, sondern über 20% an Kinderbetreuungsplätzen.
Das heißt, die Tatsache, dass in diesem Land Familie und Beruf überhaupt vereinbar sind – diese Frauen müssen ja Familie und Beruf vereinbaren –, ist ein Erfolg der Frauen und ihrer Kreativität, was sie mit ihren Säuglingen machen, aber kein Ergebnis staatlicher Politik.
Denn der Freistaat Bayern hilft diesen Frauen im Moment überhaupt nicht, obwohl sich die Gesellschaft dramatisch geändert hat, wie Sie selber wissen. Die Oma, die, wie bei mir, noch auf das Baby aufpasst – meine Mutter hatte noch eine Oma auf dem Bauernhof und den ganzen Bauernhof dazu, damit ich dort aufwachsen konnte – und einen Bauernhof dazu gibt es heute kaum noch.
Ich gebe Ihnen Recht, wir haben noch ein paar Bauernhöfe. Aber das System und die Art und Weise, wie unsere Generationen aufgewachsen sind, die in München, Nürnberg und in anderen Großstädten in die Schule und in die Arbeit gehen konnten, aber trotzdem die kleinen Kinder versorgt wussten, gibt es nicht mehr. Sie können sich das herbeireden oder Heimatfilme anschauen. Die Realität in Bayern ist nicht ein Heimatfilm nach Peter Rosegger. Wir schreiben das Jahr 2002, in dem täglich 26% der Mütter mit Kindern unter drei Jahren in der Frühe die Frage klären müssen, wohin sie den Säugling geben, weil sie in die Arbeit gehen müssen.
Wie schlimm die Situation für die Frauen ist, macht die Tatsache deutlich, dass sich in der Zwischenzeit über 12% der Frauen nicht mehr dazu entscheiden, ein Kind zu bekommen, obwohl sie eines möchten, mit der Begründung, dass sie keinen Weg sahen, Kind, Familie und Beruf überhaupt in Einklang zu bringen. Dies in Bayern, einem Land, in dem der Schutz des ungeborenen Lebens immer sehr hoch gehalten wird. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Wir fordern Sie heute dazu auf, diese Politik endlich zu ändern.