Protokoll der Sitzung vom 10.12.2002

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Fickler. Auch sie nimmt zehn Minuten in Anspruch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte, liebe Frau Kollegin Lochner-Fischer. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie bzw. Ihre Fraktion die Aktuelle Stunde zum Thema „Politik für Frauen in Bayern“ unter anderem deswegen beantragt haben, um bei Ihrer künftigen Aufstellungsversammlung erfolgreich zu sein.

(Buh-Rufe bei der SPD)

Aber ich darf Ihnen sagen: Durch diesen Stil, den Sie heute an den Tag gelegt haben, werden Sie die Politik für Frauen in Bayern nicht voranbringen. Ich bedauere dies außerordentlich und wünsche Ihnen für Ihre Versammlung viel Glück; dies meine ich wirklich ernst. Ich bedauere außerordentlich, dass wir durch diese Art und Weise der Diskussion in Bayern die Frauenpolitik in Bayern nicht voran bringen werden.

(Allgemeine Unruhe)

Meine Damen, dies war jetzt genug Frauenpower. Ich bitte wieder um etwas mehr Ruhe.

(Hofmann (CSU): Die Art, wie die Frauen mit Frauen umgehen, ist unerhört! – Weitere Zurufe von der SPD)

Denn Sie haben hier durch Ihre Art und Weise der Argumentation – ich bedauere das außerordentlich – der Frauenpolitik in Bayern keinen Dienst erwiesen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Auf einem Kongress, veranstaltet durch das bayerische Wirtschaftsministerium, mit dem Titel „Bayern 2020 – Megatrends und Chancen“, der im Oktober des vergangenen Jahres im München stattfand, zeigte der Zukunftsforscher Mathias Horx Megatrends in Gesellschaft und Politik auf. Als ersten Megatrend nannte er die Veränderung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft. Aber das ist anscheinend an Ihnen vorübergegangen.

Liebe Frau Kollegin, wir hören öfter, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Frauen wird. Für viele klingt das zunächst merkwürdig, denn im 20. Jahrhundert gab es natürlich auch schon Frauen. Aber der Redner untermauerte seine These durch zwei Beispiele: Erstens, durch den Bereich der Bildung; denn erst der Beginn des 20. Jahrhunderts gab den Frauen das Recht auf Bildung. An dessen Ende sehen wir, dass in den Abiturklassen fast 60% Mädchen sind und dass diese in vielen Bundesländern deutlich bessere Abiturnoten haben. Dass die Pisa-Stude vor allem bei den Buben eine mangelnde Lesekompetenz festgestellt hat, untermauert diese These.

Zweitens befinden wir uns auf dem Weg zu einer Wissensökonomie, die die Frauen deutlich bevorzugt. Klassische industrielle, auf männliche Erwerbsarbeit basierende Arbeitsplätze werden weniger, gewünschte Qualifikationen der Zukunft wie Kommunikationsfähigkeit oder Teamfähigkeit sind klassische weibliche Fähigkeiten.

Allein diese zwei Beispiele zeigen, dass wir Frauen wirklich Chancen haben, in diesem Jahrhundert unseren Weg zu gehen. Daher sage ich noch einmal, wir sollen in die Zukunft schauen.

Wir sollen unsere Chancen nutzen. Darum hat die CSUArbeitsgruppe der Landtagsfrauen im April dieses Jahres ein Frauenforum in diesem Raum veranstaltet.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Gruppe besteht aus fünf Frauen!)

Die Gruppe besteht nicht aus fünf Frauen, sondern wir sind 16 Frauen.

Das Motto hat geheißen „Frauen gestalten Zukunft“.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist daraus geworden?)

Wir wollen nämlich verdeutlichen, dass nicht rückwärts gewandte Frauenpolitik unser Ziel ist, sondern dass wir Aufgaben anpacken, wo dies notwendig ist.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen! Schauen Sie, wie viele Männer dort sitzen!)

Wenn es darum geht, wie Frauen Zukunft gestalten, kann auch heute noch nicht die Frage nach der Gleichberechtigung als abgehakt übergangen werden. Sie wissen auch, liebe Kolleginnen von der SPD- und der GRÜNEN-Fraktion, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Bayerischen Verfassung anders als im Grundgesetz nur in Teilbereichen aber nicht umfassend geregelt war. Erst 1998 hat dieses Hohe Haus im Artikel 118 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung ausdrücklich die Förderung von Frauen als Staatsziel verankert.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wer war ausschlaggebend? – Gegenruf des Abgeordneten Ach (CSU): Das Hohe Haus insgesamt!)

Dass die normative Gleichberechtigung inzwischen generell und umfassend umgesetzt ist, wissen wir alle. Dass es in der Praxis Defizite gibt, wissen wir auch. Den alleinigen Schwerpunkt, den Sie gesetzt haben, würde ich aber so nicht sehen. Es gibt Defizite: Wir haben zu wenige Frauen in Führungspositionen und in den Gremien. Der Verdienst von Frauen liegt immer noch unter dem von entsprechend ausgebildeten Männern. Hier besteht Nachholbedarf. Ich sehe eine Aufgabe von Politikern und Politikerinnen auch darin, auf diese Defizite zu verweisen, die wir aber ohne Bewusstseinsänderung in unserer Gesellschaft nicht werden abschaffen können.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wie schaffen wir es?)

Abschließend möchte ich festhalten, dass sich die Situation von Mädchen und Frauen in Bayern in den letzten Jahren weiter verbessert hat. Auf diesem Wege fortzufahren, muss das Anliegen des ganzen Hohen Hauses, Männern wie Frauen zusammen, in Partnerschaft sein.

(Beifall bei der CSU)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel. – Auch zehn Minuten.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Politik für Frauen in Bayern leidet unter den rückständigen gesellschaftlichen Vorstellungen der CSU: Vater – Mutter – Kind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Vater sorgt für das Einkommen, Mutter sorgt für das Kind –, das ist immer noch das Idealbild der CSU, an der sie ihre Politik ausrichtet.

(Willi Müller (CSU): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Frauen werden bei Ihnen in erster Linie über die Mutterrolle definiert. Aber, wo Kinder sind, sind auch Väter.

(Hofmann (CSU): Na so was!)

Es ist Zeit, dass sie diese Rolle annehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht allein Frauensache, es ist im gleichen Maße – ich wiederhole: im gleichen Maße – Männersache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Frauen, als vom Ehemann und vom Staat unabhängige, selbstbestimmte Menschen, diese Vorstellung ist der CSU suspekt. Dies zeigte sich zum Beispiel sehr deutlich in der heftigen Debatte zum Paragraphen 218 des Strafgesetzbuches, als die CSU im bayerischen Sonder

weg festlegte, dass nur die Frauen einen Beratungsschein erhalten, die – zwangsberaten – auch den Grund für den Schwangerschaftsabbruch angeben. Was haben Sie damals die Frauen schikaniert mit Ihrer unsäglichen Debatte, mit Ihren Bevormundungen und auch mit Ihrer Weigerung, spezialisierte Praxen zuzulassen. Letzteres ist übrigens auch insofern unverantwortlich, weil Sie damit die Gesundheit und das Leben von Frauen aufs Spiel gesetzt haben.

Diese Haltung, Kolleginnen und Kollegen, kam bei den Frauen außerhalb Bayerns aber gar nicht gut an. Dass Stoiber die Wahl verloren hat, das war die Rache der Frauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD – Freiherr von Rotenhan (CSU): Jetzt wissen wir es!)

Frauenpolitik wird in Bayern auf Sparflamme gekocht. Es gibt keine frauenpolitische Offensive vonseiten der Staatsregierung. Frauenpolitische Initiativen der Opposition werden blockiert, und nur im äußersten Notfall, wenn es gar nicht anders geht, wird etwas getan – allerdings lediglich das Allernötigste.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sehr konservativ!)

So war Bayern das letzte Bundesland, das ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet hat. Es ist allerdings eines ohne Biss, ohne Quote, ohne Sanktionen. In diesem Gleichstellungsgesetz ist im Übrigen verankert, dass alle drei Jahre ein Bericht über die Durchführung des Gleichstellungsgesetzes gegeben werden muss.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Wo ist der Bericht?)

Dieser Bericht ist sozusagen das Kontrollinstrument für den Erfolg oder Misserfolg des Gesetzes. Kein einziges Mal ist es der Staatsregierung gelungen, den Bericht termingerecht vorzulegen. Jedes Mal werden fadenscheinige Argumente vorgebracht. Diesmal ist es die große Anzahl der Fragebögen, die ausgewertet werden müssen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Man stelle sich das vor!)

So viel zu dem Thema, wie ernst die Staatsregierung die Gleichstellungspolitik nimmt. Was soll man von einem Ministerium für Frauen halten, das einen Zwischenbericht über den Stand der Auswertung zur Vorlage des Berichts über die Durchführung des bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern vorlegt und schreibt – ich zitiere:

Bemerkenswert sei auch, dass 108 kreisangehörige Gemeinden ohne gesetzliche Verpflichtung einen Gleichstellungsbeauftragten und 102 kreisangehörige Gemeinden einen Ansprechpartner hätten.

Bemerkenswert ist, dass der Vertreter des Frauenministeriums in der männlichen Form über eine Gruppe redet

und schreibt, in der die Frauen in der Mehrzahl sind, und zu einem Thema, das die Gleichstellung zum Inhalt hat.