Protokoll der Sitzung vom 10.12.2002

und schreibt, in der die Frauen in der Mehrzahl sind, und zu einem Thema, das die Gleichstellung zum Inhalt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Sprache drückt Bewusstsein aus und formt auch das Bewusstsein. So viel also zum Bewusstsein im Frauenministerium. Deshalb sage ich: Frauenpolitik ist und bleibt ein Stiefkind der Staatsregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Das zeigt sich auch beim Umgang mit Gender Mainstreaming. Dieser neue Ansatz für Gleichstellungspolitik kommt von der EU, kann also nicht ganz ignoriert werden – denkt man wenigstens. Aber, auch hier wird auf Sparflamme gekocht. Nachdem die GRÜNEN ein Antragspaket dazu vorgelegt hatten, raffte sich die CSU zu einem eigenen, aber sehr mageren Antrag auf. Es sollen Schulungsveranstaltungen stattfinden, geschlechtsspezifische Daten erhoben werden, und das Gesundheitswesen soll in das Blickfeld genommen werden. Das Thema Gesundheit ist wichtig, sich aber nur auf das eine Thema bei Gender Mainstreaming zu beschränken, ist zu wenig.

Gender Mainstreaming bedeutet, dass alle Maßnahmen daraufhin überprüft werden, welche Auswirkungen sie auf Frauen und Männer haben. Deshalb müssen alle staatlichen Stellen verpflichtet werden, Gender Mainstreaming umzusetzen und zumindest ein Pilotprojekt durchzuführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frauenpolitik ist also ein ungeliebtes Kind bei der Staatsregierung. Von einer frauenpolitischen Offensive ist nichts zu hören. Wobei es noch viel zu tun gibt. Handlungsbedarf besteht zum Beispiel beim Interesse der Mädchen an den Naturwissenschaften und der Technik. Auch hier nur zögerliche Bewegung bei der CSU. Jetzt soll die Staatsregierung ersucht werden, eine Konzeption mit dem Ziel zu entwickeln, dass junge Frauen sehr viel häufiger als heute technisch oder naturwissenschaftlich geprägte Berufe ergreifen. Sie wird ersucht, ein Konzept zu entwickeln. Die Konzeption kann die Staatsregierung abschreiben, sie liegt schon jahrelang vor.

Aber anstatt vorurteilsfrei im Interesse der Frauen zu handeln, hat die Staatsregierung in der Vergangenheit ihre Energie darauf verschwendet, zu versuchen, nachzuweisen, dass unsere Forderungen nicht notwendig oder nicht sinnvoll seien. Nach Jahren ist sie offensichtlich darauf gekommen, dass unsere Vorschläge durchaus Sinn machen. Welch eine Vergeudung von Zeit und Energie – und das alles zum Schaden der jungen Frauen.

Am 8. Mai kommenden Jahres findet übrigens der Girl’s Day – der Mädchenzukunftstag – statt. Dieser Tag bietet eine hervorragende Chance, Mädchen einen Einblick in die Arbeitswelt ihrer Eltern zu geben, den Horizont ihres Berufswahlspektrums zu erweitern, Vorurteile auszuräu

men und Mädchen für neue und techniknahe Berufsfelder zu interessieren.

Eine weitere Idee von uns: Wir fordern die Staatsregierung auf, die Durchführung des Girl’s Day nicht nur an einem Projekt, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war, sondern aktiv zu unterstützen und darauf hinzuwirken, dass die bayerischen Behörden, Landesämter und Forschungseinrichtungen mit Angeboten für Schülerinnen an diesem Tag teilnehmen. Die Kultusministerin soll die Schulleitungen informieren und diesen Tag als schulische Veranstaltung deklarieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unabhängig von noch bestehenden Problemen ist es den Mädchen und jungen Frauen in den letzten Jahren aber gelungen, in der schulischen Bildung enorm aufzuholen. Es gibt mehr Abiturientinnen als Abiturienten. Die Noten der Mädchen sind besser als die der Buben, und Mädchen bleiben weniger häufig sitzen. Die Mädchen haben sich also optimale Startchancen erkämpft.

Danach aber wird es schwierig im Beruf und schwierig beim Studium. An den Universitäten nimmt der Frauenanteil stetig ab, je höher man in der Hierarchie kommt. Darüber haben wir an anderer Stelle schon häufig debattiert. Herr Staatsminister Zehetmair, ich bin der Meinung, es reicht nicht aus, dass Sie einen geharnischten Brief an die Universitäten schreiben. Es ist zwar ein Anfang, wenn Sie gewissermaßen sagen, was Sache ist, aber ich glaube, wir werden nur dann Erfolg haben, wenn die Frauenförderung mit finanziellen Anreizen verknüpft wird. Die Juniorprofessur wäre hier auch eine Möglichkeit, um jungen Wissenschaftlerinnen den Weg zu öffnen. Außerdem brauchen wir an den Hochschulen optimale Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Arbeitsmarkt. Warum vergeben wir öffentliche Aufträge und Subventionen nicht an Betriebe, die auch Frauenförderung als Ziel ihres Unternehmens definieren? Dass dies möglich ist, hat Ihnen mein Kollege Dr. Runge einmal von diesem Redepult aus vor Augen geführt. Der Frauenförderpreis der Staatsregierung ist zwar nett, Frau Ministerin, aber er reicht nicht aus. Bei der letzten Verleihung des Förderpreises haben Sie, Frau Ministerin, in Ihrer Begrüßung gesagt, Sie würden sich freuen, dass Sie so viele Frauen begrüßen dürfen. Diese Aussage hat mich schon etwas irritiert, schließlich wurde doch der Frauenförderpreis verliehen.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen! Die Frauenpolitik der Staatsregierung orientiert sich an einem rückständigen Frauenbild. Sie ist viel zu zögerlich und reagiert allenfalls auf nicht mehr zu übersehende Entwicklungen. In Bayern brauchen wir eine frauenpolitische Offensive. Die Frauen haben ohne Zweifel viel erreicht, am Ziel sind wir aber noch lange nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt hat Frau Staatsministerin Stewens ums Wort gebeten.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Münzel, es hat Sie erstaunt, dass ich bei der Verleihung des Frauenförderpreises gesagt habe, es sei schön, dass ich so viele Frauen im Kaisersaal der Residenz begrüßen kann. Ich habe einleitend gesagt: Normalerweise sind im Kaisersaal überwiegend Männer. Es freut mich, dass ich heute einmal so viele Frauen begrüßen kann. Das waren meine einleitenden Worte. Soviel zu Ihrem besseren Verständnis.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die konnten Sie nur begrüßen, weil wir so viele Frauen haben!)

Die konnte ich begrüßen, weil wir den Frauenförderpreis vergeben haben. So ein Schmarrn! Das war eine Veranstaltung des Sozialministeriums zur Auslobung des Frauenförderpreises in der Wirtschaft. Deswegen konnten wir so viele Frauen begrüßen.

(Frau Biedefeld (SPD): Haben Sie nichts anderes zu berichten als von der Begrüßung im Kaisersaal? – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kasperltheater!)

Nehmen Sie es doch auch mit ein bisschen Humor, wenn Sie merken, dass Sie danebengegriffen haben.

Frau Kollegin Lochner-Fischer, Sie haben uns angelastet, dass wir uns in Bayern über die Kinderkrippenquote streiten. Wir haben uns nie gestritten. Wir haben schlicht und einfach gesagt, 3,5% sind nach unseren Erhebungen der Stand der vorhandenen Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das geben Sie uns jetzt schriftlich!)

Sie haben es von mir auch schriftlich, und Sie wissen ganz genau, dass die Zahlen stimmen. Die Tagespflege ist eingerechnet.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Aber nirgendwo nachweisbar!)

Ich halte es für ausgesprochen richtig und wichtig, dass man bei der Kinderbetreuung die Tagespflege für die unter Dreijährigen miteinrechnet.

Ich komme gleich noch auf Ihre 26%. Sie haben recht, dass 26% derjenigen Frauen, die Kinder unter drei Jahren haben, erwerbstätig sind. Darin besteht gar keine Frage. Ich halte es aber für falsch, daraus zu schließen, dass alle diese 26% eine Kinderbetreuung für unter Dreijährige brauchen. Wir haben im letzten Jahr bei allen Jugendämtern in den Landkreisen und kreisfreien Städten eine Erhebung durchgeführt. Dabei wurde bayernweit ein Bedarf in Höhe von 7% ermittelt.

(Frau Radermacher (SPD): Es wäre schön, wenn wir das schon hätten!)

Ein Bedarf von 7% bayernweit bedeutet, dass in München 25 bis 30% der betroffenen Mütter eine Kinderbetreuung brauchen. Bayern ist aber ein Flächenstaat und auf dem Land wie zum Beispiel in meinem Landkreis im südlichen Bereich ist der Bedarf ganz anders als in den Ballungsräumen. Das sehen wir jetzt auch bei unserem 313-Millionen-Euro-Programm. Bei den 1 000 Plätzen, die pro Jahr für die unter Dreijährigen zur Verfügung stehen, ist der höchste Bedarf in den Ballungsräumen und in den Verdichtungsräumen gegeben. Im ländlichen Bereich ist der Bedarf geringer. Deswegen wollen wir in den Kommunen, in denen keine Kinderkrippe benötigt wird, verstärkt Tagesmütter und Tagespflegeprojekte fördern. Das ist bedarfsgerechter Ausbau der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen. Deswegen ist es nicht richtig zu fordern, jede Kommune braucht für 26% der betroffenen Mütter eine Kinderbetreuung. Das ist eine ganz falsche Politik, die Sie betreiben.

(Frau Radermacher (SPD): Das sagt doch niemand! – Beifall bei der CSU)

Gerade im ländlichen Bereich gibt es noch familiäre Strukturen, die sich gegenseitig unterstützen können und Kinder betreuen.

Wir wollen eine Wahlfreiheit.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf!)

Sie wollen, dass alle Frauen, die erwerbstätig sind, ihre Kinder in eine staatliche Betreuungseinrichtung schicken können.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Frau Werner-Muggen- dorfer (SPD): Jetzt reicht es aber! – Abg. Freiherr von Rotenhan (CSU): So ist es aber!)

Deswegen verlangen Sie auch 26% Kinderbetreuungsplätze. Das ist die logische Schlussfolgerung aus Ihrer Forderung, Frau Lochner-Fischer. Wir wollen dagegen ein größtmögliches Maß an Wahlfreiheit für Frauen und Männer für ihre individuelle Lebensgestaltung in allen Lebensphasen. Wir wollen der Vielfalt der Lebensentwürfe wirklich Rechnung tragen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir jegliche Ideologisierung ablehnen müssen.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann wenden Sie sich einmal an den Herrn Goppel!)

Eines der wichtigsten Aufgaben ist der Abbau noch bestehender Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft. Wir wissen – Frau Kollegin Münzel Sie haben schon darauf hingewiesen –, dass Frauen in den Ausbildungsabschlüssen immer etwas besser sind. Das trifft sowohl für das Abitur als auch für die Studienabschlüsse wie auch für die beruflichen Bildungsabschlüsse zu. Deswegen sollten die

Frauen gerade wegen ihrer guten Qualifikationen die gleichen Aufstiegschancen haben wie die Männer.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht soll- ten, sondern müssen! – Frau Steiger (SPD): Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass es so ist!)

Dabei haben wir aber ein Problem. Frauen beschränken ihr Wahlverhalten in der Berufswahl immer noch auf zehn typische weibliche Berufe vorrangig im Dienstleistungsbereich.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil sie keine Wahlfreiheit haben!)

Deshalb müssen wir den Mädchen sagen, dass sie sich in ihrem Wahlverhalten ändern müssen. Ich halte es auch für notwendig, dass wir die Mädchen an unseren Schulen in den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern in Arbeitsgruppen zusammenfassen und sie getrennt beschulen, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Ich weiß, dass wir auf diesem Gebiet noch Schwierigkeiten haben. Mädchen trauen sich vielfach nicht, in diesen Fächern Fragen zu stellen. Wir fördern die Frauen gerade im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Unser Haus gibt im Jahr 25 Millionen e dafür aus, dass sich die Mädchen verstärkt auf die Berufe in der Informationstechnologie ausrichten – und dies übrigens gemeinsam mit der Wirtschaft.

Wir müssen wegkommen von der einseitigen Konzentration vieler junger Frauen auf die typischer Weise schlecht bezahlten Frauenberufe im Dienstleistungsbereich.

Deswegen haben wir eine Medienoffensive in den bayerischen Schulen angestoßen. Wir haben diese Offensive durch Mädchentechniktage begleitet, auch das bayerische Kultusministerium hat die Girl’s Days im letzten Jahr unterstützt. Wir werden dies im nächsten Jahr noch stärker fördern. Wir haben bundesweit eine beispielgebende Einrichtung der virtuellen Hochschule in Bayern.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Damit die Frauen daheim bleiben!)