Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Ich eröffne die 36. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, erteilt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken. Am 21. Februar verstarb Herr Staatssekretär a.D. Erwin Lauerbach im Alter von 74 Jahren. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1960 bis 1978 an und vertrat für die CSU zunächst den Wahlkreis Unterfranken, danach den Stimmkreis SchweinfurtNord. Von 1962 bis 1964 war er Stellvertretender Vorsitzender der CSU-Fraktion, bevor er von 1964 bis 1974 das Amt des Staatssekretärs im Kultusministerium innehatte. In Parlament und Regierung setzte er sich besonders für die Förderung der Universitäten, der Fachhochschulen und des Sports ein. Ein Flugzeugabsturz, an dessen Folgen er bis zuletzt litt, beendete seine aktive politische Laufbahn viel zu früh. Gleichwohl war es ihm vergönnt, die bayerische Nachkriegspolitik mit zu prägen und zu gestalten. Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren des Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einige nachträgliche Glückwünsche aussprechen. Runde Geburtstage feierten am 18. Februar Herr Kollege Manfred Christ, am 23. Februar Herr Kollege Heiko Schultz, am 27. Februar Herr Kollege Joachim Haedke und am 19. März Herr Kollege Gerhard Hartmann. Ich gratuliere den Genannten im Namen des Bayerischen Landtags und persönlich zu ihrem Jubiläum und wünsche ihnen für ihre weitere parlamentarische Arbeit alles Gute, vor allem Gesundheit und die nötige Energie.
Einen weiteren Glückwunsch spreche ich Herrn Kollegen Erwin Schneider aus, der am vergangenen Sonntag zum neuen Landrat des Landkreises Altötting gewählt wurde.
Für sein neues Amt, das er am 1. Mai antritt, wünsche ich ihm im Namen des Hohen Hauses und persönlich viel Glück und Erfolg.
Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum vorgenannten Thema beantragt. In die Beratung beziehe ich im Einverständnis mit den Fraktionen ein:
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Renate Schmidt, Radermacher, Pranghofer, Dr. Hahnzog, Dr. Kaiser und Fraktion (SPD)
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion kann einer ihrer Redner zehn Minuten sprechen; dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Wenn ein Mitglied der Staatsregierung kraft seines Amtes das Wort nimmt, wird die Zeit seiner Rede nicht mitgerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zeit der Dauer der Aussprache zu sprechen. Ich bitte Sie, jeweils auf das Signal zu achten, das ich gebe, wenn die Redezeit abgelaufen ist. – Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Kaiser. Herr Kollege Dr. Kaiser wird zehn Minuten sprechen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das amerikanische Nachrichtenmagazin „Newsweek“ zitierte im Jahr 1997 einen namhaften Wirtschaftsexperten, der auf die Frage, in welchen Ländern sich unternehmerische Investitionen besonders lohnten, antwortete: „Anywhere but Germany.“ – „Überall, nur nicht in Deutschland.“ Seit 1998/1999 hat sich eine psychologische Wende im Ansehen des Wirtschaftsstandortes Deutschland vollzogen. Der jüngste Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ausländischen Computer- und Software-Experten Einsatzmöglichkeiten für eine befristete Zeit anzubieten, verbunden mit einer Bildungs- und Qualifizierungsoffensive für deutsche Arbeitnehmer trägt wesentlich zur weiteren Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes bei.
Wir erleben zur Zeit technologische Umbrüche, die historisch einmalig sind. Dabei spielt die Informations- und Kommunikationstechnologie eine Schlüsselrolle. In den Neunzigerjahren hatten wir in Europa eine so genannte Welldachkonjunktur, ein Auf und Ab mit stagnativen Tendenzen. Die USA verzeichneten dagegen in den Neunzigerjahren hohe Wachstumsraten, ja sogar eine Beschleunigung der Produktivitätszuwächse. Unter Experten spricht man sogar von einer „new economy“, einer „neuen Ökonomie“, die sich von den üblichen Konjunkturzyklen losgelöst hat. Mit solchen Wachstumsraten könnten wir in dieser Dekade die Problematik der Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen. Wir sind froh, dass sich auch Dank der Politik der Bundesregierung die Wachstumsraten in diesem Jahr von 1,6% auf rund 3% verdoppeln werden.
Der Aufschwung in den USA ist in hohem Maße technologiegetrieben. Maßgebliche Erfolgsfaktoren sind der hohe Kapitalimport und besonders die große Attraktivität für ausländische Wissenschaftler und Experten.
Mittelfristig müssen dann entschiedene Maßnahmen der Ausbildung an den Schulen, Hochschulen und in der Wirtscha ft im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, wie wir das in unserem Dringlichkeitsantrag vorschlagen, greifen und zum Erfolg führen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der IuK-Branche ist Schnelligkeit, ist Geschwindigkeit der wichtigste Erfolgsfaktor. Man spricht davon, ein Kalenderjahr entspreche sieben Internet-Jahren. Wenn wir Deutsche, wir Europäer uns im globalen Wettbewerb behaupten wollen, wenn wir gegenüber den USA einen Aufholprozess in Gang setzen wollen, muss die Wachstumsbremse „Expertenmangel“ bald beseitigt werden. Wer zu spät kommt, den bestraft der Markt.
Bayern besitzt eine gute Ausgangsbasis in den so genannten IuK-Clustern München, Nürnberg, Erlangen, Landshut, Augsburg, Aschaffenburg und Würzburg. Dies ist von besonderer Bedeutung.
Herr Kollege Glück, deshalb verstehen wir Ihr Bedenkenträgertum, das Sie an den Tag legen, überhaupt nicht.
Ich war am Donnerstag bei einem Konjunkturforum in Düsseldorf. Dort haben Wirtschaftsexperten, so der stellvertretende Generalsekretär der OECD, erklärt, dass ein ausländischer Experte, den wir anwerben können, mindestens zwei weitere Arbeitsplätze generiert. Das heißt, wenn wir 20000 zusätzliche Experten ins Land holen, bekommen wir mindestens 40000 Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer zusätzlich. Dies ist besonders wichtig für kleine und mittlere Unternehmen. Die großen können sich teure Experten auch von den kleinen und mittleren Unternehmen in unserem Lande anwerben.
Von dem Multiplikatoreffekt, der dadurch ausgelöst wird und für die weitere Wirtschaftsentwicklung wichtig ist, will ich gar nicht sprechen.
Der Arbeitsmarkt für IuK-Fachkräfte ist leergefegt. Daran gibt es allgemein keinen Zweifel. Wenn behauptet wird, es gebe mehrere Tausend arbeitslose Experten in Bayern, so handelt es sich dabei im Wesentlichen um die Stichtagsarbeitslosigkeit. Leute, die vier oder sechs Wochen arbeitslos sind und sich als arbeitslos melden, um die Sozialleistungen zu bekommen, haben in Wirklichkeit schon einen neuen Job.
Dazu kommt, dass die Qualifikationsprofile des Angebots mit denjenigen der Nachfrage nicht immer übereinstimmen.
Aus den Ursachen der Misere gilt es für die Zukunft die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Natürlich hat die Wirtschaft riesige Fehler gemacht, als sie 1993 viele Ingenieure entlassen hatte, was zu einem Rückgang der Studentenzahl geführt hat. Auch der so genannte Jugendlichkeitswahn spielt eine Rolle, der darin besteht,
Die Einsicht ist da. Deshalb müssen wir alle zusammen mit der Wirtschaft für technische Berufe werben, insbesondere bei den Mädchen. Wenn ich bedenke, Frau Kollegin Münzel, dass an der Fachhochschule Aschaffenburg in einem Studentenjahrgang der Elektrotechnik unter 29 Studienanfängern ein Mädchen ist, dann ist es für das Potenzial, das wir ausschöpfen können, einfach zu wenig.
Natürlich gibt es auch größere Versäumnisse der Politik, nicht nur in der Wirtschaft und bei den Schulen und Hochschulen. Wenn Bundesregierung und Staatsregierung Hand in Hand arbeiten, könnte man den Blick zurück eigentlich vermeiden und nach vorn blicken. Leider aber, meine Damen und Herren von der CSU, kann ich es Ihnen nicht ersparen, angesichts Ihrer Reaktion auf den Vorschlag des Bundeskanzlers einzugehen.
Ministerpräsident Edmund Stoiber erklärte am 28. Februar, er habe seine Kritik an der Initiative des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, SPD, zur Anwerbung ausländischer Experten bekräftigt. Er bleibe dabei, so Stoiber, dass der Vorstoß eine Bankrotterklärung für Schröder sei. Das sagte Stoiber am Montag in München und fügte hinzu, der Bundeskanzler habe es versäumt, sich rechtzeitig um die Entwicklung der Kommunikations- und Informationsbranche zu kümmern.
Nach 16 Jahren Regierungsverantwortung im Bund und jahrzehntelanger Alleinregierung im Land ist es eine Unverschämtheit, einem Kanzler, der gerade 17 Monate im Amt ist, hier Versäumnisse vorzuwerfen.
Wenn Sie immer wieder die angebliche Technikfeindlichkeit von Rot-Grün hervorheben, so müssen Sie sich eigentlich sagen lassen, dass im Bundeskanzleramt bis zum Regierungswechsel die Kommunikation mit Rohrpost vor sich ging, keineswegs mit E-Mail. Das zeigt eigentlich schon alles.
Meine Damen und Herren, wir haben Verständnis dafür, dass Sie der Vorschlag des Bundeskanzlers auf dem falschen Fuß erwischt hat. Zuerst hat sich Herr Beckstein geäußert. Es ist klar: Er äußert sich in diesen Fragen immer zuerst. Dann kam Stoiber. Beide zeigten strikte Ablehnung. Herr Huber sagte im Gegensatz dazu, der Vorschlag sei diskussionswürdig. Frau Stamm sagt, die bestehenden Vorschriften reichten aus. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Landesgruppe der CSU im
Bundestag, Frau Wöhrl, erklärte, es handle sich um eine Scheinlösung, die Symptome, aber nicht die Krankheit kuriere. Michael Glos beklagt den übergroßen Apparat der Bundesanstalt für Arbeit und sieht ein Versagen in der Bildungspolitik, für die die Länder zuständig sind.
Nur einer schweigt. Das ist der Wirtschaftsminister. Er hat gut daran getan, zu dem Vorschlag des Bundeskanzlers zunächst einmal zu schweigen.
Aber gefährlich wird es, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen der dortige Spitzenkandidat von Ihnen unwidersprochen erklärt: Kinder statt Inder an die Computer!
Sie müssen aber aufpassen, meine Damen und Herren von der CSU. Professor Hensler hat am 17. Juni 1998 auf dem Hightech-Kongress ein Gutachten der Bayern über die IT-Industrie vorgestellt. Er schildert die Situation in Bayern bis auf zwei Punkte sehr positiv. Doch auf Seite 16 heißt es – ich zitiere wörtlich; das war bereits vor zwei Jahren –: „Bayern wird als nicht fremdenfreundlich wahrgenommen.“ Diesen schlechten Ruf haben Sie seither leider voll gerechtfertigt. Stoiber ist der „Spiritus Rector“ der Unterschriftenaktion in Hessen. Er hat auch die Koalitionsempfehlung zugunsten Haiders abgegeben.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie diese Debatte um die ausländischen Experten zum Anlass, Ihre rückwärts gewandte ideologische Haltung in der Ausländerpolitik hinter sich zu lassen. Wir brauchen in unserem Lande mehr Internationalität statt eine Abschottungspolitik.
Die SPD-Fraktion begrüßt den Vorschlag des Bundeskanzlers und unterstützt seine hervorragende Politik, von der auch Bayern profitiert.