Protocol of the Session on April 3, 2003

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 113. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, zweier ehemaliger Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Wie wir erst jetzt erfuhren, verstarb am 18. Januar 2003 Herr Werner Hofmann. Er war von 1967 bis 1970 Mitglied des Bayerischen Landtags und vertrat den Wahlkreis Unterfranken für die SPD. Als Abgeordneter war er Mitglied im Eingabenausschuss und im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitspolitik. Sein Engagement für die Menschen in seiner unterfränkischen Heimat prägte sein parlamentarisches Wirken.

Am 29. März verstarb Herr Ludwig Nerlinger im Alter von 84 Jahren. Er war von 1950 bis 1962 Mitglied des Bayerischen Landtags und vertrat für die Bayernpartei den Wahlkreis Schwaben. Als Angehöriger der Kriegsgeneration galt sein besonderer Einsatz dem Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens. Während seiner Parlamentszugehörigkeit war er unter anderem Mitglied in den Ausschüssen für Wirtschaft und Verkehr sowie für Sozialpolitische Angelegenheiten. Darüber hinaus engagierte er sich besonders in der Kommunalpolitik.

Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 1

Mündliche Anfragen

Heute haben wir die kurze Runde mit 45 Minuten. Das ist ein Auftrag an alle, sich kurz zu fassen. Ich bitte zunächst den Leiter der Staatskanzlei, Herrn Staatsminister Huber, um die Beantwortung der ersten Frage. Erster Fragesteller ist Herr Kollege Sprinkart.

Herr Staatsminister Erwin Huber, haben Sie als Vertreter Bayerns in einer der letzten Sitzungen des Beirats bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die Ergreifung von konkreten und schnell wirkenden Maßnahmen gefordert, die die Post veranlassen, von ihrem Vorhaben abzurücken, für die Agenturnehmer inakzeptable Agenturverträge anzubieten mit der Folge, dass viele Agenturen schließen werden und eine flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen, wie in der Post-Universaldienstleistungsverordnung festgelegt, nicht mehr gewährleistet werden kann, wenn ja, wie sahen diese Maßnahmen aus, und wurden sie beschlossen?

Herr Staatsminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Herr Abgeordneter, ich habe mich nachhaltig für die Erhaltung der Postagenturen und auch für wirtschaftlich vertretbare Verträge eingesetzt.

Die Deutsche Post AG versucht derzeit, neue Verträge durchzusetzen, die für viele Postagenturen gerade im ländlichen Raum eine deutliche Verschlechterung gegenüber den bisherigen Vertragsbedingungen bedeuten. Kollege Dr. Wiesheu hat sich deswegen bereits am 8. Januar an Bundeswirtschaftsminister Clement und an den Vorstandsvorsitzenden der Post, Dr. Zumwinkel, gewandt und eine faire Behandlung der Agenturbetreiber angemahnt.

Ich selbst habe mit Schreiben vom 20. Januar dieses Thema aufgegriffen und veranlasst, dass es in der Sitzung des Beirats bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post am 10. Februar behandelt wurde. Unser Ziel ist es, eine flächendeckende nachhaltige Versorgung mit hochwertigen Postdienstleistungen sicherzustellen. Voraussetzung dafür ist, dass die Post AG den Agenturunternehmen annehmbare Vertragskonditionen anbietet. Ich halte es für dringend erforderlich, dass die Post AG den Interessen der zumeist mittelständisch geprägten Postagenturbetreiber stärker als bisher Rechnung trägt.

Der Beirat hat auch auf meinen Antrag am 10. Februar einen Beschluss gefasst, der die besondere Bedeutung der Postagenturen bei der flächendeckenden Versorgung mit Postdienstleistungen hervorhebt und die Deutsche Post AG zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Postagenturunternehmen auffordert. Außerdem wurde der Bund als Mehrheitsaktionär an der Deutschen Post AG gebeten, seinen Einfluss geltend zu machen. Im Übrigen hat der Beirat die Regulierungsbehörde aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen zu überwachen, dass die Post AG im Falle der Kündigung von Agenturverträgen jederzeit und in vollem Umfang den Verpflichtungen aus der Post-Universaldienstleistungsverordnung – kurz PUDLV – nachkommt und Verstöße mit dem gesetzlich vorgesehenen Bußgeld ahndet.

Die Regulierungsbehörde hat vor diesem Hintergrund zwischenzeitlich mit der Deutschen Post AG ein Meldesystem vereinbart. Dieses sieht unter anderem vor, dass die Post AG die Anzahl der bestehenden Filialen automatisch vierteljährlich der Behörde zu melden hat. Darüber hinaus ist die Post verpflichtet, die Regulierungsbehörde im Fall der Kündigung von Verträgen mit einem Postagenturbetreiber rechtzeitig zu informieren, damit die Einhaltung der Verpflichtungen aus der PUDLV sichergestellt werden kann.

In der Beiratssitzung am 31. März hat mein Vertreter im Beirat, Staatssekretär Spitzner, das Vorgehen der Post AG erneut kritisiert und insbesondere auf den daraus resultierenden Vertrauensschaden hingewiesen. Der Beirat hat in dieser Sitzung nochmals seine Erwartung geäußert, dass die Regulierungsbehörde die Verpflich

tungen der Post AG überwacht und bei Verstößen nachhaltig von den ihr zustehenden Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch macht.

Ich verbinde damit die Bitte, dass die Parteien, die an der Bundesregierung beteiligt sind, ebenfalls ihren Einfluss als Eigentümer der Post AG geltend machen.

(Beifall des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Zusatzfrage: der Fragesteller.

Herr Staatsminister, Sie können sich darauf verlassen, dass wir dies tun. Meine Zusatzfrage lautet: Wurde im Beirat für den Fall, dass aufgrund der neuen Vertragsvorlagen in Orten eine Poststelle wegfällt, in denen sie nach der PUDLV eigentlich installiert sein müsste, keine konkrete Frist gesetzt, innerhalb derer die Post wieder eine neue Poststelle zu installieren hat? Wurde so etwas im Beirat nicht beschlossen?

Herr Staatsminister.

Herr Abgeordneter, Ihnen müsste bekannt sein, dass es eine genaue Regelung gibt, welche Postdienststellen die Post zur Verfügung zu stellen hat. Dies hängt von der Größe der Gemeinde oder des Ortes ab. Die Post hat Postdienstleistungen flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung ist immer unverzüglich einzuhalten. Das Meldesystem gegenüber der Regulierungsbehörde soll sicherstellen, dass es eben keine längeren Wartezeiten gibt. Eine längere Fristsetzung würde im Grunde genommen die Verpflichtung, dauerhaft und flächendeckend Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, untergraben und zu einer Unterbrechung der Versorgung führen. Deshalb hielte ich eine solche Fristsetzung nicht für angebracht. Die Post AG ist entsprechend der PUDLV verpflichtet, diese Dienstleistungen gemäß der in der PUDLV genannten Bedingungen permanent und flächendeckend zur Verfügung zu stellen.

Zuatzfrage: der Fragesteller.

Herr Staatsminister, sind Sie mit mir nicht der Meinung, dass das, was beschlossen wurde, die Post im Prinzip zwar dazu nötigt, in solchen Orten wieder eine Agentur oder eine Poststelle einzurichten, dass das Verfahren aber ungeheuer langwierig ist?

Herr Abgeordneter, zunächst einmal: Wenn Ihre Partei als Teil der Bundesregierung und damit Eigentümerin der Post AG soviel Einfluss hätte, wie Sie vorgeben, dann bräuchten Sie nicht auf die Kontrollinstanz zu verweisen; denn dann würde die Post AG diese Verpflichtung in eigener Verantwortung erfüllen. Es ist schon ein Mangel vorhan

den, wenn man zunächst darauf hinweisen muss, dass die Kontrollbehörde möglichst nah, schnell, intensiv und hart zugreifen muss. Ich meine, man sollte zunächst einmal die Post AG auf ihre alleinige Verantwortung zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen und Aufgaben hinweisen, die sich aus den Regelungen ergeben. Sie können aber davon ausgehen, dass die Kontrollbehörde, die Regulierungsbehörde, gestärkt durch den Beirat, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, alles tun wird.

(Beifall des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Die nächsten Fragen gehen an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Herr Staatssekretär Freller, ich bitte Sie, diese Fragen zu beantworten. Der erste Fragesteller ist Herr Kollege Dr. Scholz.

Herr Staatssekretär, ist die Staatsregierung bereit, das eindrucksvolle Engagement der Schülerinnen und Schüler in Bayern für eine Politik des Friedens positiv zu würdigen und demnach von allen restriktiven Maßnahmen wie Schulverweisen und Ähnlichem abzusehen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, der Irak-Krieg löst gerade auch bei Schülerinnen und Schülern Fragen und Ängste aus. Die Schule ist der richtige Ort, um auf die Sorgen und Befürchtungen von Kindern und Jugendlichen in einer Krisensituation einzugehen. Das Kultusministerium hat alle Lehrerinnen und Lehrer gebeten, für die Fragen und Ängste ihrer Schülerinnen und Schüler offen zu sein und die aktuelle Situation im Unterricht in angemessener Form aufzugreifen. Schülerinnen und Schüler sollten sachlich fundiert informiert werden und in der Schule die Möglichkeit haben, miteinander zu diskutieren und Argumente auszutauschen.

Die Information und Diskussion im Klassenzimmer bzw. in der Schule kommt den individuellen Fragen und Bedürfnissen der jungen Menschen eher entgegen als groß angelegte schulübergreifende Veranstaltungen. Da die Bildung Verfassungsvorrang hat, besteht eine gesetzlich normierte Schulpflicht, die der Versammlungsfreiheit voranzustellen ist. Dies bedeutet, dass ein Engagement der Schüler außerhalb des Unterrichts möglich ist, aber den Unterricht zeitlich nicht berühren darf. Deswegen müssen Schülerinnen und Schüler, die dem Unterricht fernbleiben, um an einer Demonstration teilzunehmen, mit Ordnungsmaßnahmen rechnen.

Dabei – dies betone ich besonders – bleibt es jeder Schule überlassen, wie sie in eigener pädagogischer Verantwortung auf die Teilnahme im Einzelfall reagiert. Die Palette reicht von Ordnungsmaßnahmen bis zur Nachholung ausgefallenen Unterrichts.

Zusatzfrage: der Fragesteller.

Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich, angesichts dieser wunderbaren Bilder junger Menschen im Engagement für den Frieden und dieses Einsatzes, der eine Art Staatsbürgerkunde in praktischer Vollendung darstellt, mehr Souveränität zu zeigen, dies zu akzeptieren und als eine einmalige und beispielhafte Form staatsbürgerlichen Engagements zu begreifen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, wir gehen sogar weiter. Wir haben die Schulen eigens gebeten, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Viele Schulen haben dies in vorbildlicher Weise getan. Sie kennen die Beispiele aus Nürnberg. Ich nenne nur das Neue Gymnasium. Dort wurde dieses Thema zuerst aufgegriffen. In Schwabach haben das Adam-KrafftGymnasium und die Wirtschaftsschule einen Friedenskreis gegründet. Für dieses Engagement ist die Schule der richtige Ort.

Es spricht auch nichts dagegen, wenn junge Menschen in einer Demonstration ihren Gefühlen Ausdruck verleihen. In der Demokratie ist es zu begrüßen, wenn Menschen im Rahmen einer Demonstration sagen, was sie denken und fühlen. Ich möchte jedoch dringend darum bitten, dass diese Demonstrationen außerhalb der Schulzeit stattfinden müssen. Die Veranstalter sollten sich fragen, ob sie die Schülerinnen und Schüler in Bedrängnis bringen, wenn sie während des laufenden Unterrichts zu einer derartigen Demonstration aufrufen.

In vielen Fällen wurde zu Demonstrationen aufgerufen, die nach dem Unterricht stattfanden. Dagegen hat niemand etwas. Zum Teil wurden diese Demonstrationen auch von den Schulen gefördert. Ich halte es aber nicht für sinnvoll und zielführend, wenn diese Demonstrationen während des Unterrichts stattfinden.

Nächste Zusatzfrage: Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Herr Staatssekretär, hat das Kultusministerium die Schulen respektive die Schulämter angewiesen, Verweise zu erteilen? Gibt es dazu ein KMS?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Frau Abgeordnete, das Kultusministerium hat keine Anweisung gegeben, Verweise zu erteilen. Die Frage, wie reagiert wird, wenn Schüler unentschuldigt dem Unterricht fernbleiben, liegt in der pädagogischen Verantwortung der Schulen. Ich habe gerade in meiner Antwort gesagt, dass ein Brief der Ministerin mit einem ähnlichen Wort

laut hinausgegangen ist. Die Schulen können in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie auf solche Fälle reagieren.

Ich halte es für sinnvoll, dass vor Ort entschieden wird. Die Situation und die Terminlage war sicherlich häufig unterschiedlich. Ich habe aber gerade in der Beantwortung der Anfrage von Herrn Abgeordneten Dr. Scholz gesagt, dass es keine generelle Befreiung von der Schulpflicht gibt. Der Krieg im Irak entschuldigt nicht das Fernbleiben vom Unterricht. Es liegt jedoch im Ermessen des Schulleiters, wie er auf solche Fälle reagiert.

Einige Schulleiter haben eine Information der Eltern für notwendig erachtet. Andere Schulleiter haben sich dafür entschieden, den Unterricht im Laufe der Woche nachzuholen. Diese Kompetenz müssen wir unseren Schulleitern zubilligen. Ich halte nichts davon, dass – so stand es in der Presse – ein Oberbürgermeister quasi eine Weisung gibt, was nicht zu tun ist, wie dies in Nürnberg geschehen ist.

(Beifall bei der CSU)