Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 71. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich einen Glückwunsch aussprechen. Heute feiert Herr Staatsminister Josef Miller Geburtstag. Ich gratuliere ihm dazu im Namen des Hohen Hauses und persönlich sehr herzlich und wünsche ihm für das neue Lebensjahr Gesundheit, Kraft und Erfolg bei seinen Aufgaben im Parlament und in der Staatsregierung.

(Beifall)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 16

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr. Kaiser und Fraktion (SPD)

Deutscher Orden (Drucksache 14/7179)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Christine Stahl, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutscher Orden: Finanzielle Risiken offen legen und verringern (Drucksache 14/7180)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Goppel, Winter und Fraktion (CSU)

Weiterführung von Einrichtungen des Deutschen Ordens (Drucksache 14/7272)

Ehe ich die Aussprache eröffne, erhält Kollege Güller das Wort zur Geschäftsordnung, bitte.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich beantrage gemäß § 125 der Geschäftsordnung die Herbeizitierung des Ministerpräsidenten zum ersten Tagesordnungspunkt.

(Widerspruch bei der CSU – Brosch (CSU): Sonst geht es euch gut?)

Wir haben Verständnis dafür, wenn sich der Ministerpräsident in diesem Parlament hin und wieder wegen anderer Dinge entschuldigt. Wir haben auch Verständnis dafür, dass er heute Verpflichtungen mit dem Ministerpräsidenten von Quebec und Kofi Annan hat. Wir haben kein Verständnis dafür, dass es ihm nicht möglich ist, im Laufe eines Parlamentstags zumindest eine Stunde hier bei uns anwesend zu sein.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Ihr habt Sehnsucht!)

Wir haben dies gestern auch der Staatskanzlei bekannt gegeben und wären ohne Probleme dazu bereit gewesen, heute Vormittag einen anderen Termin als 9 Uhr zu finden; das ist überhaupt keine Frage. Wir haben kein Verständnis dafür, dass der Ministerpräsident pausenlos versucht, auch noch auf der weltpolitischen Bühne herumzutanzen, während ihm offensichtlich die Probleme im eigenen Bundesland, die er offensichtlich selbst mitverschuldet hat, völlig egal sind.

(Beifall bei der SPD – Lebhafter Widerspruch bei der CSU)

Wir meinen, dass das Thema Deutscher Orden mit 5000 im Feuer stehenden Arbeitsplätzen, der Gesundheitsversorgung von Zigtausenden von Menschen im Freistaat Bayern und einer im Raum stehenden Summe von 300 Millionen DM Schaden auch für den Herrn Ministerpräsidenten genügend Anlass sind, um einmal seinen Luxuskörper in dieses Hohe Haus zu bewegen.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Zahlreiche Zurufe von der CSU – Herrmann (CSU): Ist das der neue Stil, den Sie gestern angemahnt haben, Herr Präsident? – Hofmann (CSU): Wegsperren! Schröder würde sagen: wegsperren! – Große Unruhe)

Kollege Güller, diese Formulierung ist nicht sehr parlamentarisch.

(Fortgesetzte Unruhe)

Herr Kollege Glück, Sie haben das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Güller, Ihre Schlussbemerkung war nicht witzig, sondern disqualifiziert Sie selbst.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Der Ministerpräsident war gestern bei der Beerdigung von Frau Kohl. Ich gehe davon aus, dass Sie das akzeptieren. Es liegt im Interesse unseres Landes, dass der bayerische Ministerpräsident internationale Kontakte pflegt.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Dies ist der Entwicklung unseres Landes sehr zugute gekommen.

Nun zur heutigen Situation: Wie wenig Sie an der Sache orientiert sind, zeigt schon Ihr Antrag, der lautet: Der Landtag möge eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses beschließen. Dass für diesen Tagesordnungspunkt die Anwesenheit des Ministerpräsidenten hier im Plenum wichtig wäre, kann zunächst einmal niemand begreifen.

(Beifall bei der CSU)

Dazu wäre im Übrigen auch kein Dringlichkeitsantrag notwendig, sondern Sie können jederzeit, von Ihrem

Minderheitenrecht ausgehend, im Haushaltsausschuss eine Sondersitzung des Ausschusses beantragen. Also belegt allein Ihre Antragstellung, dass Sie überhaupt nicht vorhaben, heute irgendeine Sacherörterung zu führen, sondern dass Sie ein politisches Tribunal suchen, unabhängig davon, ob das den Bemühungen um die Einrichtungen des Deutschen Ordens nützt oder schadet; denn dies ist Ihnen gegenwärtig vollkommen egal.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Es interessiert Sie und Kollegen Dr. Kaiser ganz offensichtlich überhaupt nicht,

(Hofmann (CSU): Und den Landesvorsitzenden der SPD auch nicht!)

ob die gegenwärtige politische Inszenierung für die Bemühungen schädlich ist – das sind zunächst die wichtigsten Bemühungen –, dass diese Einrichtungen aufrechterhalten bleiben.

(Zahlreiche Zurufe von der SPD – Frau Werner- Muggendorfer (SPD): Das darf nicht wahr sein! – Zurufe der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD) – Große Unruhe)

Meine Damen und Herren von der SPD, dies haben Sie zunächst einmal vor den Menschen zu verantworten, die in den Einrichtungen betreut werden, und vor denen, die dort arbeiten. Allein schon Ihre heutige Vorgehensweise – –

(Fortgesetzte Zurufe der Abgeordneten Frau Wer- ner-Muggendorfer (SPD) und Frau Radermacher (SPD) – Große Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen hier in der ersten Reihe, allein Ihre Art der – – Jetzt muss ich das Wort unterdrücken, das ich spontan gebraucht hätte.

(Starzmann (SPD): Das ist besser so! – Frau Radermacher (SPD): Das ist sicher besser!)

Das mag sein, Herr Starzmann, obwohl meine Formulierung nicht dem Niveau entsprochen hätte, auf das sich Herr Güller gerade begeben hat. Ich formuliere es etwas anders: Ihr aufgeregt hektisches Geschrei zeigt, dass es Ihnen überhaupt nicht darum geht, die Sache jetzt in Ruhe zu erörtern. Kurzum: Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, jemand hat für den Antrag und jemand dagegen gesprochen. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag der SPD-Fraktion folgen will, den Ministerpräsidenten herbeizurufen, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Der Antrag ist abgelehnt.

In der Zwischenzeit hat Frau Staatsministerin Stewens um das Wort gebeten, bevor wir in die Behandlung der Anträge eintreten. Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst auf den Dringlichkeitsantrag der SPD eingehen, in dem die Offenlegung des Sanierungsgutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gefordert wird. Wie Sie wissen, ist die Staatsregierung im Sanierungsausschuss vertreten, in dem es um das Wohl der Patienten, also die Sicherstellung der Krankenhäuser und der übrigen Einrichtungen des Deutschen Ordens und der damit verbundenen Arbeitsplätze geht.

Aufgrund der Stellung des Deutschen Ordens als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unmittelbar dem Vatikan unterstellt ist, hat der Freistaat keinerlei Weisungsbefugnisse gegenüber dem Deutschen Orden. Das Sanierungsgutachten der KPMG betrifft ausschließlich den internen Geschäftsbereich des Deutschen Ordens und unterliegt somit naturgemäß dem Geschäftsgeheimnis. Selbstverständlich wollen zuerst die Hauptbetroffenen, nämlich die zahlreichen Gläubigerbanken des Deutschen Ordens, das Gutachten einer eingehenden Überprüfung unterziehen, bevor irgendwelche Inhalte daraus in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Das KPMG-Gutachten ist dem Sanierungsausschuss zu Beginn dieses Monats vorgestellt worden. Ende dieses Monats kommen nun alle Gläubigerbanken zusammen, die dann auch das KPMG-Gutachten vorgestellt bekommen und darüber diskutieren werden.

Unabhängig von der Rechtslage ist zu sagen, dass es wohl das Ungeschickteste ist, was einer Einrichtung widerfahren kann, wenn ihr Sanierungskonzept auf dem freien Markt diskutiert wird.

(Beifall bei der CSU)

Damit würde man eine Sanierung meines Erachtens nicht nur gefährden, sondern möglicherweise sogar verhindern. Das ist kontraproduktiv für die Erhaltung der Krankenhäuser und für die Erhaltung der Arbeitsplätze in Buchloe und Dillingen. Letzteres liegt, wie ich hoffe, doch gemeinsam in unserem Interesse.