Harald Güller
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Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Sachverhalt ist zumindest den Kollegen aus der Region Augsburg und Schwaben klar. Wir haben in Augsburg seit 1982 ein vom Krankenhauszweckverband betriebenes Krankenhaus der vierten und damit höchsten Versorgungsstufe. Augsburg ist als einziger Großraum in ganz Bayern nicht mit einer Universitätsklinik ausgestattet. Deshalb müssen wir die Investitionskosten für die Neubeschaffung von medizinischen Geräten aus der Pauschale nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz bezahlen. Diese Mittel reichen nicht aus; das Defizit trägt zu circa drei Viertel die Stadt Augsburg und zu zirka einem Viertel der Landkreis Augsburg. Nun stehen in den kommenden Jahren Erneuerungsinvestitionen in einer Größenordnung von ca. 150 Millionen e an. Soweit, so gut.
Alle Politiker der Region, alle Abgeordneten, ob von SPD oder CSU, sind sich vor Ort darin einig, zu fordern, dass der Freistaat Bayern endlich seinen Verpflichtungen nachkommt und das Klinikum Augsburg entweder über das Krankenhausfinanzierungsgesetz oder über den Umweg der Errichtung einer Universitätsklinik so fördert, wie es in den anderen Ballungsräumen Bayerns auch üblich ist. Wir können diese Kosten nicht auf den Landkreis und die Stadt Augsburg abwälzen. Soweit gehen auch die Lippenbekenntnisse der CSU-Kollegen vor Ort.
Es gibt zahlreiche Initiativen, und eine der Initiativen ist unter anderem von den Kollegen Leichtle, Strasser, von Frau Kollegin Goertz und von mir gestartet worden. Wir haben im Bayerischen Landtag einen Antrag eingebracht, in dem es heißt: Die Staatsregierung wird aufgefordert, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen; gegebenenfalls sind die entsprechenden Mittel im Rahmen eines Nachtragshaushalts einzustellen. Dieser Antrag wurde im Haushaltsausschuss auch beraten, und – siehe da! – die lieben schwäbischen Abgeordneten der CSU erfinden eine ganz tolle und neue Strategie. Der Kollege Strehle stimmt unserem Antrag zu, das macht zusammen mit den Stimmen der SPD und der Grünen neun Stimmen. Neun Abgeordnete der CSU, die regional nicht beteiligt sind, stimmen schnöde gegen den Antrag; ein Kollege, welcher einen Stimmkreis in Augsburg Land neu bekommen hat – es ist der Kollege Winter – denkt sich, jetzt spiele ich einmal „Schweinchen Schlau“ und enthalte mich der Stimme, damit der Antrag abgelehnt ist, ich aber trotzdem vor Ort die große Rede führen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht es nicht.
Sie von der CSU in Schwaben werden heute die Gelegenheit bekommen, nachzuweisen, ob Sie in Ihrer Landtagsfraktion Einfluss haben oder nicht. Sie werden die Gelegenheit haben, in namentlicher Abstimmung, die ich hiermit namens der SPD-Fraktion beantrage, nachzuweisen, dass Sie nicht nur vor Ort Lippenbekenntnisse abgeben und eine große Lippe riskieren, sondern dass Sie auch in München die regionalen Interessen der Stadt
und des Landkreises Augsburg sowie der gesamten Region Augsburg vertreten.
Gestern habe ich gehört, dass wir berechtigerterweise fordern sollten, dass der Bund die Mittel in Höhe von 10 Millionen e nach der Gemeinschaftsaufgabe nicht streichen sollte. Welches Geheule ist hier von der CSU in Richtung Berlin gemacht worden? Wie sind wir in die Verpflichtung genommen worden, auch für den ostbayerischen Raum etwas zu tun? Natürlich haben wir diese Verpflichtung auch aufgegriffen und ernst genommen. Deshalb erwarte ich von Ihnen heute, dass Sie auch die Region Augsburg finanziell nicht im Regen stehen lassen und dass Sie vor Ort nicht anders reden als Sie hier im Bayerischen Landtag abstimmen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Region auch dann, wenn Sie nicht mehr im Stimmkreis sind, vertreten. Schauen wir einmal, was der Kollege Winter macht.
Schauen wir einmal, was die anderen Kollegen aus Schwaben machen, ob sie die Kraft haben, die anderen Kollegen in der CSU-Fraktion zu überzeugen. Viel Spaß bei der Abstimmung.
Kolleginnen und Kollegen, in aller Kürze. Was lernen wir aus dem Vortrag des Kollegen Schmid? Erstens, die Umstellung der Zuschüsse auf Darlehen ist eine Leistung der Bayerischen Staatsregierung, und dafür gehört sie von den Vereinen auch noch gefeiert. Die Vereine dürfen auch noch dankbar sein.
Über diesen Beifall der CSU-Fraktion – im Protokoll festgehalten – werden sich in den nächsten Wochen in Bayern die Vereine freuen, und Sie können sicher sein, dass wir ihnen dieses ausdrücklich so zur Kenntnis bringen werden.
Zweitens. Die Vereine sollen auch noch froh darüber sein, dass die Bayerische Staatsregierung und die CSUMehrheit hier im Haushalt seit Jahren die Rahmenbedingungen für die Sportförderung systematisch verschlechtern und die kommunalen Breitensportanlagen nicht mehr fördern. Dafür sollen unsere Sporttreibenden und unsere Ehrenamtlichen, die in den Vereinen tätig sind, noch dankbar sein.
Drittens lernen wir, dass Kollege Schmid auf seinen zahlreichen Veranstaltungen bei den Vereinen eigentlich mehr Dankbarkeit kennen gelernt hat, als Kritik auf ihn zukam. Was lernen wir daraus? Wir lernen daraus, dass Kollege Schmid leider entweder von der Sportpolitik keine Ahnung hat oder aufgrund seiner Parteibrille nichts mehr sehen will und damit seine Ehrenämter, die er beim BLSV als Kreisvorsitzender und wohl auch als stellvertretender Bezirksvorsitzender hat, heute schlicht und einfach der Parteipolitik geopfert hat.
Herr Schmid, um Ihnen ein bisschen Nachhilfe zu geben, darf ich aus einem Schreiben des BLSV-Sportkreises 4,
Augsburg-Land, zitieren. Dessen Vorsitzender Manfred Ortlieb, der Ihnen vielleicht aus der Parteiebene nicht ganz unbekannt ist, schreibt:
Sehr geehrter Herr Güller, als Landtagsabgeordneter des Landkreises Augsburg muss ich Sie über die derzeit missliche Stimmung bei vielen Funktionären der Sportvereine in Kenntnis setzen. Diese ist begründet in der momentan unübersichtlichen Lage bei der Förderung von Investitionsmaßnahmen der Vereine. Dies ist Ihnen sicherlich bekannt.
Dem BLSV-Vorsitzenden, Herrn Schmid, scheint es noch nicht bekannt zu sein. Vielleicht wäre es besser gewesen, das Schreiben an Sie, Herr Schmid, zu schicken, dann hätte es einen gewissen Lerneffekt auslösen können.
Im Schreiben des BLSV Kreis Aichach-Friedberg von Frau Laske mit gleichem Tenor, das ebenfalls an verschiedene Abgeordnete ging, heißt es unter anderem: „Auch in anderen Vereinen meines Sportkreises stößt die Rücknahme“ – –
Herr Stockinger, brüllen war noch nie ein gutes Argument. Sperren Sie Ihre Ohren auf. Wenn Sie es dann auch noch begreifen würden, was man hier sagt, wäre das wirklich ein echt toller Effekt, den wir heute Abend hätten,.
Hören Sie einfach einmal zu, Sie haben heute Nacht noch Zeit, darüber nachzudenken, vielleicht verstehen Sie es bis morgen. In dem Schreiben heißt es weiter:
Auch in anderen Vereinen meines Sportkreises stößt die Rücknahme der staatlichen Förderung zum Bau von Sportstätten in den letzten Jahren, insbesondere aber die massive Kürzung für das Jahr 2003 auf nicht einmal mehr 4 Millionen e, auf absolutes Unverständnis. Auch für mich als Kreisvorsitzende ist es nicht gerade einfach, in diesen Wochen auf die Vereine zuzugehen, um die finanzielle Situation darzulegen.
Dies alles ist offensichtlich am Kollegen Schmid aufgrund seiner CSU-Parteibrille völlig folgenlos vorbeigegangen, und heute wollen Sie dem berechtigten Anliegen der SPD nicht zustimmen. Herr Kollege Schmid, dieses sollte Sie eigentlich veranlassen zu überlegen, welches Mandat Ihnen wichtiger ist: das Ehrenamt beim BLSV oder Ihr Abgeordnetenmandat, wo Sie einfach das blind nachvollziehen, was Ihnen die CSU-Führung und die Staatsregierung vorgegeben haben. Das sollten Sie überlegen, und das werden wir nachher bei der Abstimmung sehen. Ich wünsche Ihnen in den nächsten Wochen bei den Diskussionen in den Vereinen viel Spaß. Ihre Position ist seit heute klar.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass es heute in Zweiter und Dritter Lesung gelingt, das Ziel zu erreichen und den Wählerinnen und Wählern diese Verfassungsänderung am 21. September vorzulegen.
Von den sechs Regelungsgegenständen sind nach meiner Auffassung mindestens zwei von sehr weitreichender Bedeutung für das gesellschaftliche Leben im Freistaat Bayern. An erster Stelle ist die Einführung des strikten Konnexitätsprinzips zu nennen. Das Konnexitätsprinzip wird das Verhältnis zwischen den bayerischen Kommunen, Landkreisen und Bezirken zum Freistaat Bayern, und hier sowohl zum Parlament als Legislative als auch zur Staatsregierung als Exekutive, grundlegend verändern.
Ich weiß nicht, ob jedem in diesem Raum bewusst ist, dass diese Verfassungsänderung, wenn die Bevölkerung sie annimmt, in der nächsten Legislaturperiode ab dem 1. Januar 2004 ein völlig anderes Herangehen an Gesetze erfordern wird. Das Gleiche gilt für die Staatsregierung. Verordnungen und Richtlinien bis hin zum Ministerialschreiben, die Standardsetzungen gegenüber der kommunalen Familie enthalten, können die Anwendung des Konnexitätsprinzips auslösen. Das muss dazu führen, dass die Abgeordneten im Parlament, aber auch die Verantwortlichen in der Verwaltung sich bei jeder – ich betone: jeder – Entscheidung bewusst sind, welche Kosten dadurch auf die Kommunen zukommen können.
Das heißt – Herr Kollege Dr. Bernhard hat es „Prävention“ genannt –, die Regelung wird eine vorbeugende Wirkung bei Forderungen hier im Parlament haben; denn wir müssen uns immer die Frage stellen, was kostet das für die Kommunen und können wir es aus dem Staatshaushalt finanzieren. Das Konnexitätsprinzip wird sich insbesondere auch bürokratiedämpfend auswirken. Wer in einem Ministerium wie bisher schnell einmal ein Schreiben an die Kommunen herausgibt – zum Beispiel: Bei den Kindergärten ist folgender Standard einzuhalten... –, der muss sich in Zukunft überlegen, wie viel kostet das und kann ich es aus dem Etat meines Ministeriums, meines Ressorts und meiner Abteilung bezahlen. Wenn die Antwort Nein heißt, wird es die betreffende Person sehr schnell unterlassen, einen allgemeinen zusätzlichen Standard zu setzen. Sie wird sich überlegen, ob es nicht ausreicht, auf ein bestimmtes Problem hinzuweisen und den Kommunen die Freiheit zu lassen, innovativ tätig zu werden und sich eigene Lösungen zu überlegen, die vielleicht nicht ganz so teuer sind wie der eine oder andere Standard, der zentral gesetzt wird. Hier ist insbesondere das Kultusministerium in den letzten Jahrzehnten äußerst erfinderisch gewesen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist auch klar: Die heute zur Abstimmung stehende Regelung wird nicht dazu führen, dass automatisch mehr Geld im Haushalt des Freistaates zur Verfügung steht. Sie kann nur dazu führen, dass es zu Umschichtungen in diesem Haushalt kommt. Das heißt, dass wir unseren Gesetzen zukünftig den einen oder anderen Euro hinzuzufügen und den Kommunen zu überweisen haben. Das Geld selbst wird sich nicht vermehren.
Bei den Verhandlungen über die Verfassungsänderung haben wir aber erreicht, dass in der Begründung zum Gesetzestext ausdrücklich steht, es darf kein Nullsummenspiel für die Kommunen werden.
Frau Kollegin Hohlmeier muss man fast dankbar dafür sein, dass sie in fröhlicher Ungeschicktheit im Rahmen einer Veranstaltung erklärt hat, die Konnexität könne so schlimm nicht sein, weil man das Geld bei den Schlüsselzuweisungen wegnehmen könne. Wenn ich sie richtig verstanden habe, hat sie das so gesagt. Diese Aussage hat es uns in den Verhandlungen viel leichter gemacht, auch die Kollegen von der CSU davon zu überzeugen, dass man, damit ein solcher Schwachsinn nicht passiert, ausdrücklich in die Begründung hineinschreiben muss, es darf kein Nullsummenspiel sein.
Ich glaube, dafür sind uns die kommunalen Spitzenverbände sehr dankbar. Vielleicht sind sie auch Ihnen, Frau Hohlmeier, die Sie heute leider nicht anwesend sind, ein wenig dankbar.
Aufgabe des Parlaments bleibt es aber, die Fehler in der Finanzierung der kommunalen Finanzen in der Vergangenheit zu korrigieren. Herr Kollege Dr. Bernhard hat die kommunalen Schulen angesprochen. Dies ist sicher einer der Punkte, die dringend zu revidieren sind. Zu denken ist auch an die Finanzierung der R 6, die Fahrtkostenregelung und die Ausstattung der Schulen. Eine Lösung für diese Probleme kann und wird das Konnexitätsprinzip leider nicht bringen. Das bleibt eine Aufgabe, die ständig – auch in den nächsten Haushaltsberatungen – zu erfüllen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir von der SPD meinen, dass es gut war, dass wir im Verfassungsausschuss allen kommunalen Spitzenverbänden die Möglichkeit gegeben haben, aus ihrer Sicht noch offene Fragen anzusprechen. Ich glaube, man konnte in den einzelnen Punkten Klärung herbeiführen. Nach unserer Auffassung steht fest, dass selbstverständlich auch die Aufgaben der Landratsämter als Staatsbehörden – wenn sie staatliche Aufgaben erfüllen – unter die Konnexität fallen. Wenn die Kosten aus dem Kreishaushalt bezahlt werden, muss das Konnexitätsprinzip sinngemäß angewendet werden. Dies ist im Ausschuss auch so zum Ausdruck gekommen.
Im Ausschuss zum Ausdruck gekommen ist auch, dass alle Mehrausgaben zu berücksichtigen sind und die Kommunen nicht darauf verwiesen werden können, erst einmal ihre Steuereinnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Es ist klar geworden, dass das kommunale Eigeninteresse an einer Maßnahme eindeutig und fallbezogen zu definieren ist, und zwar im Rahmen des Konsultationsmechanismus bzw. im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung im Landtagsverfahren.
In der Praxis wird die Frage, was ist Eigeninteresse bzw. was ersparen sich Kommunen gegebenenfalls durch eine neue Regelung, natürlich zu einer Vielzahl von Diskussionen und Problemen sowohl in der Verwaltung als auch im Parlament führen. Deshalb habe ich vorhin gesagt, vielleicht ist noch nicht jedem in diesem Hause bewusst, was sich das Parlament mit dem Konnexitätsprinzip selbst als Aufgabe stellt. Wir können bei Gesetz
entwürfen unter dem Punkt „Kosten“ nicht mehr „derzeit nicht abschätzbar“ oder sonstige Formulierungen schreiben. Wir müssen mit den kommunalen Spitzenverbänden einzeln in die Diskussion eintreten, müssen deren Schätzungen, die die Herrschaften sehr genau vorliegen haben, ausdifferenzieren und gleichzeitig mit der gesetzlichen Regelung eine Finanzierungsregelung treffen.
Das wird den Alltag im Parlament verändern; davon bin ich überzeugt.
Wenn es zu keiner Einigung kommt, werden wir sehen, inwieweit Klagen erhoben werden. Hier ist festzustellen, dass jede Kommune nach dem Gesetzentwurf ein Klagerecht hat.
Die kommunalen Spitzenverbände haben ein Vertretungsrecht, und sie werden die kommunalen Interessen selbstverständlich vertreten. Dennoch müssen auch sie darauf achten, dass in ihren Organisationen Einigkeit herrscht, weil ansonsten von deren Seite Einzelklagen auf uns zukommen. Ich glaube nicht, dass es dies ist, was die kommunalen Spitzenverbände, der Landtag und die Staatsregierung haben wollen.
Mit dem vorgeschlagenen Gesetz haben wir die wohl im Moment bundesweit weitestgehende Regelung gefunden. Leider waren aber andere Bundesländer schneller; sie haben schon seit Jahren ein Konnexitätsprinzip festgeschrieben. Immerhin haben wir es aber jetzt geschafft, gemeinsam eine Verfassungsänderung vorzulegen, obwohl die CSU im Februar in der Enquete-Kommission noch fröhlich gegen jeden Konsultationsmechanismus und gegen jede Konnexität in der Verfassung gestimmt hat. Wir haben es geschafft, das Gesetz gegen einzelne Äußerungen in einer Anhörung Ende des Jahres 2002, die von der SPD beantragt war, durchzusetzen. Wir haben es geschafft, das Gesetz gegen Ihre Stimmen gegen die Anträge der SPD in dieser Legislaturperiode und in den vergangenen beiden Legislaturperioden, wo Sie immer das Konnexitätsprinzip und das Konsultationsverfahren abgelehnt haben, durchzusetzen. Dass wir das in den kommenden Wochen als großen Erfolg der SPD nach außen tragen werden, werden Sie sicher verstehen.
Dr. Keller vom Bayerischen Gemeindetag hat in den Diskussionen des Verfassungsausschusses von der historischen Bedeutung dieser Verfassungsänderung gesprochen. Soweit möchte ich nicht gehen. Ich glaube aber, dass dies eine der wichtigsten Entscheidungen ist, die dieses Parlament in dieser Legislaturperiode trifft. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lasst uns doch auch die Chance nutzen, einmal positiv nach außen zu tragen, dass wir es gemeinsam schaffen, etwas auf den Weg zu bekommen, dass wir uns in langen Diskussionen zu einem Konsens zusammengerauft haben. Dies ist einer der wenigen Punkte in dieser Legislaturperiode, bei denen dieses Parlament wirklich etwas bewegt, wo
es von sich aus etwas vorschlägt, wo es nicht einen vorgegebenen Haushalt an kleinen Ecken verändert, sondern wo es von sich aus etwas entwickelt hat und jetzt gemeinsam verabschiedet.
Ich glaube, dies kann ein Grund sein, im Wahlkampf über Fraktionsgrenzen hinaus dafür zu werben, sich an den Wahlen für den Bayerischen Landtag zu beteiligen. Deshalb ist es für alle, die in der Verhandlungskommission waren und sich damit im Verfassungsausschuss beschäftigt haben, ein bisschen frustrierend, wie der eine oder andere Kollege mit dem Thema umgeht. Ich glaube, im kommenden Wahlkampf sollte es keinem vom uns passieren, dass er eine Rede über die Zukunft des Bayerischen Landtages hält, über das, was er in der nächsten Legislaturperiode hier tun möchte, über das, was seine Partei erreichen möchte, ohne dass er auch darauf hinweist, dass am 21. September auch eine Verfassungsänderung zur Abstimmung steht und er alle Bürgerinnen und Bürger bittet, zur Wahl zu gehen und nicht nur die entsprechende Partei zu wählen, sondern auch bei den beiden Verfassungsänderungen mit Ja zu stimmen. Ich glaube, dies sollte keinem von uns in einer Wahlkampfrede passieren.
Neben den Themen Konnexitätsprinzip und Konsultationsmechanismus ist für uns insbesondere die Aufnahme des Themas Kinderrechte, Kinder als Rechtssubjekt, in die Bayerische Verfassung wichtig. Klaus Hahnzog hat in seinen Ausführungen im Verfassungsausschuss zu Recht in den Mittelpunkt gestellt: Hier zeigt sich, dass die Högnersche Verfassung und die Konstruktion, sehr, sehr weise waren. Dass das Volk über eine Verfassungsänderung abstimmt, zwingt das Parlament zunächst dazu, nicht nur Kleinigkeiten zu ändern, sondern einen großen Konsens zu finden, weil wir dafür eine Zweidrittel-Mehrheit brauchen. Dass im Konsens jetzt auch aufgenommen wird, dass die Kinder in der Bayerischen Verfassung explizit erwähnt werden – sie werden dort bisher nicht als Rechtssubjektträger erwähnt –, ist auch darauf zurückzuführen, dass eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich ist. Ich glaube, von sich aus wäre die Mehrheit in diesem Hause nicht bereit gewesen, dies mit aufzunehmen.
Uns ist klar, dass es ein Programmsatz ist. Uns ist klar, dass er mit Leben erfüllt werden muss. Uns ist aber auch klar, dass es wichtig ist, in einer Verfassung, die die Wertentscheidungen einer Gesellschaft enthält, deutlich zu machen, dass nach heutiger Auffassung die Kinder ein eigenständiges Rechtssubjekt sind und dass es Aufgabe des Staates, der Kommunen und auch jedes Einzelnen von uns ist, sie zum Beispiel auch gegen Missbrauch, insbesondere gegen sexuellen Missbrauch zu schützen.
Zu oft, liebe Kolleginnen und Kollegen, hören wir doch nur die Aufregung darüber, dass es solche Straftaten gibt. Was wir brauchen, ist ein allgemeines Bewusstsein, dass jeder in dieser Gesellschaft dafür verantwortlich ist,
solche Dinge auch mit wachem Auge zu verfolgen und dass, wenn er eine Beobachtung macht oder einen Verdacht hat, der Staat dafür verantwortlich ist, diesem Verdacht nachzugehen, ihn aufzugreifen und entsprechende Hilfsangebote zur Verfügung zu stellen. Dies machen wir in der Verfassungsänderung klar. Deshalb ist es für meine Fraktion, die SPD, auch so wichtig, dass das mit aufgenommen wurde.
Die weiteren Themen Parlamentsinformationsgesetz, Wahlalter und Zusammentritt des Landtages werden wir anschließend zum Teil noch diskutieren. Das sind Punkte, die wichtig sind, die man aber, wie wir in der Verhandlungskommission gesagt haben, miterledigt, wenn man eine Verfassungsänderung macht.
Wichtig ist mir noch, dass wir, um jedes Missverständnis auszuschließen, die Formulierung des Artikels 1 Grundgesetz, die Würde des Menschen ist unantastbar, jetzt in Artikel 100 der Bayerischen Verfassung übernehmen. Wie Sie wissen, Kolleginnen und Kollegen, gibt es einige, die aus rein parteipolitischer Taktik – das muss man so klar sagen – in der Öffentlichkeit verbreiten, in der Bayerischen Verfassung sei die Ablehnung des Klonens von Menschen nicht niedergeschrieben. Für jeden, der die Verfassung verständig liest, ist dies absolut falsch.
Dennoch haben wir uns entschieden, eine Änderung im Wortlaut vorzunehmen, sodass wir parallel zum Grundgesetz laufen, dass wir ohne jegliches Problem zum Beispiel auf das Embryonenschutzgesetz auf Bundesebene Bezug nehmen können, in dem dies eindeutig steht. Es wäre angemessen, wenn die Gruppierung, die das Volksbegehren einleitet, jetzt genauso handeln würde wie die Freien Wähler, nämlich sagen würde: Das Parlament hat unsere Anregungen aufgenommen, hat eine Klarstellung vorgenommen, und wir segeln jetzt nicht weiter unter falscher Flagge, wie dies die ÖDP macht. Dies wäre für die politische Kultur auch im kommenden Wahlkampf vielleicht durchaus hilfreich.
Ich sage, auch dies wäre ein Punkt, den man unabhängig von der Parteizugehörigkeit und unabhängig davon, für wen man am 21. September wirbt, in den nächsten Wochen in die Reden immer mit aufnehmen sollte. Wer dieser Partei auf den Leim geht und jetzt unterschreibt, wird etwas anderes erreichen, als auf dem Plakat steht. Klonen ist nämlich auch nach der jetzigen Formulierung der Verfassung, nach dem Grundgesetz, nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. Wer etwas anderes behauptet, tut dies nur, um Stimmen bei der nächsten Wahl zu gewinnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende bleibt mir nur, allen zu danken, die an der Ausarbeitung beteiligt waren. Neben unseren Fraktionsmitarbeitern waren dies auch Vertreterinnen und Vertreter der Staatsregierung, aber
insbesondere die kommunalen Spitzenverbände, die einen manchmal bis zum letzten Komma und bis zum letzten Strichpunkt genervt haben. Letztendlich konnten wir dadurch aber eine Klärung herbeiführen und sind mit den kommunalen Spitzenverbänden jetzt soweit einig, dass diese sagen: Das ist das Beste, was wir erreichen konnten. Wir haben in fast allen Punkten auch nach deren Auffassung Klarheit geschaffen. Jetzt geht es darum, dies in der Praxis zu erproben und die Regeln ab dem 1. Januar 2004 auch anzuwenden.
Ich glaube, uns ist etwas Gutes gelungen. Was jetzt noch dazwischensteht, ist der 21. September, die Abstimmung aller Wählerinnen und Wähler. Lassen Sie uns gemeinsam für eine möglichst breite Zustimmung zu beiden Paketen werben, und lassen Sie uns heute den Gesetzentwurf gemeinsam und möglichst einstimmig verabschieden.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach den ausführlichen Ausführungen des Kollegen Welnhofer muss ich zum Inhalt nichts mehr sagen. Er hat betont, die zum Beschluss anstehenden Änderungen seien Ausdruck eines selbstbewussten Parlaments. Dies kann man nur unterstreichen. Wie das selbstbewusste Parlament die in Gesetz gegossenen neuen Rechte und in eine Vereinbarung zu gießenden Rechte – hauptsächlich in der nächsten Legislaturperiode – nützen und mehr Gewicht erhalten wird, bleibt abzuwarten.
Herr Kollege Welnhofer, Sie haben angesprochen, dass das Parlament nicht nur das Recht auf Information von der Staatsregierung hat – wir müssen nicht streiten, ob sie schon jetzt alles ohne rechtliche Grundlage ausführlich weitergegeben hat. Ich habe den Eindruck, dass zu Anhörungen die Materialien zu Gesetzesvorhaben der Staatsregierung nicht unbedingt weitergegeben werden. Zumindest habe ich das im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen monieren müssen, als ich dort Mitglied war, weil Unterlagen nicht vorgelegt wurden. Das gehört jetzt der Vergangenheit an.
Ein wichtiger Teil ist, dass wir Stellungnahmen rechtzeitig abgeben. Ich bitte Sie, den modernen Parlamentarismus so zu verstehen, dass man die eigene Meinung und das Recht auf kritische Anregung und Hinterfragen von Aktionen der Staatsregierung nicht mit der Wahl des Ministerpräsidenten in einer der ersten Sitzungen der Wahlperiode abgibt und sich ansonsten nur noch auf die Aktionseinheit beruft.
Die heute zu beschließenden Rechte werden nur dann das Ansehen des Parlaments stärken, wenn wir im hauptsächlich betroffenen Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten vor den Bundesratssitzungen dezidierte Stellungnahmen abgeben, die über das allgemeine Wort „Danke liebe Staatsregierung, dass du im Bundesrat dich meldest und tätig wirst.“ hinaus gehen und unsere Position selbstbewusst formulieren. Sie haben Recht, dass die Staatsregierung sie nicht auf Punkt und Komma übernehmen muss. Sie muss aber zumindest die Argumentation überlegen und dem Parlament eine Stellungnahme abgeben, wie die Abwägung ausgefallen ist und warum sie bestimmte Punkte – was ich mir bei Ihrer Aktionseinheit gar nicht vorstellen kann – des Parlaments nicht übernommen hat.
Diese Chance eröffnen wir heute mit den Gesetzesänderungen und der Vereinbarung. Diese Aufgabe haben die Mitglieder des nächsten Parlaments mit den heutigen Beschlüssen zu übernehmen und auszufüllen. In diesem Sinne stimmen wir allen Änderungen und den Anträgen zu.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Thema Einladung zu den Verkehrskonferenzen etwas klarstellen. Sie können zwar die mittelfränkischen Bundestagsabgeordneten für den 11. April
einladen, aber schon jetzt steht fest, dass an diesem Tag im Bundestag eine Plenarsitzung stattfindet.
Sie wissen ganz genau, wie das mit den Plenarsitzungen so ist. Zufällig finden an zwei der angesetzten Termine Plenarsitzungen statt, und vier weitere sind in Sitzungswochen des Deutschen Bundestags,
und zwar zu Zeiten, in denen in Berlin noch Ausschusssitzungen bzw. die Vorbereitungen dafür stattfinden.
Angesichts des Sitzungsplans des Deutschen Bundestags ist das schon schwierig. Auch die Belange der Landtagsabgeordneten hätten stärker berücksichtigt werden müssen, damit auch wir hingehen können. Es ist schwierig, um 15 Uhr in Bamberg zu sein, wenn man hier bis 13 Uhr an einer Ausschusssitzung teilnehmen muss, es sei denn, man hat, wie der Innenminister, einen Hubschrauber zur Verfügung. Wir würden uns mehr Sensibilität bei der Auswahl der Termine wünschen, deutlicher gesagt: Die Bundestagsabgeordneten und das Bundesverkehrsministerium sollten bei der Auswahl der Termine nicht bewusst ausgegrenzt werden.
Herr Kollege Spitzner, zu Ihnen sage ich, weil Sie angeblich ein so profunder Kenner der Bahnstrecken sind: Ein schneller Blick und ein kurzes Telefonat mit den Berlinern – dafür wäre ja seit der Veröffentlichung genügend Zeit gewesen – hätte Ihnen gezeigt, dass selbstverständlich der Ausbau und die Ertüchtigung der Strecke zwischen Augsburg und Ulm auf 200 km pro Stunde im Plan enthalten sind. Zusätzlich ist noch ein Prüfauftrag enthalten, eine bestimmte Zwischenstrecke für eine Geschwindigkeit von 250 km/h zu ertüchtigen. Herr Kollege, ein kurzer Blick in die Akten hätte Sie davor bewahrt, vor diesem Parlament eine Falschaussage zu treffen.
Die Ausführungen zur Region Schwaben waren ja auch recht putzig. Während der 16 Jahre Ihrer Regierung im Bund – kurze Zeit war Schwaben auch durch einen Bundesbauminister im Kabinett vertreten – war auf der A 8 kein großer Stau, aber einen Tag nach der Bundestagswahl fangen der Ex-Bundesbauminister und einige andere Interessierte damit an, Aufkleber zu drucken: A 8 – Ausbau jetzt.
Das nenne ich wirklich eine gute Politik. – Was tut die SPD-geführte Bundesregierung? – Sie steigt in ein privates Betreibermodell ein, wie unter anderem Sie es laut gefordert haben, allerdings ohne überhaupt einen Finanzierungsnachweis zu bringen. Wir prüfen dies gerade; die Prüfung wird Mitte des Jahres abgeschlossen sein.
Das sieht sehr, sehr gut aus, und zwar nicht nur für die Strecke bis Augsburg, sondern auch für die Strecke von Augsburg bis zum bereits jetzt sechsspurig ausgebauten Teil nach München. Meine Herrschaften, wir haben aber jetzt noch ein kleines Problem: Wir haben keinen Meter Baurecht an dieser Strecke, weil die Autobahndirektion, die, wie ich gehört habe, irgendetwas mit der bayerischen Verwaltung zu tun hat, nichts mit der Bundesverwaltung, in den letzten Jahren an diesem Teil schlicht und einfach nichts getan hat. So sieht es aus, meine Damen und Herren.
Wir bleiben beim Beispiel Schwaben. Sie haben es gerade noch drei Tage vor der Wahl 1998 geschafft, einen Planfeststellungsbeschluss für die B 17 bei Klosterlechfeld herauszugeben. Sie hatten im Plan keine müde Mark für die Finanzierung drin, aber einen Tag später haben Sie geschrieen: Das muss passieren. Diese SPD-geführte Bundesregierung hat es geschafft, dass dieser Umgehungsteil inzwischen gebaut ist.
Wir hätten auch gerne eine vierspurige Anbindung der B 17 zur A 96. Die Finanzierung bekommen wir hin; das kann ich Ihnen sagen. Das einzige Problem ist, dass die Regierung von Oberbayern seit Jahren keinen Planfeststellungsbeschluss auf die Reihe bekommt.
Seit Jahr und Tag fordern wir, dass die Behörde endlich schneller – natürlich trotzdem gründlich – arbeiten soll. Aber was passiert? – Nichts! Ständig wird die Planfeststellung in Pressemitteilungen angekündigt, zuletzt für Mitte dieses Jahres. Wahrscheinlich kommt sie drei Tage vor der Landtagswahl, damit Sie dann sagen können: Wir haben jetzt eine Planfeststellung und fordern die Finanzen.
Herr Beckstein, Sie treten gegenüber Berlin als der Meister der 100000 Forderungen auf, und in Bayern sind Sie der Herr der 100000 Schlaglöcher. Das ist die Politik der Bayerischen Staatsregierung. Wir werden Sie bei den Landtagswahlen auch daran messen, wie viel Geld Sie für Staatsstraßen ausgeben und woher das Material für die Renovierungen und den weiteren notwendigen Ausbau stammt. Sie könnten hier mehr tun, als immer nur die Bundesregierung anzugreifen.
Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich führe jetzt keine allgemein politische Diskussion um den Irak und um Kriegspolitik, wie der Kollege, ich komme auch nicht auf das zurück, was Frau Merkel heute im Deutschen Bundestag noch mal Infames gesagt hat; wenn da etwas infam war, dann war es wohl diese Äußerung von Frau Merkel heute im Bundestag, sondern ich stelle kurz und knapp für die SPD-Fraktion fest, dass es von den Äußerungen von Frau Kollegin Biedefeld nichts zurückzunehmen gibt.
Die unterwürfige Position von Frau Merkel gegenüber der amerikanischen Regierung, das ständige Herumeiern des Bayerischen Ministerpräsidenten, der es peinlichst vermeidet, den Krieg im Irak ohne UN-Mandat zu verurteilen und sich von der Position von George W. Bush zu distanzieren, lässt nur einen Schluss zu: Eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung in ihrer kritiklosen Treue zu den USA hätte Deutschland in diesen Krieg mit hineinziehen lassen. Deshalb gibt es an den Äußerungen der Kollegin Biedefeld für die SPD keinen Punkt zurückzunehmen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Wenn ich jetzt in der Tagesordnung fortfahre und die Absprachen der Fraktionen richtig verstanden habe, dann werden die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b nach der Mittagspause aufgerufen? – Wir machen jetzt also eine Mittagspause bis 14.00 Uhr.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Kolleginnen und Kollegen der CSU werden es uns, der SPD, sicher nachsehen, dass wir mit einem guten Stück Genugtuung und Freude auf das jetzt vorliegende Gesetzeswerk blicken. Genugtuung und Freude empfinden wir deshalb, weil drei der Punkte, die in diesem Gesetzgebungsvorhaben enthalten sind, jetzt endlich Wirklichkeit werden sollen, nachdem wir dies schon seit Jahren gefordert und versucht haben, darüber mit Ihnen zu verhandeln, und nachdem wir diese Forderungen auch immer wieder in Anträge hineingeschrieben haben. Es handelt sich um die Kinderrechte, um das Konnexitätsprinzip, abgesichert durch ein Konsultationsverfahren, und um das Recht des Parlaments auf Information durch die Staatsregierung, welches nun auch in der Verfassung festgeschrieben werden soll.
Die Kinderrechte finden sich nun erstmals in der Bayerischen Verfassung. Das Kind ist nun endlich ein eigenes Rechtssubjekt und nicht mehr nur Objekt der Erziehung.
Natürlich finden sich Kinderrechte auch in Bundesgesetzen und insbesondere im Grundgesetz. Die Festschreibung der Kinderrechte in der Bayerischen Verfassung drückt aber die Wertigkeit aus, die wir diesem Grundrecht in Bayern geben. Die Aussage, materiell ändere sich an der Rechtslage nichts, ist nicht ganz richtig. Selbstverständlich ist die Bayerische Verfassung bei der Auslegung von Gesetzen und insbesondere bei der Bildung eines Bewusstseins in der Bevölkerung mit ausschlaggebend. Wenn wir die Kinderrechte erstmals in der Verfassung verankern, bedeutet dies auch eine Änderung in der Wertordnung im Freistaat Bayern, und das wollten wir erreichen. Nicht umsonst hat sich ein Teil dieses Hauses noch vor einem Jahr gegen die Festschreibung dieser Rechte gewehrt, weil sie genau das nicht wollte. Man musste diesen Teil des Hauses sozusagen zum Jagen tragen, aber mit dem jetzt erzielten Ergebnis können wir gut leben.
Wichtig ist es im Zusammenhang mit den Kinderrechten auch, dass wir noch einmal klarstellen und betonen, dass Kinder und Jugendliche durch Staat und Gemeinden vor Misshandlungen und körperlicher Gewalt zu schützen sind. Es ist wichtig, dies gerade in Zeiten zu betonen, in denen zunehmend über sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche, aber auch über allgemeine Gewaltverbrechen berichtet wird, und in denen auch das Thema der häuslichen Gewalt und der Gewalt in der Erziehung in der Diskussion einen immer breiteren Raum einnimmt. Deswegen empfinden wir Freude und Genugtuung darüber, dass es uns gelungen ist, diese Rechte im Paket der Verfassungsänderungen unterzubringen.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist das Thema: „Wer anschafft, muss auch zahlen“. Fast mustergültig ist es uns gelungen, in der Verfassung ein striktes Konnexitätsprinzip festzuschreiben und einen Konsultationsmechanismus zu verankern, welcher den kommunalen Spitzenverbänden eine rechtzeitige Information, eine Mitsprache und eine Vorlage ihrer Vorstellungen zum Beispiel vor Entscheidungen der Staatsregierung ermöglicht. Auch im Parlament werden wir entsprechende Regelungen zu schaffen haben. Das, was für die Staatsregierung gilt, muss umso mehr für den Gesetzgeber gelten. Auch wir binden uns mit dieser Verfassungsänderung, die kommunalen Spitzenverbände stärker, früher und intensiver als bisher zu beteiligen und ihre Argumente anzuhören, abzuwägen und dann erst die Entscheidung zu treffen.
Die Position der Kommunen wird hierdurch eindeutig gestärkt. Herr Kollege Bernhard hat richtigerweise gesagt – darauf haben wir uns auch in der Begründung des Gesetzentwurfs geeinigt –, dass kein Nullsummenspiel stattfinden darf. Es muss zwar nicht für jede Aufgabe „fresh money“ zur Verfügung stehen, es darf aber nicht dazu kommen, dass wir mit den Aufgaben den Gemeinden, Landkreisen und Bezirken Mittel übertragen, gleichzeitig aber die Schlüsselzuweisungen kürzen. Das wird es nicht geben, und so steht es auch ausdrücklich in der Begründung. Auch das ist ein Vorteil für die Kommunen.
Das strikte Konnexitätsprinzip wird jedoch nur für die Zukunft wirken. Das heißt, bei den jetzigen Fehlfinanzierungen sowohl auf Bundesebene – das sage ich ausdrücklich – als auch auf Landesebene -
Herr Faltlhauser, die gibt es schon. Vielleicht hat es sich nur noch nicht bis zu Ihnen durchgesprochen. Ich erwähne als Beispiele nur die Schülerbeförderungskosten, die R 6 oder die Lehrerpersonalkosten. Es sind nur einige Stichworte, vielleicht haben Sie sie hier im Plenum schon gehört. Hier gab es in den letzten Jahren ganz deutliche Fehlentwicklungen. Diese werden durch die Verfassungsänderung nicht nachträglich geheilt. Hier gilt es für alle Parteien in diesem Hause, weiterhin für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen zu streiten. Das Konnexitätsprinzip wird nur für die Zukunft helfen.
Großen Wert haben wir bei den Verhandlungen auch darauf gelegt, dass die kommunalen Spitzenverbände mit einbezogen werden. Das, was der Kollege gesagt hat, ist richtig: Es gibt Signale, dass alle Spitzenverbände mit der jetzt gefundenen Regelung einverstanden sind und dass diese Regelungen auch wesentlich klarer und präziser formuliert sind als das, was die freien Wähler zunächst vorgeschlagen haben. Ich glaube, es läge im Interesse der Kommunen, dass sich alle unter diesem Mantel des gemeinsamen Gesetzentwurfes wiederfinden, denn dann könnten wir für den 21. September alle gemeinsam – gleich, welche Parteifarbe wir haben – um Zustimmung zu den beiden Gesetzespaketen werben.
Geradezu rührend ist der Dringlichkeitsantrag, den die CSU hinsichtlich des Konnexitätsprinzips auf Bundesebene eingebracht hat. Ich kann Sie beruhigen: Wir arbeiten auf dieser Ebene schon lange. Die rot-grüne Koalition hat als erste dieses Wort in einer Koalitionsvereinbarung aufgenommen. Das haben andere, die diese Republik jahrzehntelang vorher regiert haben, nicht geschafft. Wir haben auch erste Gesetze – wie das Grundsicherungsgesetz – erlassen, die eine Überprüfung der Finanzierung bereits nach einem bestimmten Zeitraum vorsehen. Wir wollen noch mehr, wir wollen innovativ sein und weitergehen, belehren brauchen wir uns von Ihnen in diesem Punkt nicht zu lassen. Wer das Konnexitätsprinzip in Bayern über Jahrzehnte abgelehnt hat – zuletzt in der Enquete-Kommission Föderalismus im Februar des Jahres 2002 –, der braucht nicht erzählen, was es auf Bundesebene geben soll. Nichtsdestotrotz ist die Formulierung des Antrags richtig. In dieser Formulierung kann man sich auch ohne Probleme zusammenfinden.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass neben dem Konnexitätsprinzip auch eine zweite Ebene mit ins Spiel kommt, nämlich die Stärkung der Rechte des Parlaments gegenüber der Bayerischen Staatsregierung. Die verfassungsmäßige Verankerung dieses Rechts – wir haben derzeit auch das Parlamentsinformationsgesetz in den Beratungen – ist für uns eine wichtige Angelegenheit, um auf gleicher Augenhöhe zu sein. Vielleicht erlangt der Verfassungsgrundsatz, wonach keine Gewalt gegenüber der anderen ein Übergewicht erlangen darf, durch diese Festlegung ein Stück mehr Realität. Wir hoffen darauf und darum ist uns auch diese Festlegung so wichtig.
Mit der Änderung, mit der wir die Formulierung zur Menschenwürde aus Artikel 1 des Grundgesetzes in die Bayerische Verfassung übernehmen, wollen wir einer absurden Debatte Einhalt gebieten, die von interessierter Seite angestoßen wird und so tut, als wäre nach der Bayerischen Verfassung in der heutigen Fassung das Klonen von Menschen zulässig. Das ist absurd; es gibt für den Nichtjuristen aber vielleicht die eine oder andere Auslegungsschwierigkeit, und deshalb ist es nur konsequent, dieses Thema dadurch zu erledigen, dass wir die Formulierung des Grundgesetzes übernehmen, zu der es eine eindeutige Rechtsprechung des Bundesverfas
sungsgerichts und auch Gesetze wie das Embryonenschutzgesetz gibt, die das Klonen von Menschen verbieten. Dies gilt selbstverständlich auch im Freistaat Bayern.
Ich darf mit einem Dank an alle Fraktionen, die bei den Verhandlungen beteiligt waren, enden. Es war ein zeitaufwändiger, aber ein durch die gute Mitarbeit und Zuarbeit unserer Fraktionsmitarbeiter geprägter Prozess, der schnell zu einer Lösung geführt hat, wie ich sie vor einem Jahr noch nicht für möglich gehalten hätte. Es bleibt zu hoffen, dass die Bürgerinnen und Bürger am 21. September beiden Paketen die notwendige Zustimmung geben. Lassen Sie uns gemeinsam mit der gleichen Einigkeit, mit der wir jetzt das Gesetz verabschieden, für die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger in Bayern werben.
Herr Präsident, Herr stellvertretender Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich den guten Wünschen und dem Dank des Präsidenten ausdrücklich anschließen. Unser Dank gilt den Offizianten, dem Direktor des Landtagsamts, den Referatsleiterinnen und Referatsleitern, den Sekretärinnen und Sekretären, dem stenographischen Dienst, den Garderobenfrauen und Pförtnern, kurz, dem gesamten Landtagsamt.
Wir danken aber auch den Mitarbeitern der Gastronomie, den Fraktionsmitarbeitern, unseren Mitarbeitern in den Abgeordnetenbüros und nicht zuletzt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien. Wir danken auch der Presse, die uns im vergangenen Jahr wieder kritisch aber fair begleitet hat. Ohne die Arbeit dieser Personen könnten wir unseren Job nicht so gut erledigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Jahresausklang hat es sich eingebürgert, einen kleinen Ausblick zu geben. Beim Durchlesen der Jahresabschlussworte der vergangenen Jahre traten die Themen klar zutage:
Ein Thema ist das Landesparlament im föderalen Staat. Womit haben wir uns im letzten Jahr und in diesem Jahr beschäftigt? – Themen der Bundestagswahl sind in unsere Debatte „hineingeschwappt“. Manchmal ist dabei die Kernaufgabe, die legislative Leitung des Freistaates Bayern, ein klein wenig in den Hintergrund getreten, wenn wir ehrlich sind. Vielleicht ist das in einem Bundestagswahljahr unausweichlich. Ich meine aber, wir sollten uns zumindest im nächsten Jahr bemühen, die Schwerpunkte wieder etwas stärker auf unsere landespolitische Aufgabe zu legen. Wenn ich mir ansehe, mit welchen Themen wir uns im letzten Jahr beschäftigt haben, war es nur konsequent, dass uns einige Kollegen verlassen haben, auch wenn es – zumindest bei den beiden großen Fraktionen – jeweils weniger waren als erwartet, erhofft oder befürchtet, je nach Standpunkt. Unabhängig davon wünsche ich diesen Kollegen für ihre neue Aufgabe viel Glück und Erfolg.
Ich weiß nicht, ob ich an dieser Stelle noch einmal das Wagnis eingehen und den Appell, den ich voriges Jahr an uns alle gerichtet habe, wiederholen soll. Ich habe damals empfohlen, dass wir uns mehr mit den Themen des Landes beschäftigen sollten. Ich würde vorschlagen: Lassen wir uns überraschen, was das nächste Jahr an politischen Themen bringt und was wir in unserer eigenen Verantwortung alles aufgreifen.
Das nächste Thema ist ein Dauerbrenner: Die Anwesenheitsquote. Dabei geht es zunächst um die Anwesenheitsquote der Mitglieder des Parlaments. Wie oft wurde hier – immer mit dem Beifall von allen Seiten des Hauses – festgestellt, dass der Hauptarbeitsplatz des Landtagsabgeordneten in München ist? Welche Konsequenzen haben wir aus dieser Feststellung gezogen? Wir sollten in dieser Frage nicht mit dem Finger aufeinander zeigen. Jeder von uns wird, wenn er ehrlich ist, einräumen, dass er oft die Anwesenheit im Stimmkreis oder andere Tätigkeiten der Anwesenheit im Plenum oder in München vorgezogen hat.
Ich halte es inzwischen für müßig, die Anwesenheit der Exekutive an dieser Stelle anzusprechen. Unsere Appelle und Mahnungen haben auch im letzten Jahr nicht gefruchtet. Herr stellvertretender Ministerpräsident, wir sind froh, dass Sie heute hier sind. Herr Dr. Stoiber hatte heute einen anderen Termin. Ich glaube, die Anwesenheit des Ministerpräsidenten und vieler Mitglieder der Staatsregierung ist nicht mehr mit Appellen zu erhöhen. Wir sollten endlich bereit sein, verstärkt Zitierungsanträge zu stellen und diesen zu einer Mehrheit zu verhelfen. Anders ist diesem Missstand nicht mehr Herr zu werden.
Ein weiteres unendliches Thema ist der Plenarsaal. Dabei geht es auch um die Sitzungssäle und die Büros für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für uns und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtagsamts. An diesem Thema zeigt sich unsere Zaghaftigkeit. Wir wollen auf keinen Fall eine Diskussion in der Öffentlichkeit provozieren. Nach meiner Meinung ist das Thema „Arbeitsbedingungen“ aber durchaus öffentlich diskutierbar. Wer in diesem Plenarsaal einmal mit einer Besuchergruppe eine Stunde lang diskutiert hat, hatte noch nie ein Problem, klar zu machen, dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden müssen, weil Abgeordnete stunden– und tageweise hier sitzen müssen.
Wenn es jedoch um Millionenbeträge für die Vertretung in Brüssel geht, die vor allem der Exekutive zugute kommt, stimmen wir zu. Diese Zustimmung ist berechtigt. Wir wollen jedoch kein Wort über die Gestaltung des Plenarsaals und seines Umfeldes verlieren. Ich hoffe, dass es uns gelingt, diese Diskussion aus dem kleinen geschlossenen Zirkel des Präsidiums und der Fraktionsspitzen herauszubekommen und sie in eine öffentliche Diskussion, einen öffentlichen Disput, umzuwandeln.
Wir müssen uns die Frage stellen, was wir wollen. Wollen wir ein Denkmal? Wenn ja, ist dies mit einem modernen Arbeitsplatz vereinbar? Ich persönlich habe hierzu eine sehr klare Position. Ich wünsche mir einen modernen und zeitgemäßen Arbeitsplatz. Ich möchte nicht in einem Museum sitzen. In dieser Frage kann man jedoch auch anderer Auffassung sein. Wichtig ist, dass wir diese Diskussion jetzt endlich offen führen und sie nicht mehr unter den Teppich kehren.
Nach meinem Empfinden hat sich im letzten Jahr der Umgang unter den Abgeordneten geändert. Natürlich gab es in diesem Hause schon immer scharfe Debatten und manchmal auch persönliche Angriffe, bei denen sich mancher, sobald sich der Pulverdampf verzogen hat, gedacht hat: Hätte ich das so sagen müssen? Dafür hätte ich mich auch entschuldigen können. Das meine ich jedoch nicht. Ich habe den Eindruck, dass die politische Auseinandersetzung, die Art, wie wir Politiker miteinander umgehen, in den letzten Wochen und Monaten in einer Art und Weise ins Persönliche und an die Grundwerte der Demokratie gegangen ist, die mir Sorgen macht. Wenn wir uns gegenseitig nur noch der Unfähigkeit, des Betrugs und der Lüge bezichtigen, schadet das auf Dauer nicht nur dem jeweils Angegriffenen, sondern uns allen. Neben den menschlichen Verletzungen schürt dieses Verhalten, bei dem nach außen häufig nicht mehr der sachliche Hintergrund erkennbar ist, Politikverdrossenheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, daran kann in diesem Hause niemand ein Interesse haben.
Wir müssen aufpassen, dass diese momentan vorhandene Verdrossenheit in der Bevölkerung nicht in Verachtung für die Politik und diejenigen, die sie betreiben, umschlägt. Ich weiß, dass gerade meine letzten Gedanken nicht auf allgemeine Zustimmung in diesem Hause stoßen. Wenn man jedoch am Ende eines Jahres zurückblickt und einen Blick in die Zukunft wagt, nützt es nichts, sich um solche Probleme herumzumogeln.
Nach diesen – hoffentlich zumindest – nachdenkenswerten Worten wünsche ich uns allen, unseren Familien, Angehörigen, Freunden und Bekannten ein paar ruhige, besinnliche Tage. Vielleicht finden wir nach der Hektik des bisherigen Jahres einige Minuten Zeit, uns neben dem Tagesgeschäft wieder etwas grundsätzlichere Gedanken über Politik und Gesellschaft und den Umgang miteinander zu machen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Bernhard, während des ersten Teils Ihres Redebeitrags waren wir ja noch beieinander. Zur Stärkung des Föderalismus gehört auch, dass die Länder wieder die ursprünglich im Grundgesetz vorgesehene Hoheit über die Erhebung der Vermögensteuer haben und dass die Länder dies fordern. Da sind wir einer Meinung.
Sie haben vorhin eine Schimäre gezeichnet.
Was ist denn daran schlimm, wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland auch diejenigen, die ein großes Vermögen haben, zum Beispiel als Ehepaar mehr als eine Million e zur Verfügung haben,
auch zur solidarischen Finanzierung unseres Gemeinwesens heranziehen, damit wir zum Beispiel mehr für Bildung und innere Sicherheit tun können?
Was ist denn daran ehrenrührig, wenn wir feststellen, dass wir im Freistaat Bayern auch darunter leiden, dass die Klassen zu groß sind, zu wenige Lehrer vorhanden sind, Unterrichtsstunden ausfallen und Sportunterricht nicht mehr gegeben werden kann?
Wir müssen uns überlegen, wie wir alle gemeinsam die Behebung dieser Defizite finanzieren und wie wir auch im Freistaat Bayern gleiche Bildungschancen für alle Bürgerinnen und Bürger herstellen können.
Dann ist es gerecht, angemessen und notwendig, dass diejenigen, die sehr hohe – –
Kommen Sie nach vorn, und reden Sie hier. Plärren sie nicht aus der vorletzten Reihe; dann verstehe ich Sie, und man kann auf Ihre Argumente, die vielleicht auch welche sind, eingehen.
Es ist gerecht, angemessen und notwendig, dass diejenigen, die über sehr hohe Vermögen verfügen, einen zusätzlichen Beitrag für diese Gesellschaft leisten. Diesen Beitrag haben die Vermögenden auch bis Mitte der Neunzigerjahre, bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ohne Wehklagen geleistet, und diesen Beitrag leisten Vermögende im Übrigen in den meisten europäischen Ländern und auch in den USA wie selbstverständlich auch heute.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Güller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dinglreiter?
Ich halte es, wie es Herr Kollege Dr. Bernhard gehalten hat: keine Zwischenfragen. Wir haben noch genügend Redezeit. Sie können herkommen und
sprechen. Dann antworte ich Ihnen auch gern ausführlich darauf.
Wenn wir aber feststellen, dass es nicht ehrenrührig ist, über eine Vermögensteuer nachzudenken, dann kommen wir zu der Frage, ob wir das solidarisch unter den Bundesländern ausmachen oder ob wir mit einem Steuerwettlauf beginnen. Die SPD ist der Auffassung – deshalb hat unser Antrag auch den Tenor „länderübergreifend“ –, dass die Wiese der Vermögensteuer nicht der richtige Ort ist, um einen Wettbewerb unter den einzelnen Bundesländern auszutragen.
Es kann ja wohl nicht sein, dass die Partei mit dem Ministerpräsidenten, der einmal Kanzlerkandidat war, an der Spitze, die über Monate im Wahlkampf eine soziale Schieflage beklagt hat und sich als Verteidiger des kleinen Mannes aufgespielt hat, jetzt plötzlich nach der Bundestagswahl erklärt, die Vermögensteuer können die anderen einführen, wir spielen dann die Cayman-Inseln der Bundesrepublik Deutschland: Millionäre und Vermögende kommt nach Bayern; hier braucht Ihr nichts zu bezahlen. Das kann ja wohl nicht sein. Das nenne ich die massive und vorsätzliche Täuschung der Wähler vor der Bundestagswahl.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Welnhofer?
Nein.
Herr Dr. Bernhard, wir kommen jetzt zu dem tollen Argument des Verwaltungsaufwands. Wenn es darum geht, in unseren Kommunen und Landkreisen, aber auch auf der Ebene des Freistaats den Sozialmissbrauch zu bekämpfen, sind wir richtigerweise alle miteinander der Auffassung, dass wir dafür auch Aufwand betreiben müssen und dass wir zum Beispiel auch nachkontrollieren, ob ein Sozialhilfeempfänger oder eine Sozialhilfeempfängerin das Recht hat, diese Sozialleistungen zu bekommen. In diesem Fall berechnen wir auch nicht, ob die 23,15 e Heizungsbeihilfe in irgendeinem Verhältnis zu dem Aufwand der Kontrolle stehen. Das interessiert uns nicht, weil wir berechtigterweise sagen, hier geht es darum, dass kein Missbrauch betrieben wird. Wenn es aber darum geht, Steuern auf hohe Vermögen einzutreiben, dann sagen wir, die Steuern treiben wir nicht ein, weil der Verwaltungsaufwand zu hoch ist. Das nenne ich eine sehr interessante Position, der wir uns allerdings nicht anschließen können.
Herr Dr. Bernhard, mit Ziffer 1 Ihres Antrags können wir leben; da ist die SPD bei Ihnen. Die Schaffung der Möglichkeit, dass die Bundesländer über die Vermögensteuer bestimmen und nicht der Bund – also die Rückverlagerung von Gesetzgebungskompetenzen –, erscheint uns vernünftig. Dann lassen Sie uns im nächs
ten Jahr in aller Ruhe diskutieren, wie hoch die Freigrenzen sein sollen. Sollen sie bei 300000 e oder – wie wir meinen – bei 500000 e liegen? – Lassen Sie uns darüber reden, wie die einzelnen Steuern erhoben werden, wie das Nachprüfungsverfahren durchgeführt wird und wie wir die Erbschaftsteuer gestalten wollen.
Wenn diese Diskussionen unter den Bundesländern unter Beteiligung der Länderparlamente abgeschlossen sind, dann können wir an dieser Stelle sehr gut und lang darüber streiten, was der beste Weg ist, um mehr und eine bessere Bildung und innere Sicherheit im Freistaat Bayern zu finanzieren. In diesem Sinne lehnen wir Ziffer 2 Ihres Antrags ab.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dr. Runge.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Justizminister Weiß, sehr geehrter Herr – wieder einmal nicht anwesender – Ministerpräsident Stoiber! Der Untersuchungsausschuss erstattet Ihnen heute seinen Bericht gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes. In nüchternen Daten stellt sich unsere Arbeit in den vergangenen 16 Monaten wie folgt dar: Antragstellung am 23. Januar 2001 durch die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 14/5501, Beschluss im Februar 2001, Drucksache 14/5770, und nun Abgabe des Abschlussberichtes mit dem Mehrheitsbericht und dem Minderheitenbericht, Drucksache 14/10000.
Dazwischen lagen 4499 Drucksachennummern. Der Untersuchungsausschuss hat 34 Sitzungen durchgeführt. Die Mitglieder des Ausschusses hatten circa 470 Aktenordner durchzuarbeiten. Das Landtagsamt hatte jeweils fünf Kopien von jeder dieser über 470 Akten zu erstellen. Es wurden 48 Zeugen einvernommen und zwei Sachverständige gehört. Der uns nunmehr vorliegende Endbericht hat eine Stärke von 136 Seiten. Davon entfallen 15 Seiten auf den Formalteil, der durch das Landtagsamt erstellt wurde. Der Mehrheitsbericht umfasst 23 Seiten. Der Bericht der Fraktionen von SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN umfasst 98 Seiten. Diese beiden Fraktionen haben sich dem vom Vorsitzenden vorgelegten Bericht, der nicht Mehrheitsbericht wurde, angeschlossen. Wie sich die unterschiedliche Länge der Berichte auf die Qualität der Ergebnisse und die Schlüssigkeit der Argumentation auswirkt, werden wir im weiteren Verlauf der heutigen Diskussion herausfinden und auch zu diskutieren haben.
Ich möchte an dieser Stelle – das darf ich im Namen aller Mitglieder des Untersuchungsausschusses tun – den vielen helfenden und unterstützenden Händen danken, ohne welche die Arbeit und auch der Bericht nicht möglich gewesen wäre.
Ob Referatsleiter, Herr Dr. Gremer, und dessen Mitarbeiterin Frau Huber, ob alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stenographischen Dienstes, ob Herr Reif in der Registratur oder die Offizianten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen – für die SPD-Fraktion Frau Hiersemann, Frau Elferich und Herr Schamann, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Büchler, für die Fraktion der CSU Herr Dr. Widmann und Herr Dr. Lohner –, ob Herr Stuhlmüller, der noch eine Nachtschicht eingelegt hat, um Korrektur zu lesen –, sie alle haben unsere Arbeit erleichtert und die Rahmenbedingungen geschaffen, die man, so sage ich, als fast ideal bezeichnen kann.
Ich danke an dieser Stelle auch den Beauftragten der verschiedenen Ministerien, die zeitweise zu sechst, zu siebt, zu acht anwesend waren und unsere Verhandlungen begleitet haben, die uns geholfen haben, die Aktenberge heranzuschaffen, die bei Nachfragen zur Verfügung gestanden haben und die das eine oder andere Mal fast mehr für ihr Ministerium stenographisch tätig sein mussten als der Stenographische Dienst. Dafür herzlichen Dank. Stellvertretend für viele nenne ich Herrn Hofmann, Herrn Gürtler, Frau Neumair und Herrn Windsheimer aus den verschiedenen Ministerien.
Ganz persönlich darf ich mich bei allen Ausschussmitgliedern für die, insgesamt betrachtet, doch recht konstruktive Zusammenarbeit bedanken, die sich vielleicht gerade in Richtung der CSU-Kolleginnen und -Kollegen unter dem Begriff „rau, aber dennoch herzlich“ zusammenfassen lässt.
So weit, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dem Rahmen, in dem unsere Arbeit stattgefunden hat.
Nun zum Inhalt des Ausschusses. Den Mehrheitenbericht wird Ihnen im Anschluss Kollege Kreuzer näher bringen. Ich darf mich jetzt auf den Bericht des Ausschussvorsitzenden konzentrieren, der nicht die Mehrheit fand, sich aber nun in Form des Minderheitenberichtes in der Drucksache 14/10000 wiederfindet.
Was ist Gegenstand der Ermittlungen gewesen? Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg und der Steuerfahndung kamen im Jahre 1995 in Gang, als Karlheinz Schreiber sich selbst bei der Steuerfahndung Augsburg meldete und vorsprach. Der Lauf der Ermittlungen ergab eine Vielzahl von Vorgängen, die in den internationalen Raum reichten und von höchster Brisanz sind, ob es die Lieferung von zwölf MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwache mit Vertrag von 1986 ist, wobei es einen Provisionsvertrag gibt, der ungewöhnlich hohe Provisionen für eine Firma von Herrn Schreiber, die Firma International Aircraft Leasing, vorsieht und woraus inzwischen – nur damit man eine Vorstellung hat, um welche Beträge es geht –, wie man immer wieder lesen kann, schon mehr als 1,1 Millionen kanadische Dollar an Provision gezahlt worden sind. Eine Provision, die, wie wir im Rahmen des Untersuchungsauftrages feststellen konnten, jedenfalls nicht durch eine tolle Tätigkeit des Herrn Schreiber oder anderer gerechtfertigt war. Es muss hier um etwas anderes gegangen sein als um die Unterstützung des Verkaufs der MBB-Hubschrauber. Im Raum stehen hier KickbackZahlungen an die deutsche Politik, an die CDU/CSU, aber auch Kickback-Zahlungen ausgelöst durch Frank Moores in Kanada.
Es ging dann in den Ermittlungen um 34 Airbus-Flugzeuge, die 1988 in einem Umfang von fast 1,8 Milliarden kanadischen Dollar von Air Canada gekauft wurden und Provisionsansprüche in Höhe von circa 30 Millionen kanadischen Dollar wiederum an die Firma IAL auslösen sollten. Davon sind, was man immer wieder lesen kann, zumindest 22 Millionen geflossen.
Hier kommen dann bei der Firma IAL auch andere Namen als Karlheinz Schreiber ins Spiel. Es geht um ein Konto „Master“ bzw. „Maxwell“, von dem man oft genug lesen konnte und das Max Strauß zugeschrieben wird.
Herr Schreiber hat nun in der konsularischen Vernehmung durch den Deutschen Bundestag in Toronto eine andere Version gegeben, indem er das Konto „Master“ bzw. „Maxwell“ direkt als Spendenkonto gedacht für die Unterstützung der CSU zuweist. Eine nähere Differenzierung dieses Vorwurfs war dem Untersuchungsausschuss nicht möglich, da uns der Zeuge Schreiber nicht zur Verfügung stand.
An dieser Stelle zu dem Thema Kronzeuge Schreiber, der immer wieder genannt wurde und uns von der CSU vorgehalten wird: Ich sage ganz klar, die Aussagen von Herrn Schreiber, ob in der Presse oder während der konsularischen Vernehmung in Toronto, sind natürlich mit äußerster Vorsicht zu bewerten. Herr Schreiber hat ein Eigeninteresse und – wie man so hört – auch ein Interesse daran, Max Strauß und natürlich sich selbst zu entlasten. Dennoch ist es Aufgabe eines Untersuchungsausschusses, auch solche Zeugen zu bewerten und ihre Aussagen in den Gesamtzusammenhang zu stellen. Vor jedem Strafgericht wird natürlich auch ein Zeuge, der ebenfalls aus dem kriminellen Milieu kommt, zunächst einmal ernst genommen und es wird geschaut, ob seine Aussage richtig ist. Es ist schlicht und einfach nicht nachvollziehbar, was die CSU im Rahmen dieses Untersuchungsausschusses immer wieder versucht hat, näm
lich dass sie sagt: Was Schreiber sagt, bewerten wir von Anfang an nicht; wir tun uns das überhaupt nicht an; wir wollen da gar nicht näher nachschauen. – Das ist falsch.
Es ist Aufgabe eines Untersuchungsausschusses, aufzuklären und nicht voreingenommen an die Sache heranzugehen.
Im Raum stehen neben den 34 Airbussen nach Kanada 17 Airbusse an thailändische Fluglinien. Auch hier Provisionszahlungen in Höhe von mindestens 3 Millionen USDollar und auch hier wieder ein Großteil vorgesehen für das Rubrikkonto „Master“ bzw. „Maxwell“.
Es geht um ein Objekt „Bearhead“ aus dem Jahre 1985, das offensichtlich im damaligen Wohnzimmer von Franz Josef Strauß in Anwesenheit von Karlheinz Schreiber und Max Strauß initiiert wurde. Es ging darum, eine Rüstungsfabrik in Kanada aufzubauen. Auch hierbei sind Provisionen geflossen, die zumindest in die Nähe von 4 Millionen kanadischen Dollar gehen.
Letztlich ging es noch um den Sachverhalt Verkauf von 36 Spürpanzern nach Saudi-Arabien. Hier ging es um 450 Millionen DM und es steht im Raum, dass Provisionen und Schmiergeld in der Höhe von fast 50% gezahlt worden sind. Die Hälfte des Geldes ist Schmiergeld und keiner will wissen, wohin es geflossen ist.
Ich darf an dieser Stelle zum Thema Geldflüsse, die wir zu untersuchen hatten, einfügen, welche Probleme der Untersuchungsausschuss auch hatte. Wir haben durch intensives Aktenstudium gesehen, wie es im Bereich der Rechtshilfe international zugeht. Ein Straftäter, der Geldflüsse verschleiern will, braucht eigentlich nur Geld zunächst in die Schweiz zu schieben und von diesem Konto dann nach Liechtenstein und vielleicht noch in ein drittes Land. Die Steuerfahndung ist dann jahrelang damit beschäftigt, diese Geldflüsse zu kontrollieren, und erhält dann immer wieder so lapidare Auskünfte wie aus Liechtenstein: Wegen Steuerstraftaten geben wir euch keine Daten heraus.
Ich möchte ausdrücklich anerkennen, dass sich diesbezüglich das Verhältnis zur Schweiz in den letzten Jahres offensichtlich ein gutes Stück verändert hat. Dennoch ist es uns nicht gelungen, die entsprechenden Unterlagen von Max Strauß aus der Schweiz zu bekommen, weil er sich, was rechtsstaatlich dort sein Recht ist, mit Händen und Füßen dagegen wehrt, dass seine Daten weitergegeben werden. Ich sage: Wenn nichts zu verbergen gewesen wäre, hätte er es machen können wie Karlheinz Schreiber, der gesagt hat: Ich verzichte auf diese Einrede und ihr könnt die Unterlagen aus der Schweiz haben.
Jedenfalls ist unabhängig von der noch aufzuzeigenden Einflussnahme in diesem Ermittlungsverfahren festzustellen, dass ein Rechtshilfesystem, das so funktioniert wie im Moment, für das Zusammenwachsen Europas
sicherlich nicht hilfreich ist. Hier muss von allen Seiten, vom Bundesjustizministerium und von den Landesjustizministerien, in den nächsten Jahren sicherlich noch zusätzliche Arbeit geleistet werden.
Ich weiß, dass dieses Problem immer wieder thematisiert wird, aber arg viel weiter – habe ich so den Eindruck – sind wir nicht gekommen. Vielleicht muss auch auf Länder wie Liechtenstein und die Schweiz – hauptsächlich auf Liechtenstein – ein bisschen mehr Druck ausgeübt werden. Es kann ja nicht sein, dass ein Land nur davon lebt, dass Steuerflüchtlinge ihr Geld am Fiskus in Deutschland vorbei in das Land bringen.
Im Verlauf der Ermittlungen in Augsburg hatten wir noch das Thema „Bau der Leuna-Raffinerie durch Elf Aquitaine“, das Thema Herr Holzer. Auch hier stehen Zahlungen in Millionenhöhe im Mittelpunkt. Was für ein Drama sich hier hinsichtlich der Ermittlungen abgespielt hat, werden wir heute auch noch zu diskutieren haben.
So weit zum Verlauf der Ermittlungen in Augsburg. Und damit liegt auch schon auf der Hand, dass es eben nicht – was uns die CSU immer wieder weiszumachen versucht – nur um einen Fall Karlheinz Schreiber geht; es geht zusätzlich um ganz andere Namen. Ich meine, Schreiber ist ja schon ausreichend genug: immerhin CSU-Mitglied, Spender der CSU, Spender der CDU
und – während der Untersuchungen auch immer wieder festgestellt – Anrufer bei Herrn Wiesheu, bei Herrn Goppel; er schickt dann auch noch Sendboten bei Herrn Wiesheu vorbei,
und es finden noch Telefonate zwischen Wiesheu und Herrn Schreiber statt zu einem Zeitpunkt, als der sich bereits auf die Flucht vorbereitet. Das nenne ich Parteifreunde!
Aber es geht nicht nur um diesen Herrn Schreiber, es geht auch um einen Herrn Pfahls, von dem der Herr Ministerpräsident jetzt offensichtlich gar nicht mehr wissen möchte, dass er ihn einmal gekannt hat. Deshalb vielleicht zur Erinnerung: Herr Pfahls – Leiter der Abteilung Grundsatzfragen in der Staatskanzlei unter Franz Josef Strauß von 1982 bis 1985. Aber halt, war da nicht etwas? War nicht Stoiber Leiter der Staatskanzlei von 1982 bis 1988? War nicht der jetzige Amtschef des Justizministers, Herr Held, Leiter der Rechtsabteilung der Staatskanzlei in den Jahren 1984/85? – Aber heute: Kontakte? Man erinnert sich gerade noch, dass man den Menschen mal auf dem Gang gesehen hat; ansonsten will man nichts mit ihm zu tun gehabt haben.
Herr Pfahls – flüchtiger Täter, der sich der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaften in Deutschland entzieht –, genauso wie dieses Herr Schreiber tut. Ich hätte von der CSU erwartet, dass sie beide Namen thematisiert und in den Mittelpunkt stellt, also nicht nur Schreiber, sondern auch fragt: Pfahls, und was hat denn der Herr Ministerpräsident mit diesem Herrn nach seinen innigen Kontakten in der Staatskanzlei heute noch zu tun?
Wir haben im Zentrum der Ermittlungen Max Strauß. Hier Verbindungen zur Staatskanzlei bzw. Ministerinnen und Ministern herzustellen, erübrigt sich glaube ich. Leisler Kiep, Erich Riedl – lauter Namen aus dem „Who’s who“ in der CSU. Um diese Namen geht es auch. Und daran zeigt sich, wie falsch die Einstellung des Kollegen Kreuzer ist, dass es um Schreiber allein geht. Es geht um ein System der innigsten Verwobenheit von CSUMitgliedern und die Frage, ob neben der normalen Hilfe unter Freunden da nicht auch das eine oder andere noch dabei war, was weit darüber hinausgeht und was gegebenenfalls illegal war.
Und weil die Rolle von Herrn Schreiber auch immer wieder – berechtigterweise – hinterfragt wird, nur eine kleine Anmerkung: Hätte es die Aussage von Herrn Schreiber vor der Steuerfahndung in Augsburg und seine Hinweise nicht gegeben – die er vielleicht etwas blauäugig gegeben hat; und er hat es sich sicher anders vorgestellt, wie es weitergeht –, aber hätte es diese nicht gegeben, hätte es kein Strafverfahren gegen Walther Leisler Kiep gegeben, und auch Frau Baumeister und Schäuble hätten heute noch ihre Ämter in der CDU, die sie einmal hatten. Gut, Schäuble ist jetzt vom Ministerpräsidenten auch in sein Kompetenzteam aufgenommen worden – eine späte Art der Wiedereingliederung in die Gesellschaft.
Was haben wir nun neben diesen inhaltlichen Punkten, die in Augsburg zu untersuchen waren, festgestellt? Durch die Aussage von Herrn Maier vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss kam die Meldung in die Presse, dass es immer wieder – so der Eindruck von Herrn Maier – Einflussnahmen in die Ermittlungsverfahren gegeben hat. Diesen Einflüssen auf das Ermittlungsverfahren nachzugehen, war zentrale Aufgabe des Untersuchungsausschusses.
Exemplarisch nun ein paar Punkte, die wir feststellen konnten.
Sie erinnern sich: Zunächst ein Versuch, bei Max Strauß eine Durchsuchung vorzunehmen. Zunächst einmal: abgelehnt! Einige Zeit später dann findet diese Durchsuchung statt, und siehe da, der Computer war gerade kurz vorher von einem Virus befallen und auch nicht nur einmal, nein, mehrfach gelöscht worden.
Ganz, ganz einfach: Welch ein Zufall, was da passieren kann!
Dann kommt doch diese Staatsanwaltschaft Augsburg, Herr Hillinger und Herr Weigand – nicht Herr Maier damals, Herr Weigand; also schielen Sie doch nicht immer so auf den Herrn Maier, da sind auch noch andere gute Ermittler in Augsburg tätig –, da kommen doch diese Herren Weigand und Hillinger zu der Auffassung, dass man versuchen soll – das Ganze am 19. Januar 1996 –, die Daten der Festplatte zu rekonstruieren. Das kostet zwar bis zu 150000 DM, aber er schlägt es seiner vorgesetzten Behörde vor. Da sagt dann Herr Froschauer, als Generalstaatsanwalt damals noch: Nein, nein, das wollen wir nicht machen! Das genehmige ich nicht! – Das wäre ja noch einmal vertretbar gewesen. Aber er schreibt nicht darauf: Das genehmige ich nicht! Nein, er nimmt Rücksprache mit Herrn Hillinger und sagt: Ich schicke dir den Vermerk per Post zurück, schmeiß ihn weg und schreibe einen neuen Vermerk! Der lautet wörtlich gleich, aber es steht drin: Eine Rekonstruktion der Daten der Festplatte ist nicht beabsichtigt.
Bei der Nachfrage im Untersuchungsausschuss sagt dann Herr Froschauer: Ja, der Herr Hillinger und ich, wir haben miteinander diskutiert, und wir waren uns da einig.
Hillinger sagt zu Herrn Weigand am gleichen Tage etwas völlig anderes. Er sagt sinngemäß: Herr Weigand, die in München haben das abgelehnt. Ich schreibe einen neuen Vermerk. Das habe ich als Weisung verstanden. Aber Sie müssen ihn nicht schreiben; dieses möchte ich Ihnen nicht zumuten, dieses mute ich Ihnen nicht zu!
Dann wird der neue Vermerk nach München geschickt. Und wen wundert es: Jetzt plötzlich sagt der Generalstaatsanwalt: Das ist aber schön, was die Augsburger wollen; dem trete ich nicht entgegen! – So funktioniert Berichtswesen auf Bayerisch:
zunächst einmal von unten den gegenteiligen Vorschlag bekommen haben, ihn umschreiben lassen ins komplette Gegenteil und dann sagen: Dem trete ich aber nicht entgegen! – Für Außenstehende hat das ganz klar so ausgesehen: Augsburg wollte die Festplatte nicht rekonstruieren.
Ohne Untersuchungsausschuss und ohne Öffentlichkeit wären wir heute noch dieser falschen Information aufgesessen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir schon bei der Festplatte sind: Diese Festplatte ging dann auch einmal an das Landeskriminalamt, und zwar klar und eindeutig mit einem Begleitschreiben der Staatsanwaltschaft Augsburg versehen, mit dem ein Sachverständiger beauftragt wurde, gegebenenfalls auch die Hilfe des Landeskriminalamtes in Anspruch zu nehmen. Auf diesem Schreiben steht: „Dieses Schreiben gilt als Beauftragung des Landeskriminalamtes“. Das steht auf diesem Schreiben!
Durch die Staatsanwaltschaft Augsburg, Herr Kollege! Das haben Sie ja im Untersuchungsausschuss auch mitbekommen, glaube ich.
Und jetzt erinnert sich plötzlich im Landeskriminalamt – ob Ziegenaus als Präsident, ob Sachbearbeiter, ob Abteilungsleiter Paul und Stenger – niemand mehr daran, jemals einen Auftrag bekommen zu haben. Sie sagen: Nein, wir haben keinen Auftrag bekommen! Herr Ziegenaus sagt noch: Nein, er ist nie mit dem Vorgang beschäftigt worden. Das sagen diese drei Herrschaften bei uns vor dem Untersuchungsausschuss aus!
Intensives Aktenstudium und einige Hinweise: Ein paar Wochen später stellt sich heraus: Es gibt ein Schreiben beim Landeskriminalamt, das eingeordnet ist, in dem alles das genau drinsteht: Das Landeskriminalamt ist beauftragt worden, bei der Rekonstruktion der Festplatte zu helfen. Und das Landeskriminalamt hat auch gewusst, dass es sich um die Festplatte von Max Strauß handelt und dass es sich um den hoch sensiblen Ermittlungsfall Schreiber handelt.
Das alles haben Sie gewusst und sagen vor dem Untersuchungsausschuss – ich sage an dieser Stelle: bewusst – die Unwahrheit.
Als wir sie dann zum zweiten Mal geladen haben, um im Protokoll keine falsche Aussage zu haben – das ist auch strafrechtlich relevant –, erinnerten Sie sich plötzlich stückchenweise wieder an die Wahrheit.
Wenn man dann nachfragt, wie so etwas passieren kann, kommt man zu dem Thema Zeugenabsprache. Die drei Herrschaften haben sich zusammengesetzt und kollektiv erinnert, an was man sich denn vor einem Untersuchungsausschuss noch so erinnern kann nach dem Motto: Na, was wissen die denn schon; das müssen wir dann eben aussagen; das eine Schriftstück ist fehlabgelegt worden; darum braucht man es ihnen auch nicht zu sagen. Es ist nur dumm, dass wir die Fehlablage irgendwann festgestellt haben. Was ist das für ein Verständnis von einer Zeugenaussage?
Wenn in einer Strafverhandlung vor einem normalen Strafgericht drei Zeugen kommen, identisch das Gleiche aussagen und dann der Richter fragt, wie sie darauf gekommen sind und die Zeugen dann antworten: Wir sind gestern Abend zusammengesessen und haben uns erinnert, an was wir uns morgen noch erinnern mögen
und sagen dann das Gleiche aus, dann würde der Richter aus dem Stuhl und drei Meter über den Tisch springen und einen Schreikrampf bekommen. Aber nein: Auf unsere Nachfragen finden die Spitze der Justiz und auch Abgeordnete Kollegen der CSU nichts dabei, sich so auf Zeugenaussagen vorzubereiten. Das scheint normal zu sein. Dies halte ich tatsächlich für sehr bedenklich.
Weil wir gerade beim Thema Zeugenabsprache sind: Vor dem Untersuchungsausschuss hatten wir doch noch drei nette Zeugen: Den ehemaligen Generalstaatsanwalt Froschauer und seine Mitarbeiter Veit Sauter und Walter. Die drei treffen sich vor ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zu einem eineinhalbtägigen Seminar in Fischbachau auf Staatskosten und nehmen sämtliche Akten nicht nur von sich selbst aus München mit – nein, um gut vorbereitet zu sein, nimmt man auch noch die Handakte aus Augsburg mit, um zu wissen, was darin so alles steht, setzt sich zusammen, und auch dort erinnert man sich dann gemeinschaftlich wieder, an was man sich denn bei den nächsten Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss unbedingt erinnern muss. Herr Froschauer diktiert dann noch seine Aussage im Beisein der beiden anderen und lässt zumindest einen der beiden die Abschrift dieser diktierten Aussage zur Vorbereitung seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss sehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist absurdes Theater.
Dass Herr Justizminister Weiß auf Anfrage der Kollegin Kronawitter und mir in einer schriftlichen Antwort auch noch schreibt, das sei in Ordnung, ist der zweite Skandal in dieser Geschichte.
Herr Justizminister Weiß, Herr Kreuzer hat zumindest, was mir gesagt wurde, in der Pressekonferenz gesagt, es wäre geschickter gewesen, wenn sich die drei einzeln vorbereitet hätten. Das meine ich auch. Es wäre geschickter gewesen. Ich meine, auch von Ihnen wäre es geschickter gewesen, sich deutlich zu distanzieren. Ich habe Ihnen nicht zum Vorwurf gemacht, dass Sie gesagt hätten, die drei sollen sich zusammensetzen. Wenn aber der Justizminister dahintersteht und dies auch noch verteidigt, wird es problematisch. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie sich klar distanzieren und sagen: So geht es nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht es nicht.
Die übrigen Zeugen aus den Ministerien hatten auch interessante Aspekte beizutragen. Herr Weiß, in Ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss haben Sie in aller Offenheit gesagt: Ja, die Aussage wurde mir zunächst einmal von meinen Mitarbeitern zusammengestellt nach dem Motto: Dann schaue ich mir das durch und erinnere mich, an was ich mich noch erinnern kann.
Offensichtlich sind das dieselben Mitarbeiter, die während der gesamten Zeit im Untersuchungsausschuss gesessen sind und somit gewusst haben, was wir inzwischen herausgefunden haben und an was man sich erinnern muss. Ich sage: Das ist zumindest zweifelhaft. Ich würde mir wünschen, dass so etwas in künftigen Untersuchungsausschüssen nicht mehr vorkommt.
Herr Held, der ein zweites Mal aussagen musste, weil seine erste Aussage kleinere Unrichtigkeiten oder Auslassungen enthielt, bekommt dann offensichtlich direkt vor seiner Vernehmung die Aussage von Herrn Weiß zu Gesicht. Das hat er so ausgesagt. Das heißt, der Zeuge Held, den wir fragen wollen, ob das, was der Zeuge Weiß gerade gesagt hat, richtig ist, hat an einem der Vortage die schriftliche Aussage von Herrn Weiß gelesen. Auch dieses dient ganz exemplarisch der Wahrheitsfindung in einem Untersuchungsausschuss. Dafür an das Justizministerium für dessen Rechtsauffassung herzlichen Dank.
Dass der Herr Ministerpräsident dasselbe macht, ist fast selbstverständlich.
Auch der Herr Ministerpräsident kommt mit einer vorgefertigten Aussage.
Wenn man dann Nachfragen stellt, überlegt er nicht, an was er sich erinnert, sondern er schaut, was zu den einzelnen Themen aufgeschrieben worden ist.
Ich habe ein anderes Verständnis von Zeugenaussagen. Zeugen haben sich daran zu erinnern, was sie wissen. Gegebenenfalls können sie zur Vorbereitung auch ihre eigenen Akten aus dem Ministerium anschauen. Sie sind aber nicht durch Mitarbeiter vorzubereiten, sie sind nicht schriftlich vorzubereiten, und sie sollen nach ihrer Erinnerung aussagen, nicht nach dem, was ihnen andere Menschen aufgeschrieben haben.
Zum Ermittlungsverfahren gäbe es noch eine ganze Reihe von Punkten. Diese finden Sie alle in unserem Endbericht, beispielsweise den verzweifelten Versuch, die Zusammenarbeit zwischen Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft in Augsburg zu behindern, indem man gesagt hat, dass die Steuerfahndung nur noch über das zu informieren ist, was unbedingt notwendig ist, und dass dies nur noch auf dem ganz formalen Weg geschehen soll, das heißt, eine informelle Zusammenarbeit soll nicht stattfinden. Ein anderes Beispiel ist die Dienstbesprechung in Augsburg, in der der Nachfolger des ver
storbenen Herrn Hillinger am 21. Dezember 2000 allen im höheren Dienst sagte, Behördeninterna gehören nicht in die Handakte nach dem Motto: Schreibt nicht so viel hinein, sonst kann der oder ein anderer Untersuchungsausschuss in den Akten etwas finden.
Fakt ist, dass die Zielfahndung nach Herrn Schreiber, obwohl sie von der Staatsanwaltschaft Augsburg angeregt worden ist, von der Generalstaatsanwaltschaft über sieben Monate nicht in die Wege geleitet wurde und keine Zustimmung erfolgte. Ein weiteres Beispiel ist der Umstand, dass ein Haftbefehl gegen Herrn Pfahls, obwohl er von der Ermittlungsrichterin gerade erst erlassen wurde, in München geprüft wird und der Vollzug gestoppt wird.
Da hat jetzt jemand gesagt, weil er CSU-Mitglied ist. Es ist tatsächlich so. Ich habe bisher noch nicht festgestellt, dass andere Haftbefehle im Vollzug plötzlich gestoppt worden sind.
Ein anderes Beispiel ist der Haftbefehl gegen Herrn Kiep, wo nachgewiesen ist, dass er schon vorher Bescheid wusste, weil er bereits eine Schutzschrift mit einem Datum erstellt hat, zu dem der Haftbefehl noch gar nicht erlassen wurde. Zu nennen ist auch eine ganze Reihe von Briefen, in denen sich Herr Schreiber beim Ministerpräsidenten bitterlichst beschwert, dass in Augsburg gegen ihn ermittelt wird und dann nach demselben Motto, wie er es 1995 gemacht hat, eine ganze Reihe von wirklich interessanten Details wie Firmenzusammenstellungen, Kontenzusammenstellungen, Namen und Zusammenhänge aufzeigt. Er versieht zig Seiten, einen ganzen Aktenordner mit Material und sagt: Herr Ministerpräsident, schauen Sie sich an, wie gefährlich das für die CSU werden kann, stoppen Sie die Ermittlungen in Augsburg. Anstatt dass der Ministerpräsident und die Staatskanzlei diese Materialien an die Staatsanwaltschaft und an die Steuerfahndung weitergeben, geben sie sie an das Justizministerium, wo sie dann von der Spitze vergraben werden.
Erst als die Sache im Jahre 2000 öffentlich ruchbar wird, werden diese Materialien der Staatsanwaltschaft in Augsburg und der Steuerfahndung endlich zugänglich gemacht. Auch dazu sagen die Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss etwas ganz Eindeutiges aus.
Frau Dr. Pöschl sagte zum Beispiel sinngemäß: „Damals“, also zum damaligen Stand des Ermittlungsverfahrens, „hätte uns das durchaus etwas nützen können.“ Die CSU versucht jetzt immer, den Eindruck zu erwecken: Das hat ja nichts geschadet; das wissen die Ermittler in Augsburg zwischenzeitlich auch. Richtig, zwischenzeitlich wissen sie es. Es geht darum, wer zwischen 1996 und 2000 etwas gewusst hat. Es geht um die Frage, ob der Sachbearbeiter im Justizministerium den Sachverstand hat, auszusortieren, was die Augsburger Ermittler wissen oder nicht wissen. Warum hat man das ihnen nicht gegeben und gesagt: Schaut euch das an? Ich stehe über jedem Verdacht und will selbstverständ
lich keinen Einfluss nehmen. Dies hat man bewusst nicht gemacht. Ich sage: Man hatte Angst, dass vielleicht einige Details drin standen, die die Augsburger zu diesem Zeitpunkt nicht wussten.
Wenn ich das, was wir auf fast 100 Seiten zusammengefasst haben, bewerte, steht eines fest: Über jede Maßnahme, einzeln betrachtet, hätte man vielleicht so oder so entscheiden können. Vielleicht ist auch einmal falsch entschieden worden. Jeder Mensch macht Fehler. Wenn ich jedoch die Entscheidungen in der Zusammenschau sehe, stelle ich fest, dass es keine Entscheidung gegeben hat, die die Ermittlungen in Augsburg beschleunigt hätte. Die Entscheidungen der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums haben das Verfahren komplizierter gemacht. Keine Entscheidung war für die Augsburger hilfreich. Die einzelnen Entscheidungen fügen sich zu einem Gesamtbild zusammen: Es ging darum, das Verfahren in Augsburg zu verlangsamen, diesem Verfahren Steine in den Weg zu legen, Sand ins Getriebe zu streuen und den Augsburger Staatsanwälten und der Steuerfahndung möglichst viele Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Dieses Bild ergibt sich aus der Gesamtschau aller Einzelsachverhalte.
Die Einflussnahmen aus München ergaben sich nicht aus einer sachlich gerechtfertigten Verfahrensleitung, sondern sie hatten immer ein Ziel: Ich kann dieses Ziel nur als politisch bewerten. Zusammenfassend kann ich sagen: Dieser Untersuchungsausschuss hat recht konkrete Ergebnisse auf der Ebene der Beamtenschaft erbracht. Max Strauß wurde vor der Durchsuchung seiner Büroräume gewarnt. Die Zielfahndung „Schreiber“ wurde verschleppt. Die Durchsuchung der CDU-Parteizentrale wurde verhindert. Die Einvernahme von Herrn Dr. Kohl wurde zwei Mal von vorgesetzten Stellen abgelehnt. Beim Beschuldigten Dr. Pfahls wurde der Haftbefehl ohne rechtlichen Grund im Vollzug gestoppt.
Die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium haben in allen diesen Fällen versucht, zu vertuschen, dass sie diese Entscheidungen getroffen haben, indem sie Berichte bestellt haben, die einen völlig anderen Inhalt hatten. Dann wurde noch hineingeschrieben: Die Augsburger wollten das nicht. Dieser Untersuchungsausschuss hat bewiesen, dass die Augsburger Staatsanwaltschaft – nicht nur Herr Maier, sondern auch Frau Dr. Pöschl, Herr Weigand, der verstorbene Herr Hillinger sowie die Herren Kindler und Gumpendobler von der Steuerfahndung – sachorientiert gearbeitet und versucht haben, möglichst unkomplizierte Wege zu gehen. Das Justizministerium hat immer versucht, diese Wege durch zusätzliche Steine zu erschweren. Dies ist eine Einflussnahme auf das Ermittlungsverfahren.
Weder der Justizminister noch der Ministerpräsident wollen von diesen Vorgängen gewusst haben. Der Justizminister und der Ministerpräsident haben sich angeblich mit diesem Ermittlungsverfahren überhaupt nicht beschäftigt. Praktisch täglich wurden Berichte von Augsburg über die Generalstaatsanwaltschaft an das Justizministerium gegeben. Eine Information des Ministers oder des Ministerpräsidenten soll jedoch nie stattgefunden haben. Dies ist das alte System, wie wir es kennen: An den unteren Stellen habe ich die Personen platziert, die mir den Dreck vom Hals halten. Herr Held war nicht umsonst seinerzeit bei Ministerpräsident Franz Josef Strauß zusammen mit dem jetzigen Ministerpräsidenten Dr. Stoiber in der Staatskanzlei. Ich halte es für angezeigt, auf diese Vorgänge zu reagieren. Herr Kollege Huber, vielleicht können Sie dem Herrn Ministerpräsidenten etwas ausrichten. Sie sehen ihn wahrscheinlich öfter als wir im Parlament. Hier ist es etwas schwierig, ihm direkt etwas zu sagen. Ein Ministerpräsident sollte sich nicht nur um den Wahlkampf auf Bundesebene, sondern müsste sich vielmehr um die Zustände in seinem Land, in seinem Landeskriminalamt und in seinem Justizministerium kümmern.
Wenn er nicht schnellstens klar Schiff macht, muss man mit Fug und Recht sagen: Das System Strauß und das System Streibl ist zwischenzeitlich zum System Stoiber geworden. Die gleichen Leute sitzen heute noch an den Schaltstellen der Macht. Er hat diese Leute zwar verbal abgelehnt, lässt sie aber tatsächlich an den Stellen sitzen und für sich arbeiten. Dies ist ein Kernergebnis dieses Untersuchungsausschusses.
Herr Justizminister, ich fordere Sie auf, die Themen „Aktenführung“ und „Zusammenarbeit der Steuerfahndung mit der Staatsanwaltschaft“, die vor allem in der Dienstbesprechung im Dezember letzten Jahres in Augsburg aufgetreten sind, zu korrigieren. Ich fordere Sie auf, das System der Weisungen und bestellten Berichte abzustellen. Es muss erkennbar sein, wer die einzelnen Entscheidungen trifft und dafür Verantwortung hat. Ich fordere Sie auf, darüber nachzudenken, ob die jetzige Besetzung der Amtsspitze des Justizministeriums mit Herrn Held in diesen Zeiten und nach den Ergebnissen dieses Untersuchungsausschusses noch richtig ist. Diese Forderung richtet sich auch an den Ministerpräsidenten.
Eine Diskussion über Herrn Froschauer ist müßig. Er befindet sich jetzt im Ruhestand. Insofern kann ich an dieser Stelle ausnahmsweise mit Ihnen übereinstimmen: Sie haben gesagt, er war immer der Mann an der richtigen Stelle. Ich meine, der Ruhestand ist die richtige Stelle für Herrn Froschauer. Die Generalstaatsanwaltschaft war jedoch sicherlich nicht die richtige Stelle für Herrn Froschauer. Dies hätten Sie erkennen müssen.
Herr Innenminister Dr. Beckstein – er ist auch nicht da –, Ihr Landeskriminalamt hat, ausweislich der Aussagen, ein sehr eigenartiges Amtsverständnis. Das hat sich im Zusammenhang mit der Festplatte und bei der Frage gezeigt, ob die Beamten des Landeskriminalamts Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sind und für die Staatsanwaltschaft eine unterstützende Tätigkeit leisten müssen. Sie müssen gegenüber der Öffentlichkeit unmissverständlich klar machen, dass solche Vorgänge nicht wieder vorkommen dürfen. Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber, wenn Sie sich schon ressortübergreifend bis hin zum Haftbefehl gegen Herrn Schreiber informieren lassen wollen, haben Sie zumindest die Aufgabe, in diesen beiden Ministerien für Ordnung zu sorgen. Sie sollten sich mit Herrn Dr. Weiß und Herrn Dr. Beckstein zusammensetzen und diese Punkte umsetzen. In der Öffentlichkeit müssen Sie unmissverständlich klar machen, dass Sie solche Zustände in der bayerischen Justiz in Zukunft nicht mehr dulden werden.
Ich weiß nicht, wie lange Sie brauchen werden, um diese Zustände zu erkennen und sie abzustellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fakten liegen auf den Tisch. Vielleicht findet der Herr Ministerpräsident nach der Wahl im Herbst endlich die Zeit, diese Zustände in der bayerischen Justiz zu beheben. Die nächste Wahl ist ja erst die Landtagswahl im Jahr 2003. Ich möchte ausdrücklich feststellen: Vor Ort strampeln sich Menschen, Staatsanwälte und Steuerfahnder, redlich ab, um ohne Ansehen der Person zu ermitteln. Wenn es aber um politische Namen geht – so das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses –, werden sie von der Spitze des Justizministeriums behindert. Das geschieht jedoch nur, wenn die Personen „die richtige Parteimitgliedschaft“ haben, das heißt, wenn es sich um CSU-Spezln handelt. Es ist Zeit zu handeln.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach zwei Jahren Arbeit legt die Enquete-Kommission, die auf eine Initiative der SPD eingesetzt wurde, heute ihren Schlussbericht vor. Ein glücklicher Umstand will es, dass dieser Bericht zu einem Zeitpunkt vorgelegt wird, an dem kein politisch Verantwortlicher in Deutschland mehr bestreitet, dass ein radikaler Umbau unserer föderalen Staatsordnung unumgänglich ist.