Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese Genehmigung wurde erteilt.
Vielleicht wäre es doch ganz sinnvoll, wenn wir uns jetzt endlich auf die Plätze begeben könnten. Das Parlament besteht nicht aus Einzelgruppen, die sich unterhalten, sondern es ist die Versammlung von 204 Abgeordneten.
zur Prüfung etwaiger unzulässiger staatlicher Einflussnahme seitens bayerischer Amtsträger auf die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Karlheinz Schreiber, Max Josef Strauß, Dr. Ludwig-Holger Pfahls, Dieter Holzer, Walther Leisler Kiep, Jürgen Maßmann, Winfried Haastert und Dr. Erich Riedl
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierfür eine Redezeit von 45 Minuten pro Fraktion vereinbart. Der Vorsitzende erhält zusätzlich zehn Minuten Redezeit für allgemeine Ausführungen zu dem Untersuchungsausschuss. Als erstem Redner erteile ich dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses das Wort. Herr Kollege Güller, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Justizminister Weiß, sehr geehrter Herr – wieder einmal nicht anwesender – Ministerpräsident Stoiber! Der Untersuchungsausschuss erstattet Ihnen heute seinen Bericht gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes. In nüchternen Daten stellt sich unsere Arbeit in den vergangenen 16 Monaten wie folgt dar: Antragstellung am 23. Januar 2001 durch die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 14/5501, Beschluss im Februar 2001, Drucksache 14/5770, und nun Abgabe des Abschlussberichtes mit dem Mehrheitsbericht und dem Minderheitenbericht, Drucksache 14/10000.
Dazwischen lagen 4499 Drucksachennummern. Der Untersuchungsausschuss hat 34 Sitzungen durchgeführt. Die Mitglieder des Ausschusses hatten circa 470 Aktenordner durchzuarbeiten. Das Landtagsamt hatte jeweils fünf Kopien von jeder dieser über 470 Akten zu erstellen. Es wurden 48 Zeugen einvernommen und zwei Sachverständige gehört. Der uns nunmehr vorliegende Endbericht hat eine Stärke von 136 Seiten. Davon entfallen 15 Seiten auf den Formalteil, der durch das Landtagsamt erstellt wurde. Der Mehrheitsbericht umfasst 23 Seiten. Der Bericht der Fraktionen von SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN umfasst 98 Seiten. Diese beiden Fraktionen haben sich dem vom Vorsitzenden vorgelegten Bericht, der nicht Mehrheitsbericht wurde, angeschlossen. Wie sich die unterschiedliche Länge der Berichte auf die Qualität der Ergebnisse und die Schlüssigkeit der Argumentation auswirkt, werden wir im weiteren Verlauf der heutigen Diskussion herausfinden und auch zu diskutieren haben.
Ich möchte an dieser Stelle – das darf ich im Namen aller Mitglieder des Untersuchungsausschusses tun – den vielen helfenden und unterstützenden Händen danken, ohne welche die Arbeit und auch der Bericht nicht möglich gewesen wäre.
Ob Referatsleiter, Herr Dr. Gremer, und dessen Mitarbeiterin Frau Huber, ob alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stenographischen Dienstes, ob Herr Reif in der Registratur oder die Offizianten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen – für die SPD-Fraktion Frau Hiersemann, Frau Elferich und Herr Schamann, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Büchler, für die Fraktion der CSU Herr Dr. Widmann und Herr Dr. Lohner –, ob Herr Stuhlmüller, der noch eine Nachtschicht eingelegt hat, um Korrektur zu lesen –, sie alle haben unsere Arbeit erleichtert und die Rahmenbedingungen geschaffen, die man, so sage ich, als fast ideal bezeichnen kann.
Ich danke an dieser Stelle auch den Beauftragten der verschiedenen Ministerien, die zeitweise zu sechst, zu siebt, zu acht anwesend waren und unsere Verhandlungen begleitet haben, die uns geholfen haben, die Aktenberge heranzuschaffen, die bei Nachfragen zur Verfügung gestanden haben und die das eine oder andere Mal fast mehr für ihr Ministerium stenographisch tätig sein mussten als der Stenographische Dienst. Dafür herzlichen Dank. Stellvertretend für viele nenne ich Herrn Hofmann, Herrn Gürtler, Frau Neumair und Herrn Windsheimer aus den verschiedenen Ministerien.
Ganz persönlich darf ich mich bei allen Ausschussmitgliedern für die, insgesamt betrachtet, doch recht konstruktive Zusammenarbeit bedanken, die sich vielleicht gerade in Richtung der CSU-Kolleginnen und -Kollegen unter dem Begriff „rau, aber dennoch herzlich“ zusammenfassen lässt.
Nun zum Inhalt des Ausschusses. Den Mehrheitenbericht wird Ihnen im Anschluss Kollege Kreuzer näher bringen. Ich darf mich jetzt auf den Bericht des Ausschussvorsitzenden konzentrieren, der nicht die Mehrheit fand, sich aber nun in Form des Minderheitenberichtes in der Drucksache 14/10000 wiederfindet.
Was ist Gegenstand der Ermittlungen gewesen? Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg und der Steuerfahndung kamen im Jahre 1995 in Gang, als Karlheinz Schreiber sich selbst bei der Steuerfahndung Augsburg meldete und vorsprach. Der Lauf der Ermittlungen ergab eine Vielzahl von Vorgängen, die in den internationalen Raum reichten und von höchster Brisanz sind, ob es die Lieferung von zwölf MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwache mit Vertrag von 1986 ist, wobei es einen Provisionsvertrag gibt, der ungewöhnlich hohe Provisionen für eine Firma von Herrn Schreiber, die Firma International Aircraft Leasing, vorsieht und woraus inzwischen – nur damit man eine Vorstellung hat, um welche Beträge es geht –, wie man immer wieder lesen kann, schon mehr als 1,1 Millionen kanadische Dollar an Provision gezahlt worden sind. Eine Provision, die, wie wir im Rahmen des Untersuchungsauftrages feststellen konnten, jedenfalls nicht durch eine tolle Tätigkeit des Herrn Schreiber oder anderer gerechtfertigt war. Es muss hier um etwas anderes gegangen sein als um die Unterstützung des Verkaufs der MBB-Hubschrauber. Im Raum stehen hier KickbackZahlungen an die deutsche Politik, an die CDU/CSU, aber auch Kickback-Zahlungen ausgelöst durch Frank Moores in Kanada.
Es ging dann in den Ermittlungen um 34 Airbus-Flugzeuge, die 1988 in einem Umfang von fast 1,8 Milliarden kanadischen Dollar von Air Canada gekauft wurden und Provisionsansprüche in Höhe von circa 30 Millionen kanadischen Dollar wiederum an die Firma IAL auslösen sollten. Davon sind, was man immer wieder lesen kann, zumindest 22 Millionen geflossen.
Hier kommen dann bei der Firma IAL auch andere Namen als Karlheinz Schreiber ins Spiel. Es geht um ein Konto „Master“ bzw. „Maxwell“, von dem man oft genug lesen konnte und das Max Strauß zugeschrieben wird.
Herr Schreiber hat nun in der konsularischen Vernehmung durch den Deutschen Bundestag in Toronto eine andere Version gegeben, indem er das Konto „Master“ bzw. „Maxwell“ direkt als Spendenkonto gedacht für die Unterstützung der CSU zuweist. Eine nähere Differenzierung dieses Vorwurfs war dem Untersuchungsausschuss nicht möglich, da uns der Zeuge Schreiber nicht zur Verfügung stand.
An dieser Stelle zu dem Thema Kronzeuge Schreiber, der immer wieder genannt wurde und uns von der CSU vorgehalten wird: Ich sage ganz klar, die Aussagen von Herrn Schreiber, ob in der Presse oder während der konsularischen Vernehmung in Toronto, sind natürlich mit äußerster Vorsicht zu bewerten. Herr Schreiber hat ein Eigeninteresse und – wie man so hört – auch ein Interesse daran, Max Strauß und natürlich sich selbst zu entlasten. Dennoch ist es Aufgabe eines Untersuchungsausschusses, auch solche Zeugen zu bewerten und ihre Aussagen in den Gesamtzusammenhang zu stellen. Vor jedem Strafgericht wird natürlich auch ein Zeuge, der ebenfalls aus dem kriminellen Milieu kommt, zunächst einmal ernst genommen und es wird geschaut, ob seine Aussage richtig ist. Es ist schlicht und einfach nicht nachvollziehbar, was die CSU im Rahmen dieses Untersuchungsausschusses immer wieder versucht hat, näm
lich dass sie sagt: Was Schreiber sagt, bewerten wir von Anfang an nicht; wir tun uns das überhaupt nicht an; wir wollen da gar nicht näher nachschauen. – Das ist falsch.
Es ist Aufgabe eines Untersuchungsausschusses, aufzuklären und nicht voreingenommen an die Sache heranzugehen.
Im Raum stehen neben den 34 Airbussen nach Kanada 17 Airbusse an thailändische Fluglinien. Auch hier Provisionszahlungen in Höhe von mindestens 3 Millionen USDollar und auch hier wieder ein Großteil vorgesehen für das Rubrikkonto „Master“ bzw. „Maxwell“.
Es geht um ein Objekt „Bearhead“ aus dem Jahre 1985, das offensichtlich im damaligen Wohnzimmer von Franz Josef Strauß in Anwesenheit von Karlheinz Schreiber und Max Strauß initiiert wurde. Es ging darum, eine Rüstungsfabrik in Kanada aufzubauen. Auch hierbei sind Provisionen geflossen, die zumindest in die Nähe von 4 Millionen kanadischen Dollar gehen.
Letztlich ging es noch um den Sachverhalt Verkauf von 36 Spürpanzern nach Saudi-Arabien. Hier ging es um 450 Millionen DM und es steht im Raum, dass Provisionen und Schmiergeld in der Höhe von fast 50% gezahlt worden sind. Die Hälfte des Geldes ist Schmiergeld und keiner will wissen, wohin es geflossen ist.
Ich darf an dieser Stelle zum Thema Geldflüsse, die wir zu untersuchen hatten, einfügen, welche Probleme der Untersuchungsausschuss auch hatte. Wir haben durch intensives Aktenstudium gesehen, wie es im Bereich der Rechtshilfe international zugeht. Ein Straftäter, der Geldflüsse verschleiern will, braucht eigentlich nur Geld zunächst in die Schweiz zu schieben und von diesem Konto dann nach Liechtenstein und vielleicht noch in ein drittes Land. Die Steuerfahndung ist dann jahrelang damit beschäftigt, diese Geldflüsse zu kontrollieren, und erhält dann immer wieder so lapidare Auskünfte wie aus Liechtenstein: Wegen Steuerstraftaten geben wir euch keine Daten heraus.
Ich möchte ausdrücklich anerkennen, dass sich diesbezüglich das Verhältnis zur Schweiz in den letzten Jahres offensichtlich ein gutes Stück verändert hat. Dennoch ist es uns nicht gelungen, die entsprechenden Unterlagen von Max Strauß aus der Schweiz zu bekommen, weil er sich, was rechtsstaatlich dort sein Recht ist, mit Händen und Füßen dagegen wehrt, dass seine Daten weitergegeben werden. Ich sage: Wenn nichts zu verbergen gewesen wäre, hätte er es machen können wie Karlheinz Schreiber, der gesagt hat: Ich verzichte auf diese Einrede und ihr könnt die Unterlagen aus der Schweiz haben.
Jedenfalls ist unabhängig von der noch aufzuzeigenden Einflussnahme in diesem Ermittlungsverfahren festzustellen, dass ein Rechtshilfesystem, das so funktioniert wie im Moment, für das Zusammenwachsen Europas
sicherlich nicht hilfreich ist. Hier muss von allen Seiten, vom Bundesjustizministerium und von den Landesjustizministerien, in den nächsten Jahren sicherlich noch zusätzliche Arbeit geleistet werden.
Ich weiß, dass dieses Problem immer wieder thematisiert wird, aber arg viel weiter – habe ich so den Eindruck – sind wir nicht gekommen. Vielleicht muss auch auf Länder wie Liechtenstein und die Schweiz – hauptsächlich auf Liechtenstein – ein bisschen mehr Druck ausgeübt werden. Es kann ja nicht sein, dass ein Land nur davon lebt, dass Steuerflüchtlinge ihr Geld am Fiskus in Deutschland vorbei in das Land bringen.
Im Verlauf der Ermittlungen in Augsburg hatten wir noch das Thema „Bau der Leuna-Raffinerie durch Elf Aquitaine“, das Thema Herr Holzer. Auch hier stehen Zahlungen in Millionenhöhe im Mittelpunkt. Was für ein Drama sich hier hinsichtlich der Ermittlungen abgespielt hat, werden wir heute auch noch zu diskutieren haben.
So weit zum Verlauf der Ermittlungen in Augsburg. Und damit liegt auch schon auf der Hand, dass es eben nicht – was uns die CSU immer wieder weiszumachen versucht – nur um einen Fall Karlheinz Schreiber geht; es geht zusätzlich um ganz andere Namen. Ich meine, Schreiber ist ja schon ausreichend genug: immerhin CSU-Mitglied, Spender der CSU, Spender der CDU
und – während der Untersuchungen auch immer wieder festgestellt – Anrufer bei Herrn Wiesheu, bei Herrn Goppel; er schickt dann auch noch Sendboten bei Herrn Wiesheu vorbei,
und es finden noch Telefonate zwischen Wiesheu und Herrn Schreiber statt zu einem Zeitpunkt, als der sich bereits auf die Flucht vorbereitet. Das nenne ich Parteifreunde!
Aber es geht nicht nur um diesen Herrn Schreiber, es geht auch um einen Herrn Pfahls, von dem der Herr Ministerpräsident jetzt offensichtlich gar nicht mehr wissen möchte, dass er ihn einmal gekannt hat. Deshalb vielleicht zur Erinnerung: Herr Pfahls – Leiter der Abteilung Grundsatzfragen in der Staatskanzlei unter Franz Josef Strauß von 1982 bis 1985. Aber halt, war da nicht etwas? War nicht Stoiber Leiter der Staatskanzlei von 1982 bis 1988? War nicht der jetzige Amtschef des Justizministers, Herr Held, Leiter der Rechtsabteilung der Staatskanzlei in den Jahren 1984/85? – Aber heute: Kontakte? Man erinnert sich gerade noch, dass man den Menschen mal auf dem Gang gesehen hat; ansonsten will man nichts mit ihm zu tun gehabt haben.
Herr Pfahls – flüchtiger Täter, der sich der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaften in Deutschland entzieht –, genauso wie dieses Herr Schreiber tut. Ich hätte von der CSU erwartet, dass sie beide Namen thematisiert und in den Mittelpunkt stellt, also nicht nur Schreiber, sondern auch fragt: Pfahls, und was hat denn der Herr Ministerpräsident mit diesem Herrn nach seinen innigen Kontakten in der Staatskanzlei heute noch zu tun?