Wir haben im Zentrum der Ermittlungen Max Strauß. Hier Verbindungen zur Staatskanzlei bzw. Ministerinnen und Ministern herzustellen, erübrigt sich glaube ich. Leisler Kiep, Erich Riedl – lauter Namen aus dem „Who’s who“ in der CSU. Um diese Namen geht es auch. Und daran zeigt sich, wie falsch die Einstellung des Kollegen Kreuzer ist, dass es um Schreiber allein geht. Es geht um ein System der innigsten Verwobenheit von CSUMitgliedern und die Frage, ob neben der normalen Hilfe unter Freunden da nicht auch das eine oder andere noch dabei war, was weit darüber hinausgeht und was gegebenenfalls illegal war.
Und weil die Rolle von Herrn Schreiber auch immer wieder – berechtigterweise – hinterfragt wird, nur eine kleine Anmerkung: Hätte es die Aussage von Herrn Schreiber vor der Steuerfahndung in Augsburg und seine Hinweise nicht gegeben – die er vielleicht etwas blauäugig gegeben hat; und er hat es sich sicher anders vorgestellt, wie es weitergeht –, aber hätte es diese nicht gegeben, hätte es kein Strafverfahren gegen Walther Leisler Kiep gegeben, und auch Frau Baumeister und Schäuble hätten heute noch ihre Ämter in der CDU, die sie einmal hatten. Gut, Schäuble ist jetzt vom Ministerpräsidenten auch in sein Kompetenzteam aufgenommen worden – eine späte Art der Wiedereingliederung in die Gesellschaft.
Was haben wir nun neben diesen inhaltlichen Punkten, die in Augsburg zu untersuchen waren, festgestellt? Durch die Aussage von Herrn Maier vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss kam die Meldung in die Presse, dass es immer wieder – so der Eindruck von Herrn Maier – Einflussnahmen in die Ermittlungsverfahren gegeben hat. Diesen Einflüssen auf das Ermittlungsverfahren nachzugehen, war zentrale Aufgabe des Untersuchungsausschusses.
Sie erinnern sich: Zunächst ein Versuch, bei Max Strauß eine Durchsuchung vorzunehmen. Zunächst einmal: abgelehnt! Einige Zeit später dann findet diese Durchsuchung statt, und siehe da, der Computer war gerade kurz vorher von einem Virus befallen und auch nicht nur einmal, nein, mehrfach gelöscht worden.
Dann kommt doch diese Staatsanwaltschaft Augsburg, Herr Hillinger und Herr Weigand – nicht Herr Maier damals, Herr Weigand; also schielen Sie doch nicht immer so auf den Herrn Maier, da sind auch noch andere gute Ermittler in Augsburg tätig –, da kommen doch diese Herren Weigand und Hillinger zu der Auffassung, dass man versuchen soll – das Ganze am 19. Januar 1996 –, die Daten der Festplatte zu rekonstruieren. Das kostet zwar bis zu 150000 DM, aber er schlägt es seiner vorgesetzten Behörde vor. Da sagt dann Herr Froschauer, als Generalstaatsanwalt damals noch: Nein, nein, das wollen wir nicht machen! Das genehmige ich nicht! – Das wäre ja noch einmal vertretbar gewesen. Aber er schreibt nicht darauf: Das genehmige ich nicht! Nein, er nimmt Rücksprache mit Herrn Hillinger und sagt: Ich schicke dir den Vermerk per Post zurück, schmeiß ihn weg und schreibe einen neuen Vermerk! Der lautet wörtlich gleich, aber es steht drin: Eine Rekonstruktion der Daten der Festplatte ist nicht beabsichtigt.
Bei der Nachfrage im Untersuchungsausschuss sagt dann Herr Froschauer: Ja, der Herr Hillinger und ich, wir haben miteinander diskutiert, und wir waren uns da einig.
Hillinger sagt zu Herrn Weigand am gleichen Tage etwas völlig anderes. Er sagt sinngemäß: Herr Weigand, die in München haben das abgelehnt. Ich schreibe einen neuen Vermerk. Das habe ich als Weisung verstanden. Aber Sie müssen ihn nicht schreiben; dieses möchte ich Ihnen nicht zumuten, dieses mute ich Ihnen nicht zu!
Dann wird der neue Vermerk nach München geschickt. Und wen wundert es: Jetzt plötzlich sagt der Generalstaatsanwalt: Das ist aber schön, was die Augsburger wollen; dem trete ich nicht entgegen! – So funktioniert Berichtswesen auf Bayerisch:
zunächst einmal von unten den gegenteiligen Vorschlag bekommen haben, ihn umschreiben lassen ins komplette Gegenteil und dann sagen: Dem trete ich aber nicht entgegen! – Für Außenstehende hat das ganz klar so ausgesehen: Augsburg wollte die Festplatte nicht rekonstruieren.
Ohne Untersuchungsausschuss und ohne Öffentlichkeit wären wir heute noch dieser falschen Information aufgesessen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir schon bei der Festplatte sind: Diese Festplatte ging dann auch einmal an das Landeskriminalamt, und zwar klar und eindeutig mit einem Begleitschreiben der Staatsanwaltschaft Augsburg versehen, mit dem ein Sachverständiger beauftragt wurde, gegebenenfalls auch die Hilfe des Landeskriminalamtes in Anspruch zu nehmen. Auf diesem Schreiben steht: „Dieses Schreiben gilt als Beauftragung des Landeskriminalamtes“. Das steht auf diesem Schreiben!
Durch die Staatsanwaltschaft Augsburg, Herr Kollege! Das haben Sie ja im Untersuchungsausschuss auch mitbekommen, glaube ich.
Und jetzt erinnert sich plötzlich im Landeskriminalamt – ob Ziegenaus als Präsident, ob Sachbearbeiter, ob Abteilungsleiter Paul und Stenger – niemand mehr daran, jemals einen Auftrag bekommen zu haben. Sie sagen: Nein, wir haben keinen Auftrag bekommen! Herr Ziegenaus sagt noch: Nein, er ist nie mit dem Vorgang beschäftigt worden. Das sagen diese drei Herrschaften bei uns vor dem Untersuchungsausschuss aus!
Intensives Aktenstudium und einige Hinweise: Ein paar Wochen später stellt sich heraus: Es gibt ein Schreiben beim Landeskriminalamt, das eingeordnet ist, in dem alles das genau drinsteht: Das Landeskriminalamt ist beauftragt worden, bei der Rekonstruktion der Festplatte zu helfen. Und das Landeskriminalamt hat auch gewusst, dass es sich um die Festplatte von Max Strauß handelt und dass es sich um den hoch sensiblen Ermittlungsfall Schreiber handelt.
Das alles haben Sie gewusst und sagen vor dem Untersuchungsausschuss – ich sage an dieser Stelle: bewusst – die Unwahrheit.
Als wir sie dann zum zweiten Mal geladen haben, um im Protokoll keine falsche Aussage zu haben – das ist auch strafrechtlich relevant –, erinnerten Sie sich plötzlich stückchenweise wieder an die Wahrheit.
Wenn man dann nachfragt, wie so etwas passieren kann, kommt man zu dem Thema Zeugenabsprache. Die drei Herrschaften haben sich zusammengesetzt und kollektiv erinnert, an was man sich denn vor einem Untersuchungsausschuss noch so erinnern kann nach dem Motto: Na, was wissen die denn schon; das müssen wir dann eben aussagen; das eine Schriftstück ist fehlabgelegt worden; darum braucht man es ihnen auch nicht zu sagen. Es ist nur dumm, dass wir die Fehlablage irgendwann festgestellt haben. Was ist das für ein Verständnis von einer Zeugenaussage?
Wenn in einer Strafverhandlung vor einem normalen Strafgericht drei Zeugen kommen, identisch das Gleiche aussagen und dann der Richter fragt, wie sie darauf gekommen sind und die Zeugen dann antworten: Wir sind gestern Abend zusammengesessen und haben uns erinnert, an was wir uns morgen noch erinnern mögen
und sagen dann das Gleiche aus, dann würde der Richter aus dem Stuhl und drei Meter über den Tisch springen und einen Schreikrampf bekommen. Aber nein: Auf unsere Nachfragen finden die Spitze der Justiz und auch Abgeordnete Kollegen der CSU nichts dabei, sich so auf Zeugenaussagen vorzubereiten. Das scheint normal zu sein. Dies halte ich tatsächlich für sehr bedenklich.
Weil wir gerade beim Thema Zeugenabsprache sind: Vor dem Untersuchungsausschuss hatten wir doch noch drei nette Zeugen: Den ehemaligen Generalstaatsanwalt Froschauer und seine Mitarbeiter Veit Sauter und Walter. Die drei treffen sich vor ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zu einem eineinhalbtägigen Seminar in Fischbachau auf Staatskosten und nehmen sämtliche Akten nicht nur von sich selbst aus München mit – nein, um gut vorbereitet zu sein, nimmt man auch noch die Handakte aus Augsburg mit, um zu wissen, was darin so alles steht, setzt sich zusammen, und auch dort erinnert man sich dann gemeinschaftlich wieder, an was man sich denn bei den nächsten Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss unbedingt erinnern muss. Herr Froschauer diktiert dann noch seine Aussage im Beisein der beiden anderen und lässt zumindest einen der beiden die Abschrift dieser diktierten Aussage zur Vorbereitung seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss sehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist absurdes Theater.
Dass Herr Justizminister Weiß auf Anfrage der Kollegin Kronawitter und mir in einer schriftlichen Antwort auch noch schreibt, das sei in Ordnung, ist der zweite Skandal in dieser Geschichte.
Herr Justizminister Weiß, Herr Kreuzer hat zumindest, was mir gesagt wurde, in der Pressekonferenz gesagt, es wäre geschickter gewesen, wenn sich die drei einzeln vorbereitet hätten. Das meine ich auch. Es wäre geschickter gewesen. Ich meine, auch von Ihnen wäre es geschickter gewesen, sich deutlich zu distanzieren. Ich habe Ihnen nicht zum Vorwurf gemacht, dass Sie gesagt hätten, die drei sollen sich zusammensetzen. Wenn aber der Justizminister dahintersteht und dies auch noch verteidigt, wird es problematisch. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie sich klar distanzieren und sagen: So geht es nicht.
Die übrigen Zeugen aus den Ministerien hatten auch interessante Aspekte beizutragen. Herr Weiß, in Ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss haben Sie in aller Offenheit gesagt: Ja, die Aussage wurde mir zunächst einmal von meinen Mitarbeitern zusammengestellt nach dem Motto: Dann schaue ich mir das durch und erinnere mich, an was ich mich noch erinnern kann.
Offensichtlich sind das dieselben Mitarbeiter, die während der gesamten Zeit im Untersuchungsausschuss gesessen sind und somit gewusst haben, was wir inzwischen herausgefunden haben und an was man sich erinnern muss. Ich sage: Das ist zumindest zweifelhaft. Ich würde mir wünschen, dass so etwas in künftigen Untersuchungsausschüssen nicht mehr vorkommt.
Herr Held, der ein zweites Mal aussagen musste, weil seine erste Aussage kleinere Unrichtigkeiten oder Auslassungen enthielt, bekommt dann offensichtlich direkt vor seiner Vernehmung die Aussage von Herrn Weiß zu Gesicht. Das hat er so ausgesagt. Das heißt, der Zeuge Held, den wir fragen wollen, ob das, was der Zeuge Weiß gerade gesagt hat, richtig ist, hat an einem der Vortage die schriftliche Aussage von Herrn Weiß gelesen. Auch dieses dient ganz exemplarisch der Wahrheitsfindung in einem Untersuchungsausschuss. Dafür an das Justizministerium für dessen Rechtsauffassung herzlichen Dank.
Wenn man dann Nachfragen stellt, überlegt er nicht, an was er sich erinnert, sondern er schaut, was zu den einzelnen Themen aufgeschrieben worden ist.
Ich habe ein anderes Verständnis von Zeugenaussagen. Zeugen haben sich daran zu erinnern, was sie wissen. Gegebenenfalls können sie zur Vorbereitung auch ihre eigenen Akten aus dem Ministerium anschauen. Sie sind aber nicht durch Mitarbeiter vorzubereiten, sie sind nicht schriftlich vorzubereiten, und sie sollen nach ihrer Erinnerung aussagen, nicht nach dem, was ihnen andere Menschen aufgeschrieben haben.
Zum Ermittlungsverfahren gäbe es noch eine ganze Reihe von Punkten. Diese finden Sie alle in unserem Endbericht, beispielsweise den verzweifelten Versuch, die Zusammenarbeit zwischen Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft in Augsburg zu behindern, indem man gesagt hat, dass die Steuerfahndung nur noch über das zu informieren ist, was unbedingt notwendig ist, und dass dies nur noch auf dem ganz formalen Weg geschehen soll, das heißt, eine informelle Zusammenarbeit soll nicht stattfinden. Ein anderes Beispiel ist die Dienstbesprechung in Augsburg, in der der Nachfolger des ver