Protokoll der Sitzung vom 12.12.2000

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 53. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch einige Glückwünsche aussprechen. Am 7. Dezember konnte Herr Kollege Rudolf Peterke einen halbrunden Geburtstag feiern,

(Allgemeiner Beifall)

und heute feiern Frau Kollegin Renate Schmidt und Herr Kollege Max Strehle Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Im Namen des Hohen Hauses und persönlich gratuliere ich der Kollegin und den Kollegen sehr herzlich und wünsche ihnen alles Gute, Gottes Segen sowie Kraft und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben.

Einen weiteren Glückwunsch spreche ich Frau Kollegin Christine Stahl und Herrn Kollegen Dr. Josef Dürr aus, die vor wenigen Tagen zu Vorsitzenden der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gewählt wurden. Ich darf der Kollegin und dem Kollegen zu ihrer Wahl im Namen des Hohen Hauses gratulieren und ihnen bei der Erfüllung ihrer neuen Aufgaben viel Erfolg wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich verbinde damit meinen Dank an Frau Kollegin Ruth Paulig. Sie hat das Amt der Fraktionsvorsitzenden zwei Jahre lang mit Engagement ausgeübt und sich einer gebotenen Zusammenarbeit nie verschlossen. Ich wünsche ihr für ihre weitere parlamentarische Tätigkeit viel Erfolg und persönlich alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung war die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema „Bayerns Zustimmung zur Entfernungspauschale und zur Verbilligung des Agrar-Diesels.“

In die Beratung beziehe ich ein den zum Plenum eingereichten

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Strasser, Dr. Kaiser und Fraktion (SPD)

Höhere Entfernungspauschale (Drucksache 14/5316)

Wie Sie wissen, dürfen in der Aktuellen Stunde die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als 5 Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion kann einer ihrer Redner 10 Minuten reden. Dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet.

Wenn ein Mitglied der Staatsregierung kraft seines Amtes das Wort nimmt, wird die Zeit seiner Rede nicht mitgerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als 10 Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, 5 Minuten ohne Anrechnung auf die Zeit der Dauer der Aussprache zu sprechen. Ich bitte Sie, jeweils auf mein Signal zu achten.

Erster Redner ist Herr Kollege Maget. Er wird einen 10-Minuten-Beitrag bringen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es gelänge, in den nächsten Tagen und Wochen eine Erhöhung der Kilometerpauschale und ihre Umwandlung in eine Entfernungspauschale durchzusetzen, wäre dies ein Segen für die Menschen im Freistaat Bayern.

(Beifall bei der SPD – Willi Müller (CSU): Besser wäre es, die Öko-Steuer abzuschaffen!)

Deswegen ist die Zustimmung Bayerns im Bundesrat zu dieser Entfernungspauschale notwendig und unverzichtbar. Gerade wir in einem Flächenstaat sollten größtes Interesse daran haben, die Pendler für die Fahrt zum Arbeitsplatz zu entlasten, und zwar unabhängig davon, ob sie den Pkw oder den öffentlichen Nahverkehr benutzen.

Deswegen hat die Bundesregierung zu Recht beschlossen, eine Entfernungspauschale in Höhe von 80 Pfennig pro Entfernungskilometer einzuführen und diese unabhängig von der Wahl des Verkehrsmittels zu gewähren bis zu einem Höchstbetrag von 10000 DM.

Die Vorteile einer solchen Regelung liegen auf der Hand. Wer zum Beispiel 50 Kilometer zum Arbeitsplatz fahren muss, kann künftig 8580 DM steuerlich geltend machen. Das macht bei einem verheirateten Arbeitnehmer mit 6000 DM Bruttoeinkommen monatlich 188 DM Entlastung aus. Das ist eine gute Sache für die Pendler in Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch bei geringeren Entfernungen ergeben sich deutliche Vorteile. Wenn derselbe Arbeitnehmer 20 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt wohnt, sind es immer noch 3300 DM, die er geltend machen kann, immerhin eine monatliche Steuerersparnis in Höhe von 50 DM.

Außerdem – und das ist für Bayern besonders vorteilhaft – wird die Bildung von Fahrgemeinschaften erleichtert und gefördert. Sie kennen die Möglichkeit, dass man sich an der Autobahnauffahrt trifft und miteinander den Weg zum Arbeitsplatz nimmt. Künftig werden alle, auch die, die nur mitfahren, die Entfernungspauschale in Anspruch nehmen können. Auch das ist eine echte Verbesserung für Bayern – und im Übrigen auch ein Beitrag zur Steuerehrlichkeit, das will ich bei der Gelegenheit sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ein dritter Punkt kommt hinzu: Das Umsteigen auf den öffentlichen Personennahverkehr, wo immer es möglich ist, wird erleichtert und gefördert. Auch das ist in unserem Interesse.

Insgesamt soll die Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger über 1 Milliarde DM betragen. Darüber kann man sich doch eigentlich nur freuen und muss dem im Bundesrat zustimmen.

Dass die CSU erneut eine vernünftige Regelung, die den Menschen hilft, aus parteipolitischem Kalkül, wie ich meine, im Bundesrat blockieren will, ist ein grober Verrat an den Interessen der Menschen in Bayern und an ihrer wirtschaftlichen Situation.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch des Abgeordneten Herrmann (CSU))

Im Übrigen ist es auch ein Verrat an der Landwirtschaft. Denn in diesem Zusammenhang soll das Angebot gemacht werden, den Preis für Agrar-Diesel von jetzt 57 Pfennig auf 50 Pfennig abzusenken.

(Zuruf von der CSU: Das ist zu wenig!)

Das kann immer zu wenig sein, aber es ist besser, als auch das abzulehnen, wie Sie es tun.

(Willi Müller (CSU): In Frankreich sind es 11 Pfennig!)

Lieber gebe ich der Landwirtschaft doch etwas als überhaupt nichts, wie Sie es vorhaben.

Ein sachlicher Grund für die Ablehnung dieses Pakets ist nicht gegeben. Deshalb wird zum Beispiel auch das Land Baden-Württemberg offenkundig für dieses Vorhaben stimmen.

Übrig bleiben einzig und allein sachfremde Erwägungen, die ich auch kurz benennen will. Erstens: Wie bei der Steuerreform, wollen Sie der Regierung Schröder auch hier keinen Erfolg gönnen. Damit sind Sie aber auch schon bei der Steuerreform auf die Nase gefallen und jetzt wird es Ihnen wieder genauso gehen.

(Unruhe bei der CSU)

Statt die Menschen zu entlasten, wollen Sie die Pendler immer nur stärker belasten.

(Ach (CSU): Öko-Steuer abschaffen!)

Sie haben nämlich vorgeschlagen – das muss man in dem Zusammenhang in Erinnerung rufen –, die Entfernungspauschale nicht zu erhöhen, wie wir es jetzt tun, sondern auf 50 Pfennige zu senken. Das war Ihr Vorschlag. Ich finde es ungeheuerlich, dass man einen solchen Vorschlag in der Situation überhaupt bringt.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei einer Entfernung von weniger als 15 Kilometern zum Arbeitsplatz wollten Sie die Entfernungspauschale sogar ganz abschaffen. Das finde ich unglaublich. Das müssen wir den Menschen in Bayern viel lauter sagen. Immer wieder werden wir das verbreiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie drittens wollen, ist: Nutzen ziehen für Ihre unsägliche Ökosteuer-Kampagne, die an Volksverdummung ja schon ihresgleichen sucht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie verschweigen nämlich erstens die wahren Ursachen für die Verteuerung der Energiepreise. Sie verschweigen, dass die Preissteigerungen in ganz Europa und in Amerika und auf der ganzen Welt stattfinden, und zwar auch dort, wo Ökosteuer ein Fremdwort ist, sehr geehrter Herr Kollege Ach, dass es also diesen Zusammenhang gar nicht gibt. Sie verschweigen auch, dass das Konzept der Ökosteuer teilweise Ihr eigenes gewesen ist, damals, als Sie noch regiert haben. Und Sie verschweigen vor allem – und das ist das Schlimmste –, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen Ökosteuer und Stabilisierung, ja Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung gibt. Sie sagen, von schlichtem Gemüt: Dann schaffen wir die Ökosteuer einfach wieder ab. Aber den zweiten Satz, dass wir dann die Beiträge zur Sozialversicherung um mindestens 2% erhöhen müssten, verschweigen Sie. Das gehört aber zusammen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)