Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 76. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese Genehmigungen wurden erteilt.
Heute findet die lange Fragestunde mit 90 Minuten statt. Ich bitte zunächst Herrn Staatssekretär Georg Schmid um die Beantwortung der ersten Fragen. Erste Fragestellerin ist Frau Kollegin Peters. Bitte, Frau Kollegin.
Herr Präsident, Herr Staatssekretär! Welche Gründe sprechen für die Option des Staatsministeriums für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen, nach der Auflassung der Rottal-Kaserne Kirchham im Jahr 2004 drei Kompaniegebäude als Aussiedler- und Asylbewerberauffanglager zu reservieren, wie viele Aussiedler und Asylbewerber sollen darin Platz finden, und wie stellt sich die Bayerische Staatsregierung die Integration in diesem sehr ländlichen Gebiet zwischen Bad Füssing und Pocking vor, nachdem Pocking schon eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Aussiedlern, nämlich 1400, aufgenommen hat?
Herr Präsident, Frau Kollegin Peters! Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung hat am 16. Juli 2001 dem Freistaat Bayern eine Liste der künftig als entbehrlich identifizierten Liegenschaften und Teilliegenschaften der Bundeswehr zugeleitet. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen hat mit Schreiben vom 31.08.2001 diese Liste an die Regierungen weitergeleitet mit der Bitte um Prüfung, ob an den Liegenschaften Bedarf zur Unterbringung von Aussiedlern bzw. Asylbewerbern besteht.
Für die Unterbringung von Aussiedlern und Asylbewerbern und damit auch für die Bereitstellung der benötigten Unterbringungsplätze sind die Regierungen zuständig. Die Regierungen sind nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen über Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gehalten, die kostengünstigste Art der Unterbringung anzustreben. Die Nutzung staatlicher Liegenschaften ist kostengünstiger als die Unterbringung in anderweitig angemieteten Einrichtungen. Das wissen wir aus den Erfahrungen der letzten Jahre.
Die Regierung von Niederbayern hat gegenüber der Bezirksfinanzdirektion München Bedarf an drei Gebäuden der Rottal-Kaserne Kirchham geltend gemacht. Nach Auskunft der Regierung von Niederbayern wurde
der Bedarf vorsorglich angemeldet, weil der Zugang an Aussiedlern und Asylbewerbern weiter steigend ist. Voraussichtlich sind ab Juli 2002 außer Asylbewerbern auch die übrigen Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz staatlich unterzubringen. Möglicherweise müssen zudem andere Unterkünfte geschlossen werden. Sie wissen, dass diese Diskussionen in Ihrer Heimat immer wieder geführt wurden.
Es kann noch nicht gesagt werden, ob und gegebenenfalls wie viele Unterbringungsplätze 2004 benötigt werden. Außerdem vertritt die Regierung die Auffassung, dass noch nicht sicher ist, ob der Bedarfsanmeldung im Jahr 2004 überhaupt entsprochen wird. Danach müssen erst Umbauerfordernisse für eine bedarfsgerechte Unterbringung geprüft werden.
Das Bayerische Sozialministerium nimmt die Anmeldung des Bedarfs durch die Regierung von Niederbayern angesichts der absehbaren Auflösung anderer Unterkünfte zur Kenntnis, zumal, wie erwähnt, ab Juli 2002 voraussichtlich auch sonstige Ausländer, die Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind und deren Unterbringung bis dahin den Gemeinden obliegt, staatlich untergebracht werden müssen. Die Belastung des ländlichen Raumes durch eine etwaige Nutzung von Gebäuden in der Rottal-Kaserne Kirchham für die Unterbringung von Aussiedlern oder Asylbewerbern würde durch die absehbare Auflösung von Unterkünften in Pocking und Bad Griesbach gemildert.
Zur Frage nach der Integration der Ausländer im Jahr 2004 kann derzeit noch nicht konkret Stellung genommen werden. Wichtigste Integrationsvoraussetzung ist sicherlich die Beherrschung der deutschen Sprache. Der jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes regelt die Grundlagen für die Integrationskurse. Diese sollen einen Basis- und Aufbaukurs enthalten mit jeweils 300 Unterrichtsstunden. Wie diese Kurse dann ab dem Jahr 2003 organisiert werden sollen, steht momentan noch nicht fest.
Herr Staatssekretär, Sie haben von Schließungen gesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass in der Gemeinde Neuhaus, also in unmittelbarer Nähe, eine neue Unterkunft mit rund 260 Plätzen geplant ist, und ist das Lager in Kirchham als Ersatz gedacht?
Frau Kollegin, diesen Zusammenhang gibt es nicht. Ich kenne den anderen Fall, der, wenn ich mich recht erinnere, schon durch die Medien gegangen und diskutiert worden ist. Dazu hat es schon Gespräche im Haus gegeben. In diesem ganz konkreten Fall habe ich die Auffassung vertreten, dass es nicht zumutbar ist, in einem so kleinen Ort so viele Aussiedler und Asylbewerber unterzubringen.
Es ist noch kleiner; ich weiß das. Deswegen habe ich schon damals die Entscheidung getroffen, dass diese Möglichkeit zukünftig nicht bestehen soll und die Zahl der dort Unterzubringenden – wenn es denn zu einer Unterbringung kommt – erheblich reduziert werden muss. Von 260 war nicht mehr die Rede, sondern nur von 60.
Momentan wird überlegt, wie diese Liegenschaften sinnvoll genutzt werden können. Man will vorplanen, damit nicht dann, wenn die Zahlen der Asylbewerber und Aussiedler weiter ansteigen, der Vorwurf erhoben wird, man habe nicht rechtzeitig reagiert. Darum geht es im Moment, um nicht mehr und nicht weniger.
Verehrter Herr Staatssekretär, wie sieht die Situation bei den Asylbewerbern derzeit aus, können Sie dazu konkrete Zahlen nennen, und wird das von der Bundesregierung geplante neue Zuwanderungsgesetz die Lage verschärfen?
Herr Kollege Meyer, in den vergangenen Jahren sind sowohl die Aussiedler- als auch Asylbewerberzahlen zurückgegangen. Ich habe eine konkrete Aufstellung der Zahlen der Asylbewerber dabei, die ich Ihnen anschließend übergeben könnte. Wir müssen jetzt feststellen, dass sowohl die Aussiedler- als auch vor allem die Asylbewerberzahlen spürbar ansteigen. Die Zahl der Aussiedler nimmt um rund 6,4% zu, die Zahl der Asylbewerber auf Bundesebene steigt um 15% an, auf bayerischer Ebene um 18%. Kollege Meyer, die Zahlen werden nicht nur ansteigen, sondern sie sind schon angestiegen. Wir können davon ausgehen, dass wir in den kommenden Monaten weitere Zugänge haben werden. – Die neuen gesetzlichen Vorgaben des Bundes werden sicher dazu führen, dass wir sowohl in der ganzen Bundesrepublik als auch in Bayern weitere Zugänge verzeichnen werden.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, in einem so kleinen Ort wie Neuhaus sind nach Ihrer Auffassung 260 Unterzubringende nicht vertretbar. Kirchham ist, wie Sie selbst gesagt haben, mit 2300 Einwohnern noch etwas kleiner. Bei drei Kompaniegebäuden sind 200 bis 300 Asylbewerber oder Spätaussiedler im Gespräch. Trifft in diesem Fall das gleiche Argument zu?
Selbstverständlich werden alle Fälle einheitlich beurteilt werden müssen. Heute ist aber noch gar nicht absehbar, ob diese drei Gebäude genutzt werden; Sie gehen von einer völlig falschen Voraussetzung aus. Die Regierung hat zunächst einmal die Prüfung aufgenommen, ob diese Gebäude prinzipiell für die Unterbringung geeignet sind.
Wir brauchen Funktionsräume etc. Wir sind noch nicht in einem Stadium, in dem wir sagen können, wie viel da hinkommen. Deswegen halte ich momentan diese Befürchtung für nicht richtig. Im Übrigen achten wir sehr wohl darauf – das hat die andere Entscheidung in dem von Ihnen angeführten Fall gezeigt –, dass die Bevölkerung mit dieser Situation nicht unzumutbar belastet wird. Sie können nach wie vor davon ausgehen, dass hier eine sachgerechte Entscheidung getroffen wird.
Herr Staatssekretär, wird bei dem von der Staatsregierung angekündigten Ausbau der Kinder- und Schülerbetreuung das bereits bestehende Angebot durch Krippen und kommunale Horte in die neue Personalkostenförderung aufgenommen? Wenn nicht, wie beurteilt die Staatsregierung die daraus entstehende Ungerechtigkeit gegenüber den Kommunen, die bisher ohne finanzielle Förderung des Freistaats ein Krippen- und Hortangebot aufgebaut haben?
Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Kollegin Schopper, entsprechend dem Ministerratsbeschluss vom 06.11.2001 werden auch die so genannten Alteinrichtungen in die staatliche Förderung aufgenommen. Unter „Alteinrichtungen“ sind dabei diejenigen Gruppen in Einrichtungen zu verstehen – so ist es festgelegt worden –, die ihren Betrieb vor dem 01.01.2002 aufgenommen haben und bisher generell nicht förderfähig waren, also die Krippen und Horte in kommunaler Trägerschaft, die sich nicht am Projekt „Horte an Schulen“ beteiligten. Das heißt, der konkrete Stichtag ist der 01.01.2002. Sie erhalten ab dem 01.01.2002 auch staatliche Fördermittel in vier Stufen: für 2002 25%, für 2003 50% und für 2004 75% der staatlichen Förderung; ab 2005 erhalten sie die volle Förderung. Wenn zum Beispiel ein kommunaler Hort bereits zwei Gruppen hat, steigen diese zwei Gruppen in den genannten Stufen in die Förderung mit ein. Würde der Hort im Jahre 2002 um eine weitere Gruppe aufgestockt, erhält er selbstverständlich für diese Gruppe – wie jede andere
Herr Staatssekretär, meines Wissens sind die Förderungen schon nach dem neuen Finanzierungsmodell, also einer kindbezogenen Förderung, angedacht worden. Ist es richtig, dass diese neuen Fördermodelle auf die bestehenden Einrichtungen der Krippen und Horte bereits angewendet werden?
Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Kollegin Schopper, diese Frage ist auch im Hinblick auf die für den Bereich des Kindergartens geführte Gesamtdiskussion, inwieweit man bereits in die neue Förderung einsteigt, vehement erörtert worden. Nach intensiven Diskussionen mit den kommunalen Spitzenverbänden wurde festgelegt, dass wir im Bereich der Horte, wo es diese Förderung schon bisher gab, vorerst bei der alten Förderung bleiben werden, während wir die Krippen bereits kindbezogen fördern. Dieser Kompromiss ist Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Herr Staatssekretär, beurteilen Sie angesichts dessen, dass jenseits der Gebiete Landsberg/Lech und Bayreuth in die kindbezogene Förderung eingestiegen wurde, den ergebnisoffenen Prozess, der für den Bereich der Kindergartenfinanzierung zugesagt wurde, als bereits beeinträchtigt? Sind schon Fakten geschaffen worden oder wird die Ergebnisoffenheit auch deklamiert?
Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Sozialminister Stewens hat hierzu immer wieder eine klare Äußerung abgeben. Es ist ein Modellversuch, der ergebnisoffen ist und genauso diskutiert werden muss. Wir haben zudem festgelegt, dass der Modellversuch in Landsberg und Bayreuth bis 2003 läuft. Dann wird es einen Diskussions- und Evolutionsprozess geben. Ab 2005 sollen alle Förderungen auf eine gesetzliche Grundlage – dies ist der Unterschied – gestellt werden, um den Trägern bezüglich der Förderung eine absolute Sicherheit zu geben, sodass sie sicher sein können, dass die Finanzierung in den kommenden Jahren sichergestellt ist.
Herr Staatssekretär, ich frage die Bayerische Staatsregierung, bis wann die von Frau Staatsministerin Stewens mit Presseerklärung vom 8. Oktober 2001 bekannt gegebene Änderung der Nachqualifizierung von Altenpflegekräften aus Slowenien und Kroatien, wonach das Praktikum „ab sofort vor Ort in einem Altenpflegeheim abgeleistet werden“ kann, tatsächlich in Kraft tritt? Wurden die Ausführungsbestimmungen hierfür bereits den dafür zuständigen Behörden und Fortbildungseinrichtungen im Freistaat zur Umsetzung zugeleitet? Ist die Staatsregierung bereit, mit Bezug auf den extremen Pflegekräftemangel die neue Nachqualifizierungsregelung auf alle aus Nicht-EU-Staaten angeworbenen Pflegekräfte auszuweiten?
Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Kollegin Dr. Kronawitter, mit Schreiben des Sozialministeriums vom 23. Oktober 2001 wurden die Regierungen davon unterrichtet, dass von der Bundesanstalt für Arbeit vermittelte slowenische und kroatische Krankenschwestern und -pfleger künftig auch dann als Fachkräfte im Sinne der Heimpersonalverordnung anerkannt werden können, wenn sie das vorgeschriebene Praktikum nicht in einem Krankenhaus, sondern in einem Altenpflegeheim ableisten. Dasselbe gilt für andere ausländische Krankenschwestern und -pfleger, Kinderkrankenschwester und -pfleger sowie für Altenpflegerinnen und -pfleger, die sich in Bayern rechtmäßig aufhalten und über eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis verfügen.
In beiden Fällen ist – neben ausreichenden Deutschkenntnissen – Voraussetzung, dass ein sechsmonatiges angeleitetes Praktikum absolviert wird. Während des Praktikums sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Besuch von Fortbildungsveranstaltungen an vier Tagen á 8 Unterrichtsstunden pro Monat verpflichtet. Im Anschluss daran findet ein Prüfungsgespräch statt.
Am 6. November 2001 fand im Sozialministerium über die Neuregelung eine Dienstbesprechung mit den Regierungen statt. Die Regierungen sind gehalten, die übrigen Heimaufsichtsbehörden hiervon zu unterrichten. Im Rahmen der genannten Dienstbesprechung wurde vereinbart, dass die Wohlfahrtsverbände für die Altenpflegeheime ein Merkblatt erstellen, das die bezüglich der ausländischen Pflegekräfte getroffene Neuregelung erläutert. Die Spitzenverbände der freien und öffentlichen Wohlfahrtpflege in Bayern werden ferner festlegen, welche Fachschulen oder fachlich qualifizierten Weiterbildungseinrichtungen mit der Durchführung der Fortbildungsmaßnahmen betraut werden. Die Wohlfahrtsverbände haben angekündigt, erste Fortbildungsmaßnahmen bereits ab März 2002 anzubieten.
Mit Schreiben des Sozialministeriums vom 8. November 2001 wurde die oben genannte Neuregelung auf Aussiedler ausgedehnt. Die Ausdehnung der mit Kroatien und Slowenien bestehenden Vermittlungsabsprachen der Bundesanstalt für Arbeit auf andere osteuropäische Staaten fällt nicht in die Zuständigkeit des Freistaates Bayern. Aus diesem Grunde hat sich die Sozialministerin