Der eigentliche Sinn der integrierten Leitstelle wird verfehlt, wenn die Feuerwehreinsatzzentralen im Einzelfall wieder herausgelöst werden können. Auch der Feuerwehrverband – ich begrüße Herrn Karl Binai in der Diplomatenloge, den Chef des Landesfeuerwehrverbandes – wettert gegen diese Ausnahmeregelung. Ich darf ihn zitieren:
Diese Möglichkeit kann nur als politisches Zugeständnis betrachtet werden, entbehrt aber jeglicher fachlichen Grundlage.
Ich glaube, das spricht für sich. Herr Binai befürchtet Zeitverzögerungen, schlechtere Informationsweitergabe und schlechtere Einsatzkoordination durch diese Ausnahmeregelung.
Absolut ärgerlich und nicht nachzuvollziehen ist die Weigerung der Kassenärztlichen Vereinigung, sich zu beteiligen. Zwang hilft aber nichts, alle Appelle haben nicht gefruchtet. Das ist sehr bedauerlich. Die Kosten werden dadurch steigen. Aber dagegen können Staatsregierung und Landtag nichts tun.
Ein gewisser Bruch ist auch, dass die alte Notrufnummer 19222 weiter existiert. Aber das ist zunächst einmal notwendig, um spätere Irrläufer einzufangen, damit der, der später einmal die 19222 wählt, nicht irgendwo im Nirwana landet, sondern auch bei der integrierten Leitstelle. Man kann sich überlegen: Ist es sinnvoll, für die Krankentransporte die 19222 aufrecht zu erhalten? Meines Erachtens wäre es richtig gewesen, auch die zentrale Nummer, die einheitliche Nummer für die Krankentransporte zu verwenden.
Ganz mängelfrei ist der Gesetzentwurf nicht. Wir werden aber dennoch zustimmen, weil es uns darum geht, dass die 112 möglichst schnell eingeführt wird.
Was die Finanzen anbelangt, ist, denke ich, einigermaßen ein Weg gefunden worden, was die Zuschuss- und Förderungsregelungen anbelangt. Nachbesserungsbedarf gibt es, meine ich, bei der Ausbildung, bei der Qualifikation, wie es von der SPD beantragt wurde. Bei den sonstigen Zuschüssen muss man sagen, für die Technik werden 100% übernommen, für den Feuerwehrbereich 70% und 35% für die baulichen Anlagen. Es wäre zu überlegen, ob man letzteren Wert anhebt. Aber das ändert im Grunde nicht so wahnsinnig viel und beinhaltet auch eine gewisse Gefahr. Mit einem hohen Zuschuss fördert man die Motivation, dass neue Gebäude hingestellt werden, anstatt die alten weiterhin zu nutzen. Bei diesem Antrag haben wir uns der Stimme enthalten.
Zum Schluss möchte ich noch einen Appell an die Staatsregierung loswerden: Die Vollzugsbekanntmachung und die Ausführungsverordnung müssen zeitnah vorgelegt und mit den betroffenen Gebietskörperschaften, den Verbänden und insbesondere dem Landesfeu
erwehrverband, abgestimmt werden, und das so bald wie möglich, damit der Weg für eine rasche Umsetzung freigemacht wird.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zum Kollegen Kreuzer. Herr Kollege Kreuzer, vielleicht tragen Sie Ihren Namen zu Recht, aber ich habe nicht recht verstanden, warum Sie bei dieser eigentlich doch sachlichen Debatte, die bisher zu diesem Thema geführt wurde, heute eine derart scharfe Klinge geführt haben, und das gegenüber einem jungen Kollegen, der heute seine erste Rede gehalten hat. Ich glaube, das war nicht parlamentarisch fair.
Darüber hinaus, Herr Kollege Kreuzer, drängt sich ein bisschen der Eindruck auf, dass Sie mit Ihren scharfen Worten über die offensichtlichen Schwächen dieses Gesetzes hinwegtäuschen wollten. Denn Sie sind auf das eigentliche Anliegen, das den Änderungsanträgen der SPD zugrunde liegt und das Ihnen eigentlich auch ein wichtiges Anliegen sein müsste,
nämlich dass wichtige Regelungen aus dem Gesetz auf den Verordnungsgeber verlagert werden und damit ein Stück Gesetzgebungsgewalt diesem Hause entzogen wird, mit keinem Wort eingegangen.
Vorweg zum Gesetz. Ich möchte noch einmal betonen, dass wir als SPD nach zehn Jahren Drängens froh darüber sind, dass jetzt endlich, endlich ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der nicht nur integrierte Leitstellen vorsieht, sondern der darüber hinaus auch die Einführung der einheitlichen Nummer 112 beinhaltet. Dies ist ein wesentlicher Fortschritt und den begrüßen wir durchaus.
Aber, meine Damen und Herren, über diesem Jubel sollte man die Schwächen nicht vergessen. Wer gedacht hatte, so wie es der Kollege Kreuzer formuliert hat, dass mit diesen integrierten Leitstellen vor allen Dingen mit der Notrufnummer 112 jetzt eine Lösung aus einem Guss erzielt wird und dass die Bürger in allen wesentlichen Fragen, in denen sie des Schutzes bedürfen, sich in kurzer Zeit an die richtige Stelle wenden können, der muss enttäuscht feststellen, dass dieser, wie ich zugeben muss: ehrgeizige Ansatz leider verfehlt worden ist.
Herr Kollege Kreuzer, Sie haben davon gesprochen, dass Sie sich so gut informiert haben. Dann frage ich Sie allerdings, ob Sie die Einschätzung teilen, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst, der bisher wesentlicher und integraler Bestandteil der Leitstellen des Roten Kreuzes war, just zu dem Zeitpunkt, an dem wir endlich die integrierten Leitstellen bekommen, herausfällt. In der Praxis war es eben so und so ist auch die Sicht der Bürger. Sie müssen sich einmal die Zahlen vergegenwärtigen.
In den letzten Jahren hat es im Durchschnitt etwa 1,8 Millionen Anrufe gegeben, die dem Rettungsdienst oder dem Krankentransport gegolten haben. Daneben gab es 1,2 Millionen Anrufe bei den Leitstellen, die den ärztlichen Bereitschaftsdienst betroffen haben. Daran können Sie sehen, welches Gewicht dies aus der Sicht der Bürger gehabt hat.
Und dies soll jetzt willkürlich gespalten werden. Meine Damen und Herren, das ist ein echter Rückschritt. Der Vorwurf, dieses Schilda verursacht zu haben, trifft natürlich in erster Linie die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Wir haben sehr intensive Gespräche geführt, wir haben auch einen Antrag im Bayerischen Landtag eingebracht. Wir haben die Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung bei uns im Ausschuss gehabt und ihnen auf den Zahn gefühlt. Sie haben mit Scheinargumenten abgeblockt. Der Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung, Herr Munte, hat vom „mündigen Bürger“ gesprochen. Natürlich wünschen wir uns alle den mündigen Bürger. Aber stellen Sie sich doch die Situation vor, in der ein einzelner Mensch oder eine Familie plötzlich in eine medizinische Notlage gerät, wo jemand Schmerzen hat und dringend der Hilfe bedarf. Sind Sie da wirklich so kühl, dass Sie sagen: Rufe ich jetzt neuerdings eine 0180 an – das wird nämlich das Call-Center des ärztlichen Bereitschaftsdienstes sein – oder rufe ich die 112 an? Es wird in der Regel wohl nach menschlichem Ermessen so sein, dass man die Nummer anruft, die einem gerade einfällt. Das kann die 112 sein. Wenn es ein Fall des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist, dann werde ich weitervermittelt oder weiterverwiesen. Es kann auch umgekehrt sein, dass jemand beim ärztlichen Bereitschaftsdienst anruft und im Grunde den Rettungsdienst benötigt. Da geht wertvolle Zeit verloren.
Ein weiteres Argument kommt hinzu. Meine Damen und Herren, wer finanziert denn das alles? Sie haben das angesprochen. Das finanziert ja nicht die öffentliche
Da muss man doch fragen: Mit welcher Arroganz tritt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns auf und sagt: Wir haben eine bessere Regelung, die aber im Grunde auf dem Rücken der Beitragszahler ausgetragen wird aus den Gründen, die ich bereits genannt habe?
Aber es kommt natürlich auch noch eine Kostenfrage hinzu. Es ist ausgerechnet worden, dass ein Anruf beim Bereitschaftsdienst bisher etwa 8 DM beim Roten Kreuz, bei den Leitstellen verursacht hat. Dadurch sind jährlich etwa 8 Millionen DM angefallen, die die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber den Krankenkassen abgerechnet hat.
Nun haben sich im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs alle Kassen, die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Kassen, für die Regelung ausgesprochen, die sowohl der Bayerische Landtag wie auch die Staatsregierung favorisiert haben. Alle kommunalen Spitzenverbände haben hinter dieser Lösung gestanden.
Dann muss ich Sie als Vertreter der Staatsregierung, Herr Staatssekretär Regensburger, schon fragen: Wieso hat die Staatsregierung es in zehn Jahren nicht vermocht, hier eine gangbare Lösung auf den Weg zu bringen? Dies ist ein Versäumnis, das Sie sich anrechnen lassen müssen. Das ist eine Schwäche, die nicht dafür spricht, dass Sie in der Lage sind, größere Lösungen anzugehen. Sie kündigen an, Sie würden – allerdings mit alten Rezepten – nach dem 22. September unser Gesundheitssystem reformieren. Wenn Sie es in Bayern nicht einmal schaffen, eine solche Alarmierung aus einer Hand, bei der alle wesentlichen Dienste eingebunden sind, auf den Weg zu bringen, wie wollen Sie dann erst den Anspruch erheben, eine große Reform in Deutschland durchzusetzen?
Meine Damen und Herren, ich habe mich hier aus folgendem Grund noch einmal zu Wort gemeldet. Wir glauben, dass dieses Gesetz – das zeigen auch die Novellierungen des Rettungsdienstgesetzes, die wir wiederholt erlebt haben – nicht das halten kann, was es verspricht. Es hat große Schwächen, die in den Änderungsanträgen der SPD-Fraktion angesprochen worden sind. Die entscheidende Schwäche ist, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst nicht eingebunden wird. Deswegen geht unser Appell in erster Linie an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, ihren Widerstand aufzugeben und jetzt einer Neuregelung nicht im Wege zu stehen, sondern im Interesse der Bürger dieses Landes mitzumachen.
Ein zweiter Appell. Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, dass Sie hier noch reden werden. Heute ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Was hindert Sie daran, eine Lösung anzustreben, bei der Sie die Kostenträger, nämlich die gesetzlichen Kassen, im Rücken haben, bei der Sie auch die kommunalen Spitzenverbände im
Rücken haben, welche ja ebenfalls betroffen sind? Wenn wie bisher zwei Systeme nebeneinander – nur auf einer anderen Ebene – bestehen, werden die Grundkosten steigen. Die Kosten werden letzten Endes auf die eine oder andere Weise die Bürger zu tragen haben. Deshalb unser Appell an Sie, noch einmal alle an einen Tisch zu holen und auch das Kostenproblem stärker in den Vordergrund zu rücken und insofern auch einen Schulterschluss mit den gesetzlichen Kassen anzustreben.
Sollte dies alles nichts nützen – ich hoffe, dass nach dem 22. September die Sozialdemokraten weiterhin dieses Land führen werden –, werden wir überlegen müssen, ob wir nicht über den Bundesgesetzgeber eine Regelung schaffen, die in Bayern endlich das verwirklicht, wofür wir zehn Jahre lang gekämpft haben.
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Kollege Kreuzer hat in sehr kompetenter Weise Inhalt und Zielsetzung des Gesetzes dargelegt.
Er versteht von der Materie mehr, Herr Kollege Güller, als Sie und der Rest Ihrer Fraktion. Ich traue mich ohne weiteres, dies zu behaupten.
Ich brauche den Inhalt des Gesetzentwurfes insofern nicht noch einmal von A bis Z zu erläutern. Ich möchte vielmehr nur noch auf einige wesentliche Kritikpunkte eingehen.