Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Sitzung beginnen können. Wir haben heute noch ein Riesenarbeitsprogramm vor uns. Ich denke, die Mitternacht wird nahe rücken.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die 108. Vollsitzung des Bayerischen Landtags eröffnen. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese Genehmigung wurde vorab wieder erteilt.
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich für einige Minuten des Gedenkens von Ihren Plätzen zu erheben.
Am 4. September verstarb der ehemalige Präsident des Bayerischen Landtags, Herr Dr. Wilhelm Vorndran, in seiner Heimatstadt Erlangen im Alter von 88 Jahren. 36 Jahre lang, von 1958 bis 1994, gehörte er dem Landesparlament an. Von 1974 an vertrat er den Stimmkreis seiner Heimatstadt, zuvor für die CSU den Wahlkreis Mittelfranken.
1962 übernahm er den Vorsitz des Ausschusses für Beamtenrecht und Besoldung und wurde in den Vorstand der CSU-Fraktion gewählt. Zehn Jahre später erhielt er Kabinettsrang als Staatssekretär im Sozialministerium. Unter Ministerpräsident Franz Josef Strauß wechselte er ins Justizministerium. Während dieser Zeit war er auch Vorsitzender des CSU-Arbeitskreises Juristen. Viele wegweisende Vorschläge, die über den Bundesrat Eingang in die Gesetzgebung fanden, trugen seine Handschrift. Der Föderalismus hatte in ihm einen allseits anerkannten Anwalt und einen Kämpfer für die Rechte der Landesparlamente im Bund und in Europa. Als Leiter der Staatskanzlei, zu dem ihn Ministerpräsident Max Streibl 1988 berufen hatte, stellte er das sehr eindrucksvoll unter Beweis.
1990 wurde er an die Spitze des Bayerischen Landtags gewählt. Seine Präsidentschaft hier im Haus war geprägt von großer politischer Erfahrung, souveräner Gelassenheit und vom freundlichen Umgang mit allen Fraktionen.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands tagte unter seinem Vorsitz die erste gesamtdeutsche Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente im Maximilianeum. Ebenso baute er Brücken zu den Parlamenten der mittel- und südosteuropäischen Reformstaaten.
Er war es auch, der den Landtag mit der Einführung von Matineen und des "Tags der offenen Tür" einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machte. Für ihn war Bürgernähe keine äußere Geste, sondern eine innere Einstellung. Die Menschen spürten das. Sie konnten sich auf sein Wort verlassen. Er strahlte Vertrauen aus. Und Vertrauen wurde ihm auch entgegengebracht. Er hat uns gezeigt, wie man mit Herz und Vernunft über Jahrzehnte hinweg erfolgreich Politik gestalten kann.
Für seine großen Verdienste wurde Dr. Wilhelm Vorndran mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold, mit dem Bayerischen Verdienstorden und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
In seiner Antrittsrede sagte er: "Bei allem Ernst der Arbeit und bei aller Schwere der Verantwortung sollen im Parlament auch das menschliche Miteinander, der gegenseitige Respekt und die Achtung für den Andersdenkenden einen gebührenden Platz einnehmen." Diese Worte in uns nachklingen zu lassen, ist sicherlich nicht verkehrt. Damit wollen wir des ehemaligen Landtagspräsidenten Dr. Wilhelm Vorndran gedenken.
Außer Dr. Wilhelm Vorndran sind in den vergangenen Tagen und Wochen auch vier ehemalige Abgeordnete verstorben, derer wir nun gedenken.
Am 3. August verstarb die ehemalige Kollegin Frau Monica Lochner-Fischer im Alter von 60 Jahren. Sie gehörte dem Landtag von 1991 bis 2008 an. Von 1994 bis 1998 vertrat sie den Stimmkreis MünchenSchwabing, in den anderen Jahren für die SPD den Wahlkreis Oberbayern. Von 1994 bis 2006 war sie Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und in dieser Funktion Mitglied im Landesvorstand. Die Rechte der Frauen waren ihr immer ein besonderes Anliegen.
Die SPD-Landtagsfraktion entsandte sie in den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen, dessen Beratungen die überzeugte Gewerkschafterin mit couragierten Beiträgen bereicherte. Sie war eine echte Kämpferin für die Belange der "kleinen Leute", scheute keine Auseinandersetzung und blieb doch stets fair und konstruktiv. Zur Landtagswahl 2008 stand sie wegen ihrer schweren Erkrankung nicht mehr zur Verfügung. Für ihre Verdienste wurde sie mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber und mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet. Ich habe kurz vor ihrem Tod noch eine persönliche Nachricht von ihr erhalten.
von 1970 bis 1982 Mitglied des Landtags. Von 1970 bis 1974 vertrat er den Stimmkreis München-Stadt, in den anderen Jahren für die SPD den Wahlkreis Oberbayern. Der exzellente, hoch angesehene Jurist wurde von seiner Fraktion in den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen entsandt. Aufgrund seiner Erfahrung in leitenden Positionen im Schulreferat der Stadt München blieb er aber auch in der Bildungspolitik ein stets kompetenter Ansprechpartner, dessen Rat über die Fraktionsgrenzen hinweg gefragt war.
Am 6. September verstarb in München der ehemalige Abgeordnete Joachim Schmolcke im Alter von 78 Jahren. Er gehörte dem Landtag von 1970 bis 1986 an. Von 1970 bis 1974 vertrat er den Stimmkreis München-Stadt, von 1982 bis 1986 den Stimmkreis München-Schwabing und in den anderen Jahren für die SPD den Wahlkreis Oberbayern. Der studierte Rechts-, Literatur- und Geschichtswissenschaftler war Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Seine parlamentarische Laufbahn begann er im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitspolitik. Nach vier Jahren wechselte er in den Ausschuss für kulturpolitische Fragen. Dort profilierte sich der streitbare Studiendirektor als meinungsstarker Vertreter seiner Fraktion in allen bildungspolitischen Fragen. Sein Wort hatte Gewicht - auch bei der Regierungsfraktion.
Ebenfalls am 6. September verstarb der ehemalige Abgeordnete Franz Wilhelm Kick im Alter von 86 Jahren. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1970 bis 1982 an und vertrat für die SPD den Wahlkreis Mittelfranken. Er war Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, des Bayerischen Philologenverbandes und Stadtrat in Schwabach. Im Landtag konnten die Ausschüsse für Ernährung und Landwirtschaft, für Fragen des öffentlichen Dienstes und für Landesentwicklung und Umweltfragen auf seine kompetente Mitarbeit zählen. Franz Wilhelm Kick war seinerzeit ein überaus geschätzter Kollege, dessen Beiträge oft weit über das eigene politische Lager hinaus Zustimmung fanden. Und er war ein verlässlicher Anwalt der Menschen in seiner heimatlichen Region.
Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen der Verstorbenen und wird ihnen ein ehrendes Gedenken bewahren.
Verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie jetzt mit Freude zur ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause herzlich begrüßen. Gehen wir das letzte Quartal in diesem Jahr mutig und zielstrebig an.
Den Herrn Ministerpräsidenten und Mitglieder des Kabinetts dürfen wir heute auch zur ersten Sitzung nach der Sommerpause herzlich begrüßen.
Ich freue mich, dass Sie gesund wieder da sind, auch einige, die erkrankt waren. Aber wir möchten auch stellvertretend Herrn Staatssekretär Sackmann unsere besten Genesungswünsche übermitteln. Alles Gute und viel Kraft. Wir sind bei dir, lieber Markus.
Das Gleiche darf ich auch für Kollegin Gote tun. Es geht aufwärts. Wir freuen uns darüber und wissen, dass sie zwischenzeitlich auch schon wieder gearbeitet hat. Weiterhin gute Genesung!
Frau Kollegin Erika Görlitz hat am 23. Juli einen runden Geburtstag gefeiert. Es war sehr schön. Danke schön. Alles Gute. Herzlichen Glückwunsch und Gesundheit!
Am 1. August hatte Frau Staatsministerin Dr. Beate Merk einen halbrunden Geburtstag. Im Nachhinein auch ihr herzlichen Glückwunsch, Gesundheit, alles Gute, auf eine gute Zusammenarbeit!
Am 13. September hatte Frau Kollegin Dr. Simone Strohmayr ebenfalls einen halbrunden Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Gesundheit, Wohlergehen, gutes Schaffen!
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Zurückstellungen, Lehrermangel, Übertrittsdruck, G 8-Chaos - Zeit für den Wechsel in der bayerischen Schulpolitik"
Ich eröffne die Aussprache und darf für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN als Erstem Herrn Kollegen Gehring das Wort erteilen. - Herr Kollege, Sie haben zehn Minuten Redezeit zur Verfügung. Bitte sehr.
zurück im Landtag! Dieses "Willkommen zurück!", nämlich zurück in der Schulzeit, konnten auch vor Kurzem die Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer sagen. Am 13. September war der erste Schultag. Ich denke, es geht Ihnen so wie mir: Wenn man die ABC-Schützen sieht, wie sie am ersten Schultag in die Schule gehen, wie sie durchaus angespannt sind, sich aber auf die neue Zeit, die da kommt, freuen, wie sie lernbegierig sind und sich auf die Schule freuen und bereit sind, diesen neuen Lebensabschnitt auf sich zu nehmen und ihn optimistisch anzugehen, dann geht einem das Herz auf. Wenn wir dieses Bild vor Augen haben, dann muss einen die Tatsache, dass immer mehr Eltern ihre Kinder von der Einschulung zurückstellen lassen - die Zahlen haben stark zugenommen; der Bayerische Rundfunk hat dies kürzlich noch einmal dargestellt -, doch sehr irritieren. Das geschieht bei rückläufigen Schülerzahlen und obwohl die Politik der Staatsregierung, des Kultusministeriums seit Jahren darauf bedacht ist, eine frühere Einschulung der Kinder zu befördern.
Wie kommt es zu dieser Situation? Das hat damit zu tun, wie Eltern Schule wahrnehmen, welches Bild sie von Schule haben. Dann heißt es eben: Das Kind soll noch ein Jahr Zeit haben, noch ein Jahr Schonung, es soll noch ein Jahr spielen können, ja, es soll noch ein Jahr Kindheit haben. - Dieses Bild von Schule ist eigentlich ein schreckliches Bild: Schule als eine Institution, die Druck erzeugt, die Lernfreude behindert. Deutlich wird, dass dieses Bild von Schule gar nicht dem entspricht, was wir hier auf der bildungspolitischen Ebene, vor allem auf kultusministerieller Seite, immer propagieren.
Es gibt einen zweiten Grund, warum Eltern ihr Kind zurückstellen lassen: Sie wissen, dass sie in der Schule nicht die Betreuungssituation wie in der Kindertagesstätte vorfinden und dass in vielen Fällen Beruf und Familie mit der Schule nicht so gut vereinbar sind wie mit dem Kindergarten. Es ist also ganz unterschiedlich, wie einerseits die Schule auf Landesebene vom Kultusministerium als vermeintlich kindgerechte Schule dargestellt wird und wie andererseits die Eltern die Schule tatsächlich wahrnehmen.
Weitere unterschiedliche Bilder waren beim zweiten Ereignis, bei der alljährlichen Pressekonferenz des Kultusministers zum Schuljahresbeginn zu sehen. Die Botschaft des Minister lautete: Mehr Lehrer, weniger Schüler und kleinere Klassen. Alles war wunderbar. Wer sich aber im August bei den Schulleitern und den Schulämtern umgehört hat, wurde gefragt: Wo sind
denn die neuen zusätzlichen Lehrer? An den Grundund Hauptschulen ist die Versorgung mit Lehrern nicht gelungen. Die Lehrkräfte haben gefehlt. Das hatte damit zu tun, dass das Kultusministerium in diesem Sommer die Zuweisungsraten zunächst reduziert hat. Es hat weniger Lehrer zugewiesen, als es ursprünglich geplant hat. Als man die Probleme festgestellt hat, wurden zusätzliche Stellen geschaffen. Es sind Zwei-Drittel-Stellen, die auf ein Jahr befristet sind. Vor Ort ist es aber nicht gelungen, Lehrerinnen und Lehrer für diese Stellen zu gewinnen, weil sie für das Lehrergehalt nicht für ein Jahr in die bayerische Provinz gehen und sich dort eine zweite Wohnung nehmen oder täglich 150 Kilometer pendeln wollten. Wir haben also vor Ort eine ganz andere Situation als die, die uns vom Ministerium dargestellt wird.
Sie sagen, Sie hätten sich bei der Prognose verrechnet. Dafür können aber die Schülerinnen und Schüler nichts. Außerdem sind die Schülerinnen und Schüler nicht vom Himmel gefallen. Sie waren bereits zuvor im Schulsystem. Jetzt endlich rächt es sich auch, dass Sie einen Teil der demografischen Rendite von den Grund- und Hauptschulen abgezogen und anderen Schularten zugeschlagen haben.
Ein weiteres Sommertheater haben wir heuer beim G 8 erlebt. Das G 8 hat uns alle sehr bewegt, es hat vor allem die Schulfamilie bewegt. Der Minister hat es nicht mehr geschafft, also musste der Ministerpräsident ran und einen Runden Tisch einberufen, damit beim G 8 endlich einmal Ruhe ist. Was kam dabei heraus? Eigentlich nichts Neues, sondern nur das, was der Minister bereits vorher verkündet hat. Es wurde lediglich dreimal der Name gewechselt. Im Mai hieß es noch Intensivierungsjahr, im Juni hieß es Flexibilisierungszeit und im Juli schließlich Flexibilisierungsjahr. Dreimal gab es einen neuen Namen. Wie dieses Flexibilisierungsjahr genau verwirklicht werden soll, ist für die Experten und Praktiker vor Ort ein Rätsel. Allen ist klar, dass die Realisierung dieses Flexibilisierungsjahrs viele Ressourcen kostet, dass aber kein Mensch weiß, woher diese Ressourcen zu nehmen sind.
Als man dachte, beim G 8 sei Ruhe eingekehrt, kam Wissenschaftsminister Heubisch mit seinem Vorschlag, vor Beginn des Studiums ein Semester Generale einzufügen. Sein Argument war: In der Schule erlangen die jungen Leute die Studierfähigkeit noch nicht, also brauchen wir ein zusätzliches Semester. Wir haben zwar die Schulzeit um ein Jahr gekürzt, aber dafür brauchen wir ein zusätzliches Semester, damit die Schülerinnen und Schüler besser auf das Studium vorbereitet sind. Einen besseren Abgesang