Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 11. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, möchte ich noch Frau Kollegin Maria Scharfenberg herzlich zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren.
Liebe Frau Kollegin, ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und auch persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarische Arbeit.
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN "Umweltgesetzbuch vor dem Aus: Blockade zum Schaden der Umwelt beenden"
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.
Erster Redner ist für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Herr Dr. Magerl. Für ihn sind zehn Minuten Redezeit beantragt. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Stunde heute beantragt, um die unsägliche Rolle der Bayerischen Staatsregierung in diesem Trauerspiel um das Umweltgesetzbuch zu thematisieren. Die Staatsregierung blockiert - einmal mehr, so müsste man fast sagen - ein wichtiges Gesetzgebungsverfahren in Berlin und freut sich auch noch über das Scheitern des Umweltgesetzbuches. Zumindest Innenminister Herrmann hat das groß verkündet, wenn ich die ddp-Meldung vom Montag, dem 2. Februar, nehme:
Herrmann begrüßt Scheitern des Umweltgesetzbuches. - Mit Erleichterung hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf das Scheitern des geplanten Umweltgesetzbuches reagiert.
Sie blockiert ein Gesetzesvorhaben, bei dem schon über Jahrzehnte versucht wird, es auf den Weg zu bringen, wozu es auch einstimmige Beschlüsse der Umweltministerkonferenz gibt, wozu es Kabinettsbeschlüsse in Berlin gibt. Man fragt sich, wo Herr Seehofer in den Monaten, bevor er hier Ministerpräsident geworden ist, in Berlin gewesen ist. Dass er dort Orientierungsprobleme hat, das wissen wir seit Neuerem. Wahrscheinlich hat er die bei den Kabinettssitzungen auch immer wieder gehabt.
Hier wird ganz offensichtlich mit völlig falschen Argumenten vonseiten der CSU gearbeitet. Für die Blockadepolitik der Staatsregierung, allen voran der Ministerpräsident gefolgt von seinem Umweltminister Markus Söder, hat in unserem Land niemand mehr Verständnis. Ich frage mich, wo Herr Seehofer bei diesem wichtigen Tagesordnungspunkt ist.
Denn es wäre schon einmal interessant, zu erfahren, ob er oder der Umweltminister uns hier den Briefwechsel zwischen Staatskanzlei oder Ministerium und dem Bundesumweltminister Gabriel vorlegen könnte, was dort noch an Kompromissen angeboten worden ist, was dann doch wieder in letzter Minute abgelehnt wurde. Das würde uns hier schon einmal interessieren.
Wie gesagt: Es hat niemand mehr Verständnis. Es hat auch niemand mehr in ihren eigenen Reihen Verständnis für dieses Verhalten der Staatsregierung. Ich zitiere aus einem Zeitungsinterview mit der baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner, die der CDU angehört. Sie antwortet auf eine Frage, warum das für Bayern so ein Problem sei, Folgendes - ich zitiere:
Mich erstaunt die Aussage des bayerischen Kollegen. Die Bayern haben ihre Zahlen in dem Verfahren nicht belegt.
Diese Aussage ist aus meiner Sicht deshalb nicht haltbar. Uns liegen derartige Zahlen nicht vor, die sich aus dem Umweltgesetzbuch ergeben könnten - weder für die Anzahl der Genehmigungsverfahren noch für die Anzahl Pflichtgewässer. Nach unseren Planspielen entsteht kein bürokratischer Mehraufwand. Es kann sein, dass hierbei in Bayern unterschiedliche Gesetzgebungsverfahren auf
Was haben Sie denn da durcheinandergebracht, Herr Söder? - Noch deutlicher formuliert es in einer dpaMeldung der CSU-Umweltexperte Josef Göppel, der die Bedenken seiner eigenen Partei gegen das Umweltgesetzbuch scharf kritisiert. Er teile diese Bedenken ausdrücklich nicht, sagte der Bundestagsabgeordnete der "Frankfurter Rundschau".
Es wird sich bald zeigen, welchen Bärendienst die Gegner des UGB der deutschen Wirtschaft erwiesen haben. Diejenigen, die jetzt aus wahltaktischen Gründen das Gesetzesvorhaben ausgebremst haben, haben eigentlich der Kanzlerin geschadet.
Einige wollten mit Änderungsvorschlägen beim UGB nebenbei den Umweltschutz zurückschrauben. Das wäre ein schwerer strategischer Fehler.
Sehr viel deutlicher kann ich es hier als Oppositionsabgeordneter nicht formulieren, wie es Ihr eigener Mann Josef Göppel Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat. Es geht Ihnen nur um Wahlkampf. Ihre Kampagne gegen das Umweltgesetzbuch ist getrieben von der Angst vor "45 minus x" bei der Europawahl und bei der Bundestagswahl. Das ist der wahre Hintergrund. Es geht Ihnen nicht um Sachpolitik zum Wohle unseres Landes, sondern einzig und allein um billige Polemik und Wahltaktik.
Der Standort Deutschland braucht aber ein einheitliches Umweltgesetzbuch dringend. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag. Dort haben Sie gemeinsam vereinbart, dass Sie ein Umweltgesetzbuch in dieser Legislaturperiode verabschieden wollen und das historisch gewachsene, aber zwischen den Fachgebieten sowie zwischen Bund und Ländern stark zersplitterte Umweltrecht vereinfachen und zusammenfassen wollen, und zwar analog dem Sozialgesetzbuch, wo wir das schon haben und kennen. Dieses Ziel, das Sie gemeinsam formuliert haben, wollen Sie offensichtlich jetzt scheitern lassen. Sie wollen dieses zersplitterte Recht offensichtlich bis in alle Ewigkeit weiterführen.
Der Vorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland, einer sehr großen Organisation, wo wirklich sehr viel Sach- und Fachverstand zusammengefasst ist, hat Ihnen klar und deutlich gesagt, wozu das führt. Ich zitiere Herrn Tschimpke:
vier Bundesländer. Wenn Sie dort eine Pipeline bauen wollen, dann müssen Sie nach vier unterschiedlichen Landesrechten vier unterschiedliche Genehmigungsverfahren durchführen.
Derartige Dinge sollen beseitigt werden. Das möchte auch die deutsche Wirtschaft. Wir müssen schauen, dass wir wirklich vorankommen und nicht, wie Sie das tun, den Standort Deutschland gefährden.
Es gibt genügend Aussagen dazu, dass das neue Umweltgesetzbuch zum Bürokratieabbau führen würde, zu Kosteneinsparungen und letztendlich zu einer besseren Praxis bei den Genehmigungsverfahren in Deutschland.
Wir sollten alles daransetzen, um mit dem Umweltgesetzbuch Verwaltungsvereinfachung, Bürokratieabbau und einheitliche Bewertungsverfahren durchzusetzen.
An anderer Stelle im Jahr 2006 hat Frau Merkel, die als erste an dem Umweltgesetzbuch gearbeitet hat, erklärt:
Trotzdem glaube ich, dass insbesondere der Umweltbereich auf der Bundesebene zu den Gewinnern der Föderalismusreform gehört. Die Frage, ob wir ein Umweltgesetzbuch brauchen, muss eindeutig mit Ja beantwortet werden.
Ihr Innenminister Herrmann freut sich über das Scheitern. Was ist denn das noch für eine Aktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU, wenn Frau Merkel sagt, wir brauchen dieses Gesetzbuch, und der bayerische Innenminister sich über das Scheitern des Gesetzgebungsverfahrens in Berlin freut. Herr Röttgen hat 2006 erklärt:
Wir werden in der Umweltpolitik etwas realisieren, was seit vielen Jahren gefordert wird. Es wird ein einheitliches Umweltgesetzbuch geben. Erstmals wird die Möglichkeit bestehen, einheitliche Standards in diesem Bereich zu schaffen.
Auch Johannes Ludewig, der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrats, eines Fachgremiums auf Bundesebene, hat noch am 15. Januar 2009 erklärt:
Vielmehr sind durch Systematisierung und Vereinheitlichung von Verfahrensvorschriften eine deutliche bürokratische Entlastung und damit ein Impuls für Wachstum und Beschäftigung zu erwarten. Dem Rat ist daran gelegen, diesen Punkt zu unterstreichen.
Und ein anderer, auch völlig Unverdächtiger, Herr Villis, der EnBW-Vorstandsvorsitzende, hat bei der Grundsteinlegung für ein Steinkohlekraftwerk erklärt, ich zitiere:
Gleichwohl würden wir uns freuen, wenn im Rahmen des neuen Umweltgesetzbuches auch die Integrierte Vorhabensgenehmigung umgesetzt werden könnte. Dies wäre bei Neubauprojekten sehr hilfreich.
Und als letztes Zitat noch, Prof. Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland am 11.01.2009:
Kommt das Umweltgesetzbuch nicht, dann wäre eine große Chance zum bessseren Schutz der Lebensgrundlagen und für die zukunftsfähige Entwicklung der Wirtschaft vertan. Um Ökologie und Ökonomie miteinander in Einklang zu bringen, sind klare, einheitliche Umweltstandards erforderlich. Das Fehlen eines bundesweit gültigen Umweltgesetzbuches wirkt sich nachteilig auf den Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt aus.