Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 110. Vollsitzung des Bayerischen Landtags.
Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der FDP-Fraktion "Bayerns Spitzenposition ausbauen. Für ein chancen- und leistungsgerechtes Bildungssystem im Freistaat"
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung - ich sehe noch keines - für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder die Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.
Wir kommen nun zu den Rednern. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Will von der FDP-Fraktion. Sie hat fünf Minuten Redezeit. Bitte schön, Frau Kollegin Will.
(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Opposition, ich kann verstehen, dass Sie es kaum erwarten können, hier und heute über das Thema Studienbeiträge zu sprechen. Der Titel unserer Aktuellen Stunde hat ohnehin heute schon ein mediales Echo hervorgerufen.
Ein chancen- und leistungsgerechtes Bildungssystem beginnt für mich aber nicht bei den Hochschulen, sondern im frühkindlichen Bereich und in der Grundschule.
Deshalb möchte ich heute den Blick auf die jüngst veröffentlichte IQB-Vergleichsstudie in der Grundschule richten. Die Studie zeigt auf, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler am Ende der 4. Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik besitzen. Eine wichtige Neuerung bei dieser Studie ist, dass die abgeprüften Kompetenzstufen auf dem Bildungsstandard basieren. Damit war vorab bereits klar, welche Kompetenzniveaus als zufrieden
Die Bildungsstandards gelten für alle Bundesländer unabhängig davon, welche Regierung und welches Schulsystem es dort gibt. Man muss deutlich sagen, dass einige Bundesländer nicht nur im hinteren Teil der Tabelle zu finden sind, sondern auch in viel zu vielen Fällen die Bildungsstandards der 4. Klasse nicht einmal erreichen - Bildungsstandards, die die KMK vereinbart hat, Bildungsstandards, die auch von Rot-Grün regierte Bundesländer vereinbart haben.
Die FDP ist immer für eine bundesweite Vergleichbarkeit eingetreten. Wir halten es für eine außerordentlich gute Entwicklung, dass es gemeinsame Bildungsstandards gibt, übrigens seit letzter Woche endlich auch für das Abitur.
Für Bayern ist hinsichtlich der erreichten Standards in den Grundschulen festzustellen - ich zitiere -: "Ein vergleichsweise hohes Niveau erreichen in allen erfassten Kompetenzbereichen die Schülerinnen und Schüler in Bayern."
Die Studie weist auch auf einen wichtigen Aspekt hin, nämlich dass es diejenigen Schülerinnen und Schüler, die in der 4. Klasse den Mindeststandard verfehlen, besonders schwer haben, in der Sekundarstufe I Anschluss zu finden. Anders gesagt: Es zeichnet sich schon in der 4. Klasse die besondere Gefahr ab, dass diese Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen.
Man muss auch immer diese Verbindung zwischen Grundschule und Schulabschluss in den Blick nehmen. In der Grundschule werden entscheidende Grundlagen gelegt, die die Kinder auf ihrem Bildungsweg brauchen. Das geht über Rechnen, Schreiben und Lesen bis hin zu sozialen Kompetenzen.
Meine Damen und Herren, es ist kein Zufall, dass in Bayern nur noch 5,2 % junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen. Eine Basis für diesen Erfolg sind unsere guten und qualitätsvollen Grundschulen. Die Klassenstärke in der Grundschule wurde in den vergangenen fünf Jahren von 23,2 Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 2007/08 auf nun 21,5 im laufenden Schuljahr gesenkt. Entsprechend verbesserte sich das Betreuungsverhältnis zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern in der Grundschule.
Mit der Kostenfreiheit des letzten Kindergartenjahres als des schulvorbereitenden Jahres wird es nun besser gelingen, mögliche Defizite bei Kindern auszugleichen. Zudem setzt Bayern als eines der ersten Bundesländer die neuen Leitlinien auf einen
ganzheitlichen Ansatz von der Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit; denn unsere Kinder profitieren umso mehr von der Bildung und Erziehung in Kita und Grundschule, je besser die Bildungsinhalte aufeinander abgestimmt sind.
Die FDP tritt in dieser Regierung besonders für Chancengerechtigkeit am Start ein. Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, lohnt es sich zu kämpfen und in die frühe Förderung zu investieren; denn das Geld, das dort hineinfließt, bringt eine mehrfache Rendite. Dafür werden wir weiter kämpfen - für flexible Grundschulen, für kostenfreie Kindergärten, für frühe Förderung.
Danke schön, Frau Kollegin Will. Als Nächster hat Kollege Eduard Nöth von der Christlich-Sozialen Union das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! "Bayerns Spitzenposition ausbauen. Für ein chancen- und leistungsgerechtes Bildungssystem im Freistaat" - das, meine Damen und Herren, ist die Marschrichtung der CSU seit Jahren, und wir werden natürlich auch daran festhalten. Das Bildungsland Bayern setzt auf Qualität und Gerechtigkeit und eröffnet somit unseren jungen Menschen Chancen wie nie zuvor. Das ist der bayerische Weg, und ich glaube, dieser Weg hat sich bisher hervorragend ausgezahlt.
Bayerische Schülerinnen und Schüler erreichen seit Jahren in allen nationalen und internationalen Leistungsstudien Spitzenplätze und Spitzenergebnisse. Ich darf nur auf die letzten Ergebnisse eingehen: Platz 1 im Bildungsmonitor 2012 bei Schulqualität, Input-Effizienz und beruflicher Bildung, Platz 1 im Deutschen Lernatlas der Bertelsmann Stiftung 2011, Platz 1 bei der Schulqualität im Bildungsmonitor 2011, Platz 1 bei den sprachlichen Kompetenzen in Deutsch und Englisch beim IQB-Ländervergleich 2009 und schließlich die von Kollegin Will angesprochene hervorragende Platzierung im IQB-Ländervergleich 2011, der jüngst veröffentlicht wurde. Hier nahmen Bayerns Grundschüler der 4. Jahrgangsstufe im Fach Deutsch, speziell beim Lesen und Zuhören, sowie in der Mathematik jeweils den 1. Platz ein. Diese Ergebnisse, meine Damen und Herren, sind erfreulicherweise nicht nur auf die Höchstleistungen in der Spitzengruppe, sondern vor allem darauf zurückzuführen, dass in Bayern nur verhältnismäßig wenige Schüler in der sogenannten Risikogruppe - das heißt, in der untersten Kompetenzstufe - zu finden sind.
In Bayern, meine Kolleginnen und Kollegen, gelingt es besonders gut, wie gesagt worden ist, die Bildungsstandards umzusetzen und alle Schüler entsprechend ihren Begabungen zu fördern. Bei Kindern aus bildungsfernen Schichten gelingt diese Förderung in Bayern besonders gut. Darauf können und müssen wir stolz sein.
Ich darf hierzu ein Zitat des KMK-Vorsitzenden, des Hamburger Bildungssenators Ties Rabe, aus der "Süddeutschen Zeitung" vom 09.10.2012 anführen mit Genehmigung des Präsidenten -:
Gerade bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund müssen wir besser werden. Dass das geht, zeigt Bayerns Bilanz. Bayern liegt nämlich nicht nur ungewöhnlich weit vorne bei den Schülern ohne Zuwanderungshintergrund, sondern auch bei denen aus Zuwandererfamilien. Das muss man anerkennen.
Dem brauche ich nichts hinzuzufügen. Ich möchte mich für unsere Fraktion deshalb bei allen Lehrkräften, bei unseren Schülerinnen und Schülern und bei den Elternvertretern sehr herzlich für diese großartige Leistung bedanken. Ich danke allen Schulleiterinnen und Schulleitern, die aufgrund der von uns gesetzten Rahmenbedingungen mit ihrer Schulfamilie gemeinsam diese Spitzenposition erarbeitet haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ursache für unseren Erfolg, für die Spitzenstellung Bayerns im Bildungswesen liegt vor allem in der Kontinuität, in der Systemkonstanz und damit in der Verlässlichkeit des bayerischen Bildungssystems. Das differenzierte bayerische Bildungssystem mit seinem Dreiklang Qualität, Differenzierung und Durchlässigkeit ist das leistungsstärkste Schulsystem in ganz Deutschland, und ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, dies auch einmal so zur Kenntnis zu nehmen.
In Bayern sind Kinder keine Versuchskaninchen, die sich aufgrund von politischen Wechseln ständig auf neue Systeme einzustellen haben. Aufgrund der langjährigen politischen Stabilität können sich Eltern und Schüler in Bayern auf die Bildungsangebote verlassen.
Meine Damen und Herren, vielleicht ein weiteres Wort, warum die Spitzenstellung Bayerns so deutlich ist: Wir haben in Bayern ein unverkrampftes Verhältnis zum Thema Qualität und Leistung.
Wir bejahen schon immer ein leistungsorientiertes Schulsystem, das natürlich in jeder Phase von individueller Förderung begleitet werden muss. Nur so halten wir die Spitzenposition und schaffen Zukunftschancen für unsere Kinder.
Ein weiterer Baustein für unsere erfolgreiche Spitzenposition ist, wie ich meine, die Lehrerbildung im Freistaat. Auch hier sind wir den angebotenen Experimenten nicht auf den Leim gegangen. Wir halten auch weiterhin an einer hochwertigen, schulartbezogenen Lehrerbildung mit optimaler fachwissenschaftlicher und pädagogischer Ausbildung fest. Zudem sind für uns Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte notwendige Bausteine für den Erfolg. Unser Motto lautet demnach auch für die Zukunft: Bewährtes behalten wir bei, und wir entwickeln es dort weiter, wo es erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Das Bildungs- und Chancenland Bayern setzt auf Qualität und Gerechtigkeit. Das ist der bayerische Weg. Ein wichtiger Bestandteil dessen ist die hohe Durchlässigkeit unseres Systems. Sie wissen - dies muss nicht besonders betont werden -, dass im Mittelpunkt allen politischen Bemühens der einzelne Mensch steht, in der Bildungspolitik natürlich in erster Linie das Kind, der Jugendliche, der Schüler. Unser differenziertes Bildungssystem unterbreitet für unterschiedliche Begabungen passgenaue schulische Angebote. Wir halten deshalb - dies bitte ich Sie, ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen, und wir haben es auch immer wieder betont - am differenzierten Schulwesen fest und werden es auch in Zukunft weiterentwickeln.
Das differenzierte Schulwesen gewährleistet ein hohes Maß an Durchlässigkeit. Jeder Schülerin und jedem Schüler mit entsprechenden Leistungen wird in diesem System eine Chance garantiert, unmittelbar am Wohnort oder zumindest in der Heimatregion jeden Bildungsabschluss erreichen zu können.
Ich darf vielleicht einige wenige Beispiele nennen, wie diese Durchlässigkeit in der Vergangenheit verbessert und organisiert worden ist. Ich erinnere an den Weg zum mittleren Schulabschluss für Mittelschüler über M-Züge oder über ein 9+2-Angebot beziehungsweise im Rahmen einer Kooperation zwischen Mittel- und Realschule. Ich erinnere an den Weg zur Hochschulreife für Mittel- und Wirtschaftsschüler über sogenannte Vorklassen an der beruflichen Oberschule. Ich
erinnere an den Weg zur allgemeinen Hochschulreife für Mittel-, Real-, und Wirtschaftsschüler über die berufliche Oberschule oder über Einführungsklassen an unseren allgemeinen Gymnasien.
Wir haben den Modellversuch "Berufsschule plus" installiert, der zwischenzeitlich an 19 Standorten arbeitet. Er ermöglicht neben der beruflichen Ausbildung auch den Erwerb der Fachhochschulreife. Diese wenigen Beispiele zeigen, wie die bayerische Bildungspolitik unseren Jugendlichen und Schülern Chancen in der Zukunft eröffnet.
Neben dem starken bayerischen Gymnasium hat sich die sogenannte zweite Säule auf dem Weg zum Abitur, nämlich die berufliche Oberschule, fest etabliert. Ich kann nur immer wiederholen, dass 43 % aller Hochschulzugangsberechtigungen in Bayern außerhalb des Gymnasiums vor allem über die berufliche Bildung erworben werden, und ich glaube, darauf dürfen wir alle gemeinsam stolz sein.
Ich komme zum Abschluss. Wir werden selbstverständlich durch weitere Maßnahmen dafür sorgen, dass die bayerische Spitzenposition erhalten bleibt. Wir werden weiterhin in die Bildung investieren. Sie wissen, dass mehr als ein Drittel des Haushaltsvolumens in die Bildung fließt - vom Kindergarten bis zur Hochschule. Wir haben seit 2008 rund 6.900 neue Lehrerstellen für neue Aufgaben geschaffen. Damit steigt die Zahl der Lehrkräfte bei weiter sinkenden Schülerzahlen. Sie wissen auch, dass im Doppelhaushalt 2013 vorgesehen ist, mehr als 1.300 zusätzliche Stellen zur Verbesserung der Lehrerversorgung vorzusehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in Bayern bildungspolitisch auf einem erfolgreichen Weg. Vieles kann sicher noch optimiert werden, das räume ich durchaus ein; aber ich glaube, mit unserer Bilanz in der Bildungspolitik können wir uns insgesamt sehen lassen.