Protocol of the Session on June 4, 2013

Login to download PDF

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 127. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich bitte Sie, sich zu erheben. –

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 14. Mai 2013 verstarb im Alter von 92 Jahren der ehemalige Kollege Wilhelm Röhrl. Zwei Jahrzehnte lang, von 1958 bis 1978, gehörte er dem Bayerischen Landtag an und vertrat für die CSU den Stimmkreis Berchtesgaden/Reichenhall/Laufen in Oberbayern. Während seiner Zugehörigkeit zum Bayerischen Landtag war Wilhelm Röhrl in verschiedenen Ausschüssen und Gremien tätig, zuletzt als Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr und als Mitglied im Ausschuss für Geschäftsordnung und Wahlprüfung. Darüber hinaus war er stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrates der Bayerischen Landesstiftung.

Nach leidvollen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg engagierte er sich in der katholischen Jugendbewegung. Seine christliche Überzeugung prägte auch sein politisches Handeln, mit dem er zur Gestaltung unseres Freistaates beigetragen hat. Wilhelm Röhrl wurde 1969 mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Wir wollen an dieser Stelle auch des Soldaten gedenken, der am 25. Mai bei einer Vorbereitungsübung für den Einsatz in Afghanistan tödlich verunglückt ist. Er gehörte dem Panzergrenadierbataillon 112 aus dem bayerischen Regen an. Von dort werden viele Soldaten nach Afghanistan entsandt, um dem Land auf seinem Weg zu Frieden und Demokratie Hilfe zu leisten. Wir alle sind ihnen zu großem Dank verpflichtet.

In Gedanken sind wir bei den Familien und Freunden des Verstorbenen. Der Bayerische Landtag trauert mit ihnen und wird dem verstorbenen Soldaten ein ehrendes Gedenken bewahren.

Sie haben sich zu Ehren der Toten erhoben. Ich danke Ihnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die schweren Regenfälle in den vergangenen Tagen haben in einigen

Teilen Deutschlands, vor allem auch in Bayern, zu einer dramatischen Hochwasserlage geführt. Die Pegel von Flüssen und Seen haben noch nie dagewesene Höchststände erreicht. Viele Menschen in den betroffenen Regionen mussten ihr Zuhause und damit auch ihr Hab und Gut verlassen und in Notunterkünften Zuflucht suchen.

Im Namen des Hohen Hauses danke ich den unzähligen Helferinnen und Helfern, die Tag und Nacht im Einsatz waren und sind, um das Schlimmste zu verhindern und Schaden von Mensch und Eigentum abzuwehren. Wir sind in diesen Tagen in Gedanken bei ihnen und den Betroffenen und werden alles dafür tun, dass schnell und unbürokratisch geholfen wird.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, spreche ich einige Geburtstagsglückwünsche aus.

Am 22. Mai feierten Herr Kollege Walter Taubeneder und Herr Kollege Harald Güller runde Geburtstage. Jeweils einen halbrunden Geburtstag feierten am 25. Mai Herr Kollege Joachim Hanisch, am 27. Mai Frau Kollegin Tanja Schweiger und am 31. Mai Herr Kollege Ludwig Wörner.

Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute sowie weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarische Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt darf ich Ehrengäste auf der Besuchertribüne begrüßen. Herzlich willkommen heiße ich eine Delegation aus dem Nordirak unter Leitung der Parlamentsabgeordneten Kheder und Mustafa. Die Delegation ist heute bei uns auf Einladung von Kolleginnen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier im Parlament zu Gast. Ich wünsche Ihnen gute Gespräche und einen angenehmen Aufenthalt bei uns im Bayerischen Landtag sowie eine sichere Rückkehr in Ihre Heimat.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der FDP-Fraktion "Hochwasser in Bayern - Lage, Auswirkungen, Maßnahmen"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner bekanntlich grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das

Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner in dieser Fraktion zu sprechen.

Als erstem Redner erteile ich dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen der Bayerischen Staatsregierung eine Erklärung abgeben.

Das Hochwasser in Bayern hat unser Land und Tausende von Bürgerinnen und Bürgern schwer getroffen. Aufgrund der Flut ist Bayern mitten in einem Katastrophenzustand. Unser Mitgefühl gilt zuallererst den Menschen, die verletzt wurden oder deren Hab und Gut Schaden genommen hat. Wir denken an die Familien, deren Keller voller Wasser ist oder die aus ihren Häusern evakuiert werden mussten. Viele Geschäftsleute kämpfen um ihre Existenz. Wir denken an die Landwirte, die ihre Ernte verloren haben oder um ihre Ernte fürchten müssen.

Der Bundespräsident hat sich gestern durch mich über die Lage unterrichten lassen. Er hat seine Anteilnahme ausgedrückt und mich ausdrücklich gebeten, dass ich seine Anteilnahme auch hier heute dem Parlament und der bayerischen Bevölkerung mitteilen soll. Alleine die Tatsache, dass sich der Bundespräsident über die Lage in Bayern informieren lässt und sein Mitgefühl ausdrückt, zeigt, dass wir zurzeit in einem Ausnahmezustand sind. Ich möchte dem Bundespräsidenten sehr herzlich für diese Anteilnahme danken.

(Allgemeiner Beifall)

Wir alle, meine Damen und Herren, stehen unter dem Eindruck der Naturgewalt, aber auch der großen Solidarität und Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land. Feuerwehr, Wasserwacht, Rotes Kreuz, Malteser Hilfsdienst, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, Polizei, Bundeswehrsoldaten, Technisches Hilfswerk und viele Privatleute sind im Dauereinsatz, pumpen Keller leer, stapeln Sandsäcke und beseitigen Erdrutsche. Sie arbeiten rund um die Uhr, bei strömendem Regen und oft bis zur totalen Erschöpfung. Viele von ihnen riskieren in den Booten oder auf den aufgeweichten Dämmen Leib und Leben.

Meine Damen und Herren, was mich gestern wie heute besonders beeindruckt hat, ist die Besonnenheit und Professionalität, die unsere Einsatzkräfte vor Ort zeigen.

(Allgemeiner Beifall)

Mein Dank gilt auch dem großen Engagement der Mitarbeiter in den staatlichen und kommunalen Behörden. Die Wasserwirtschaftsämter und die Fluss- und Seemeisterstellen und sehr viele Kommunalpolitiker vor Ort leisten ebenfalls Großartiges. Auch das möchte ich sagen. Auch ihnen gilt unser Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Ich habe gemeinsam mit meinem Stellvertreter Martin Zeil gestern und heute die Brennpunkte besucht. Mich haben dabei auch die zuständigen Minister begleitet: Innenminister Joachim Herrmann und Umweltminister Marcel Huber, aber auch andere Minister aus dem Kabinett. Ich bin außerordentlich dankbar, dass bei allen Terminen Abgeordnete dieses Hohen Hauses aus allen Fraktionen anwesend waren und dass wir heute mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel in Passau sein konnten.

Meine Damen und Herren, es ist heute leider notwendig geworden, auch Selbstverständlichkeiten zu begründen. Ich halte diese Besuche, welcher Politiker auch immer, für die Pflicht eines Politikers im Rahmen seiner Verantwortung.

(Beifall bei der CSU, der FDP und den FREIEN WÄHLERN sowie bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Wir haben den Zeitpunkt – das gilt für die Bundeskanzlerin sowie für die Besuche der Bayerischen Staatsregierung – immer mit der Einsatzleitung abgestimmt. Wir waren uns immer darüber einig, dass wir die Einsatzbereitschaft, die Einsatztätigkeit vor Ort nicht stören dürfen, und sind immer erst dann angereist, wenn uns die Einsatzleitungen gesagt haben: Jawohl, jetzt haben wir Zeit, Sie zu informieren und zu den Brennpunkten zu führen. – Das zum Zeitpunkt.

Gestern und heute sind wir auch vielen Menschen begegnet. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Bevölkerung ist dankbar für diese Besuche. Sie begreift die Besuche als Geste der Solidarität. Ich muss auch sagen, dass die Bevölkerung viele Sorgen und viele Fragen hat. Ich hoffe, dass wir manche Fragen beantworten konnten. So wie die Bevölkerung vor Ort viel Kraft, Tapferkeit und Einsatzbereitschaft zeigt, ist auch die Bevölkerung ganz Bayerns solidarisch mit den Betroffenen dieser Flutkatastrophe.

(Beifall bei der CSU, der FDP und den FREIEN WÄHLERN sowie bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Ich danke der Bundeskanzlerin für ihren Akt der Hilfe und Solidarität. Das gilt für die Zurverfügungstellung von Angehörigen der Bundeswehr und des THW, die

jetzt in großer Zahl da sind. Heute hat die Kanzlerin auch entschieden, dass sie so lange dableiben sollen, wie sie benötigt werden. Wenn das Wasser zurückgetreten ist, wird hier noch viel zu leisten sein. Wir konnten das heute in Passau sehen. Ich danke der Bundeskanzlerin auch für die zugesagte Hilfe des Bundes bei der Beseitigung der Folgen des Hochwassers.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir wollen in Bayern zusammen mit dem Bund diese staatliche Hilfe. Das ist auch unsere Pflicht und Verantwortung. Wir wollen sie schnell, wir wollen sie unbürokratisch und kraftvoll. Ich habe deshalb heute nach meinem Besuch in Passau noch mit dem Oberbürgermeister und dem Landrat gesprochen. Das sind die Praktiker. Für manche von uns ist es eine Denksportaufgabe, zu entscheiden, was schnell und unbürokratisch ist. Ich hoffe, wir werden diese Aufgabe im Rahmen der Erwartungen erfüllen können. Wir müssen das morgen im Kabinett beschließen und bitten dann auch um Zustimmung des Bayerischen Landtags.

Wir als Freistaat Bayern stellen uns als Start 150 Millionen Euro mit einem atmenden Deckel vor. Das heißt, sollten wir es in der Realität mit außergewöhnlichen Situationen zu tun haben, die sogar die Jahrhunderthochwasser aus den Jahren 1999, 2002 und 2005 übersteigen, brauchen wir auch außerordentliche Antworten. Wir haben uns in der Koalition als Vorschlag auf diese Größenordnung verständigt. Ich sage ausdrücklich, das ist ein atmender Deckel. Wenn sich Notwendigkeiten ergeben sollten, müssen wir auch mit dem Parlament in Kontakt treten, damit dieser atmende Deckel geöffnet wird.

Ähnlich verhält es sich mit dem Bund. Ich habe heute mit der Kanzlerin gesprochen. Nachdem jetzt viele Agenturmeldungen laufen, möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen, dass sich der Bund zur Stunde auf 100 Millionen Euro Hilfe festgelegt hat. Das ist ungefähr die Summe wie für die Hilfe beim letzten Mal. Wir haben die Hilfe vom letzten Mal um 50 Millionen Euro erhöht, weil ja eine gewisse Zeit vergangen ist. Die Kanzlerin hat mir aber ausdrücklich gesagt, wenn wir mehr Kofinanzierung und Hilfe bräuchten, könnten wir mit der Bundesregierung darüber reden. Ansonsten gilt das gleiche Prinzip wie bei den vergangenen Hilfsaktionen, nämlich 1 : 1. Das heißt, ein Euro aus Bayern löst einen Euro Hilfe vom Bund aus. Immer dann, wenn wir die Summe erreichen, die für Bayern vorgesehen ist, müssen wir mit dem Bund reden. Ich bin sehr zuversichtlich, dabei erfolgreich verhandeln zu können.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir werden uns auf die Standardförderung der Vergangenheit beziehen, angefangen von der Landwirtschaft über die Privatleute bis hin zu den Betrieben. Diese Förderung war in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Ich habe nach dem Gespräch mit dem Oberbürgermeister und dem Landrat in Passau den Auftrag gegeben, so etwas wie einen Feuerwehrfonds einzurichten. Ein solcher Fonds muss natürlich auf sauberen Kriterien basieren, damit wir den Menschen, die durch diese Flut erhebliche Schäden erlitten haben, schnell und unbürokratisch helfen können, indem wir Barbeträge gewähren, damit sich diese Menschen das Notwendigste schnell wieder anschaffen können. Wir werden dazu morgen im Kabinett einen entsprechenden Vorschlag beschließen. Ich denke, wir werden hierbei Erfolg haben. Schnelle Hilfe ist die wirksamste Hilfe, und eine solche schnelle Hilfe wollen wir den Menschen gewähren.

Meine Damen und Herren, in diesen Tagen zeigt sich – auch das möchte ich ansprechen -, dass in Bayern seit dem Pfingsthochwasser im Jahre 1999 massiv in den Hochwasserschutz investiert wurde. Von den damals anvisierten 2,3 Milliarden Euro sind bereits 1,6 Milliarden verbaut worden.

Ausdrücklich möchte ich hinzufügen, dass wir nach den Erfahrungen dieser Tage an manchen Stellen nachsteuern müssen. Das betrifft zum einen den Zeitraum. Der ursprünglich ins Auge gefasste Zeitraum 2022/2023 zur Erledigung aller Aufgaben muss noch ehrgeiziger gestaltet werden. Auch als Parlament sollten wir noch ein Stück mehr Geld zur Verfügung stellen, um notwendige Hochwasserschutzmaßnahmen zu finanzieren. Das gilt einerseits für technische Hochwasserschutzmaßnahmen wie den Bau von Dämmen. Man kann sich in Bayern gut ansehen, dass dort, wo modernste Dämme gebaut wurden, die Situation etwas besser beherrschbar ist als an anderen Orten. Wir brauchen andererseits auch dringend naturnahe Schutzmaßnahmen wie Flutmulden und Auen. Da müssen wir zusätzlich zu unserer Bereitschaft, den Zeitkorridor zu straffen und mehr Geld aufzuwenden, an die Bevölkerung appellieren, insbesondere an betroffene Grundstücksbesitzer, das Gemeinwohl über das Eigeninteresse zu stellen.

(Beifall bei der CSU, der FDP und den GRÜNEN)

Das Gemeinwohl muss also über dem Eigeninteresse stehen, und da müssen wir – ich habe da mit den benachbarten Bundesländern wie Sachsen und Thüringen gesprochen – ein Stück mehr Solidarität zugunsten des Gemeinwohls einfordern. Gleichzeitig müssen wir auch mehr Geld zur Verfügung stellen und, wie gesagt, den Zeitraum straffen. Auch das will ich noch einmal ausdrücklich betonen.