Protocol of the Session on April 1, 2009

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal guten Morgen an die erlauchte Schar derjenigen, die anwesend sind. Ich eröffne die 17. Vollsitzung des Bayerischen Landtages.

Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Haushaltsplan 2009/2010; Einzelplan 04 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

hierzu:

Änderungsanträge der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Drsn. 16/712 mit 16/715)

und

Änderungsanträge von Abgeordneten der SPD-Fraktion (Drsn. 16/766 mit 16/778)

und

Änderungsantrag der Fraktion Freie Wähler (Drs. 16/819)

und

Änderungsanträge von Abgeordneten der CSU und der FDP-Fraktion (Drsn. 16/840 und 16/890)

Im Ältestenrat wurde für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 90 Minuten vereinbart. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 22 Minuten, auf die SPD-Fraktion 14 Minuten, auf die Fraktion der Freien Wähler und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN jeweils 11 Minuten und auf die FDP-Fraktion 10 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. Sie kann deshalb bis zu 22 Minuten sprechen, ohne dass sich dadurch die Redezeit der Fraktionen verlängert.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Staatsministerin Dr. Merk das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, guten Morgen!

Gibt es eine Geldanlage, die redlich ist, die eine hohe Rendite einbringt und die dennoch keinerlei Risiken birgt? Als Verbraucherschutzministerin werde ich nicht müde, unsere Bürgerinnen und Bürger immer wieder vor solcherlei Versprechungen zu warnen. Doch heute stehe ich nicht nur als Verbraucherschutzministerin, sondern auch als Justizministerin vor Ihnen, und ich kann Ihnen in dieser Funktion besten Gewissens eine Geldanlage präsentieren, die alle Vorzüge in sich vereint, die nicht nur eine hohe Rendite verspricht, sondern darüber hinaus auch ein großes Maß an Sicherheit garantiert - und das bei einem vergleichsweise geringen Kapitaleinsatz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, traditionell umfasst der Justizhaushalt weniger als 5 % der bayerischen Staatsausgaben, gleichzeitig aber liegt die Einnahmendeckungsquote bei weit über 40 %.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die dritte Gewalt im Staat ist demnach nicht teuer, ihre Wertschöpfung aber enorm hoch. Die Justiz ist der Garant für die innere Sicherheit. Durch die konsequente Ahndung von Straftaten, durch den Bau und den Betrieb sicherer Gefängnisse, durch ein breites Resozialisierungsangebot sorgen wir, natürlich gemeinsam mit der Polizei, sehr geehrter Herr Innenminister, für einen bestmöglichen Schutz der Bürgerinnen und Bürger.

Daneben ist die Justiz ein wichtiger Standortfaktor für die bayerische Wirtschaft. Durch faire und schnelle Gerichtsverfahren verhelfen wir den Bürgerinnen und Bürgern zu ihrem Recht, und wir sorgen dafür, dass Unternehmen ihre Forderungen durchsetzen können.

Schließlich tragen wir durch unsere neu gewonnene Kompetenz im Verbraucherschutz dazu bei, verloren gegangenes Vertrauen in die Wirtschaft wieder herzustellen, indem wir die Verbraucher stark machen, beispielsweise durch die Installation eines sogenannten Verbraucherlotsen in den Landkreisen. Was verbirgt sich dahinter? Wie der Begriff "Lotse" schon sagt, soll der Lotse den Verbraucher gleichsam wie ein erfahrener Seemann sicher durch die Untiefen des Rechts navigieren. Er soll ihm konkret und unmittelbar vor Ort Hilfe anbieten, ganz egal ob es darum geht, unübersichtliche Preisgestaltungen zu durchschauen, Probleme mit der Handwerkerrechnung zu lösen oder Finanzund Ernährungsfragen zu klären. Mit dem Verbraucherlotsen steht dem Verbraucher künftig ein zentraler Ansprechpartner für alle Alltagsfragen zur Verfügung.

Dieses Projekt ist nur eines unter vielen, die wir im Verbraucherschutz in den nächsten Jahren auf den Weg bringen werden. Aber exemplarisch zeigt es, wofür Justiz und Verbraucherschutz gemeinsam stehen, näm

lich für eine bürgernahe Verwaltung, für einen Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern dient und nicht umgekehrt und der damit eine ganz zentrale Funktion erfüllt.

Als Justiz- und Verbraucherschutzministerium sorgen wir für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft. Wir schaffen Vertrauen in den Staat und die Wirtschaft, und darin liegt der große Wert unserer Arbeit. Mit vergleichsweise wenigen Mitteln erzielen wir eine Rendite, die auf dem Finanzmarkt ihresgleichen sucht, und diesen Erfolg wollen wir auch in Zukunft weiterführen. Das heißt, wir wollen den Wert, den die Justiz für unsere Gesellschaft besitzt, stabil halten und nach Möglichkeit sogar steigern, wobei wir uns wohl bewusst sind, dass der Grundstock für diese Wertschöpfung von den Bürgerinnen und Bürgern geleistet wird; denn sie sind es, die mit ihren Steuergeldern unsere Arbeit überhaupt erst möglich machen. Deshalb dürfen wir als Staat auch nie vergessen, dass wir zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler verpflichtet sind.

Als Zeichen der Verantwortung in Zeiten der Wirtschaftskrise und vor dem Hintergrund eines ausgeglichenen Staatshaushalts muss der Staat die richtige Balance halten, die Balance zwischen der Bereitstellung der notwendigen Mittel auf der einen Seite und der Beschränkung auf das wirklich Wichtige auf der anderen Seite.

Diese Balance ist dank Ihrer Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CSU und FDP, auch mit diesem Doppelhaushalt wieder gelungen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Da, meine Damen und Herren, wird auch der Unterschied zwischen Regierungsparteien und Opposition offensichtlich. Der Haushalt als ein Gesamtwerk einzelner Aufgabenbereiche erfordert zwingend Sinn für Realität. Forderungen müssen abgewogen sein. Einfach nur ein Mehr an Stellen zu fordern, ist natürlich immer leicht und populär. Wenn es einem nur um öffentlichen Beifall geht, kann man das machen. Seriöse Politik fordert darüber hinaus aber auch, dass man sagt, wo das Geld für die zusätzlichen Stellen überhaupt hergenommen wird.

Wenn ich mir die Änderungsanträge der GRÜNEN anschaue, stelle ich fest, dass allein in einem Antrag 260 zusätzliche Stellen gefordert werden, in einem anderen Antrag noch einmal 100 Stellen im Justizvollzug. Die Konsequenz dazu aber fehlt. Sagen Sie dann bitte den Bürgern draußen auch, dass sie das mit höheren Steuern bezahlen müssen, oder sagen Sie den Bürgern, dass das Geld dann bei der Bildung oder in anderen Bereichen fehlen wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Harald Güller (SPD): Bei der Landesbank scheint es ja auch da zu sein!)

Aber Sie tun nicht nur das nicht. Sie sagen nicht nur nicht, wo Sie das Geld hernehmen, sondern Sie stellen diese Stellenforderungen in allen Einzelplänen und zeigen damit ganz deutlich, dass es Ihnen eben am Realitätssinn für das Große und Ganze fehlt.

Klar, natürlich hätte auch ich gern mehr Stellen gehabt. Es wäre gelogen, wenn ich das nicht sagen würde.

Ich habe auch darum gekämpft. Viele unserer Bediensteten müssen schließlich an der Belastungsgrenze arbeiten.

Doch wo die Justiz, was die Personalausstattung angeht, der Schuh am meisten drückt, reicht uns das Parlament in diesem Doppelhaushalt eine helfende Hand. Der Haushaltsentwurf für 2009 und 2010 enthält für die Justiz wichtige Verbesserungen. Während wir im letzten Haushalt die Richter und Staatsanwälte im Fokus hatten, musste ich heuer bei der Schaffung neuer Stellen einen ganz klaren Schwerpunkt auf den Justizvollzug legen. Dieser wird effektiv um 205 Stellen verstärkt. Wir machen Bayern damit sicherer.

Verteilt man neue Stellen, kommt natürlich immer die Frage: Warum hier und nicht woanders? Im Doppelhaushalt 2009/2010 hatte ich definitiv keine andere Wahl. Lassen Sie mich das anhand von vier Punkten erläutern.

Erstens. Die Justiz schafft bis 2012 642 zusätzliche Haftplätze, die wir dringend brauchen. Eine neue Zelle ohne dazugehöriges Personal macht keinen Sinn. 92 neue Planstellen des nächsten Doppelhaushalts dienen deshalb der personellen Ausstattung der neuen Justizvollzugsanstalt Augsburg, die wir in Gablingen errichten werden.

Zum Zweiten. Unsere gemeinsame Arbeit, das Bayerische Strafvollzugsgesetz, ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Ein von mir in das Gesetz geschriebener Eckpunkt des modernen Strafvollzugs ist der Ausbau der Sozialtherapie. Damit wir diese Forderung wirksam umsetzen können, brauchen wir ebenfalls genügend Personal. Wir haben deshalb für den Ausbau der Sozialtherapie im Doppelhaushalt 80 neue Stellen vorgesehen. Die derzeit vorhandenen 217 Therapieplätze werden im Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug um insgesamt 192 Therapieplätze erweitert. Schon Ende 2009 sollen 66 Behandlungsplätze in Betrieb gehen, unter anderem in Ebrach, Aichach, Kaisheim und München.

Warum setze ich so vehement auf Sozialtherapie? Weil der resozialisierte Straftäter ein Beitrag zur Sicherheit in unserem Land ist und weil empirische Untersuchungen belegen, dass durch die Sozialtherapie - und damit meine ich eine besonders intensive, eine besonders fordernde und systematische Form der Behandlung von Straftätern - die Rückfallrate um ein Drittel oder mehr gesenkt werden kann. Kurz gesagt: Sozialtherapie heißt Resozialisierung und Resozialisierung heißt: "Mehr Sicherheit für die Bevölkerung".

Meine Damen und Herren, das alles kostet Geld. Die geschätzten Bau- und Ausstattungskosten für die geplanten 192 neuen Plätze liegen bei etwa 17 Millionen Euro, und es werden außerdem rund 160 zusätzliche Stellen im Bereich von Fachdiensten und allgemeinem Vollzugsdienst benötigt. Aber das ist kein Grund zum Stöhnen, denn dieses Geld des Steuerzahlers ist allerbestens investiert. Denjenigen, die Sozialtherapie für ein ungerechtfertiges Verwöhnen der Gefangenen halten, halte ich entgegen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Sozialtherapie fordert von den Gefangenen außerordentlich viel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade bei der Gruppe der hochgefährlichen und rückfallgefährdeten Straftäter steht der Staat in der Pflicht, durch besondere Bemühungen der drohenden Gefahr erneuter Straftaten durch diese Täter entgegenzuwirken. Denn wir können und wollen diese Täter nicht lebenslang wegsperren. Das ist keine Lösung und rechtlich wie tatsächlich auch gar nicht möglich. Deshalb steckt hinter dem unscheinbaren Begriff "Sozialtherapie" ein wesentlicher Beitrag zum Schutz unserer Bevölkerung. Denn jede einzelne verhinderte Rückfalltat bedeutet, unschuldigen Menschen unermessliches Leid zu ersparen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an diesem Beispiel sehen Sie auch, dass die Nörgler wieder einmal Unrecht hatten. Als die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder übertragen wurde, wurde immer wieder vor einem "Wettlauf der Schäbigkeit" gewarnt. Fakt ist: Der Föderalismus hat sich wieder einmal bewährt, und Bayern führt den Wettlauf der besten Konzepte weiter an.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Das, liebe Mitglieder der Opposition, werden Sie bei der Sozialtherapie jedenfalls wohl nicht ernsthaft bestreiten.

Dritter Punkt. Neben der Sozialtherapie gilt dem Jugendstrafvollzug mein ganz besonderes Augenmerk. Der Erziehungsgedanke ist dort von ganz wesentlicher Bedeutung. Wir wissen, dass der überwiegende Teil der jungen Menschen, die bei uns in den Gefängnissen

sitzen, enorme Defizite haben, ob das im sozialen, ob das im erzieherischen Bereich ist, ob es um die Bildung geht. Wir wissen, dass viele von ihnen selbst Opfer von Gewalt waren oder sogar noch sind. Gerade bei jungen Menschen kann man erzieherisch am meisten erreichen. Deshalb ist auch hier eine intensive Behandlung und Betreuung der jungen Strafgefangenen notwendig. Aus diesem Grund werden wir 30 neue Planstellen in den Jugendstrafanstalten schaffen.

Viertens. Weitere zwölf Planstellen werden den Nachtdienst in unseren Gefängnissen gezielt verstärken und damit ebenfalls das Maß der Sicherheit heraufsetzen. Sie sehen, das Geld des Steuerzahlers ist gut investiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Arbeit im Vollzug ist physisch und psychisch oft sehr belastend. Damit wir weiterhin qualifiziertes Personal gewinnen können und damit wir unsere Mitarbeiter auch weiterhin motivieren können, liegt mein Augenmerk auch auf den Beförderungsmöglichkeiten. Mit insgesamt 642 Stellenhebungen im Justizvollzug verbessern wir die Beförderungssituation der Bediensteten aller Laufbahnen und Berufsgruppen noch einmal ganz entscheidend, Menschen im Übrigen, die 2008 für insgesamt rund 28.500 Gefangene verantwortlich waren. Die Stellenhebungen sind zugleich ein Ausdruck der Anerkennung für die hervorragende Arbeit der Vollzugsbediensteten. Ihrer Leistungsbereitschaft und ihrem Engagement haben wir es vor allem zu verdanken, dass die bayerischen Gefängnisse so sicher sind wie Fort Knox. So hat es auch 2008 keinen einzigen Ausbruch aus einer bayerischen Justizvollzugsanstalt gegeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weise noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass die Belastung der Richter und Staatsanwälte, aber auch der Rechtspfleger und Bewährungshelfer sehr hoch ist. Deshalb habe ich in der Vergangenheit massive Verbesserungen ausverhandelt. Ich will Sie nur daran erinnern, dass es meiner Initiative zu verdanken ist, dass im letzten Doppelhaushalt 50 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen wurden, was die Belastungssituation spürbar verbessert hat. Vor allem durch die Mithilfe der Kollegen Kreuzer, Winter, Guttenberger und Dr. Fischer, denen mein besonderer Dank gilt, konnte zudem in den parlamentarischen Beratungen für den anstehenden Doppelhaushalt erreicht werden, dass es immerhin zehn neue R-1-Stellen für Staatsanwälte geben wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)