Protocol of the Session on June 10, 2010

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 49. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 4. Juni 2010 ist der ehemalige Abgeordnete Hans Koller im Alter von 72 Jahren plötzlich verstorben. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1988 bis 1990 an und vertrat für die Fraktion der CSU den Wahlkreis Oberbayern. Während seiner Parlamentszugehörigkeit war er unter anderem im Ausschuss für Kulturpolitische Fragen sowie im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen tätig.

Zuvor war Hans Koller als Mitglied des Bezirkstags Oberbayern und in unterschiedlichen Parteifunktionen fest in der politischen Arbeit verankert. Bis zu seinem plötzlichen Tod engagierte er sich mit seiner großen praktischen Erfahrung in seinem Ortsverband in München-Laim.

Kultur- und Heimatpflege sowie die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren Schwerpunkte seines politischen Wirkens. Um die sozialen Anliegen kümmerte er sich sein Leben lang stets in besonderer Weise. Dies kam auch in seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer des Kolpingwerks Bayern zum Ausdruck, in dem er ein wortmächtiger Vertreter familienpolitischer Forderungen war. Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Andenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren des Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch zwei Geburtstagsglückwünsche aussprechen. Am 31. Mai feierte Frau Kollegin Isabell Zacharias einen halbrunden Geburtstag, und heute hat Herr Kollege Prof. Dr. Georg Barfuß Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben. Frau Zacharias, ich darf Sie noch einmal besonders hervorheben. Der Beifall hat auch Ihnen gegolten.

(Isabell Zacharias (SPD): Vielen Dank!)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Vorschlag der Fraktion der Freien Wähler "Bayernweiter Bildungsstreik: Wie geht es weiter mit den aktuellen Baustellen in der Bayerischen Hochschulpolitik?"

Zuständig für die Beantwortung ist der Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Der erste Fragesteller ist Prof. Dr. Piazolo. Bitte schön, Herr Professor. Sie haben das Wort. Herr Staatsminister, ich darf Sie an das Pult bitten.

Herr Staatsminister, meine Damen und Herren, einen wunderschönen guten Morgen! Als Sie das Amt des Staatsministers angetreten haben, haben Sie sich bestimmt nicht träumen lassen, dass die Hochschulpolitik eine so große Baustelle ist und die Löcher zu immer größeren Kratern werden. Deshalb möchte ich keine lange Vorrede halten. Die Studierenden sind auf der Straße und erwarten Antworten. Meine Fragen konzentrieren sich auf drei Bereiche. Es handelt sich um kurze Fragen. Wünschenswert wären deshalb auch kurze Antworten.

Das Thema BAföG ist ein Debakel. Die Bundesregierung hat eine Erhöhung beschlossen. Im Bundesrat hat jedoch die Bayerische Staatsregierung zusammen mit Hessen dagegen gestimmt. Meine konkreten Fragen: War dieses Abstimmungsverhalten abgestimmt? Haben Sie das vorher gewusst? Laut Zeitungsberichten waren Sie dagegen. Sollten Sie es bereits vorher gewusst haben, ist es von Ihnen falsch wiedergegeben worden. Widerspricht dieses Verhalten nicht dem Koalitionsvertrag? Wie geht es in Bezug auf das BAföG und die Stipendien weiter?

Aufgrund des Bologna-Prozesses sind die Studierenden auf die Straße gegangen. Bei der letzten Ministerbefragung haben Sie gesagt, es gebe eine Arbeitsgruppe, welche das Parlament ständig auf dem Laufenden halten werde. Mittlerweile wird von Ergebnissen gesprochen. Wir wissen davon jedoch nichts. Meine Fragen: Es sind Leitlinien verabschiedet worden. Warum handelt es sich dabei um Leitlinien und nicht um etwas Verbindliches? Das Ministerium handelt nur unverbindlich. Warum arbeitet das Ministerium am Parlament und am Ausschuss vorbei? Warum erfahren wir von den Ergebnissen nichts? Wann sind die Leitlinien zugänglich? Wann erhalten wir sie? Als Parlamentarier tragen wir gegenüber den Bürgern Verantwortung. Wie soll die Mitbestimmung konkret geregelt werden? Man hört auf der einen Seite, Sie seien gegen die Verfasste Studierendenschaft. Auf der anderen Seite sind Sie ein Vertreter der Freien

Berufe und sprechen sich dort für eine verfasste Kammer mit Zwangsmitgliedschaft aus. Wie lässt sich das miteinander vereinbaren?

(Beifall bei den Freien Wählern, der SPD und den GRÜNEN)

Welches Finanzmodell ist für die Studierenden geplant? Welche Zuständigkeiten haben die Studierenden dabei?

Ein wichtiger Bereich ist auch der Haushalt. Wir haben in der Zeitung gelesen, dass Sie für Ihr Ressort die größte Erhöhung fordern. Nach meiner Schätzung handelt es sich um eine Milliarde Euro für den Doppelhaushalt. Dafür haben Sie Kritik aus der eigenen Fraktion erhalten. Vielleicht sitzt Herr Klein aus diesem Grund ganz vorne, weil er Sie besonders im Auge behalten möchte. Er möchte wissen, wo das Geld hingeht. Stimmt es, dass Sie eine Milliarde Euro fordern? Wohin soll dieses zusätzliche Geld fließen? In vielen Dingen werden wir als Freie Wähler Sie unterstützen. Auf welche Positionen können Sie verzichten? Wo ist noch Spielraum und wo sagen Sie: Das ist für mich unverzichtbar; da stehe ich mit meinem Amt und meinem Wort ein?

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Herr Piazolo, herzlichen Dank für die Fragen - die nicht so überraschend waren. Das ist selbstverständlich; es sind immer die gleichen Themen.

Zum BAföG kann ich klar Folgendes sagen: Zum Ersten möchte ich einmal festhalten, dass das BAföG ab 2008 um 10 % erhöht wurde.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Vom wem denn? Sagen Sie doch, von wem!)

- Das dürfen Sie dann sagen. Ich muss ehrlich zugeben, darauf habe ich mich jetzt nicht vorbereitet, um klar sagen zu können, wer es war und wer mit dafür gestimmt hat. Ich stelle fest, dass es erhöht wurde, und das ist doch das Entscheidende für die Studentinnen und Studenten.

Jetzt zur weiteren Entwicklung. Wir hatten noch einmal einen Antrag in der Richtung gestellt. Richtig ist, dass die Finanzminister erklärt haben, sie wollen da nicht mitgehen. Ich sage Ihnen auch: Am letzten Freitag ist darüber im Bundesrat, in der Länderkammer, sehr wohl entsprechend positiv abgestimmt worden,

übrigens auch für den Stipendienbereich. Also, von der Seite ist das Ganze auf dem richtigen Weg.

Heute wird sich die Ministerkonferenz zusammen mit der Bundeskanzlerin darüber unterhalten, wie man das Ganze organisiert, was man umsetzen kann. Ich sehe momentan überhaupt keinen Angriffspunkt, dass gerade beim BAföG so etwas nicht umgesetzt werden sollte. Warten wir also einmal das Ergebnis heute ab. Die Beratungen sind leider zeitgleich; wir werden das Ergebnis sicher nicht in dieser Fragestunde erfahren, aber auf alle Fälle wird es so sein, dass ich meine Forderung vollinhaltlich aufrechterhalten kann.

Dass Finanzminister in anderen Bereichen schon immer Meinungen vertreten haben, die mir nicht gefallen, liegt in der Natur der Sache. Da bin ich aber nicht allein, das geht auch anderen Ressortministern so. Wollen wir das also einmal ganz locker sehen. Das gilt übrigens auch für das Zehn-Prozent-Ziel, das heute vereinbart werden soll, und natürlich auch für das Stipendien-System.

Nun zum Bologna-Prozess. Ein Schwerpunkt der Kritik am Bologna-Prozess war es in der Tat, dass wir zu sprachlos waren, die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften zusammen mit den Studierenden. Deshalb war es dringend notwendig da sehe ich auch den absolut großen Vorteil der Bildungsproteste im letzten Jahr -, dass uns die Studierenden noch einmal ganz deutlich darauf aufmerksam gemacht haben, dass etwas nicht stimmt. Ich habe das auch von Anfang an in meiner Amtszeit gesagt.

Wir haben zusammen mit den Studierenden und den Hochschulverbünden eine Arbeitsgruppe eingerichtet; das ist richtig. Diese Arbeitsgruppe - wenn Sie so wollen: ein Koordinierungsausschuss für die Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses - kam auch zu Ergebnissen. Wir, diese drei Gruppierungen, haben am Montag dieser Woche - und das ist, sehr geehrte Damen und Herren, glaube ich, ein ganz, ganz wesentlicher neuer Punkt - diese Leitlinien unterzeichnet. Ich kann hier schon einmal zeigen, wie sie aussehen. Sie bekommen diese selbstverständlich auch zur Verfügung gestellt. Die Unterzeichung war am Montagmittag bzw. -nachmittag. Selbstverständlich! Daran sind das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Universität Bayern e. V., Hochschule Bayern e. V. und die LandesASten-Konferenz Bayern beteiligt.

Diese Leitlinien bündeln zahlreiche Erfahrungen bei Verbesserungsmaßnahmen an den Hochschulen und geben Anregungen für die Arbeit vor Ort. Ich möchte festhalten: Es sind wirklich Anregungen. - Ich komme noch darauf zu sprechen.

Dabei geht es besonders darum, dass die Studierenden konsequent einzubinden sind - da können wir uns mehr als bisher vorstellen -, zum Beispiel durch Studiengangkommissionen. Wir wollen - das steht im Papier - die Anwesenheitspflichten beschränken. Die Anzahl und das Format der Prüfungen sind zu überprüfen und zu reduzieren.

Wir wollen vor allem auch freiwillige Wiederholungen zur Verbesserung der Noten ermöglichen. Dazu gehört übrigens auch, dass wir den Studierenden, die eine Prüfung am Semesterende nicht geschafft haben, die Möglichkeit eröffnen, diese Prüfung zu Beginn des neuen Semesters nochmals abzulegen und sie dann hoffentlich - im positiven Falle - auch zu bestehen.

Die Arbeitsgruppe hat damit momentan ihre Arbeit beendet. Sie wird sie aber, dessen bin ich sicher, irgendwann auch wieder fortsetzen. Denn, sehr geehrte Damen und Herren, eine Wunschvorstellung müssen wir aufgeben, ihr muss man ein Ende machen: Eine Hochschule, die immer an der Spitze des Fortschritts sein will, wird immer auch Veränderungen unterworfen sein. Wir werden kein Modell hinbekommen, das meinetwegen auf 20 Jahre absoluten Bestand hat. Deshalb wird dieser Prozess auch von uns in Zusammenarbeit mit den Hochschulverbünden und mit den Studierenden begleitet werden.

Ich möchte hier ausdrücklich noch einmal betonen, dass die Diskussion mit den Studierenden klar in der Sache war und fair von allen Seiten. Es wurde hart diskutiert, aber Sie sehen auch an den Leitlinien, dass das entsprechend umgesetzt wurde. Ich glaube, es ist schon ein gutes Stück positive Arbeit, hier mit den Studierenden, gerade in der Woche, wo dieser sogenannte Bildungsstreik bundes- und bayernweit stattfindet, eine solche Vereinbarung hinzubekommen. Ganz so einfach ist das sicher nicht, aber das zeigt auch die Qualität der Arbeit.

Jetzt, Herr Piazolo, komme ich dazu, warum es Anregungen sind. Liberale, freiheitliche Hochschulpolitik, wie ich sie zusammen mit meinem Koalitionspartner vertrete, heißt, dass die Hochschulen vor Ort über die Maßnahmen entscheiden. Glauben Sie denn, dass ich als Minister den Hochschulen klein für klein vorgeben will, wo sie Veränderungen einführen müssen? Das werde ich nicht machen, sondern das liegt in der Selbstverwaltung der Hochschulen.

Es wäre im Gegenteil geradezu Blödsinn, nachdem so viel Arbeit von den einzelnen Hochschulen und den Studierenden vor Ort geleistet wird, wenn wir jetzt vom Ministerium aus sagen würden: Das müsst ihr so regeln, das müsst ihr so regeln, das auf diese Art und

Weise. Anregungen zu geben heißt, wir verweisen auf die Entschließungen der Kultusministerkonferenz usw. Da soll sich jede Hochschule vor Ort in Zusammenarbeit mit den Fakultäten, mit den Studierenden Gedanken machen und die entsprechenden Maßnahmen, wie sie für die einzelne Hochschule passen, umsetzen und gestalten. Das ist der Ansatz, und da sind wir auf einem guten Weg. In vielen Bereichen ist diese Arbeit auch längst erfolgt bzw. in Angriff genommen. Da passiert eine ganze Menge.

Selbstverständlich, Herr Piazolo, kann das Parlament diese Leitlinien haben. Ich bitte zu verstehen, dass das jetzt allein dem kurzen Zeitraum geschuldet ist, der seit Montagnachmittag, wo wir das unterzeichnet haben, vergangen ist. Natürlich setzen wir uns auch der Kritik aus. Ich meine, man kann immer etwas anders sehen, aber wenn ich zu einer Übereinkunft gerade mit den Studierenden gekommen bin, dann glaube ich, dass es vom Grundprinzip und von den Grundlagen her auf alle Fälle eine sehr positive Sache ist.

Als nächsten Ihrer Punkte hatte ich mir die Verfasste Studierendenschaft notiert. Wie Sie wissen, habe ich auch da eine Arbeitskommission eingesetzt. Sie setzt sich ebenfalls paritätisch zusammen aus den Vertreterinnen und Vertretern der Studierenden, auch wieder der beiden Hochschulverbünde und dem Wissenschaftsministerium. Sie bündelt zahlreiche Erfahrungen der Hochschulen bei Verbesserungsmaßnahmen und gibt dann Anregungen. Sie will einmal schauen: Wie können wir das Ganze auch entsprechend umsetzen? Voraussichtlich im Juli soll die Abschlusssitzung stattfinden und dann ein Bericht kommen. Ich habe den Termin Ende Juli übrigens von Anfang an kommuniziert. Von Hinauszögern kann keine Rede sein. Der Termin war klar so besprochen. Mir ist natürlich klar, dass der Zeitrahmen für die Studierenden wie für die Hochschulen generell nicht so weit reichte, als dass man nicht sehr enge Sitzungstermine hätte absprechen müssen. Deshalb stand von Anfang an als Termin Ende Juli fest.

Ich will den Ergebnissen nicht vorgreifen, aber doch deutlich machen, dass ich der Verfassten Studierendenschaft sehr kritisch gegenüberstehe und sie nach wie vor ablehne.

(Beifall bei der FDP)

Sie ist mit meinem liberalen und demokratischen Mitwirkungsverständnis nicht vereinbar. Wenn Frau Gote nun in der Presse gestern zitiert wurde, man wolle ein demokratisches Hochschulsystem, das Selbstbestimmung und Mitverantwortung aller Studierenden beinhaltet, dann frage ich mich, Frau Gote, wie Sie das

bei einer Wahlbeteiligung von 20 % der Studierenden quer durch die Bundesrepublik sehen. Nicht nur in Bayern sind die Prozentzahlen bei der Wahlbeteiligung so niedrig, sondern das geht quer durch die Bundesrepublik; in Mainz liegt die Beteilung beispielsweise nur bei 8 %. Das variiert also sehr stark, aber überall liegt sie unter 25 %. Da kann ich doch keine Pflichtmitgliedschaft von den Studierenden fordern. Das kann ich nicht vertreten.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))

Frau Gote, sagen Sie mir doch bitte, wo die Vorteile einer solchen Verfassten Studierendenschaft liegen. Das möchte ich wirklich einmal wissen. Objektiv gesehen haben die Studierenden sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg doch die besten Studienbedingungen ganz Deutschlands, auch wenn sie die entsprechenden Studienbeiträge dafür zahlen. Wo liegt da ein Vorteil in der Verfassten Studierendenschaft für diese Studenten?

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wenn Sie mich nun so viel fragen, darf ich dann genauso lange antworten? )

Sie dürfen so lange antworten, wie es Ihre Redezeit vorgibt. Ich glaube, dafür gibt es ein bestimmtes Verfahren, das einzuhalten ist.