Protocol of the Session on July 15, 2010

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 54. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gebe ich die Ergebnisse der gestern durchgeführten letzten zwei namentlichen Abstimmungen bekannt.

Ergebnis der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 30 über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Weikert, Stachowitz und anderer und Fraktion (SPD), betreffend "Kürzung des Schulgeldausgleichs für Schülerinnen und Schüler der privaten Berufsfachschulen für Altenpflege und Altenpflegehilfe sofort rückgängig machen!", Drucksache 16/5027: Mit Ja haben 62, mit Nein 92 Abgeordnete gestimmt. Es gab 5 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Ergebnis der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 31 über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Daxenberger, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) , betreffend "Schulgeldausgleich der Berufsfachschulen für Altenpflege und Altenpflegehilfe sicherstellen", Drucksache 16/5032: Mit Ja haben 62, mit Nein 92 Abgeordnete gestimmt. Es gab 5 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers für Unterricht und Kultus "Qualität - Differenzierung - Durchlässigkeit: Erfolg und Auftrag für die Bildungspolitik in Bayern"

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse des Ländervergleichs sind für Bayern Erfolg und Auftrag. Sie bestätigen eindrucksvoll die Leitlinien unserer Bildungspolitik: Qualität und Gerechtigkeit.

Qualität: Bayern ermöglicht mit seinem leistungsstarken Bildungssystem individuellen Bildungserfolg.

Gerechtigkeit: Bayern eröffnet mit seinem differenzierten Schulangebot Bildungschancen für alle.

Diese Leitziele scheue ich mich nicht an der Realität zu messen und messen zu lassen.

Deshalb stellen wir uns den Fakten des Ländervergleichs 2009. Er legt die Karten auf den Tisch. In welchen Ländern erreichen die jungen Menschen aller ich betone: aller - Schularten die Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss - und wo nicht? Im Mittelpunkt des Tests standen unverzichtbare Kernkompetenzen in den Grundlagenfächern Deutsch und Englisch.

Tatsache ist:

Erstens. Bayerische Schülerinnen und Schüler aller weiterführenden Schularten, der Hauptschulen, der Realschulen und der Gymnasien, belegen in allen getesteten fünf Kompetenzbereichen Platz 1 in Deutschland.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das ist das Ergebnis des länderweiten Tests in den 9. Klassen. In diesen Bereichen liegt Bayern zum Teil erheblich über dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Dabei sind die bayerischen Schülerinnen und Schüler ihren Altersgenossen im Einheitsschulland Bremen um bis zu zwei Schuljahre voraus. Das ist Fakt der Bildungspolitik in Bayern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zweitens. Die Mehrheit der bayerischen Schülerinnen und Schüler erreicht die Anforderungen an den mittleren Schulabschluss der 10. Klasse schon ein Schuljahr früher, und ein erheblicher Teil übertrifft diese Anforderungen sogar noch.

Drittens. Die Gymnasiasten in Bayern sind in der Gesamtheit ihrer Ergebnisse herausragend gut, und zwar an dem neuen achtjährigen Gymnasium. Das ist unsere Botschaft.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Viertens. Auch die Schülerinnen und Schüler der anderen weiterführenden Schulformen in Bayern, also der Hauptschule und der Realschule, erfüllen die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz besser, als es in allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Das ist Bildungspolitik in Bayern im Jahr 2010! Dafür steht die von der CSU und der FDP getragene Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Fünftens, dies bitte ich besonders deutlich wahrzunehmen: Von den Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sind die bayerischen in allen Kompetenzbereichen mit die besten in Deutschland, teilweise sogar besser als die deutschen Schülerinnen und Schüler in Brandenburg und Bremen. Das ist Bildungspolitik in Bayern im Jahr 2010!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Gerade die Kompetenz der bayerischen Lehrkräfte in den Fachwissenschaften und der Fachdidaktik ist Grundlage für diese positiven Ergebnisse. Das hat der Autor der Studie, Professor Köller, deutlich zum Ausdruck gebracht.

Das Engagement von Schülerschaft und Eltern ist für diese positiven Ergebnisse ebenso maßgeblich. Ihnen allen und zuvörderst unseren Lehrerinnen und Lehrern gilt an dieser Stelle unser Dank.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die Ergebnisse bestärken uns darin, auch weiterhin konsequent auf eine hochwertige Aus- und Fortbildung unserer Lehrkräfte zu setzen. Dazu werden wir umfassende Überlegungen im Herbst und Winter dieses Jahres anstellen.

Ich stelle insgesamt fest: Das differenzierte bayerische Bildungswesen ist herausragend leistungsstark und bietet einen besonderen Chancenreichtum. Unsere konsequente Qualitätsstrategie, die bayerische Systemkonstanz in Struktur und Inhalt, zahlt sich aus. Was heißt das? - Verlässlichkeit in Anforderungen, Verlässlichkeit im schulischen System. Das ist etwas, was letztlich für die Schülerinnen und Schüler in diesem Land optimale Bildungschancen ermöglicht. Das ist der bayerische Weg.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir dürfen aber gerade in diesen Tagen ein anderes Thema mit ins Auge fassen. Der Ländervergleich 2009 ist eine schallende Ohrfeige für alle Propheten der Einheitsschule. Auch das ist klar und deutlich festzumachen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)

Alle Länder, die auf diesem Feld experimentieren, landen weit abgeschlagen auf den hintersten Plätzen.

Unser Bildungsbericht 2010 hat auch gezeigt: Bayern hat neben Baden-Württemberg den geringsten Anteil an Schulabgängern ohne jeden Schulabschluss; ich wiederhole: den geringsten Anteil an Schulabgängern ohne jeden Schulabschluss.

Am anderen Ende dieser Skala, das heißt bezüglich der höchsten Quoten junger Menschen, die die Regelschule leider ohne Schulabschluss verlassen, stehen übrigens die Länder mit einem zweigliedrigen Schulsystem. Auch das ist eine Botschaft, die im Lande Gehör finden muss.

(Beifall bei der CSU)

Auch beim unmittelbaren Übergang von der Schule in eine duale Ausbildung, also dann, wenn die jungen Menschen direkt eine Lehrstelle erhalten, liegt Bayern auf Platz 1. So viel zur Leistungsstärke der bayerischen Haupt- und Mittelschule.

(Beifall bei der CSU)

Wir verstehen den Ländervergleich als Auftrag in einem doppelten Sinn: Erstens. Wir müssen die Leistungsfähigkeit des differenzierten Bildungswesens auch in Zukunft sicherstellen. Das ist eine Frage der Qualität. Zweitens. Wir müssen die Arbeitsaufträge zur Fortentwicklung ernst nehmen. Wir müssen mit voller Kraft an der Verbesserung der Teilhabe und der Bildungsgerechtigkeit in unserem Land arbeiten.

Die Leistungskoeffizienten der jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Bayern unterscheiden sich signifikant. Damit finden wir uns nicht ab.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Hier gilt aber auch: Der hohen Leistungsstärke der jungen Menschen mit Migrationshintergrund, die - ich habe es vorhin angesprochen - zum Teil höher als die deutscher Schülerinnen und Schüler in anderen Bundesländern ist, stehen in Bayern die besonderen Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler gegenüber. Weiterhin weist der Vergleich aus, dass auch in Bayern der Gymnasialbesuch eines Kindes im Zusammenhang mit seiner sozialen Herkunft steht. Auf 6,5 Kinder aus den oberen Schichten, die ein Gymnasium besuchen, kommt nur eines aus bildungsferneren Schichten. Ich sage aber ganz deutlich und wiederhole dies hier: Die Bildungsbeteiligung muss in Bayern weiter gesteigert werden. Das ist ein klarer Auftrag, und das ist ein Ziel der von mir verantworteten Bildungspolitik. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass alle Menschen ihr individuelles Bildungspotenzial tatsächlich ausschöpfen - unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Genau deshalb betone ich: Wer Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg auf den Besuch des Gymnasiums reduziert, der greift zu kurz.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Schon heute werden 42 % der Hochschulzugangsberechtigungen nicht am Gymnasium erworben, son

dern an der Fachoberschule, der Berufsoberschule und der 13. Klasse der Fachoberschule. Heuer haben bereits 26.000 junge Menschen an der beruflichen Oberschule die Hochschulzugangsberechtigung erworben - gegenüber 35.000 jungen Menschen, die dies am Gymnasium getan haben. Das ist praktizierte Bildungsgerechtigkeit und Verwirklichung der Teilhabe am differenzierten Bildungswesen in Bayern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir wollen diesen Anteil künftig weiter steigern. Die aktuellen Anmeldezahlen an der beruflichen Oberschule sprechen für sich. Gerade die jungen Menschen aus sogenannten bildungsfernen Schichten und diejenigen nichtdeutscher Herkunft erwerben überdurchschnittlich oft entsprechende Zertifikate an den Beruflichen Oberschulen. So liegt der Anteil von jungen Menschen mit Migrationshintergrund an der BOS in Bayern mit insgesamt rund 12 % etwa doppelt so hoch wie an Gymnasien mit rund 6 %. Das ist ein deutlicher Beweis für die Verbesserung der Teilhabegerechtigkeit. Die Rechnung "Bildungsbeteiligung ist gleich Gymnasialbesuch" geht folglich nicht auf. Wer so rechnet, der übersieht bewusst oder unbewusst das ausgewogene Verhältnis von Differenzierung und Durchlässigkeit in unserem Schulwesen.

Die Bildungspolitik der Bayerischen Staatsregierung mit ihrer Trias Qualität, Differenzierung und Durchlässigkeit hat Kurs und hält Kurs. Genau diese konstante Verlässlichkeit legt der Ländervergleich 2009 als eine der Hauptursachen für den Erfolg Bayerns offen. Deshalb setzt die Bayerische Staatsregierung in ihrem Programm "Aufbruch Bayern" bewusst auf einen klaren Qualitätsmaßstab mit Bildung als einem ganz wesentlichen Element. Bildung muss immer beim Einzelnen ansetzen. Hierin liegt die eigentliche Begründung für die strategische Formel unserer Bildungspolitik. Sie lautet schlicht: Individuelle Förderung statt Einheitsschule. Darum arbeiten wir daran, die individuelle Durchlässigkeit unseres differenzierten Schulwesens weiter zu verbessern.