Protocol of the Session on December 13, 2011

Login to download PDF

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der ernsten Gedenkveranstaltung, die wir soeben abgehalten haben, eröffne ich die 90. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, zweier früherer Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 29. November verstarb im Alter von 82 Jahren Herr Otto Benner. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1978 bis 1990 an und vertrat für die SPDFraktion den Wahlkreis Oberpfalz. Während seiner Parlamentszugehörigkeit war er Mitglied in den Ausschüssen für Landwirtschaft und Forsten sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen. Im Februar 1984 war er Mitglied der Bundesversammlung.

Otto Benner überzeugte in seiner politischen Arbeit nicht nur durch Kompetenz und großes persönliches Engagement. Seine besondere Leidenschaft galt den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und seiner Heimatregion. Lange bevor Tschechien Mitglied der Europäischen Union wurde, setzte sich Otto Benner für Erleichterungen beim Grenzübergang ein. Über viele Jahre hinweg war er auch Landesvorsitzender des Verbandes Wohneigentum. Für seinen unermüdlichen Einsatz wurde Otto Benner mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden, der Bayerischen Verfassungsmedaille und dem Bundesverdienstkreuz.

Am 7. Dezember verstarb im Alter von 90 Jahren Herr Anton Dobmeier. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1974 bis 1990 an und vertrat für die CSUFraktion den Stimmkreis Nürnberger Land. Während seiner Zugehörigkeit zum Landesparlament war er Mitglied in den Ausschüssen für Fragen des öffentlichen Dienstes, für Landesentwicklung und Umweltfragen sowie für Staatshaushalt und Finanzfragen.

Anton Dobmeier war ein leidenschaftlicher, beharrlicher Kämpfer für die Interessen seiner heimatlichen Region und ein verlässlicher Partner und Förderer der Lebenshilfe im Nürnberger Land. Bereits früh sammelte der Forst- und Staatswissenschaftler politische Erfahrungen im kommunalen Bereich, die er immer wieder auch in seine parlamentarische Arbeit im Bayerischen Landtag einbrachte. Besonders wichtig war ihm eine gute Infrastruktur abseits der Metropolen, weil er um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger wusste. Beim Abschied aus der aktiven Politik mahnte

er an, die Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Auch im Ruhestand pflegte er die Nähe zur Politik, vor allem wenn es um Reformen im Forstwesen ging.

Der Bayerische Landtag wird den beiden Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Landeswahlleiter hat mit Schreiben vom 1. Dezember mitgeteilt, dass Herr Kollege Gerhard Wägemann mit Ablauf des 4. Dezember 2011 auf sein Landtagsmandat verzichtet hat und damit aus dem Landtag ausgeschieden ist. Ich danke Herrn Kollegen Wägemann für seine engagierte parlamentarische Arbeit, die er über acht Jahre im Bayerischen Landtag geleistet hat, und wünsche ihm für seine neuen Aufgaben als Landrat viel Erfolg.

(Allgemeiner Beifall)

Der Landeswahlleiter hat gemäß Artikel 58 des Landeswahlgesetzes Herrn Jürgen Ströbel aus Rügland als Listennachfolger festgestellt. Seit 5. Dezember ist Herr Ströbel Mitglied des Bayerischen Landtags.

Es freut mich, Sie erneut in unserer Mitte begrüßen zu können, Herr Kollege. Von 2003 bis 2008 waren Sie bereits Mitglied des Hohen Hauses. Für Ihre weitere parlamentarische Arbeit wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

(Allgemeiner Beifall)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, spreche ich drei Glückwünsche aus.

Jeweils einen runden Geburtstag feierten am 7. Dezember Herr Kollege Dr. Florian Herrmann und am 8. Dezember Frau Kollegin Christa Steiger.

(Allgemeiner Beifall)

Gestern konnte Herr Kollege Max Strehle einen halbrunden Geburtstag feiern.

Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.

(Allgemeiner Beifall)

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

"Zwischenbilanz: Wo bleibt die Energiewende?"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Diese wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet.

Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Anzahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.

Erster Redner ist nun Kollege Ludwig Hartmann.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jetzt zu Ende gehenden zwölf Monate dieses Jahres waren von einer sehr turbulenten Energiepolitik gekennzeichnet. Vor noch nicht einmal einem Jahr haben die Bundesregierung und die Staatsregierung die damalige Laufzeitverlängerung als Revolution gefeiert. Die Revolution hat keine hundert Tage gehalten, als die Bundesregierung und die Staatsregierung von den Risiken der Atomkraft eingeholt wurden und ihren Weg Gott sei Dank korrigiert haben.

In diesem Zusammenhang wurde die Energiewende ganz groß verkündet. Sie wurde von der Bundeskanzlerin, der Staatsregierung und dem Ministerpräsidenten Seehofer auf den Schild gehoben. Sie sollte jetzt endlich gestaltet werden. Ein halbes Jahr nach der Regierungserklärung der Staatsregierung ist jetzt zu fragen: Was ist aus der angekündigten Energiewende eigentlich konkret geworden? Die Staatsregierung hat eine Energiewende angekündigt. Das bedeutet, dass man auch die Politik ändern muss. Dies ist bis heute aber nicht geschehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben zwar mit dem Wiedereinstieg in den rotgrünen Atomausstieg die richtigen Weichen gestellt. Aber die Weichen in Richtung Ausstieg zu stellen, heißt auch, die Weichen in Richtung Einstieg in erneuerbare Energien zu stellen.

Wenn man bei der Fahrt durch das Land mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern spricht, findet man überall die Bereitschaft, die Energiewende zu gestalten und tatkräftig anzufangen. Aber dann merkt man immer wieder, dass aus der Landeshauptstadt München kein richtiges Signal kommt, wie diese Energiewende umgesetzt werden soll. Das führt dazu das ist in der Energiepolitik eine Seltenheit -, dass sogar eine Linie mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft besteht, deren Hauptgeschäftsführer Herr

Brossardt kürzlich zu dem Thema feststellte: "Es ist noch nichts passiert."

Das bestätigt unsere Auffassung: Im letzten halben Jahr wurde sehr viel angekündigt, aber das Einzige, was konkret umgesetzt wurde, ist die Gründung der bayerischen Energieagentur. Diese hat allerdings von Anfang an eine ganze Reihe von Konstruktionsmängeln.

Da ist zum einen die personelle Problematik. Beamte wurden aus mehreren Ministerien zusammengezogen. Man hat die Agentur einerseits dem Wirtschaftsministerium untergeordnet, andererseits aber einen Lenkungsausschuss gegründet, in dem fünf Ministerien mitreden sollen. Das kann so nicht funktionieren.

Zum anderen ist die Aufgabenbeschreibung für die Energieagentur zwar äußerst umfassend, gleichzeitig aber auch reichlich verschwommen. Eine klare Linie, ein roter Faden, wohin das Ganze führen soll, ist nicht erkennbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mein deutlicher Appell an die Staatsregierung lautet, die Energieagentur nicht an die kurze Leine zu nehmen, sondern ihr mehr Freiräume einzuräumen, sie personell und finanziell gut auszustatten und Ideen und Konzepte entwickeln zu lassen, ohne dass stets ein wie auch immer parteipolitisch geprägtes Ministerium versucht, dort seinen Schwerpunkt einzubringen. So kommen wir nicht weiter, und so werden wir uns dieser Aufgabe nicht stellen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist allerdings noch nicht das Schlimmste, was die Staatsregierung bisher verbockt hat. Viel trauriger und gleichsam entsetzt macht uns, dass sowohl auf europäischer als auch auf Bundesebene einiges darangesetzt wird, die Energiewende zu unterlaufen und zu bremsen. Da gibt es zum einen den Energiekommissar Oettinger, der in einer Roadmap, die er diese Woche vorlegt, davon spricht, dass 40 neue Atomkraftwerke notwendig seien. Er weiß sicherlich gut genug, dass er keinen Investor finden wird, der diese Anlagen bauen möchte. Und was macht er nun? - Er bringt neue Subventionen für eine Technik, die 50 Jahre alt ist, in die Debatte ein. Und er spricht von einem Atomeinspeisegesetz. Das ist beschämend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schwarz-Gelb auf Bundesebene gibt ebenfalls ein sehr merkwürdiges Bild ab. Wir haben zum einen die Einigkeit zwischen Kauder und Brüderle, die fordern,

den Zubau an Solarstrom auf 1.000 Megawatt pro Jahr zu deckeln.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion, haben Sie eigentlich einmal durchgerechnet, was das für Ihr eigenes Energiekonzept heißt? In Ihrem Energiekonzept gehen Sie von einem jährlichen Zuwachs von 700 bis 800 Megawatt aus, während Ihre Kollegen auf Bundesebene einen Deckel bei 1.000 Megawatt bundesweit fordern. Wie soll das funktionieren? Wenn das durchgeht, können Sie Ihr Energiekonzept im Frühjahr gleich wieder einstampfen.

Möglicherweise werden Sie nun einfach bei Ihrem Energiekonzept eine Passage austauschen; denn wie so oft in den letzten Monaten und Jahren sind Sie bei der Energiepolitik hin- und hergeschwommen. Man wusste nie genau, wohin Sie wollten. Möglicherweise ändern Sie diesen Passus im PV-Bereich. Aber damit verursachen Sie Planungsunsicherheit bezüglich der Energiepolitik für die Unternehmen in diesem Lande. Die haben Sie auch in den letzten Jahren immer wieder verursacht. Jetzt beginnen Sie eine Debatte auf Bundesebene zur Schaffung eines Deckels für den PV-Bereich. Dabei haben Sie sich doch erst vor Kurzem auf Bundesebene auf einen Zielkorridor von 3.500 Megawatt pro Jahr verständigt. Eine solche Unsicherheit darf nicht aufkommen.

Was heißt es denn im Grunde genommen, wenn Sie jetzt den Zubau deckeln? In den ersten drei Monaten eines Jahres kommt der Installateur nicht mehr vom Dach runter, und im Rest des Jahres herrscht Flaute. Das heißt, der Investor plant, investiert und baut, muss sich dann aber fragen, ob im Sommer noch Platz unter dem Deckel ist oder ob die Anlage später nicht mehr vergütet wird, weil er etwas spät dran war. Damit verursachen Sie keine Planungssicherheit, sondern reines Planungschaos.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein weiteres Beispiel für die raffinierte Unterwanderung der Energiewende ist Folgendes. Im Sommer hat eine ganze Reihe gesetzlicher Regelungen das Parlament passiert bis hin zum Thema Netzentgelt, das kürzlich wieder durch die Medien geisterte. Von diesem Entgelt sollen die großen Stromverbraucher befreit werden. Das bedeutet konkret für kleine Stadtwerke wie zum Beispiel die Stadtwerke Neuburg, dass sie rückwirkend zu Anfang 2011 auf das Netzentgelt zugunsten des Großabnehmers verzichten müssen. Das wären circa 750.000 Euro, nur 500.000 Euro könnten zum höher gelagerten Netzbetreiber weitergegeben werden. Das heißt, dieses kleine Stadtwerk bliebe auf 250.000 Euro sitzen, die es

ausgleichen muss. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir waren uns doch einig - so lese ich auch Ihr Energiekonzept -, dass wir die Stadtwerke stärken, nicht aber bremsen wollen. Das war der Auftrag.

Ein weiterer Bereich ist die EEG-Umlage. In diesem Rahmen sind energieintensive Industrien - circa 500 bis 600 - gestaffelt von der Umlage befreit. Und nun wird darüber nachgedacht, diese Anzahl zu verzehnfachen und immer mehr Industrien mit in diese Umlagebefreiung hineinzunehmen. Damit werden die Kosten der Energiewende auf die kleinen Bürgerinnen und Bürger und die Kleinunternehmen umgelegt. Das kann es nicht sein.