Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer vorab erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, tue ich etwas mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Wir verabschieden nämlich unseren Kollegen Christian Meißner. Wir tun das mit einem weinenden Auge, weil wir ihn vermissen werden, und mit einem lachenden Auge, weil wir uns freuen, dass er das schönste Amt in Bayern antreten kann, das es gibt, nämlich das Amt eines Landrats. Nochmals herzlichen Glückwunsch, lieber Herr Kollege Meißner, und ganz herzlichen Dank für das, was Sie in diesem Hohen Haus und in Ihrer Verantwortung in einem wichtigen Ausschuss, dem Kommunalausschuss, geleistet haben! Wir danken Ihnen aber auch für die Kollegialität, für das Miteinander und den hohen Arbeitseinsatz, den Sie in der Verantwortung für den Ausschuss erbracht haben. Sie haben sich da um kommunale Angelegenheiten gekümmert. Ihre Kollegialität, lieber Herr Kollege Meißner, hat nicht nur die eigene Fraktion gespürt, sondern wirkte über die Parteigrenzen hinweg. - Alles Gute für Sie und Gesundheit! Man sieht sich wieder.
Gesetzentwurf der Staatsregierung über den Vollzug der Untersuchungshaft (Bayerisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz - BayUVollzG) (Drs. 16/9082) - Zweite Lesung
Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) (Drs. 16/9657)
Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Andreas Fischer, Jörg Rohde, Renate Will u. a. und Fraktion (FDP)
Bevor ich die Aussprache eröffne, teile ich mit: Der Herr Vizepräsident zu meiner Rechten hat mir angekündigt, dass zu diesem Gesetzentwurf seitens der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt wurde. Ich eröffne die allgemeine Aussprache und darf als Erstem Herrn Kollegen Dr. Rieger das Wort erteilen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Da im Rahmen der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug der Untersuchungshaft auf die Länder übergegangen ist, wurde es notwendig, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Er muss spätestens am 1. Januar 2012 in Kraft treten.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist, so glaube ich, ein guter Kompromiss, ein gutes Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem Anspruch des Staates auf Durchführung und Sicherstellung eines geordneten Strafverfahrens auf der einen Seite und dem Grundsatz der Unschuldsvermutung des Untersuchungsgefangenen auf der anderen Seite. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass hier natürlich auch viele andere Aspekte, insbesondere die Aspekte der räumlichen, finanziellen und personellen Möglichkeiten des Justizvollzugs ebenso Berücksichtigung gefunden haben wie der Aspekt der Sicherheit unserer Justizvollzugsanstalten.
Insgesamt ist es ein guter Entwurf, der viele deutliche Verbesserungen enthält. Im Einzelnen wurde z. B. die Mindestbesuchszeit für erwachsene Untersuchungsgefangene von einer auf zwei Stunden pro Monat verdoppelt. Ein Abweichen von dieser Mindestbesuchszeit muss dokumentiert und begründet werden. In den ersten drei Monaten darf die Besuchsdauer von zwei Stunden pro Monat nicht unterschritten werden, weil gerade in dieser Zeit die Suizidgefahr besonders groß ist.
Verantwortlich für die Untersuchungsgefangenen ist prinzipiell die Anstaltsleitung. Nur ausnahmsweise ist eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts einzuholen. Die medizinische Behandlung erfolgt grundsätzlich durch den anstaltsärztlichen Dienst in Anlehnung an die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen.
Auch wird das Gebot der Trennung von Untersuchungs- und Strafgefangenen aufrechterhalten, ebenso die Einzelunterbringung. Gleichzeitig werden notwendige Ausnahmemöglichkeiten geschaffen, z. B. beim heimatnahen Vollzug, damit insbesondere der Kontakt zu Angehörigen gewährleistet ist.
Ebenso wurde die Suizidprophylaxe insgesamt verbessert und das Arbeitsentgelt von 5 auf 9 % der Bezugsgröße des SGB IV angehoben. Wesentliche Verbesserungen wurden auch und gerade für die jugendlichen Untersuchungsgefangenen erreicht, die wegen ihres noch jugendlichen Alters und ihrer noch nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklung besonders schutzwürdig sind. Die Mindestbesuchszeiten für jugendliche Untersuchungsgefangene wurden auf vier Stunden pro Monat erhöht. Diese Gefangenen sollen nach Möglichkeit weiterhin in Jugendstrafanstalten untergebracht werden. Zudem wird die Untersuchungshaft erzieherisch ausgestaltet. So besteht aus arbeitstherapeutischen Gründen die Verpflichtung zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Bildungsmaßnahmen.
Nicht verheimlichen möchte ich, dass viele Anregungen der Oppositionsfraktionen nicht berücksichtigt werden konnten, so etwa die Lockerung der Außenkontakte der Gefangenen. Ein uneingeschränktes Recht zum Schriftverkehr und zur Telekommunikation nach außen hätte die Sicherheit unserer Justizvollzugsanstalten ebenso beeinträchtigt wie der Empfang von Lebensmitteln von außen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass deutliche Verbesserungen erreicht wurden. Bayern erhält mit diesem Gesetz ein modernes, sicheres und vor allem auch bezahlbares Untersuchungshaftvollzugsgesetz.
Ich danke unserer Frau Staatsministerin Beate Merk und ihren Mitarbeitern für die geleistete Arbeit sehr herzlich. Wir haben ein gutes Ergebnis. Ich bitte um Zustimmung.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schätzungsweise das zehnte Mal in den letzten fünf Jahren, dass wir über das Untersuchungshaftvollzugsgesetz in diesem Hohen Hause reden. Deswegen nur folgende Anmerkungen:
Bei der Schaffung eines solchen Gesetzes muss ganz oben stehen - so ist es auch im Gesetzentwurf zu lesen -, dass beim Vollzug der Untersuchungshaft die Unschuldsvermutung zu beachten ist und dass Untersuchungshaft nicht vorweggenommene Strafhaft sein darf.
Die Untersuchungshaft greift naturgemäß massiv in Grundrechte ein und führt regelmäßig bei haftunerfahrenen, insbesondere jungen Betroffenen zu schweren
seelischen Belastungen. Genau deshalb ist es so wichtig, die Suizidprophylaxe an den Anfang zu stellen, und es ist gut, dass dem jetzt in diesem Gesetzentwurf Rechnung getragen wird. Ich darf daran erinnern, dass wir dazu einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht haben.
Die Untersuchungshaft wird in Justizvollzugsanstalten vollzogen. Das bedeutet, dass auch die Untersuchungsgefangenen unter den Problemen leiden, unter denen die normalen Strafgefangenen und Gefangene anderer Haftarten leiden, nämlich dass bis zu 800 Mitarbeiter im Strafvollzug fehlen. Das wirkt sich auch auf den Vollzug der U-Haft aus.
Seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 haben wir auf den Gesetzentwurf der Staatsregierung gewartet. Mehrere Initiativen der Opposition, die Verabschiedung eines eigenen bayerischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes zu beschleunigen, sind gescheitert. Zwar gibt es bereits seit Mai 2009 einen Referentenentwurf, aber immer dann, wenn die Opposition nachgefragt hat, was Sache ist, hat es geheißen, die Staatsregierung werde demnächst und in Kürze ohnehin einen Gesetzentwurf vorlegen. Nun, es hat bis zum Sommer 2011 gedauert.
Jetzt sind wir die Letzten im Bundesgebiet, und wer gemeint hat, wir würden nun endlich den ganz großen Wurf präsentiert bekommen, ist enttäuscht worden. Es war zwar die Rede von einem Meilenstein für die bayerische Justiz. Dieser erweist sich bei näherem Hinsehen von wenigen positiven Ausnahmen, die ich nicht verkennen will, allerdings als Festschreibung des bisherigen Status quo. In dem Gesetzentwurf werden im Wesentlichen die bisherigen Standards der Untersuchungshaftvollzugsordnung in Gesetzesform gegossen.
Der Entwurf leidet nicht nur daran, dass umfangreich und ständig auf das Bayerische Strafvollzugsgesetz verwiesen wird, was die Lesbarkeit ganz erheblich erschwert, sondern vor allem daran, dass einerseits zwar ganz hehre Grundsätze aufgestellt werden, wie zum Beispiel hinsichtlich der Trennung des U-Haftvollzugs vom Strafvollzug, der Einzelunterbringung und der Besuchszeiten, dass diese aber andererseits sofort wieder relativiert und von den personellen, räumlichen und organisatorischen Möglichkeiten in den Anstalten abhängig gemacht werden.
So soll die U-Haft zwar in besonderen Abteilungen der JVAs vollzogen werden, aber eben nur vorrangig und nicht generell. So ist es zum Beispiel aufgrund Artikel 11 Absatz 4 des Gesetzentwurfs in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Strafvollzugsgesetzes
möglich, bis zu acht Untersuchungsgefangene in einem Haftraum unterzubringen. In der Begründung heißt es zwar, dass die Verweisung auf die Höchstgrenze von maximal acht Untersuchungsgefangenen nicht dahingehend missverstanden werden dürfe, dass eine Unterbringung von acht Gefangenen in einem Haftraum in der U-Haft als wünschenswerter Zustand angesehen werde oder gar im bayerischen Justizvollzug geregelt sei. Wie könne man nur auf eine solche Idee kommen? Tatsache ist aber, dass es aufgrund dieser Verweisungskette möglich ist, bis zu acht Untersuchungsgefangene in einem Raum unterzubringen. Dass dies gegen die Rechtsprechung verstößt, wonach jedem Untersuchungsgefangenen auch bei gemeinsamer Unterbringung mindestens sieben Quadratmeter Bodenfläche und 16 Quadratmeter Raumfläche zur Verfügung stehen müssen, sei nur am Rande erwähnt.
Weiterhin wird vorgeschrieben, dass U-Gefangene nicht mit Gefangenen anderer Haftarten in demselben Raum untergebracht werden dürfen. Ausnahmen sind aber zulässig, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder aus anderen dringenden Gründen der Organisation erforderlich ist.
Ähnlich verhält es sich bei der grundsätzlich vorgesehenen Trennung des Vollzugs der U-Haft bei jungen Gefangenen und bei den Besuchszeiten. Es wird ausdrücklich anerkannt, dass es ein Fortschritt ist, dass die Gesamtdauer des Besuchs bei erwachsenen Untersuchungsgefangenen in den ersten drei Monaten mindestens zwei Stunden im Monat und bei jungen UGefangenen mindestens vier Stunden im Monat beträgt. Bei Erwachsenen kann die Besuchsdauer aber aus personellen oder organisatorischen Gründen wieder auf eine Stunde im Monat reduziert werden. Eine Regelung über besondere Besuchszeiten für minderjährige Kinder von Untersuchungsgefangenen sucht man vergeblich.
Wie viel und wie lange Untersuchungsgefangene Besuch erhalten dürfen, hängt also von den organisatorischen und personellen Möglichkeiten in den einzelnen Anstalten ab. Wenn es nicht genügend Mitarbeiter gibt, was in den meisten Anstalten der Fall ist, gibt es auch keine Ausweitung der Besuchszeiten.
Meine Damen und Herren, wenn so, wie in diesem Gesetzentwurf, die Ausnahme zur Regel wird, ist es schon etwas gewagt, von einem großen Wurf oder einem Meilenstein zu reden.
Nichts von einem großen Wurf ist auch bei den Vorschriften zur Überwachung des Schriftwechsels, der Telekommunikation und dem Verkehr mit den Vertei
digern zu spüren. Dass die Telekommunikation auf Telefongespräche in dringenden Fällen beschränkt wird, ist nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar ist aber, dass dies nur gilt, soweit die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt dem nicht entgegenstehen.
Die Differenzierung der Regelungen über Besuche und die Kontrolle des Schriftwechsels von und mit Verteidigern und von und mit sonstigen Rechtsanwälten und Notaren widerspricht der Rechtsprechung und ist meines Erachtens nicht haltbar.
Zu einem Meilenstein hätte auch gehört, bedürftigen Untersuchungsgefangenen unter bestimmten Bedingungen ein Taschengeld für ihren Einkauf zu gewähren, so wie das im Referentenentwurf vom Mai 2009 noch vorgesehen war. Das hätte angeblich Kosten in Höhe von 500.000 Euro im Jahr verursacht. Es wurde deshalb gestrichen, und das angesichts von Steuermehreinnahmen in Höhe von drei Milliarden Euro und gleichzeitigen Steuersenkungen. Das ist erklärungsbedürftig.
Erfreulich ist, dass sich CSU und FDP ganz zum Schluss mit einem eigenen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der von ihr gestellten Regierung dazu durchringen konnten, wenigstens die Bemessungsgrundlage des Arbeitsentgeltes für erwachsene Untersuchungsgefangene von fünf auf neun Prozent der Bezugsgröße anzuheben, genauso wie bei Strafgefangenen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Untersuchungsgefangenen bei einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag 4,91 Euro erhalten. Das hatte im Übrigen auch die SPD beantragt, und da hat die Koalition dem SPD-Änderungsantrag zugestimmt. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ebenso wie die FREIEN WÄHLER mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen versucht, den Gesetzentwurf in Richtung eines modernen, liberalen Gesetzes zu verbessern. Leider ist aber nur einer der von uns gestellten Änderungsanträge angenommen worden. Der größte Mangel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist, dass es zu keinerlei Mehrausgaben kommen darf, weder in baulicher noch in personeller Hinsicht.