Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 95. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie die Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese Genehmigung ist wie immer auch vorab erteilt worden.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Sie bitten, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.
Am 4. Februar verstarb Herr Rudolf Faltermeier im Alter von 85 Jahren. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1962 bis 1966 an, war Mitglied des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden und vertrat den Wahlkreis Niederbayern für die SPD. Mehr als 55 Jahre nahm er auch ein Mandat im Kreistag von Kelheim wahr. Von 1967 bis 1978 stand er als Landrat an der Spitze des Landkreises. Die Gestaltung des Main-Donau-Kanals und die Entstehung des Kelheimer Hafens sind untrennbar mit seinem Namen verbunden, ebenso die Gründung der Bau- und Siedlungsgenossenschaft und der Aufbau der ThermalZweckverbände Bad Abbach und Bad Gögging. Für seine kommunal- und landespolitischen Leistungen wurde Rudolf Faltermeier mit dem Ehrenring in Gold des Kreistags, der Kommunalen Verdienstmedaille in Gold, der Ehrenbürgerwürde der Stadt Kelheim und mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber ausgezeichnet.
Frau Kollegin Maria Scharfenberg hatte am 4. Februar einen runden Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch noch im Nachhinein, Frau Kollegin, Gesundheit und weiterhin gutes Gelingen!
Einen halbrunden Geburtstag feierte am 6. Februar Herr Kollege Peter Schmid. Ich sehe ihn nicht. Wir gratulieren ihm ganz herzlich. Ich hoffe, dass es ihm gesundheitlich einigermaßen gut geht. Also, alle guten Wünsche begleiten ihn.
Heute hat Herr Kollege Markus Blume Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Blume! Alles Gute, gutes Gelingen und Gesundheit!
Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Länderfinanzausgleich - Grenze der Solidarität überschritten!"
Als ersten Redner darf ich für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Graf von und zu Lerchenfeld ans Mikrofon bitten. Für die Fraktion wurden zehn Minuten Redezeit beantragt. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Sicherlich hat dieses Hohe Haus selten eine Aktuelle Stunde erlebt, die von so vielen aktuellen Meldungen der verschiedenen Landesregierungen der Bundesländer begleitet wurde. Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen stellt schon das gesamte Finanzierungssystem zwischen Bund und Ländern infrage. Herr Kretschmann in BadenWürttemberg will den Länderfinanzausgleich ganz abschaffen. Ich glaube, wir in Bayern könnten das Ganze nur noch dadurch toppen, dass wir sagen: Wir treten aus der Bundesrepublik Deutschland aus.
Aber keine Sorge, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, so weit gehen wir nicht. Wir sind solidarisch mit den anderen Bundesländern, aber wir wissen auch, wann die Grenzen der Solidarität erreicht bzw. überschritten sind.
Bayern zahlt 3,7 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich, und im Umsatzsteuerausgleich werden uns noch einmal 1,7 Milliarden Euro abgezogen. Das heißt, ohne den Umsatzsteuerfinanzausgleich zahlen wir 10 % unserer gesamten Steuereinnahmen in den Länderfinanzausgleich ein, und wir finanzieren damit mehr als die Hälfte dieses gesamten Topfes.
In den Jahren, seit Bayern Geberland geworden ist und das ist noch nicht so lange her -, haben wir insgesamt mehr als 38 Milliarden Euro in den Topf eingezahlt. Das allein ist schon ganz schön bemerkenswert, besonders dann, wenn uns von manchen anderen Bundesländern vorgeworfen wird, wir seien undankbar, weil wir früher ein Nehmerland waren und uns jetzt aus der Solidarität herausstehlen wollten.
Wir haben - und das muss festgehalten werden - in all den Jahren, in denen wir als Nehmerland Mittel aus dem Finanzausgleich erhalten haben, 3,4 Milliarden Euro tatsächlich bezahlt bekommen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Bayern hat in den Jahren, in denen es ein Nehmerland war, weniger Geld erhalten, als es heute in einem Jahr in diesen Topf einzahlt. Außerdem hat es nominal bereits mehr als zehnmal so viel eingezahlt, wie es je daraus bekommen hat. Wer da von mangelnder Solidarität spricht, dem ist wirklich überhaupt nicht mehr zu helfen.
Stellen Sie sich doch einmal vor, was wir mit diesem Geld in Bayern alles Schönes hätten tun können. Wir hätten selbst bei vollständiger Schuldentilgung in Bayern noch ungeheure Mittel für Investitionen in Bildung, in Familie und in Innovation zur Verfügung gehabt. Trotz dieser Belastungen durch den Länderfinanzausgleich investieren wir hier vorbildhaft. Man muss sich aber überlegen: Was passiert gleichzeitig in den anderen Geberländern, in Hessen, in Baden-Württemberg? Diese beiden Länder zahlen jeweils ungefähr 1,7 Milliarden Euro in den Finanzausgleich und müssen dafür selber Schulden aufnehmen. So ein System ist doch wirklich hirnrissig.
In meinen Augen ist interessant, dass inzwischen auch die ostdeutschen Bundesländer, die in erheblichem Umfang Nehmerländer sind, zu der Auffassung gelangt sind, die wir in Bayern vertreten. Bereits im Mai vorigen Jahres haben wir auf der Tagung der finanzpolitischen Sprecher der Unionsfraktionen festgestellt, dass dringender Handlungsbedarf gegeben ist, den Länderfinanzausgleich zu reformieren und vernünftig neu zu regeln.
Ich war sehr erfreut darüber, dass die Einigkeit mit anderen Bundesländern tatsächlich gegeben ist. Auch sie haben erkannt, dass die derzeitige Regelung für die einzelnen Länder überhaupt keinen Anreiz bietet, höhere Einnahmen zu erzielen, weil bis zu 90 % und zum Teil sogar über 90 % der Mehreinnahmen eines Landes durch den Mechanismus des Ausgleichs weggesteuert werden. Der Länderfinanzausgleich ist intransparent und hat absolut anreizfeindliche Strukturen.
Ich gehe nicht so weit wie der baden-württembergische Ministerpräsident, der den Länderfinanzausgleich als "absolut bescheuert" bezeichnet hat, aber
es muss allen Beteiligten zu denken geben, dass es bisher nur ein einziges Land gegeben hat, das in der gesamten Zeit des Länderfinanzausgleichs vom Nehmer- zum Geberland geworden ist. Gleichzeitig muss man aber auch überlegen, dass sehr viele frühere Geberländer inzwischen Nehmer- bzw. Empfängerländer geworden sind. Das zeigt einmal mehr, wie hervorragend die bayerische Politik in den letzten Jahrzehnten gewesen ist, die zum Wohlstand des Landes und zum Wohlstand der Bevölkerung beigetragen hat und dazu beiträgt, andere Länder mitzufinanzieren, z. B. Berlin und ähnliche Bundesländer.
(Beifall bei der CSU und der FDP - Harald Güller (SPD): Daran sieht man, wie NRW von eurer CDU-Regierung niedergemacht worden ist!)
Es wird ganz klar und deutlich, dass überall dort, wo die Unionsfraktionen nicht an der Regierung beteiligt sind, auch nicht vernünftig gewirtschaftet wird. Dort werden die Leute ärmer. Die Länder verkommen. Die Situation verschlechtert sich meistens deutlich.
Im Jahr 2019 laufen die Regelungen zum Länderfinanzausgleich aus. Gleichzeitig endet der Solidarpakt, und nach der letzten Grundgesetzänderung greift in den einzelnen Ländern auch die Schuldenbremse. Auf die Haushalte der einzelnen Bundesländer kommen erhebliche Probleme zu, deren Auswirkungen wahrscheinlich noch nicht abgesehen werden. Deswegen müssen wir frühzeitig notwendige Korrekturen beim Länderfinanzausgleich einleiten.
Als Erstes muss der Mechanismus gebrochen werden, nach dem Bayern ständig steigenden Belastungen ausgesetzt wird. Wir brauchen dringend eine klare Begrenzung der Mittel, die wir in den Topf einzahlen. Wir brauchen eine Belastungsobergrenze, die angemessen ist.
Der Ausgleich muss außerdem so umgestaltet werden, dass ausreichend Anreize vorhanden sind, die eigene Steuerkraft zu stärken. Eine Abschöpfung von Mitteln, die über 90 % hinausgeht, ist unsinnig und kann nicht weiter aufrechterhalten werden.
Des Weiteren brauchen wir dringend eine systematische Belohnung der Länder, die ihre Haushalte in Ordnung halten und sanieren. Es darf nicht sein, dass wir uns hier in Deutschland sogar parteiübergreifend darin einig sind, dass wir auf der einen Seite Sanktionsmechanismen auf europäischer Ebene brauchen, die eine weitere Schuldenaufnahme verhindern, auf der anderen Seite solches in Deutschland als Aktio
nismus zurückweisen. Wir brauchen Stabilitätsmechanismen mit einer entsprechenden Sanktion auch für die Länder, die ihre Haushalte nicht sanieren.
Der Vorschlag aus Baden-Württemberg, den Länderfinanzausgleich ganz abzuschaffen und nur noch das vertikale System zu erhalten, ist sehr interessant, erfordert aber sehr weitgehende Änderungen. Abgesehen von einer Grundgesetzänderung, die notwendig wäre, müssten wir uns dann natürlich auch fragen, ob wir nicht die gesamte Länderfinanzverfassung in Deutschland infrage zu stellen und neu zu regeln hätten.
Wir müssten dann dazu kommen, dass wir die Steuerhoheit z. B. für diejenigen Steuern an die Länder zurückgeben, die sie selber festlegen können. Wir müssten uns überlegen, ob wir nicht einen vernünftigen Steuerwettbewerb zwischen den Ländern einführen. Wir müssten uns überlegen, die Steuereinnahmen in denjenigen Ländern zu belassen, wo die Steuerquellen liegen, wo sie von der Bevölkerung, von guten Unternehmern und fleißigen Arbeitnehmern tatsächlich erwirtschaftet werden.
Wir haben immer gesagt: Wir sind gern bereit, Verhandlungen zur Änderung des Länderfinanzausgleichs aufzunehmen. Wir sind gern bereit, mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung darüber zu sprechen, wie man einen Länderfinanzausgleich vernünftig und zukunftsweisend gestalten kann. Aber wenn es nicht möglich ist, die Unwuchten, die in diesem System liegen, durch Verhandlungen zu beseitigen, bleibt uns nur der Weg vor das Gericht. Dort muss dann möglichst bald die Entscheidung herbeigeführt werden, dass Bayern zu dem Geld kommt, das ihm zusteht, weil es von seiner Bevölkerung erarbeitet wird.
Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Kollegen Halbleib das Wort. Für ihn wurde von der Fraktion eine Redezeit von zehn Minuten beantragt.
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Opposition des Bayerischen Landtags ist es immer wieder eine gute Sache, wenn sich die CSU dem Länderfinanzausgleich zuwendet. Denn der Länderfinanzausgleich - das ist die positive Botschaft, die bei uns ankommt - kommt immer dann zum Vorschein, wenn die Qualität der eigenen Regierungsarbeit nicht mehr ausreicht, die eigenen Anhänger zu motivieren und zu überzeugen.
Das war das gleiche Prinzip, als in Baden-Württemberg Landtagswahlen anstanden. Ministerpräsident Mappus hat das in Baden-Württemberg auch durchexerziert. Uns ist es nur recht, wenn Herr Ministerpräsident Seehofer uns politisch den Mappus macht, weil das politische Schicksal von Herrn Mappus bekannt ist. Ihm hat all die Demagogie und all die Polemik beim Länderfinanzausgleich nichts genutzt, sondern er wurde abgewählt, und zwar zu Recht.
Danke schön für die positiven Rückmeldungen. Die nächste Freude, die Sie uns bereiten, ist, dass Sie uns immer wieder Gelegenheit geben, darauf hinzuweisen, dass dieser Länderfinanzausgleich, den Sie so deutlich kritisieren, in seiner Ausgestaltung nichts anderes ist als der Länderfinanzausgleich, den der damalige Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber selbst ausgehandelt und im Bayerischen Landtag an diesem Redepult als großen Erfolg für Bayern gefeiert hat. Sie haben ihm bei dieser Gelegenheit zugejubelt. Darauf können wir am heutigen Tage hinweisen.