Protokoll der Sitzung vom 09.11.2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Landesentwicklungsprogramm steuert die Entwicklung von Bayern. Es setzt Leitplanken und sollte ein wahres Zukunftskonzept sein. Die geplanten Änderungen, über die wir heute diskutieren, stellen aber einen echten Dammbruch dar. Wenn die Änderungen wie geplant umgesetzt werden, wird Bayern sein Gesicht verlieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In unsere schöne Kulturlandschaft werden immer mehr hässliche Narben geschlagen – Parkplätze, Logistikhallen und Hotelburgen. Sie werden dort sein, wo vormals schöne grüne Landschaften waren. Das Zukunftskonzept der CSU-Regierung heißt in Wahrheit: Betonfetisch. Was uns in den letzten Jahren vorgelegt worden ist und über was wir heute diskutieren, lässt sich für mich in drei Worten zusammenfassen: Wachstumsgeil, neoliberal und verantwortungslos.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Über 40 Jahre lang haben das Landesentwicklungsprogramm und der Alpenplan gute Dienste geleistet. Sie haben Entwicklungen geleitet und Leitplanken gesetzt. Das LEP ist vielleicht den meisten Bürgern in Bayern nicht bekannt. Aber jede und jeder stellt fest, dass sich bei uns gewaltig was geändert hat. Mittlerweile sehen unsere Orte alle gleich aus, wenn man von außen in sie hineinfährt – Discounter, Supermärkte und Parkplätze am Ortsrand, und in den Innenstädten befinden sich leerstehende Ruinen. Das sind die Auswirkungen einer maßgeblichen Änderung aus dem Jahr 2013. Mit dieser Änderung wurde die Flä

che von Nahversorgungsläden von 800 auf 1.200 m2

erhöht. Heute sehen wir die Folgen dieser Änderung. Das sind die Ergebnisse der CSU-Politik. An diesem Beispiel offenbart sich, wie viel Fingerspitzengefühl das Projekt Landesplanung erfordert. Fingerspitzengefühl und Markus Söder passen jedoch überhaupt nicht zusammen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, anstatt solche Fehlentwicklungen zu erkennen, machen Sie es immer schlimmer. Aus der Mottenkiste der 70erJahre holen Sie Konzepte heraus, die nur den blinden Wunsch nach einem ungezügelten Wirtschaftswachstum verfolgen. Herr Huber, darf ich Ihnen noch etwas zum Mitschreiben mitgeben? – Heute haben Sie gesagt, es mache keinen Unterschied, ob ein Projekt angebunden sei oder nicht, da es den gleichen Flächenverbrauch habe. Im Rahmen des Projekts InterFranken in meiner Region an der Schnittstelle der A 6 und der A 7 sollen 67 Hektar Gewerbefläche veräußert werden. Die Erschließungsstraße AN 4 neu benötigt 35 Hektar. Um von den Autobahnanschlussstellen in das Gebiet zu gelangen, brauchen wir Ortsumfahrungen mit einem Flächenverbrauch von 44 Hektar. Die innere Erschließung benötigt 14 Hektar. Das sind summa summarum 160 Hektar für 67 Hektar veräußerbare Gewerbegebietsfläche. Jetzt sagen Sie mir noch einmal, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Projekt angebunden ist oder nicht. – So ein Schwachsinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die geplante Zubringerstraße AN 4 neu für das InterFranken-Projekt kostet 15 Millionen Euro. Hierfür gibt es einen Zuschuss von 80 %. Deshalb rufen alle Bürgermeister "Hurra". Aber der Steuerzahler zahlt das. Der Geschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, Herr Braun, hat in der Anhörung ganz klar gesagt: Der Verzicht auf eine Anbindung verursacht enorme Kosten für leitungsgebundene Infrastrukturen. Frau Karl hat das eben schon erwähnt. Wir brauchen Straßen, Wasser, Abwasser, Strom, ein Gasnetz und schnelles Internet. Diese Kosten summieren sich zu enormen Beträgen. Herr Braun sagt ganz klar: Das sind versunkene Investitionen. Volkswirtschaftlich ist das nicht tragbar, Herr Huber.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In meinem Landkreis Ansbach haben wir 1.100 Hektar freie Gewerbeflächen. Herr Huber hat heute gesagt, dass es aufgrund des Immobilienmarktes schwierig sei, Flächen zu bekommen. – So ein Schmarrn. Wir haben sehr viele freie Flächen. Bei uns beträgt die Arbeitslosenquote 2,8 %. Wir haben Vollbeschäftigung. Die Preise für Gewerbeflächen sind bei uns in der Region mittlerweile so niedrig, dass sich die Kommunen gegenseitig unterbieten. Das ist die Realität im ländlichen Raum. Wenn Sie in Nürnberg und München bleiben, haben Sie den ländlichen Raum nicht verstanden. Sie wissen nicht, was dort notwendig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Änderungsantrag Ihrer Fraktion ändert gar nichts. Dort heißt es: Keine wesentliche Beeinträchtigung. Es ist kein Kriterienkatalog festgelegt worden. Das ist total Wischiwaschi. Es wird eine Klageflut kommen. Zum Beispiel InterFranken A 6/A 7: Was heißt hier "keine wesentliche Beeinträchtigung", wenn es sich um ein Autobahnkreuz handelt? Wie müssen hier die Logistikhallen ausschauen, damit es eine wesentliche Beeinträchtigung darstellt? Wie soll ein Alternativstandort ausschauen, wenn man so größenwahnsinnige Projekte hat wie dort? Was Sie hier gemacht haben, ist reine Kosmetik. Deswegen haben wir das auch ganz klar abgelehnt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber es geht nicht nur um die Verschandelung unserer Landschaft und um die Verödung der Innenstädte. Das ist schon schlimm genug. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass wir in Bayern momentan einen Flächenfraß von 15 Hektar pro Tag haben. Das entspricht pro Jahr der Fläche des Ammersees. Das kann man sich einfach nicht vorstellen. Diese Fläche geht von der landwirtschaftlichen Nutzfläche eins zu eins ab. In den letzten 20 Jahren verringerte sich die landwirtschaftliche Nutzfläche um 7 %. Das ist die Nutzfläche von 8.200 landwirtschaftlichen Betrieben, denen man buchstäblich den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Kollege Nussel, der nach mir sprechen wird, wird dann sicher sagen, daran seien die Ausgleichsflächen schuld. Das ist das, was die GRÜNEN doch immer fordern. Herr Nussel, ich weiß, Sie wiederholen mantraartig immer Ihren gleichen Spruch.

(Walter Nussel (CSU): Weil es stimmt! Weil ihr das sonst nicht versteht! )

Wenn man InterFranken nicht macht, braucht man auch keine Ausgleichsflächen. So wird ein Schuh daraus.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

Vor Kurzem hat sich ein Landwirt aus meiner Region an mich gewandt, der bis jetzt CSU-Wähler war, es wahrscheinlich aber nicht mehr lange bleiben wird.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

Er hat einen Milchviehbetrieb mit 70 Hektar und hat die Hälfte davon gepachtet. Am anderen Rand unseres Landkreises sucht eine Kommune Tauschflächen. Sie will ein Gewerbegebiet und eine Umgehungsstraße bauen. Jetzt kauft die Kommune diese Tauschflächen im Landkreis des Landwirts ein. Hier geht es um 20 Hektar. Mit dem Preis von 5 Euro, den die Kommu

ne bietet, kann der Landwirt nicht mithalten. Jetzt steht er vor der Frage, entweder den Betrieb aufzugeben, weil er sich bei der derzeitigen Landwirtschaftspolitik nicht verkleinern kann, oder auf den verbleibenden 50 Hektar noch weiter zu intensivieren. Das bedeutet noch mehr Düngemittel und noch mehr Spritzmittel.

Damit sind wir beim nächsten Problem. Wir haben ein unglaubliches Insektensterben. Seit 1980 ging die Zahl der Insekten um 75 % zurück. Wenn der soeben erwähnte Landwirt auf seinen 50 Hektar nun noch mehr düngt und spritzt, wird die Anzahl der Insekten sicherlich nicht zunehmen. Das Insektensterben wird noch dramatischer werden. Es geht immer weiter nach unten. Sie heizen diesen Prozess weiter an. Das ist wirklich verantwortungslos.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen mit dem Flächenverbrauch runter. Unser Ziel sind maximal fünf Hektar am Tag. Dazu haben wir auch einen Gesetzesantrag eingebracht. Hierfür kämpfen wir momentan auch mit einem Volksbegehren. Fünf Hektar lassen Platz für genügend Entwicklung. Sie werden zwar aufgeteilt, aber dahinter steht ein sehr gutes Konzept. Wir stellen uns also die Landesentwicklung und den Erhalt unserer schönen Heimat ganz anders vor.

Wir haben sieben Anträge und einen Gesetzesentwurf eingebracht. Wir wollen die Zersiedelung stoppen. Das Anbindegebot soll erhalten bleiben. Die Kommunen erstellen ein Kataster, wie viel freie Gewerbeflächen sie noch haben. Sie betreiben ein LeerstandsManagement. Sie nehmen die Gewerbeunternehmen an die Hand und schauen erst einmal nach Leerständen, auf denen zuerst gebaut werden könnte. Sie gehen erst dann, wenn wirklich nichts mehr vorhanden ist, auf die grüne Wiese.

Wir haben das Konzept "Kurze Wege für den Klimaschutz", das eine Anbindung der Gewerbegebiete an den öffentlichen Personennahverkehr fordert. Zentrale Orte sollen nicht inflationär ausgewiesen werden. Wir wollen ein funktionierendes Netz von starken Zentren und wollen gezielte Hilfen. Hier kann es dann für strukturschwache Regionen auch ein bisschen mehr sein. Das ist besser als das Gießkannenprinzip des bestehenden Landesentwicklungsplans, das die Hälfte Bayerns zu Raum mit besonderem Handlungsbedarf erklärt. Wir brauchen auch Lösungen für stark wachsende Ballungsräume. Hier hat Herr Söder keinerlei Konzept. Hier ist nichts enthalten.

Lebendige Ortskerne sind für uns ganz wichtig. Ich habe schon zu Beginn erwähnt, dass die Vergröße

rung von 800 m2 Fläche für Nahversorgungsbetriebe

auf 1.200 m2 im Jahr 2013 enorme Konsequenzen hat. Ich möchte das noch einmal an einem Beispiel sichtbar machen: Neulich hat mich eine ältere Frau aus Merkendorf angesprochen: Wenn jetzt die Umgehungsstraße für ihren Ort kommt und der Bürgermeister draußen ein Gewerbegebiet ansiedelt, dann wird der Supermarkt in dieses Gewerbegebiet am Ortsrand ziehen. Dann entsteht eine Barriere. Ich habe die Frau gefragt, warum das für sie dann nicht mehr barrierefrei sei. Sie sagte, dass sie es als ältere Frau nicht mehr schaffe, den Kilometer an den Ortsrand hinauszugehen. Das stelle für sie eine echte Barriere dar.

Ich kann mich noch an die Regierungserklärung von Horst Seehofer erinnern. Hier war vom großen Projekt Barrierefreies Bayern die Rede. Sie machen genau das Gegenteil, Sie schaffen Barrieren. Durch Sie hat diese Frau keine Einkaufsmöglichkeiten mehr. Das

liegt an der Erhöhung von 800 auf 1.200 m2. Bislang

hat der Supermarkt in der Innenstadt 650 m2 Ver

kaufsfläche. Würde er im Gewerbegebiet nur 800 m2

bekommen, würde er nicht rausgehen. Wenn er sich aber verdoppeln kann, dann macht er es. Das ist das, was ich eben mit Fingerspitzengefühl meinte. Hier müssen Sie noch viel dazulernen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für uns sind auch Erfolgskontrolle und Monitoring wichtig. Momentan liefert uns der Finanzminister Söder einen Heimatbericht, der vor Selbstlob und Selbstbeweihräucherung nur so trieft. Da steckt aber nichts an Zukunftsplanung drin. Hier gibt es auch keine Überlegungen darüber, was funktioniert hat und was nicht. Diesen Heimatbericht können Sie wirklich steckenlassen. Wir brauchen klare Ansagen, wie es weitergehen und wie sich Bayern entwickeln soll.

Zum Schluss noch zum Alpenplan. Herr Huber, das war heute nicht gerade Ihre beste Rede.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Aber Ihre auch nicht! – Zuruf von der SPD: Plauderei!)

Sie haben hier rumschwadroniert, und das Beste war, was Sie zum Alpenplan gesagt haben: Sie haben gesagt, Sie wollen den Alpenplan jetzt ändern, um dann am Riedberger Horn nicht zu bauen. Diese Aussage am Schluss müssen Sie mir noch einmal erklären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mein Kollege Thomas Gehring wird später noch einmal genauer auf den Alpenplan eingehen. Ich will hier nur noch ein paar Worte dazu sagen: In diesem Al

penplan sollen zwei Übungslifte miteinander verbunden werden. Hier wird ein Lift gebaut, der gerade einmal einen Höhenunterschied von 200 Metern überwindet. Das ist an einem Südhang. Wir wissen aber doch, dass wir im Alpenraum vier Grad Temperaturerhöhung haben werden. Hier wird es im Winter nicht mehr schneien, sondern regnen. Hier hauen Sie eine Schneise in ein stark geschütztes Gebiet und opfern dafür den Alpenplan. Für einen solchen Schwachsinn zerstören Sie den Kernlebensraum des Birkhuhns. Ich muss wirklich sagen: Finger weg vom Alpenplan! Das kann so nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Die Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein haben genügend Einnahmen. Sie könnten Konzepte für naturnahen und zukunftsfähigen Tourismus erstellen. Dazu müssen wir diese Gemeinden bringen.

Wir kämpfen mit allen Mitteln gegen den Ausverkauf unserer Heimat. Die CSU hat im Landtag alle unsere Anträge abgelehnt. Sie hat die Meinung der Experten komplett in den Wind geschlagen.

(Erwin Huber (CSU): Das stimmt doch nicht!)

Bei den Bürgern draußen spüren wir aber, dass sie die Nase von der Betonwut der CSU voll haben. Unser Volksbegehren "Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen" findet auf der Straße Zustimmung über alle Parteigrenzen hinweg. Das sollte Ihnen eine Lehre sein. Hören Sie auf diese Menschen und hören Sie nicht nur auf Wirtschaftsbosse, Hoteliers, und Skiliftbetreiber! Stimmen Sie unseren Anträgen zu und stimmen Sie heute gegen diese Änderung des Landesentwicklungsplans! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)