Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir behandeln heute in der Mitteilung des Senats mit der Drucksachen-Nummer 15/1334 wieder einmal das sehr wichtige Thema „Förderung des Ehrenamtes im Sport“. Meine Damen und Herren, nun frage ich Sie allen Ernstes: Wie oft, wie lange wollen Sie eigentlich noch das sehr wichtige Thema „Förderung des Ehrenamtes im Sport“ ohne effektive Umsetzung der bereits am 18. September 2002 im Antrag geforderten und beschlossenen Maßnahmen diskutieren und debattieren? Nachdem ich mir nämlich die Mitteilung des Senats durchgelesen habe, bin ich der Meinung, dass die dort bis jetzt eingeleiteten Maßnahmen zur Förderung des Ehrenamtes im Sport bei weitem nicht ausreichen werden, um eine effektive Förderung des Ehrenamtes im Sportbereich zu gewährleisten. Das
heißt, die Mitteilung des Senats ist eigentlich eine Bankrotterklärung an den Bremer und Bremerhavener Sport, an die Sportvereine, an die Sportler und an die vielen ehrenamtlichen Helfer.
Meine Damen und Herren, zwar heißt es da unter Punkt drei, ich darf einmal vorlesen: „Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, bis zum 31. Dezember 2002 einen Arbeitskreis unter Beteiligung von Vertretern und Vertreterinnen des Sports einzurichten, die sich unter anderem mit folgenden Fragestellungen befassen und konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten soll.“ Da heißt es unter anderem: „Erarbeitung eines Konzeptes zur Einführung einer ‚Ehrenamtscard’, Möglichkeiten der Ausweitung der gesetzlichen Unfallversicherung für Vorstandsmitglieder von Vereinen und Verbänden, Möglichkeiten der Berücksichtigung steuerlicher Begünstigungen, auch für lizenzierte Jugendleiter, Erweiterung der so genannten Übungsleiterpauschale, Möglichkeiten der steuerlichen Berücksichtigung von Tätigkeiten der Mitglieder von Vorständen im Bereich des Sports, bessere Koordination der Bereiche Sport und Schule.“
„Unter Federführung des Sportressorts hat insbesondere zum vorgenannten Themenkreis am 28. November 2002 mit Vertretern der beteiligten Ressorts und des Landessportbundes Bremen eine erste Besprechung stattgefunden.“ Das ist ja schon einmal niedlich, eine erste Besprechung! „Dabei ist vor allem die weitere Vorgehensweise abgestimmt und zwischen den Beteiligten zu den einzelnen Sachfragen die Abarbeitung von Prüfaufträgen verabredet worden.“
Meine Damen und Herren, mir ist aber bis heute nicht bekannt, und diese Besprechung fand, wie schon erwähnt, am 28. November 2002 statt, dass die Abarbeitung von Prüfaufträgen bis heute irgendeinen effektiven, ersichtlichen und spürbaren Nutzen zum Wohle des Sports und der Vereine in Bremen und Bremerhaven gebracht hätte, geschweige denn, dass irgendwelche effektiven Maßnahmen zur Förderung des Ehrenamtes im Sport eingeleitet worden wären! Sie sehen, Sie sind mit Ihrer verfehlten und gescheiterten Sportpolitik genauso weit wie vorher. Die Sportler, die Vereine und die ehrenamtlichen Helfer werden von Ihnen auch weiterhin unverantwortlich im Stich gelassen. Ihre Sportpolitik und die Mitteilung des Senats mit der DrucksachenNummer 15/1334 sind eine einzige und eindeutige Bankrotterklärung!
Meine Damen und Herren, Sie standen am 18. September, als Sie Ihren Antrag „Förderung des Ehrenamtes im Sport“ eingereicht haben, einen Schritt vor dem Abgrund, heute, am 22. Januar, sind Sie schon zwei Schritte weiter. Meine Damen und Herren, deshalb sage ich es Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit, diese große Koalition, bestehend aus SPD und CDU, hat durch eine unfähige Politik im wichtigen Sportbereich, durch eine unverantwortliche drasti
sche Mittelkürzung die sehr schlechten Rahmenbedingungen der Bremer und Bremerhavener Sportvereine politisch zu verantworten. Durch Ihre verfehlte Politik haben Sie viele Sportvereine in den finanziellen und wirtschaftlichen Ruin geführt. Durch Ihre Politik der ruhigen Hand, vorgemacht von Herrn Schröder, durch Ihr politisches Nichthandeln haben Sie die Förderung des Ehrenamtes im Sport fast zum Stillstand gebracht, fast zum Erliegen gebracht. Daran hat sich trotz Ihrer großartigen, vollmundigen Versprechungen bis heute nichts geändert.
Darum fordere ich Sie noch einmal auf: Halten Sie hier nicht unendlich lange Schaufensterreden, sondern handeln Sie endlich effektiv, aktiv im Sinne des Bremer Sports, der Vereine und der Sportler, und fördern Sie das Ehrenamt im Sport so, wie es seinem gesellschaftlichen Stellenwert auch angemessen ist, denn man kann diesen freiwilligen Helfern, ehrenamtlichen Übungsleitern sowie den Vereinsfunktionären für ihre zum Teil unentgeltliche und unermüdliche Vereinsarbeit gar nicht oft genug danken!
Meine Damen und Herren, ich jedenfalls möchte im Namen der Deutschen Volksunion den vielen ehrenamtlichen Helfern für ihre aufopferungsvolle Arbeit meinen aufrichtigen Dank aussprechen verbunden mit der Hoffnung, dass die politisch verantwortlichen Politiker diese aufopferungsvolle Arbeit auch endlich einmal achten, anerkennen und würdigen, indem sie endlich die schon beschlossenen politischen Beschlüsse zum Wohle des gesamten Bremer Sports schnellstens effektiv und spürbar umsetzen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will das nicht alles wiederholen, was hier erwartet wird von der Antwort des Senats, aber ich kann es mir eigentlich nicht verkneifen, ein paar Worte an Herrn Tittmann zu richten. Herr Tittmann, wenn Sie seit 1995 hier in der Bürgerschaft mitgearbeitet haben, müssten Sie eigentlich feststellen, was gerade im Sportbereich im Land Bremen geschehen ist! Nie zuvor sind diese Mittel in den Sport geflossen, und nie zuvor haben wir so viel für den Sport in Bremen getan.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, bevor ich auf die Antwort des Senats eingehe, ein paar Anmerkungen über Ehrenamt und das Allgemeine im Sport, aber auch im Bereich der Hilfsorganisationen zu formulieren! Viele Menschen im Land Bremen setzen sich freiwillig für andere Menschen ein. Nach neuesten Studien sind über 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich in
Deutschland tätig. Trotz dieser hohen Bereitschaft, sich zu engagieren, hat sich in den letzten Jahren das Gemeinwesen auch hier in Bremen stark verändert. Obwohl noch nie so viel Geld für soziale Zwecke ausgegeben wurde, sind nach wie vor in vielen Bereichen Mängel festzustellen.
Gleichzeitig hatten wir noch nie so viele einsame Menschen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Entscheidende Faktoren sind eine Reduzierung der sozialen Funktionen von Familien in einzelnen Fällen bis zum völligen Wegfall, ein zunehmender Trend zum Rückzug ins Private sowie eine veränderte Lebensführung der Bürger in einer flexiblen und globalen Weltwirtschaft. Es ist festzustellen, dass wesentliche Fragen der Qualität unseres Zusammenlebens nicht immer über die Politik zu organisieren und durch finanzielle Mittel zu lösen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger des Landes Bremen müssen bei ihrem freiwilligen Engagement entlastet werden. Das ist auch der Sinn der Großen Anfrage. Ich kann hier schon anmerken, ganz zufrieden bin ich mit der Antwort des Senats nicht, denn gerade im Bildungsurlaubsbereich für Übungsleiter im Sportbereich, aber auch für Hilfsorganisationen sind Verbesserungen vonnöten. In der Antwort des Senats mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkenne ich allerdings die engen Grenzen. Bei einer neuen Gestaltung des Gesetzes sehe ich aber trotzdem Handlungsbedarf für Verbesserungen.
Der Ruf nach mehr freiwilligem Engagement ist keine Reaktion auf leere Kassen und darf nicht zu Sparzwecken missbraucht werden. Vielmehr geht es darum, gesellschaftliche Teilhabe zu fördern und das Leben des Einzelnen sowie der Gesellschaft menschlicher und sinnerfüllter zu gestalten. Darum sage ich hier vor der Bürgerschaft noch einmal ganz deutlich: Weder das Land noch der Markt können die anstehenden Zukunftsaufgaben allein bewältigen. Mehr denn je kommt es auf die Bürger selbst, auf ihr freiwilliges Engagement und ihre Beteiligung an. Ehrenamt, Freiwilligkeit und Bürgersinn gewinnen eine zentrale Bedeutung für die Reform des Sozialstaates für eine moderne Wirtschaft, eine erneuerte Demokratie. Wer daher das Ehrenamt für einen verstaubten Begriff oder einen alten Hut aus der Mottenkiste hält, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Ehrenamtliches freiwilliges Engagement ist gelebte Freiheit in unserem Alltag, gehört zu unserem sozialen Kapital. In einer aktiven Bürgergesellschaft ist der Sinn von Arbeit nicht ausschließlich auf die Erwerbsarbeit konzentriert. Vielmehr muss die Vielfalt von Tätigkeiten anerkannt und vom Staat gefördert werden. Dazu gehört neben der traditionellen und professionellen Berufsarbeit das ehrenamtliche
Engagement in Politik und Parteien, in Sportvereinen und Verbänden, im Jugendbereich, Nachbarschaftshilfe, Caritas sowie freiwilliger Feuerwehr. Ich könnte noch einige mehr nennen. Es ist ein großer Kreis mit vielen Möglichkeiten, eine Gesellschaft, die keinen ausschließt, sondern Chancen eröffnet für die Menschen mit all ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, eine Gesellschaft, die Freiheit mit einem Teil Gerechtigkeit verbindet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, neue Studien und Umfragen haben zweierlei gezeigt: Zum einen trägt der Wertewechsel entgegen manchem Urteil zu einem größeren freiwilligen Engagement bei. Das Streben nach Selbstentfaltung unterminiert und schwächt nicht das Ehrenamt, sondern im Gegenteil, insgesamt gesehen wird es dadurch kräftig unterstützt und mitgetragen. Traditionelle Tugenden der Hilfe und Pflicht, das können wir heute besser erkennen, schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Altes und neues Ehrenamt dürfen deshalb nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wer für die Verbreitung des Ehrenamts eintritt, sollte deswegen die ganze Bandbreite der Motive einbeziehen.
Wir brauchen eine große Vielfalt in der Ansprache und bei den Angeboten des ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements, die mit den Vorstellungen und Wünschen des Menschen in ihren unterschiedlichen Lebensphasen in einer gewandelten Gesellschaft korrespondieren. Das Potential derjenigen, die bereit sind, sich zu engagieren, ist größer, als wir immer vermutet haben. Nach meinen Erkenntnissen engagieren sich fast 40 Prozent der Bürger in ehrenamtlichen Tätigkeiten. Damit nimmt Deutschland im internationalen Vergleich einen guten Platz ein.
Es würden auch bei uns in Bremen noch viele Bürger mitmachen, um ein Ehrenamt auszuführen. Viele brauchen einen persönlichen Anstoß, die direkte Aufforderung, das Aufzeigen von Möglichkeiten. Darum appelliere ich an alle Bremer Bürger, für die Bewältigung des Strukturwandels im Sinne einer aktiven Bürgergesellschaft nicht nur das bisherige Engagement zu stärken, sondern auch brachliegendes Potential zu erschließen! Je mehr Bürger sich beteiligen, vor allem in den kleinen, überschaubaren Vereinen und Verbänden, desto größer ist auch der Pool an kreativen Ideen zur Gestaltung der Gesellschaft, in der wir künftig in Bremen und Bremerhaven leben wollen.
Das Land Bremen kann für Verbesserungen sorgen, wo administrative Hindernisse das freiwillige Engagement erschweren. Modernes Ordnungsdenken setzt die Rahmenbedingungen für ein neues Zusammenleben von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nach dem Wert von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, den Prinzipien von Föderalismus und Subsidiarität, den Haltungen von Verantwortung, Leistung, Selbständigkeit und Freude am Engagement. In dieser Perspektive gehören Staat, soziale Markt
wirtschaft, Verbände und Bürger zusammen. Sie gewinnen ein neues Verhältnis untereinander, stützen sich gegenseitig, bauen Brücken zueinander, sie bilden das magische Viereck der aktiven Bürgergesellschaft, die den Wandel als Chance der Neugestaltung begreift.
Diese sichtbaren und unsichtbaren Hände sind der Grundstock einer starken Demokratie. Sie bilden unser wirtschaftliches, unser politisches, unser soziales Kapital. Alles, was einem wertvoll ist, bedarf der Obhut und Pflege. Das gilt auch hier in Bremen. Wir haben allzu lange das soziale Kapital unserer Gesellschaft für selbstverständlich gehalten. Angesichts von Erosionserscheinungen sehen wir heute immer dringlicher, dass das soziale Kapital und menschliche Ressourcen der Hege und Pflege, der Erziehung und Bildung, der Erneuerung und Weiterführung bedürfen. Warum werden ehrenamtlich Engagierte noch immer oft belächelt? Wir haben uns hier im Haus zu fragen, ob wir das nicht ändern müssen.
Ich beende den Satz noch eben! Warum wird beispielsweise ein Computerprogrammierer um ein Mehrfaches besser bezahlt als jemand, der ältere Menschen pflegt? Das bedeutet auch die Förderung einer anerkennenden Kultur für Ehrenamt und Freiwilligentätigkeit in den unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich könnte noch anderthalb Stunden darüber sprechen, aber ich höre erst einmal auf! – Danke fürs Zuhören!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorweg vielleicht noch die Fragestellung, die ich noch einmal hier aufwerfe: Wir haben eine sehr umfangreiche und detaillierte Debatte am 18. September geführt, wir haben hier einen Beschluss gefasst, der einstimmig in diesem Haus gefällt worden ist. Wir wollten auch ein Stück mit dieser Berichterstattung Bilanz ziehen, wo wir stehen.
Gestatten Sie mir aber doch noch einmal als Einstieg, Bezug zu nehmen auf den Landessporttag des Landessportbundes Bremen Ende des letzten Jahres, wo Vertreter aller demokratischen Parteien auch dabei waren, wo wir teilgenommen haben an der Diskussion, an der Debatte! Ich möchte noch einmal sagen, es ist deutlich geworden von der Geschichte, von der Aussage, wofür die Sportbewegung in Bremen steht, nämlich für Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, für eine Sportbewegung, die auf Fairness ausgerichtet ist, die ausgerichtet ist insbesondere auch gerade gegen Ausländerhass und für Freundschaft aller Sporttreibenden. Das steht diametral dem gegenüber, was von dem Abgeordneten Tittmann hier gesagt worden ist.
Ich möchte hier im Namen aller Abgeordneten sagen, dass wir das nicht so stehen lassen können und dass wir das hier auch auf das schärfste zurückweisen, denn die Sportbewegung dieser Stadt steht in einer Tradition, die auch in den dunkelsten Zeiten unserer Geschichte hier für die Sportbewegung und auch für die Demokratie eingestanden ist, und wir möchten, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Meine Damen und Herren, Frau Krusche hat nun den Aufschlag gemacht, und ich fand, in vielen Punkten kann man das auch nachvollziehen, aber ich glaube, der entscheidende Punkt ist ein anderer. Wenn ich die Debatte am 18. September richtig verstanden habe, dann haben wir uns doch darüber verständigt, dass es in erster Linie auch darum geht, wie wir in der gesamten Gesellschaft und insbesondere auch in den Betrieben in der Wirtschaft ein Klima schaffen und für Verständnis werben, dass es so ist wie in anderen Ländern Europas und in Nordamerika, wo Menschen, die ehrenamtlich tätig sind, wirklich gefördert werden.