Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns sehr gut täte, die Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam zu beschulen,
weil es nicht nur aufgrund der sozialen Integration wichtig ist. Man darf übrigens nicht nur immer von Integration reden, wenn es einem gefällt, sondern man muss es dann auch ganz konkret tun, wenn es zum Beispiel um Bildungspolitik und um die soziale Integration von Migrantenkindern oder Kindern aus sozial schwachen deutschen Familien geht. Wenn es darum geht, dann muss man auch das ganz klar definieren auf die Aufgaben, die vor uns stehen.
Fast alle Länder, das wissen ja mittlerweile auch alle im Haus, selektieren nicht so scharf, wie wir es in Deutschland machen. Deshalb habe ich hier eine andere Auffassung als die von Herrn Bürger vorgetragene Meinung. Wir haben das ja ganz bewusst in den Koalitionsvereinbarungen mit Herrn Neumann, die ich ja damals führen durfte, ausgeklammert, weil wir gesagt haben, hier stehen wir ganz klar in einer Kontroverse, die wir nicht lösen konnten und die wir auch nicht im Streit enden lassen wollten, weil wir gesagt haben, wir haben so viele vernünftige Dinge in Gang gesetzt, dann wollen wir uns in der Frage jetzt nicht zerstreiten, sondern dieses Fass müssen wir neu aufmachen, wenn der Wähler sein Votum abgegeben hat.
Damit das aber völlig klar ist: Ich bin der festen Überzeugung, dass es unseren Kindern, gerade unseren Kindern in Bremen, gut tut, wenn sie so lange wie möglich zusammenbleiben. Die räumliche Situation, Herr Bürger, ist nicht das Entscheidende, sondern da kann man Möglichkeiten finden.
Nein, ich rede nicht über das Dependancemodell! Ich rede darüber, dass es unbedingt erforderlich ist, dass Menschen, die in der Schule arbeiten, miteinander reden müssen, dass sie kommunizieren müssen und nicht von einer Schublade zur anderen gegeben werden.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Abschieben ist keine Lösung!)
Ich habe mit Freude von Ihnen gehört, wie Sie von Finnland geschwärmt haben. Das hat mich heute begeistert, Herr Bürger. Das sage ich auch nicht spöttisch oder zynisch, sondern Sie sind ja nicht mit uns nach Finnland gekommen, um dort zu lernen, wie man eine gute Schule machen kann, wo die Kinder willkommen sind, wo man den Kindern vom ersten Tag an vermittelt, dass man gemeinsam etwas erarbeitet, und die Kinder zu bestimmten Abschlüssen bringen möchte, gemeinsam mit ihren Eltern.
Die Schulassistenten, die Sie auch gefordert haben, was ich nachdrücklich unterstütze, sind genau richtig. Um Lehrerinnen und Lehrer zu befreien von Aufgaben, für die sie nicht ausgebildet worden sind, müssen wir Schulassistenten einführen, und ich freue mich, dass wir jetzt schon festgelegt haben, dass wir dieses Programm mit dem neuen Schuljahr starten. Aufgrund der beschränkten Ressourcen machen wir das mit zunächst nur zehn Schulen, wo wir jeweils einen Schulassistenten einstellen wollen. Das ist ein kleiner, erster Schritt in eine, finde ich, vernünftige Zuweisung von Aufgaben, so ähnlich, wie wir das in der verlässlichen Grundschule geschafft haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend sagen, wir haben Ihnen eine umfängliche Ausarbeitung vorgelegt. Es gibt keine Patentrezepte, auch in diesen Bereichen nicht. Wir müssen in der Vielzahl der Dinge verstehen, dass es falsch ist, wenn wir das Dach reparieren. Wir müssen das Fundament so gut setzen, dass alles andere, was wir dann an Mauern bauen, und das Dach so halten muss, dass diese kostspieligen Reparaturaufgaben, die dann Ausgaben sind, in Zukunft unterbleiben. Das ist aber kein Prozess, der in vier Jahren abgeschlossen wird, sondern da werden wir noch eine gute Zeit brauchen, um das entsprechend umzusetzen.
Trotzdem gilt aber, das, was wir gemeinsam bereits in der Vorschule begonnen haben, in der Grundschule gestärkt haben und hoffentlich demnächst auch gemeinsam verlängernd machen, muss unter einem Dach stehen. Darauf hat Herr Mützelburg ausführlich hingewiesen, und das möchte ich noch einmal ausdrücklich unterstützen. Es geht darum, in der Schule auf das Individuum stärker einzugehen. Der einzelne Schüler, die einzelne Schülerin muss viel stärker in den Fokus der Bemühungen – und jetzt kommt es! – nicht nur des Elternhauses, sondern der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer kommen.
Ich war vor einigen Monaten in einer Klasse, die ich länger begleite. Da habe ich festgestellt, dass es drei Schülerinnen und Schüler dieser Klasse von einem Klassenverband, der knapp 20 Schüler umfasste, nicht mehr gab. Ich fragte: Was ist mit denen? Das wusste man nicht ganz genau in der Schule. Sie sind auf einmal nicht mehr in den Unterricht gekommen. Ich habe dann gesagt, damit kann ich nicht leben. Ich möchte von meiner Behörde genau wissen, was aus diesen drei Kindern einer neunten Klasse geworden ist.
Ein Kind war, ohne dass es dem Klassenlehrer richtig bewusst war, in eine andere Fördermaßnahme gekommen. Das hat funktioniert, das war die gute Nachricht. Da wusste der Senator dann, aha, um diesen Schüler brauchst du dir keine Sorgen zu machen, der ist in ein anderes Projekt gekommen, in eine andere Beschulung gekommen, das ist in Ordnung.
Ein anderer Schüler fehlte seit drei oder vier Monaten. Er war einmal in dem SCHUPS beraten worden, und dann wurde sein Fall zu den Akten gelegt. Daran wurde dann noch gearbeitet. Ich sage, das kann doch nicht wahr sein, dass wir dann so wenig Kontrolle haben in der einzelnen Maßnahme, dass wir dann nicht so oft die Hausbesuche machen, und natürlich auch in Absprache, nicht nur mit der Bildungsbehörde, sondern auch mit Soziales und Jugend dann dazu kommen, diese Familie so zu unterstützen, dass das Kind wieder in die Schule geht.
(Abg. B ü r g e r [CDU]: Und was ist mit dem zweiten Fall passiert? Sie müssen doch zu Konsequenzen kommen!)
Die Konsequenz ist natürlich, dass ich angeordnet habe, dass sich der Schulermittlungsdienst sofort um diesen Schüler kümmert. Aber davon, das wissen Sie auch, Herr Bürger, haben wir 2000 Kinder und Jugendliche unserer beiden Städte, die momentan die Schule nicht regelmäßig besuchen, wie wir uns das wünschen. Aber es kommt ja noch ein bisschen schlimmer: Bei einem Mädchen konnten wir nicht die Adresse feststellen. Sie hatte sich zu Hause im Elternhaus abgemeldet, und sie galt als abhanden gekommen. Sie war uns verloren gegangen. Ich sage das nur ausdrücklich, Herr Mützelburg, um Ihre Position hier, Ihre Forderung zu unterstützen, wir müssen uns viel stärker um jedes einzelne Kind in dieser Stadt kümmern. Wenn etwas deutlich geworden ist, dann das!
Es kann doch nicht angehen, dass solche Schicksale in unserer Stadt passieren, dass 2000 Kinder Schulvermeider sind – –.
Dann ist der Staat dafür verantwortlich, mit einzuspringen! Das ist ganz, ganz klar. Aber dann müssen wir natürlich verstehen, dass dies nicht erst beginnt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern wir müssen viel früher beginnen. Wir müssen die Jugendlichen viel stärker heranbekommen, es darf nicht alles so unverbindlich sein, wie es ja zum Teil bei uns ist.
Gott sei Dank haben wir jetzt in den letzten vier Jahren erheblich dagegen angesteuert. Fehlzeiten, unentschuldigte Fehlzeiten kommen wieder in die Zeugnisse. Schulleiter bedanken sich, dass nur dadurch, dass die Fehlzeiten in den Zeugnissen wieder aufgetaucht sind in der gymnasialen Oberstufe, auf einmal die Präsenzzeiten unserer Schülerinnen und Schüler deutlich ansteigen. Man höre und staune, so einfach! Das kostet übrigens keinen einzigen Euro! Ein bisschen mehr Verbindlichkeit und ein bisschen mehr schauen, sich ein bisschen mehr kümmern!
Das geht aber nur, meine Damen und Herren, und damit komme ich jetzt auch zum letzten Satz, im gemeinsamen Konsens. Es darf hier keine ideologischen Grabenkämpfe geben, sondern wir müssen es so machen, wie ich das den drei Debattenbeiträgen entnommen habe, und dann ist natürlich klar, dass ich das, was Frau Kauertz vorgetragen hat, fast Wort für Wort übernehmen kann. Das ist auch nicht verwunderlich.
Es geht aber darum, so, wie Herr Mützelburg gefordert hat, wir müssen verstärkt um jedes einzelne Kind kämpfen, denn wir brauchen jedes einzelne Kind. Die Situation mit den Geburtenrückgängen ist doch so, dass es nachher wirklich darum geht, jedem Kind eine möglichst gute Ausbildung zu geben, damit es anschließend auch mit einer guten beruflichen Ausbildung den Weg in unsere Gesellschaft findet. – Danke schön!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats mit der Drucksachen-Nummer 15/1432 auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich auf dem Besucherrang recht herzlich Mitglieder des Vereins die Woge, Wohngemein
schaften für Menschen mit Demenz, und ebenso herzlich eine Gruppe des CDU-Arbeitskreises innere Sicherheit aus Bremerhaven. Herzlich willkommen in unserem Hause!
Zweiter Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ – Umsetzung der im ersten Bericht geplanten Maßnahmen
Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und Bündnis 90/Die Grünen vom 1. April 2003 (Drucksache 15/1449)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Ende der Wahlperiode behandeln wir heute ein gesellschaftspolitisches Thema, mit dem wir uns vor vier Jahren im parlamentarischen Gleichstellungsausschuss zu Beginn unserer Arbeit beschäftigt haben, nämlich die Bekämpfung häuslicher Gewalt.
Die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU von 1999 enthielt bereits folgenden Passus: „Präventionskonzeption und Konzepte zum Umgang mit häuslicher Gewalt sind in Zusammenarbeit mit den Ressorts Bildung, Jugend und Soziales, Inneres, Justiz sowie der ZGF zu entwickeln.“
Der Gleichstellungsausschuss hat sich auf Initiative der SPD-Fraktion bereits im Oktober 1999 mit der Idee der Schaffung eines Wegweisungsrechts für häusliche Gewalttäter nach österreichischem Vorbild beschäftigt. Öffentlich war dieses Thema damals kaum bekannt. Einige Kollegen vermuteten zum Teil, es handele sich um eine Art Wegweiser oder Wegweisung. Im November 1999 verabschiedete die SPDFraktion einen Antrag „Schutz vor häuslicher Gewalt“, der neben der Vorlage eines Präventionskonzepts auch die Forderung nach Aufnahme des Wegweisungsrechts in das Bremische Polizeigesetz enthielt. Nach intensiven Gesprächen mit unserem Koalitionspartner gelang es dann im Dezember 1999, die Zustimmung der CDU-Fraktion zu erhalten, so dass es im Januar 2000 dann endlich zu einem entsprechenden Bürgerschaftsbeschluss kommen konnte.