Protocol of the Session on May 15, 2003

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Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur beschleunigten Überleitung vom mittleren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst, Drucksache 15/1461, in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen unter Punkt zwei abstimmen.

Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Frieden, Freiheit, Solidarität – Für eine Verfassung der Europäischen Union

Antrag (Entschließung) der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 11. März 2003 (Drucksache 15/1404)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Die Beratung ist eröffnet.

Es ist verlängerte Redezeit bis zu 15 Minuten für den jeweils ersten Redner je Fraktion vereinbart.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Grundlage der heutigen europapolitischen Debatte, und das wird die letzte in dieser Wahlperiode sein, ist erneut ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und erneut ein Antrag zum Europäischen Konvent. Das ist das Gremium, das den Auftrag hat, einen Verfassungsvertrag der Europäischen Union auszuarbeiten, der dann nach der Erweiterung der Union auch tatsächlich den Namen Europäische Verfassung verdienen wird.

Dass diese Versammlung überhaupt einberufen worden ist, ihre bisherige öffentliche Arbeitsweise, die parlamentarische Prägung dieses Gremiums, die Tatsache, dass inzwischen fast alle von einer Verfassung reden, was vor zwei Jahren noch als Utopie erschien, all das ist bereits ein riesengroßer Erfolg, aber klar ist auch, die nächsten fünf, sechs, sieben Wochen werden die entscheidenden und schwierigsten sein. Die Ergebnisse müssen zusammengeführt werden, und viel Zeit bleibt auch nicht mehr.

Dabei ist der Konvent auch in den letzten Monaten in den Schatten des Irak-Krieges geraten, und viele haben die Frage gestellt: Ein Verfassungsprojekt, das nur Sinn macht, wenn es um Einigung geht, geht das überhaupt angesichts der dramatischen Uneinigkeit der EU-Staaten in der Irak-Frage? Wir Grünen sind überzeugt, das kann nicht nur ein Erfolg werden, es muss ein Erfolg werden, wenn Euro

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pa diese Spaltung überwinden und handlungsfähig werden will.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt ist die historische Chance da, und so ein historischer Augenblick wird so schnell nicht wiederkommen, der Union eine dauerhafte Form zu geben, mit der wir dann auch die weltweiten Herausforderungen meistern können. Die Grünen jedenfalls wollen diese Chance ergreifen. Wir wollen einen Erfolg des Konvents, und wir arbeiten dafür, dass im Sommer ein einheitlicher Entwurf vorgelegt wird, an dem die Regierungskonferenz nicht mehr vorbeikommen kann. Für diesen Erfolg wollen wir auch die öffentliche Debatte führen, und zwar, ich sage es ganz klar, mit dem Ziel, sie hier im Landtag zu führen, damit Deutschland und auch die deutschen Bundesländer das Ergebnis, das sich jetzt abzeichnet, unterstützen. Das ist auch die Absicht des heutigen Antrags, der genau in die Zeit fällt, in der die Ergebnisse, die vorläufigen Vorschläge, auf dem Tisch liegen, aber noch um die endgültige Form gerungen wird.

Ich habe es nicht verstanden, und ich bedauere das sehr, dass die CDU und die SPD nicht auf unsere Bitte eingegangen sind, über einen gemeinsamen Antrag zu debattieren,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und sich noch nicht einmal die Mühe gemacht haben, hier selbst einen Antrag vorzulegen. Ich meine, wenn man in dieser zentralen europapolitischen Frage nicht einmal weiß, welche Position die beiden großen Fraktionen vertreten, wie kann man sich dann am nächsten Feiertag hier hinstellen und sagen, wir wollen aber, dass die Bedeutung dieses Parlaments hier wieder richtig zur Geltung kommt! Ich meine, da muss man das eine oder das andere machen, entweder man ist der Meinung, was wir hier debattieren, oder in China fällt ein Sack Reis um. Ich bin dieser Meinung nicht. Die Chancen sind nicht groß, aber wenn wir hier nicht debattieren und sagen, was wir wollen, dann haben wir gar keine Chance.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Schade, dass ich jetzt nicht mit dem Kollegen Eckhoff direkt sprechen kann! Es ist immer unangenehm, über jemanden zu reden, aber dennoch muss ich ein paar Sätze dazu sagen. Ich habe mir bei seinen neuesten Äußerungen zu Europa doch ziemlich die Augen gerieben. Er hat gesagt, Bremen verschläft Europa. Donnerwetter! Ich frage mich nur, Herr Eckhoff, da muss ich jetzt die Fraktion der CDU fragen: Wo waren denn eigentlich in den vergange

nen vier Jahren die europapolitischen Initiativen Ihrer Fraktion in diesem Haus?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wo war denn Ihr Kampf um ein eigenständiges Gewicht des Parlaments in europapolitischen Fragen? Wo haben Sie denn dem Senat einmal klar gemacht, dass er den Standpunkt dieses Hauses ernst nehmen muss, indem wir einmal etwas beschließen, bevor er da drüben ins Reine gekommen ist? Ich kann mich partout nicht daran erinnern! Die europapolitischen Debatten gingen immer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus. Also, ich sage Herrn Eckhoff, wo immer er ist, guten Morgen, aber ich würde vorschlagen, Sie fangen bei sich selbst an!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich kann hier unmöglich alle inhaltlichen Fragen, die die Konventarbeit betreffen, aufrollen, ich will nur einige ganz zentrale jetzt aufgreifen. Im Zentrum steht natürlich wegen des Iraks die Frage einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Wir Grünen sagen, eine solche gemeinsame Politik ist notwendig, auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik ist notwendig. Man kann und wird vielleicht mit kleinen Schritten beginnen, vielleicht mit einer europäischen Agentur für Rüstung und strategische Forschung, man wird vielleicht zusteuern auf eine europäische Armee, jedenfalls in Teilen. Viele Zwischenschritte sind denkbar, und ich glaube auch, vielleicht wird nicht jeder von Anfang an alles mitmachen.

Drei Dinge finde ich aber bei der Diskussion unabdingbar. Es darf und soll keine Veranstaltung gegen die Nato sein, das wäre Unsinn. Es geht darum, den europäischen Part in der Nato zu stärken. Da gibt es so eine unselige französische Tradition, die kennen wir seit de Gaulle, die sich immer etwas anderes dabei gedacht hat, und Präsident Chirac hat das sehr schön auf einen Begriff gebracht, er hat gesagt, diese Verfassung müsste die „Unabhängigkeitserklärung Europas“ werden. Da denkt man, soll das vielleicht das Rückspiel zu 1776 werden, der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten? Ich halte das für sehr töricht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nicht nur, dass es zum Scheitern verurteilt ist, es wäre töricht. Europa ist ein Projekt für etwas, für Frieden, sehr erfolgreich, für Freiheit, sehr erfolgreich, und auch für solidarische Zusammenarbeit. Dabei muss es bleiben und nicht gegen jemanden. Wenn wir über europäische Außenpolitik reden, muss man auch die nächsten Schritte darauf abstimmen, dass sie die Zerstrittenheit überwinden helfen und nicht noch vertiefen, und da sage ich ganz ehr

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lich, bei einigen Treffen der letzten Zeit hatte ich da leise Zweifel.

Ganz zentral, die Außenpolitik darf nicht nur Sache der Zusammenarbeit zwischen Staaten bleiben, sondern muss Schritt für Schritt in gemeinsame gemeinschaftliche Politik überführt werden, und ein europäischer Außenminister als Teil der Kommission wäre ein guter Schritt dahin. Da werden jetzt auch Namen gehandelt. Ehrlich gesagt, diese Diskussion mit Namen ist auch nicht so furchtbar glücklich. Die Institution selbst halte ich für richtig und notwendig. Mit Namen sollte man sich vielleicht eher zurückhalten.

Aber entscheidend ist, was die Gemeinschaftsinstitutionen der EU angeht, denn nur die gewährleisten gemeinsames Handeln, nur die gewährleisten den Erfolg. Es ist nicht erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, wo man auf Räten zusammensitzt, Tauschhandel macht und womöglich Achsen bildet, so wie wir das erlebt haben. Das ist nicht der Kernpunkt des europäischen Erfolgsrezeptes gewesen, sondern die gemeinschaftlichen Institutionen. Deswegen wird auch gerade an diesem Punkt die zentrale Auseinandersetzung im Konvent ausgefochten, und da sollte sich auch Bremen positionieren zwischen denen, die mehr gemeinschaftliche Politik wollen, und denjenigen, die nur bei der Zusammenarbeit zwischen den Staaten stehen bleiben wollen.

Es ist auch kein Zufall, dass bei den Letzteren, die nur zusammenarbeiten wollen, die großen Staaten manchmal ganz vorn in der Reihe stehen, weil sie sich dadurch natürlich erhoffen, dass sie mehr Gewicht haben. Es war bestimmt kein Zufall, dass sich Deutschland und Frankreich diese Idee eines „Präsidenten“ der Europäischen Union ausgedacht haben, die bei den kleineren Mitgliedstaaten sofort auf ganz große Skepsis gestoßen ist. Ich muss Ihnen sagen, ich teile diese Skepsis.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein solcher Ratspräsident, egal, von wem er ausgedacht worden ist, das spielt gar keine Rolle, aber diese Skepsis ist da, darf daher nur, sagen wir in unserem Antrag, mit der Geschäftsführung des Rates beauftragt werden, das ist okay. Er darf keinen eigenen Apparat bekommen und darf nicht Konkurrenz zum demokratisch parlamentarisch gewählten Kommissionspräsidenten werden, denn entscheidend ist, die Gemeinschaftsorgane Kommission und Parlament zu stärken. Das gilt im Übrigen auch für die Bereiche Inneres und Justiz, wo heute, davon bin ich überzeugt, mehr Gemeinsamkeit, mehr Europa gefordert ist, mehr gemeinsame grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung, und das wird auch kommen.

Wir haben in unserem Antrag, meine Damen und Herren, eine große Reihe von Forderungen aus frü

heren Beschlüssen der Bürgerschaft aufgeführt, auch um zu zeigen, dass wir hier früh Debatten geführt haben, die sehr wohl auf der Linie eines klugen, integrativen Kurses gelegen haben. Diese Punkte, die jetzt im Konvent konsensfähig sind, sind eher mehr geworden. Das gilt für die Aufnahme der Grundrechtecharta in die Verfassung, es gilt für das Frühwarnsystem zur Überprüfung von Subsidiarität, es geht um das gleichberechtigte Miteinander von Parlament und Rat als Bürgerkammer und Staatenkammer, es geht um den europäischen Außenminister, den ich erwähnt habe, wahrscheinlich auch um eine Austrittsklausel.