Es handelt sich hier um eine Initiative, die wir gemeinsam erarbeitet haben, um die wir durchaus auch gerungen haben. Ich finde, dass wir hier zu einer guten Lösung gekommen sind, die sowohl auf der einen Seite den Blick auf Bremen richtet, nämlich all das versuchen zu verändern, was veränderbar ist und von dem wir ausgehen, was verändert werden soll, und auf der anderen Seite uns aber nicht nur in dem Blick auf Bremen zu verlieren, sondern darüber hinaus weiterzuschauen und zu sagen: Was können wir auf Bundesebene machen, was können wir auf EUEbene machen, auch aus Bremen heraus, wo können wir Initiativen starten?
Das ist auch der Punkt, den Herr Böhrnsen mit der Innovationsregion genannt hat, wo wir uns bewerben wollen und es schon einige Vorschläge gibt. Wir haben aber verabredet, dass es eine Arbeitsgruppe gibt, die diese Projekte, unter anderem auch die, die genannt worden sind, bewertet, um dann hier gemeinsam zu einem Ergebnis zu kommen, so dass wir hier noch in einem offenen Prozess sind.
Ich möchte an den Begriff der Entbürokratisierung anknüpfen. Es soll niemand glauben, dass Entbürokratisierung so verstanden werden soll, dass es keine Bürokratie mehr geben soll, sondern es soll natürlich weniger Bürokratie geben. Bürokratie bleibt auch erforderlich. Bürokratie darf sich nur als Hilfe verstehen oder als Orientierung und soll Regelungen enthalten, die für das Zusammenleben von Bürgern in einem Gemeinwesen notwendig sind.
Allerdings finde ich, dass der Vizepräsident der Handelskammer zu Recht darauf hinweist, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, „dass es nicht sein kann, dass andere einen Transrapid in einer Zeit zum Laufen bringen, die bei uns nicht einmal als gutachterliche Referenzperiode für die Umweltverträglichkeitsprüfung ausreicht“.
Das, meine Damen und Herren, ist ein Punkt, worüber man einfach einmal nachdenken muss, ob das, was wir uns leisten, noch angemessen ist.
Jetzt komme ich mehr zu dem Teil, den ich eben angekündigt habe, nämlich zu der Frage, welche Aufgaben der Staat zukünftig in der Bundesrepublik ausführen soll und ausführen darf. Diese Debatte muss hier, aber auch an anderer Stelle intensiv geführt werden. Wenn Sie einmal in die Vereinigten Staaten schauen, dann wird dort Wettbewerb als Verheißung verstanden, in Deutschland wird Wettbewerb als Bedrohung verstanden.
Statt die Staatsaufgaben immer weiter auszuweiten, brauchen wir in Deutschland eine zweite Gründerjahrediskussion und auch eine Gründerwelle. Wir brauchen eine Offensive für Selbständigkeit. Dazu gehört auch, dass die Staatsquote abgesenkt werden muss. Es ist sicher ein richtiger Anspruch, dass die Menschen von einem verdienten Euro für sich behaupten, sie wollen 60 Cent behalten, und 40 Cent geben sie ab für die Aufgaben des Staates. Es kann aber nicht so sein, dass wir ein Staatsverständnis haben, dass zunächst einmal von diesem einen Euro Cents abgegeben werden müssen für die Aufgaben des Staates, und den Rest darf dann der Bürger behalten. Wir müssen an die Menschen glauben, an ihre Kreativität und die Kraft, selbst zu gestalten.
Bei uns klingt immer wieder ein überholtes, zentralistisch orientiertes Staatsverständnis durch, bei dem der Staat weitgehend Inhalt und Organisationsweise bürgerschaftlichen Engagements festlegt. Dies leistet, das können wir in unserer Republik erleben, Bürokratie Vorschub, und dies bedeutet immer nicht weniger, sondern bedeutet immer mehr Staat. Die Ausweitung der staatlichen Tätigkeit ist der falsche Weg, ganz eindeutig! Es kommt darauf an, und dies wird auch in unserem gemeinsamen Antrag deutlich, zu prüfen, welche Aufgaben der Staat zukünftig noch machen kann und muss und welche Aufgaben abgebaut werden müssen.
Selbstverständlich ist, auch dies steht in dem Antrag, darauf hat Herr Böhrnsen hingewiesen, und auch darüber sind wir uns einig, dass es nicht zu einem Abbau von Schutzrechten kommen darf. Das ist völlig klar. Aber dieser Spagat muss uns gelingen. Wir müssen Vertrauen in die Kräfte der Bürger haben, damit mehr Entfaltungsmöglichkeiten und mehr Entscheidungsmöglichkeiten wieder in die Hände der Bürger gelegt werden.
Wir haben, und darum haben wir diesen Antrag auch erarbeitet, eine bürokratische Überregulierung. Diese Überregulierung lähmt Aktivitäten der Bürger, geschätzt 5000 Gesetze und 85 000 Einzelvorschriften, das muss man sich einmal vorstellen! Die Erwartungen der Bürger an den Staat sind hoch. Die Erwartungen werden immer höher, und der Staat wird immer mehr in Anspruch genommen. Der Staat kommt dem auch weiter entgegen, aber dies führt zu weiterer rechtlicher und sozialer Absicherung des Einzelnen, zu immer mehr gesetzlichen Regelungen und damit zu immer mehr Bürokratie.
Wir haben die Grenzen staatlicher Leistungs- und Steuerungsfähigkeit erreicht, und wir müssen der Bevormundung und dem Versorgungsstaat widersprechen. Wir wollen alle eine Gesellschaft mündiger Bürger. Damit dies auch erfolgen kann, kann man das in mehreren Punkten zusammenfassen, indem man sagt, der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben besinnen. Es ist wieder mehr eine Ordnungspolitik gefordert, die in den letzten Jahren völlig verloren gegangen ist.
Wir müssen die Kreativität, die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung der Bürger wieder entwickeln. Wir müssen dafür sorgen, wenn die Bürger etwas aus eigener Kraft nicht mehr leisten können, dass dann zunächst einmal andere helfen, und nicht, dass sofort nach dem Staat gerufen wird. Der Staat soll erst dann eintreten, wenn der Einzelne oder die Solidargemeinschaft nicht mehr in der Lage ist zu helfen. Nicht sofort der Ruf nach dem Staat! Hier ist der Gedanke der Subsidarität gefragt. Eigeninitiative muss möglich sein, und dies müssen wir fördern.
Ein solches Gesellschaftsverständnis trägt unseres Erachtens dazu bei, dass jeder Einzelne für die Gesellschaft wichtig ist und aktiv an deren Gestaltung mitwirkt. Dies, meine Damen und Herren, gehört auch zu einem Teil Abbau von gesetzlichen Regelungen. Es gehört dazu, einmal die Bürokratie zurückzudrängen, sie auf ein Maß zu reduzieren, das notwendig ist, um die Regeln, die notwendig sind in einer Gesellschaft, wenn Menschen miteinander leben, zu gestalten, aber gleichwohl auch den Staat selbst auf den Prüfstand zu stellen und zu fragen: Muss der Staat alles selbst machen, oder kann nicht auch der Einzelne und muss nicht auch die Aktivität, die Initiative des Einzelnen viel mehr gestärkt werden, und muss darin nicht zukünftig eine Aufgabe liegen?
Herr Böhrnsen hat darauf hingewiesen, es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Aktivitäten in unterschiedlichen Bundesländern. Es gibt einen sehr zu empfehlenden ausführlichen Enquetebericht aus Baden-Württemberg zu Situation und Chancen mittelständischer Unternehmen, der in einer Vielzahl von verschiedenen Themenfeldern abfragt, welche Behinderungen mittelständische Unternehmen in Deutschland haben. Die Auswirkungen werden auch auf die Familien der Unternehmer bezogen. Daneben gibt es eine Vielzahl anderer Aktivitäten auch aus anderen Bundesländern. Es gibt aus dem BAW hier in Bremen Vorschläge. Es gibt das, was Herr Böhrnsen erwähnt hat, und es gibt von der Deutschen Industrie- und Handelskammer Vorschläge.
Es ist an der Zeit, dass Politik sich dieses Themas intensiv annimmt. Die Bürger warten darauf, dass wir das tun. Wenn wir das nicht tun, auch hier aus dem Parlament heraus, werden wir nur begrenzt etwas bewegen. Herr Böhrnsen hat das eben auch angedeutet. Verwaltung ist so, wie sie ist. Wenn ich jemanden aus der Verwaltung frage, ob das, was er
tut, denn eigentlich noch notwendig ist, wird er mir selbstverständlich immer antworten, selbstverständlich ist das notwendig. Sonst würde er sich ja auch überflüssig machen. Von daher gesehen muss das unsere Aufgabe sein, Bürokratie zurückzudrängen. Wenn wir an dem vorliegenden Raster unseres Antrags, das wir vorgegeben haben, weiterarbeiten, haben wir hier gemeinsam eine gute Chance, tatsächlich etwas zu bewegen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gleich vorweg: Selbstverständlich werden wir diesem Antrag zustimmen, weil es geradezu eine patriotische Pflicht ist für Parlamentarier, der Exekutive Grenzen zu setzen, und darum geht es letztlich auch bei diesem Antrag.
Ich werde mich hier jetzt nicht auf die Debatte um das Staatsverständnis einlassen, Herr Kollege Schrörs, das wäre eine interessante Debatte, aber ich glaube, am Ende der Legislaturperiode ist der falsche Augenblick. Es ist eigentlich eine Aufgabe, die wir zu Beginn einer neuen Regierung lösen müssen, welche Aufgaben wollen wir dieser Regierung mitgeben, welche Aufgaben übernimmt das Parlament von sich aus, und was lassen wir lieber den Bürger machen. Ich glaube, das ist eine interessante Debatte, die eine neue Legislaturperiode auch prägen könnte und nicht nur etwas mit Bürokratie, nicht nur etwas mit Vorschriften zu tun hat, sondern sich auch damit beschäftigen muss, wie sich der Staat selbst in anderer Form ein neues Gesicht gibt, das zu neuer Bürokratie führt. Ich denke nur an das Gesellschaftsunwesen, das wir in den letzten Jahren in der Stadtgemeinde und im Land Bremen errichtet haben.
Der Kollege Böhrnsen hat Recht, wenn er sagt, dass die Kritik an der Bürokratie eigentlich bei uns selbst anfangen muss. Deshalb denke ich, der Antrag, den Sie vorgelegt haben, benennt viele Felder, aber er sagt eigentlich noch nichts Genaues und gibt die Aufgabe an den Senat. Wir selbst müssten eigentlich als Parlament, und das ist auch eine Anregung für das nächste Parlament, weil dieser Antrag mit Ende der Legislaturperiode in Wirklichkeit verfällt, die Initiative noch einmal erneuern, damit der neue Senat das auch tatsächlich tut, was wir jetzt beschließen werden. Das wissen Sie ja alle. Wir müssten eigentlich selbst eine Initiative ergreifen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ich beobachte das, wie wir hier mit Gesetzen umgehen, die uns der Senat vorlegt. Oft sind es nur Gesetze, die Bundesrecht nachvollziehen, oft sind darin aber auch noch ein paar kleine eigene bremische Vorschriften, die Abwandlungen auf Bremen beziehen. Wir schauen uns das alles nicht ernsthaft an, weder die Grünen als Opposition oft genug noch die CDU, noch die SPD, da müssen wir alle ehrlich sein.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie sagt, es stimmt nicht! – Abg. Frau D r. M a t h e s [Bündnis 90/Die Grünen]: Es stimmt nicht!)
Die Abgeordnete Mathes schaut sich vielleicht die umweltbezogenen Gesetze an. Aber nicht jedes Gesetz, das wir hier verabschieden, wird wirklich gründlich geprüft. Ich würde vorschlagen, dass das Parlament in der nächsten Legislaturperiode sich ein Gremium, das kann ja einer der bestehenden Ausschüsse sein, sei es der Rechtsausschuss, sei es der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss, ein Vorprüfungsgremium schafft. Das muss nicht bürokratisch sein, sondern das sich vornimmt, jede Vorschrift, die hier neu erlassen wird, letztlich durch mindestens einen Abbau einer alten Vorschrift zu ersetzen. Das wäre schon ein Weg. Wir haben nämlich in dieser Legislaturperiode mehr neue Gesetze geschaffen, als irgendwelche abgeschafft.
Auch in der letzten Legislaturperiode war es das Gleiche, obwohl wir den Senat schon einmal beauftragt hatten, Gesetze abzuschaffen. Da sind etliche Vorschriften abgeschafft worden, aber das, was wir im gleichen Zeitraum neu geregelt haben, war eigentlich mehr als das, was wir beseitigt haben. Deshalb wäre es sinnvoll, sich auch von parlamentarischer Seite noch einmal gründlicher mit dem zu beschäftigen, was wir selbst machen.
Ich will jetzt nur zwei Beispiele aus dieser Legislaturperiode nennen. Da haben die Grünen gut aufgepasst, aber dennoch haben wir das verabschiedet. Wir hatten hier zum Beispiel ein Ortsgesetz in der Stadtbürgerschaft, das sich mit dem Müll beschäftigte. Darin war eine wunderschöne Regelung über den gelben Sack, dass selbst diejenigen, die ihn ordnungsgemäß, was immer das sein mag, das will ich hier gar nicht definieren, füllen, aber zu früh hinausstellen, damit eine Ordnungswidrigkeit begehen und mit einem Bußgeld belegt werden können.
Es kontrolliert natürlich in Wirklichkeit niemand. Es ist ein völlig aberwitziges, unsinniges Gesetz, denn es soll eine erzieherische Wirkung haben, die es nicht hat. Also lässt man es doch, solche Gesetze zu machen!
Noch absurder finde ich die Debatte, die wir hier anlässlich der Änderung des Meldegesetzes hatten. Das sollte unbürokratischer werden, und diese Vermieterbescheinigungen sollten abgeschafft werden. Was haben wir stattdessen gemacht hier, nicht wir als Grüne, sondern die Mehrheit hier? Die hat jetzt die Vermieter beauftragt, doch die Mieter zu zwingen, sich in einer bestimmten Zeit anzumelden, und wenn sie das innerhalb von drei Wochen nicht getan haben, sind die Vermieter eigentlich dran.
Auch da gibt es niemanden, der das in Wirklichkeit kontrolliert. Ich weiß noch, dass sich der Kollege Kleen damals über diesen Vorschlag ziemlich lustig gemacht hat, aber aus Koalitionsgründen – –.
Das ist wunderschön, dass wir hier gleich einen Streit über Bürokratie bekommen, wo wir die Bürokratie abschaffen wollen. Herr Kollege Herderhorst, selbst wenn es jetzt im Detail juristisch noch ein bisschen anders ist, macht das die Vorschrift nicht sinnvoller, die Sie gemacht haben. Ich glaube, darüber haben wir hier schon einmal lang und breit debattiert.
Ich sage das doch nur als Beispiel dafür, dass wir selbst das, was wir beschließen, noch einmal ein bisschen ernster nehmen und sehen müssen, wo es einen Sinn macht. Fast jede Vorschrift, zu der es kein Vollzugsorgan, keinen Vollzugsauftrag, keine Vollzugsmöglichkeiten gibt, können wir uns im Regelfall auch sparen, denn es macht nur in ganz wenigen Fällen pädagogischen Sinn. Der Glaube, dass Menschen dieses Gesetz überhaupt kennen, wenn sich niemand darum kümmert, es umsetzen, ist, glaube ich, nur in Hirnen von Bürokraten verbreitet. Das kann kein Parlamentarier, der im Alltagsleben steht, ernsthaft glauben, also, lassen wir das!
Wir unterstützen ausdrücklich, Herr Kollege Böhrnsen, den Vorschlag über die Innovationszonen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich fürchte, es wird auch einen fürchterlichen Streit geben, welche Vorschriften hier in Bremen nicht angewandt werden sollen und welche ja. Der Bereich, den Sie gebracht
haben mit der Regionalstadtbahn, ist ein sehr gutes Beispiel, weil die Anwendung der Eisenbahnbetriebsordnung und der dazu erlassenen Rechtsverordnungen des Eisenbahnbundesamtes wirklich eine Ausgeburt von bürokratischer Schönheit sind. Es wäre ganz toll, wenn wir das umsetzen könnten.
Ich will aber noch einen einfachen Vorschlag machen. Lesen Sie noch einmal die Antwort auf die Große Anfrage, die die beiden Fraktionen zur Farge-Vegesacker-Eisenbahn gestellt haben, und all die Bedenken, die darin formuliert sind, und die Schwierigkeiten, die auftreten können! Dann, würde ich sagen, fangen wir ruhig bei der Farge-Vegesacker-Eisenbahn in Bremen an! Da werden nämlich auch alle diese Vorschriften schon einmal angewandt aus der Eisenbahnbetriebsordnung und aus anderen Vorschriften des Bahnbetriebes. Dann hätten wir nämlich schneller einen Probebetrieb und vielleicht sogar einen Echtbetrieb, und es würde vor allen Dingen wesentlich billiger werden, als es uns heute vom Bauressort noch vorgetragen wird.