Dieter Mützelburg

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Last Statements

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben ja in diesem Haus gelernt, dass es nicht naturgemäß ist, wenn Regierung und Koalition übereinstimmend argumentieren.
Ich sage das hier aus einem ganz besonderen Grund in Bezug auf die heutigen Berichte. Wir können gern – das steht nun heute nicht zur Debatte – über die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung diskutieren, mir juckt es da manchmal auch in den Fingern, über das, was sich dort nicht schnell genug bewegt, aber auch über das, was von der Opposition blockiert wird, zu reden. Ich würde eigentlich auch gern die Frage der Gemeindefinanzreform diskutieren, die gerade heute der Deutsche Städtetag diskutiert, wo es natürlich auch viele Blockaden bei der dringend nötigen Erweiterung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer gibt, die so genannte Revitalisierung oder Wiederbelebung, die den Gemeinden helfen könnte, aber auch das steht heute nicht auf der Tagesordnung. Ich will nur zu einem Punkt ganz kurz sprechen: Wenn man heute die Zeitung aufschlägt, hat man den Eindruck, dass sich die CDU-Seite der Landesregierung in heller Auflösung befindet.
Vor zwei Tagen hatten wir in der Stadtbürgerschaft schon die Situation, dass ein Innensenator sich hier aufführt, als ob er der Abteilungsleiter des Staatsratsvorsitzenden Hoffmann sei,
der ihm Anfragen zusammenstreicht, und heute in der Zeitung haben wir den Eindruck, als ob der Finanzsenator im Wirtschaftsressort sitzt, der im „Weser-Kurier“ verkünden kann, dass die Sanierung gescheitert sei! Wenn es damit etwas auf sich hat, dann erwarte ich, dass der Finanzsenator das hier selbst für den Senat erklärt
oder dass er ihm deutlich widerspricht.
Das wäre dann die Sache der Regierung. Ich erwarte das einfach nur. Das hat etwas mit der Rolle des Parlaments in der Haushalts- und Finanzpolitik gegenüber dem Finanzmanagement zu tun.
Erlauben Sie mir dennoch einige Bemerkungen zum Reformprozess des Finanzmanagements! Einer der Kernpunkte, den wir in den letzten Jahren hier mehrfach debattieren mussten, ist die Frage des Beteiligungsmanagements gewesen, das Beteiligungscontrolling. Ich sage auch ganz stolz für die Arbeit der Opposition sowohl in der letzten Legislaturperiode, aber insbesondere in dieser Legislaturperiode:
Es hat schon etwas mit unserem wirklich hartnäckigen Drängen, unserem hartnäckigen Treiben zu tun, dass wir so weit gekommen sind, und zwar so weit, dass wir interfraktionell, und zwar gemeinsam mit allen, Regeln aufgestellt haben und die Verwaltung so gearbeitet hat, dass wir jetzt ein umfängliches Beteiligungscontrolling und Beteiligungsmanagement haben. Dieses Beteiligungscontrolling und Beteiligungsmanagement ist nämlich mehr, es sagt auch etwas darüber aus, wie kommen Beteiligungen zustande und wann sind Beteiligungen vielleicht auch aufzugeben. Dass wir das haben, das war einmal gemeinsame parlamentarische Arbeit. Das war wirklich einmal eine Situation hier im Parlament, in der die Regierungsparteien nicht wie der treue Schäferhund hinter dem Herrn Senat hinterher gelaufen sind, sondern selbständig mitgeholfen haben, dass wir einen kräftigen Schritt in der Sicherung der Rechte des Parlaments weitergekommen sind.
Ich will mich auch ganz herzlich bei Frau Wiedemeyer und Herrn Dr. Schrörs bedanken, dass sie da nicht gemauert haben. Wir haben, ehrlich gesagt, genug Maurer in dieser Frage.
Wer in den Aufsichtsräten der Gesellschaften sitzt, kann erleben, dass gerade große Beteiligungsgesellschaften wie die Bremer Straßenbahn AG oder die BIG dauernd Bedenken dagegen gehabt und bis zuletzt versucht haben, durch Vereinbarungen unter der Hand, durch Nebenabreden und sonst etwas sich ein bisschen aus diesem gemeinsamen, für alle verbindlichen Controlling hinauszuschleichen.
Ich glaube, mit dem Beschlossenen, das hier angedeutet worden ist, das noch nicht in dem Bericht vorgetragen, auch noch nicht zu Ende durchgeführt worden ist, das eigentlich jetzt erst vor der Praxis steht, nämlich eine tatsächliche langfristige Umsetzung des Beteiligungsmanagements und des Beteiligungscontrollings, sind wir einen Schritt weitergekommen, und diesem Schritt kann und darf sich eigentlich keine bremische Gesellschaft in der nächsten Legislaturperiode mehr entziehen. Darauf müssten wir, das sage ich auch an Sie alle, hier achten, meine Damen und Herren.
Ein wunder Punkt ist für mich noch, dass, wenn ich diesen ganzen Bericht durchlese, nicht die allgemeinen Ausführungen, sondern die konkreten das Dilemma sind, dass die Stadtgemeinde Bremerhaven eigentlich nur eine geringe Rolle spielt und es eher das Land und die Stadt Bremen sind, um die es im Großen und Ganzen geht. Ich weiß nur, dass Bremerhaven die freieste Gemeinde der Welt ist und eigentlich tun und lassen kann, was sie will. Aber gerade diese Freiheit verpflichtet natürlich auch nach
den Idealen der Französischen Revolution zu Brüderlichkeit und Gleichheit. Ich fände es gut, wenn die Stadtgemeinde Bremerhaven selbständig, wie sie ist, künftig die Instrumente, die hier vorgesehen sind, flächendeckend, wie wir es in Bremen vorgesehen haben, auch in der eigenen Verwaltung in allen Bereichen einschließlich der kommunalen Gesellschaften verwirklicht. Dann wären wir einen beträchtlichen Schritt weiter.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gleich vorweg: Selbstverständlich werden wir diesem Antrag zustimmen, weil es geradezu eine patriotische Pflicht ist für Parlamentarier, der Exekutive Grenzen zu setzen, und darum geht es letztlich auch bei diesem Antrag.
Ich werde mich hier jetzt nicht auf die Debatte um das Staatsverständnis einlassen, Herr Kollege Schrörs, das wäre eine interessante Debatte, aber ich glaube, am Ende der Legislaturperiode ist der falsche Augenblick. Es ist eigentlich eine Aufgabe, die wir zu Beginn einer neuen Regierung lösen müssen, welche Aufgaben wollen wir dieser Regierung mitgeben, welche Aufgaben übernimmt das Parlament von sich aus, und was lassen wir lieber den Bürger machen. Ich glaube, das ist eine interessante Debatte, die eine neue Legislaturperiode auch prägen könnte und nicht nur etwas mit Bürokratie, nicht nur etwas mit Vorschriften zu tun hat, sondern sich auch damit beschäftigen muss, wie sich der Staat selbst in anderer Form ein neues Gesicht gibt, das zu neuer Bürokratie führt. Ich denke nur an das Gesellschaftsunwesen, das wir in den letzten Jahren in der Stadtgemeinde und im Land Bremen errichtet haben.
Der Kollege Böhrnsen hat Recht, wenn er sagt, dass die Kritik an der Bürokratie eigentlich bei uns selbst anfangen muss. Deshalb denke ich, der Antrag, den Sie vorgelegt haben, benennt viele Felder, aber er sagt eigentlich noch nichts Genaues und gibt die Aufgabe an den Senat. Wir selbst müssten eigentlich als Parlament, und das ist auch eine Anregung für das nächste Parlament, weil dieser Antrag mit Ende der Legislaturperiode in Wirklichkeit verfällt, die Initiative noch einmal erneuern, damit der neue Senat das auch tatsächlich tut, was wir jetzt beschließen werden. Das wissen Sie ja alle. Wir müssten eigentlich selbst eine Initiative ergreifen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ich beobachte das, wie wir hier mit Gesetzen umgehen, die uns der Senat vorlegt. Oft sind es nur Gesetze, die Bundesrecht nachvollziehen, oft sind darin aber auch noch ein paar kleine eigene bremische Vorschriften, die Abwandlungen auf Bremen beziehen. Wir schauen uns das alles nicht ernsthaft an, weder die Grünen als Opposition oft genug noch die CDU, noch die SPD, da müssen wir alle ehrlich sein.
Wie bitte?
Ich sage, wir schauen uns nicht jedes dieser Gesetze an.
Die Abgeordnete Mathes schaut sich vielleicht die umweltbezogenen Gesetze an. Aber nicht jedes Gesetz, das wir hier verabschieden, wird wirklich gründlich geprüft. Ich würde vorschlagen, dass das Parlament in der nächsten Legislaturperiode sich ein Gremium, das kann ja einer der bestehenden Ausschüsse sein, sei es der Rechtsausschuss, sei es der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss, ein Vorprüfungsgremium schafft. Das muss nicht bürokratisch sein, sondern das sich vornimmt, jede Vorschrift, die hier neu erlassen wird, letztlich durch mindestens einen Abbau einer alten Vorschrift zu ersetzen. Das wäre schon ein Weg. Wir haben nämlich in dieser Legislaturperiode mehr neue Gesetze geschaffen, als irgendwelche abgeschafft.
Auch in der letzten Legislaturperiode war es das Gleiche, obwohl wir den Senat schon einmal beauftragt hatten, Gesetze abzuschaffen. Da sind etliche Vorschriften abgeschafft worden, aber das, was wir im gleichen Zeitraum neu geregelt haben, war eigentlich mehr als das, was wir beseitigt haben. Deshalb wäre es sinnvoll, sich auch von parlamentarischer Seite noch einmal gründlicher mit dem zu beschäftigen, was wir selbst machen.
Ich will jetzt nur zwei Beispiele aus dieser Legislaturperiode nennen. Da haben die Grünen gut aufgepasst, aber dennoch haben wir das verabschiedet. Wir hatten hier zum Beispiel ein Ortsgesetz in der Stadtbürgerschaft, das sich mit dem Müll beschäftigte. Darin war eine wunderschöne Regelung über den gelben Sack, dass selbst diejenigen, die ihn ordnungsgemäß, was immer das sein mag, das will ich hier gar nicht definieren, füllen, aber zu früh hinausstellen, damit eine Ordnungswidrigkeit begehen und mit einem Bußgeld belegt werden können.
Es kontrolliert natürlich in Wirklichkeit niemand. Es ist ein völlig aberwitziges, unsinniges Gesetz, denn es soll eine erzieherische Wirkung haben, die es nicht hat. Also lässt man es doch, solche Gesetze zu machen!
Noch absurder finde ich die Debatte, die wir hier anlässlich der Änderung des Meldegesetzes hatten. Das sollte unbürokratischer werden, und diese Vermieterbescheinigungen sollten abgeschafft werden. Was haben wir stattdessen gemacht hier, nicht wir als Grüne, sondern die Mehrheit hier? Die hat jetzt die Vermieter beauftragt, doch die Mieter zu zwingen, sich in einer bestimmten Zeit anzumelden, und wenn sie das innerhalb von drei Wochen nicht getan haben, sind die Vermieter eigentlich dran.
Auch da gibt es niemanden, der das in Wirklichkeit kontrolliert. Ich weiß noch, dass sich der Kollege Kleen damals über diesen Vorschlag ziemlich lustig gemacht hat, aber aus Koalitionsgründen – –.
Das ist wunderschön, dass wir hier gleich einen Streit über Bürokratie bekommen, wo wir die Bürokratie abschaffen wollen. Herr Kollege Herderhorst, selbst wenn es jetzt im Detail juristisch noch ein bisschen anders ist, macht das die Vorschrift nicht sinnvoller, die Sie gemacht haben. Ich glaube, darüber haben wir hier schon einmal lang und breit debattiert.
Ich sage das doch nur als Beispiel dafür, dass wir selbst das, was wir beschließen, noch einmal ein bisschen ernster nehmen und sehen müssen, wo es einen Sinn macht. Fast jede Vorschrift, zu der es kein Vollzugsorgan, keinen Vollzugsauftrag, keine Vollzugsmöglichkeiten gibt, können wir uns im Regelfall auch sparen, denn es macht nur in ganz wenigen Fällen pädagogischen Sinn. Der Glaube, dass Menschen dieses Gesetz überhaupt kennen, wenn sich niemand darum kümmert, es umsetzen, ist, glaube ich, nur in Hirnen von Bürokraten verbreitet. Das kann kein Parlamentarier, der im Alltagsleben steht, ernsthaft glauben, also, lassen wir das!
Wir unterstützen ausdrücklich, Herr Kollege Böhrnsen, den Vorschlag über die Innovationszonen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich fürchte, es wird auch einen fürchterlichen Streit geben, welche Vorschriften hier in Bremen nicht angewandt werden sollen und welche ja. Der Bereich, den Sie gebracht
haben mit der Regionalstadtbahn, ist ein sehr gutes Beispiel, weil die Anwendung der Eisenbahnbetriebsordnung und der dazu erlassenen Rechtsverordnungen des Eisenbahnbundesamtes wirklich eine Ausgeburt von bürokratischer Schönheit sind. Es wäre ganz toll, wenn wir das umsetzen könnten.
Ich will aber noch einen einfachen Vorschlag machen. Lesen Sie noch einmal die Antwort auf die Große Anfrage, die die beiden Fraktionen zur Farge-Vegesacker-Eisenbahn gestellt haben, und all die Bedenken, die darin formuliert sind, und die Schwierigkeiten, die auftreten können! Dann, würde ich sagen, fangen wir ruhig bei der Farge-Vegesacker-Eisenbahn in Bremen an! Da werden nämlich auch alle diese Vorschriften schon einmal angewandt aus der Eisenbahnbetriebsordnung und aus anderen Vorschriften des Bahnbetriebes. Dann hätten wir nämlich schneller einen Probebetrieb und vielleicht sogar einen Echtbetrieb, und es würde vor allen Dingen wesentlich billiger werden, als es uns heute vom Bauressort noch vorgetragen wird.
Innovationszonen ja, Streit darüber, wo die Rechtsvorschriften aufgehoben werden! Wenn es nach mir geht, möglichst viele Rechtsvorschriften, die heute daran hindern, dass der Bürger in dieser Stadt sich einfacher bewegen kann, einfacher bauen kann und besser leben kann, wenn es der Lebensqualität dient, ja! Wir unterstützen das voll und ganz, was Sie gesagt haben, wenn es um Schutzrechte für den Einzelnen oder für gesellschaftliche Gruppen geht, dann ist Vorsicht geboten. Ich weiß, dass es hier um Ausgleich geht. Es geht nicht einfach nur darum, der Wirtschaft etwas Gutes zu tun. Es geht immer um sozialen Ausgleich in dieser Stadt, auch bei dem Abbau von Rechtsvorschriften.
Ich wünsche also jetzt dem nächsten Parlament viel Mut dabei, lebhafte Auseinandersetzungen und vor allen Dingen solche Auseinandersetzungen, die die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt verstehen, und nicht Streit um Dinge, die Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht verstehen. Dann schaffen wir vielleicht tatsächlich einen rechtlich so gestalteten Raum in dieser Stadt Bremen und im ganzen Land Bremen, dass das, was wir vorher hier diskutiert haben, die Lebensqualität, verbessert wird, ohne dass Sicherheit und Schutzrechte der Bürger abgebaut werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Herr Kollege Pflugradt, das können Sie ja bald wieder machen, wenn es sein muss!
Bremen-Nord soll den Anschluss nicht verlieren, nein, es soll bessere Anschlüsse haben, hat der Kollege Neumeyer hier erklärt. Bündnis 90/Die Grünen teilt diese Meinung vollständig. Mit dem Autobahnring, wenn er dann nun durch die Weserquerung geschlossen wird, ist ein sehr guter Anschluss erreicht, und darüber sind sich alle Fraktionen hier im Hause einig gewesen.
Ein ebenso wichtiger Anschluss ist der Anschluss mit der Eisenbahn, denn wenn man schnell zum Bremer Hauptbahnhof kommt, hat man noch die Chance, mit schnellen Zügen eigentlich zügig in die gesamte Republik mit schnellen Zügen weiterreisen zu können, und auch das ist ein sinnvoller Weg.
Da ist allerdings noch einiges zu tun. Es ist schon davon gesprochen worden, den Takt zu erhöhen, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
also jede Viertelstunde mit Zügen zu fahren, das ist vernünftig, genauso wichtig ist es meiner Meinung nach aber, auf dieser Strecke auch schneller von Vegesack bis zum Hauptbahnhof zu fahren, denn, Herr Kollege Pflugradt, Sie sind ja schon lange hier und fahren gelegentlich einmal mit dem Zug, dann kommen Sie vielleicht auch rechtzeitig an, wenn Sie mit dem Zug fahren!
Heute ist das schwieriger als früher. Im Jahr 1983 – da habe ich auch schon einmal in diesem Parlament gesessen – konnte ich in 20 Minuten vom Bremer Hauptbahnhof den Bahnhof Bremen-Vegesack erreichen. Heute fahre ich 25 Minuten und in der Gegenrichtung sogar 26 auf der gleichen Strecke, mit den gleichen Bahnhöfen, mit neueren Zügen. Ich glaube, hier stimmt etwas im System nicht, was deutlich verbessert kann und deutlich verbessert werden muss, wenn Bremen-Nord nicht auf jeden Fall auf der Strecke den Anschluss verliert. Wir haben gestern auch dem Probebetrieb auf der Farge-Vegesacker Eisenbahn zugestimmt, selbstverständlich haben wir dem zugestimmt, weil Bündnis 90/Die Grünen diese Forderung, solange es in diesem Parlament ist, erhebt, und wir freuen uns sehr, dass jetzt mittlerweile auch die SPD auf diese Linie eingeschwenkt ist. Als wir noch gemeinsam regiert haben, haben Sie gesagt, das sei eine Perspektive für 30, 40 Jahre, darüber zu reden, es geht nun doch ein klein wenig schneller. Ich hoffe sehr, dass dieser Betrieb verwirklicht wird, und wenn er verwirklicht wird, möglichst mit einem Finanzaufwand, der sich auch vertreten lässt, und nicht mit der teuersten und exklusivsten Lösung, wie sie uns die Bahn AG ja immer gern für so etwas anbietet, um letztlich dafür zu sorgen, dass es dann doch nicht kommt, weil es unbezahlbar ist. Deshalb bin ich sehr dafür wie der Kollege Neumeyer, hier auf den Wettbewerb auf der Schiene zu setzen, zumal die Strecke, die Trasse privat ist und nicht der Bahn AG gehört, und wir sollten uns alle schnell zusammentun, dass wir nicht die üblichen Argumente aus den Reihen der Bahn AG zu hören bekommen, die uns dann wieder sagt, im Bahnhof Vegesack macht die Verbindung für eine andere Bahn so große Schwierigkeiten, und es dauert noch Jahre, bis wir diese behoben haben. Wir alle, die sich mit Bahnpolitik hier im Land beschäftigen, kennen diese Argumentationen. Also zügig an die Umsetzung dieses Probebetriebs, damit wir sehen, ob die Menschen in Bremen-Nord ihn annehmen! Ich bin da sehr optimistisch, dass sie ihn annehmen, weil das eine sinnvolle Lösung für den öffentlichen Personennahverkehr ist.
Allerdings gibt es sinnvolle und weniger sinnvolle Lösungen. Wenn man die Menschen auf die Bahn
locken will, wenn man dort ein gutes und zügiges Angebot nach Bremen macht, dann macht es wenig Sinn, in Bremen-Nord die B 74 über die jetzige Route hinaus bis nach Farge weiter zu verlängern. Diese Strecke läuft parallel, faktisch parallel zur FargeVegesacker Eisenbahn in Rönnebeck und in Farge. Es ist ein direkter Konkurrenzbetrieb zum Personenverkehr. Wenn wir wissen, und das wissen wir alle, dass heute in diesem Bereich die Fahrzeugdichte geringer ist als bei der Erhebung im Jahr 1989/1990 – die Debatte über die Verlängerung der B 74 ist ja alt, dass dort keine 6000 Fahrzeuge am Tag fahren, stellen Sie sich einmal vor, bei der BürgermeisterSmidt-Straße ist vor drei Jahren diskutiert worden, ob bei 20 000 Fahrzeugen am Tag einspurig oder zweispurig gebaut werden müsse, weil das gerade die Toleranzschwelle ist für einspurig oder zweispurig –, man muss die Kirche manchmal auch ein bisschen im Dorf lassen: Muss eine Autobahn, vierspurig, das ist ja quasi eine Autobahn, verlängert werden bis nach Farge und gleichzeitig nebenbei die Eisenbahn gebaut werden? Meine Damen und Herren, wir sind ein nicht so reiches Land, und selbst wenn es im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans steht, ist es ein Projekt, das meines Erachtens eher zu den Luxusprojekten gehört als zu den sinnvollsten Projekten, die wir machen müssen.
Nun sagen Sie bitte nicht, das Geld kommt ja aus Berlin, und das ist doch gut! Es ist gut, dass das Geld verhandelt worden ist im Bundesverkehrswegeplan, da habe ich überhaupt nichts dagegen, aber so etwas zu bauen kostet auch immer bremisches Geld dazu, und – die Kollegen, die in der Baudeputation waren, haben das am letzten Donnerstag gehört – das Geld muss nicht dafür ausgegeben werden. Wir haben andere Verkehrsprojekte, die nicht in den vordringlichen Bedarf gekommen sind, die wir aber für genauso dringlich halten, oder Verkehrsprojekte, die unterfinanziert sind. Selbstverständlich kann Bremen wie in der Vergangenheit die Mittel für die B 74 – ein wenig vordringliches Projekt unserer Meinung nach und im Grunde im Verhältnis zum ÖPNV auch ein überflüssiges Projekt – verwenden für andere vordringliche Projekte. Das wäre sinnvoll. Es ist gut, dass Berlin uns das Geld gibt, es ist unklug, wenn wir in Bremen das Geld dort ausgeben, wo es nicht so dringlich gebraucht wird wie auf anderen Strecken. Das ist keine Absage an Bremen-Nord. Bremen-Nord ist gut, wenn die Bahn verbessert und die Autobahn gebaut wird, an das Fernverkehrsnetz angeschlossen, aber ich glaube, wir sollten uns hüten, hier Luxusinvestitionen zu betreiben in einem Land, Herr Kollege Böhrnsen, das bis zum Jahr 2010 schon alle Reserven verbraucht hat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden immer noch über das Thema Chancen abschlussgefährdeter Schüler. Es ist in der Tat ein schwieriges Thema, nicht nur die Überschrift dieser Großen Anfrage, die in Kompliziertheit fast das Niveau des Se––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nators für Wirtschaft, Herrn Hattig, erreicht, sondern auch in der Sache ist es ein schwieriges Thema, zumal wir es in dieser Legislaturperiode schon verschiedentlich diskutiert haben. Deshalb erspare ich es mir, all die Fakten und Zahlen noch einmal zu nennen, die wir jetzt zigmal gehört haben, von der Zahl der nicht versetzten Schüler in Bremen bis zu denjenigen, die überhaupt keinen Abschluss zustande bekommen.
Was einen nach den vielen Debatten wundert, zumindest einen Außenstehenden wundern kann: Dass die CDU diese Große Anfrage initiiert hat! Es muss einen deshalb wundern, weil die CDU in diesem Bundesland seit acht Jahren mitregiert und in diesen acht Jahren acht Jahrgänge den Hauptschulabschluss geschafft oder nicht geschafft haben, fünf Jahrgänge, vier Klassenstufen lang, wenn sie es ohne sitzen zu bleiben geschafft haben, bis zum Hauptschulabschluss gekommen sind. Für all diese Schülerinnen und Schüler ist die große Koalition bildungspolitisch verantwortlich gewesen, und zu dieser großen Koalition gehört die CDU einfach dazu.
Sie tun heute, am Ende der Legislaturperiode, so, als ob Sie mit der Politik nichts zu tun haben. Mit den Erfolgen haben Sie immer etwas zu tun oder mit Ihren schöngeredeten Erfolgen, aber mit den Misserfolgen haben Sie überhaupt nichts zu tun.
Herr Bürger, ich hatte gedacht, Sie wären 1995 angetreten, um in der Schule etwas zu ändern. Heute, 2003, erklären Sie uns, dass Sie es nicht geschafft haben, denn die Zahl der Schüler, die den Abschluss nicht schaffen, ist weitgehend konstant geblieben. Natürlich waren Sie zwischendurch auch an vielen Maßnahmen beteiligt, die die Chancen nicht verbessert haben. Sie waren doch daran beteiligt, die Anderthalbzählung von ausländischen Kindern in den Schulen bei der Lehrerversorgung einzuschränken.
Sie waren doch an erster Stelle dabei, um die Kinder deutscher Staatsbürger, die aus anderen Ländern gekommen sind, insbesondere aus Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts, nicht als Ausländer zu behandeln und für sie nicht besondere Quoten vorzusehen. Sie waren daran beteiligt, bei der Heraufsetzung der Schüler-Lehrer-Relation möglichst einen bundesdeutschen Durchschnitt zu erreichen, was natürlich die Hauptschulen besonders trifft, weil es in Hauptschulen in einer Stadt wie Bremen relativ häufig kleine Klassen gibt.
Sie waren an allen Maßnahmen beteiligt, die die letzten acht Jahre die Versorgung in den Schulen verschlechtert haben.
Ich finde es einfach unmöglich, wenigstens für jeden Außenstehenden unmöglich, sich heute hier hinzustellen und zu behaupten, daran sei nur die Sozialdemokratie schuld.
Ich will ja nicht bestreiten, dass die Sozialdemokratie die Bildungspolitik in Bremen viele Jahre mitgeprägt hat, aber jetzt bekennen Sie Farbe und sagen Sie, was Sie alles nicht geschafft haben! All das, was Sie heute erzählt haben, haben Sie offensichtlich nicht geschafft!
Meine Damen und Herren, der Senat hat eine knappe Antwort gegeben auf die Fragen der CDU. Er konnte, ehrlich gesagt, auch keine umfangreichere Antwort geben, weil es so ist, dass das Problem bildungspolitisch von der Regierung erst in den letzten zweieinhalb Jahren in den Vordergrund gerückt worden ist. Es ist zwar nicht nach Pisa, aber kurz vor Pisa überhaupt erst aktuell geworden. In dem Papier stehen eine Menge einzelner Maßnahmen von Veränderungen des Unterrichts, Beratungssystemen, Arbeitsgruppe Schulvermeidung, die wir nach einem harten Kampf erst wieder durchsetzen mussten, nachdem der Bereich auch von der großen Koalition Jahr für Jahr zusammengespart worden ist. Ich darf daran erinnern, auch daran waren Sie beteiligt, Herr Bürger!
Das war das Ressort! Herr Bürger war Sprecher der Bildungsdeputation seit 1995, sitzt bei jeder Regierungsrunde dabei, und damit hat die CDU aber gar nichts zu tun! Die Sanierung haben Sie erfolgreich gemacht, aber die Bildungspolitik hat mit Ihnen nichts zu tun, ich kann es nicht mehr hören!
Die Regierung hat jetzt eine Antwort vorgelegt, sie hat eine Menge Maßnahmen vorgeschlagen, Ein
zelmaßnahmen, die bis jetzt noch nicht gegriffen haben, zum Teil auch nur auf dem Papier stehen. Auch bestimmte Maßnahmen zur Schulvermeidung stehen bisher noch immer auf dem Papier, obwohl wir hier vor zweieinhalb Jahren letztlich schon Beschlüsse gefasst haben, weil es aus vielerlei Gründen, die ich jetzt nicht erörtern will, nicht so schnell vorangeht, auch viele Maßnahmen, die Herr Lemke hat aufschreiben lassen, die der Senat uns vorgelegt hat, wie zum Beispiel eine gute Projektvorstellung, gerade in Bremerhaven. Vielen Dank an die Bremerhavener, sie sind ja in der Schulverwaltung selbständig und auch vom Senat unabhängig und können manchmal ein bisschen schneller handeln! Sie sind aber zum Teil von der CDU auch bekämpft worden, wie zum Beispiel bei der Aufhebung der Versetzungsregelung in der Hauptschule oder wenigstens bei der Einschränkung der Versetzung in der Hauptschule! Auch das wollte die CDU nicht, Maßnahmen, die aber durchaus weiterhelfen könnten! Meine Damen und Herren, ich will das ganze Paket jetzt nicht im Einzelnen durchgehen, weil wir hier am Ende der Legislaturperiode daran nichts mehr bewegen und ändern werden, sondern das ist eine Sache der nächsten Legislaturperiode. Ich werde mich dabei nur auf zwei Dinge konzentrieren, erstens: Warum sind all die Anstrengungen, die wir jetzt machen, so schwierig und ist auch nicht gesichert, dass sie von Erfolg gekrönt sein werden? Die zweite Frage – was muss sich denn ändern? – die direkt daran anschließt: Warum sind Sie bisher nicht erfolgreich, auch die Versuche, die Sie gemacht haben? Am Geld kann es nicht gelegen haben, das will ich gleich vorweg sagen. Nach dem Statistischen Jahrbuch der Bundesregierung hat im Jahr 2001 das Land Bremen für einen Hauptschüler 6000 Euro im Jahr ausgegeben und für einen Gymnasiasten auch 6000 Euro. Mittlerweile ist da finanziell eine Gleichbehandlung erreicht, dennoch sind die Ergebnisse bisher nicht die gleichen. Deshalb will ich die Geldfrage an dieser Stelle heute einmal ausklammern. Woran liegt es? Meiner Meinung nach und nach Meinung der Grünen liegt es daran, dass viele Jahre lang die Bildungspolitik sich einen Leitsatz nicht zu Eigen gemacht hat, nicht die Schulen, sondern die Bildungspolitik: Jedes Kind, jedes Schulkind ist individuell, hat sein eigenes Recht, seine eigenen Probleme und seinen eigenen Förderbedarf.
Die Individualität des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen, das ist der Kern einer Schulreform. Diesen Kerngesichtspunkt haben die Bildungspolitiker in der Bundesrepublik eigentlich viele Jahre lang bis in die jüngste Zeit nicht ernst genommen. Dazu gehören zwei Probleme, das eine kennen wir, das ist ein Problem seit den siebziger Jahren, da
mals diskutiert, mit diesem schrecklichen Begriff „kompensatorische Erziehung“ belegt, man muss nämlich die Schwachen heranführen, nicht nur an das Niveau, sondern an das Verhalten derjenigen, die in der Schule besser sind, die aus besseren sozialen Verhältnissen kommen, man muss sie einfach nur anpassen. Dieses Konzept ist aus vielerlei Gründen gescheitert, weil es nicht akzeptiert, dass es in der Tat zu viele unterschiedliche Begabungen, Fähigkeiten und Entwicklungschancen gibt, die nicht nur alle sozial beeinflusst sind. Deshalb hat das nicht geklappt.
Das Zweite ist das, was Herr Bürger uns heute noch immer wieder sagt: Es wäre am leichtesten, wenn wir die Kinder früh in bestimmte Schubladen sortierten, in die der Hauptschüler, in die der Realschüler und die der Gymnasiasten – ich weiß gar nicht, warum gerade nach der vierten Klasse, vielleicht kann man das auch nach der zweiten oder dritten Klasse sehen, wer wohin gehört –,
weil man sich dann einfacher um die einzelnen Gruppen kümmern könne. Das ist das Gegenteil von Individualisierung, sondern das bedeutet, über einen Leisten zu scheren nach bestimmten Maßstäben, die ich schon seit langem in der Schublade habe. Das ist das Dilemma, das wir haben!
Herr Bürger, unter den Blinden ist in der Tat der Einäugige König!
Natürlich hat es das! Herr Bürger, es gibt kein Argument, mit dem ich entkräften kann, dass Bayern jetzt bessere Pisa-Ergebnisse hat. Ob Bayern in der Grundschule bessere Iglu-Ergebnisse hat, das wollen wir erst einmal noch sehen, das weiß heute noch keiner, ich komme gleich noch einmal darauf zurück.
Wir wissen aber, dass es erfolgreichere Systeme gibt als das bayerische oder sächsische System.
Ich habe keine Lust, mir das immer wieder anzuhören, Herr Bürger, das wissen wir doch alle, dass es
das in Deutschland nicht gibt, aber international, europaweit, und wir leben in einem vereinten Europa,
und wir wollen dahin, da gibt es das! Wir wollen europäisches Bildungsniveau erreichen und nicht nur ein deutsches Spitzenniveau!
Ich wollte mich heute eigentlich nicht aufregen, vor allen Dingen nicht nach der Mittagspause.
Ich wollte mich eigentlich auch nicht nach Ihrer wahrscheinlich letzten Rede hier mit Ihnen so streiten, weil wir ja neulich festgestellt haben, es gibt auch eine Menge Punkte, in denen Sie Recht haben, aber es gibt Punkte, in denen Sie so starr sind über so viele Jahre, wie es unsere Kinder eigentlich nicht verdient haben. Da sind Sie nicht als Person schuld, sondern das ist die Politik der CDU, die sich eigentlich darin manifestiert und die den Kindern in unserem Lande enge Grenzen setzt.
Sie selbst haben heute gesagt, diejenigen, die dann in der Hauptschule landen, müssen dann, wenn sie etwas anderes schaffen können, einen Umweg oder einen längeren Weg in Kauf nehmen. Warum, wenn es auch anders geht? Warum müssen wir das den Kindern antun, wenn wir andere Möglichkeiten haben?
Ich sage deshalb noch einmal, das ist jetzt wirklich eine Art persönliches Bekenntnis, ich habe meine Meinung in den letzten 20 Jahren da auch geändert, vielleicht hat es auch damit etwas zu tun, dass man selbst älter wird und Kinder hat: Wir müssen auf ein Schulsystem setzen, das die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes, egal ob Sie das Gymnasial- oder Hauptschulkind nennen, in den Vordergrund stellt, und die Schule danach organisieren! Da sage ich aus internationalen Erfahrungen, die Schule so zu organisieren ist besser, gemeinsam, übrigens auch billiger, das sind dann nicht die Gesamtschulen, die wir heute haben, die relativ teuer sind, sondern billiger als ein getrenntes System, in dem uns weniger Hauptschüler viel Geld kosten und viele Gymnasiasten auch viel Geld kosten!
Es ist auch wichtig, das hinzubekommen, weil wir – ich bleibe dabei – möglichst viele Kinder und Jugendliche mit hohem Bildungsabschluss haben müssen, auch nicht nur der Kinder wegen, sondern auch des eigenen Landes wegen, um ökonomisch, demokratisch und sozial in Europa konkurrenzfähig zu sein. Ich habe aber gesagt, ich will das alles heute nicht wiederholen, weil wir das so oft diskutiert haben.
Es ist auch völlig klar, warum Sie diese Anfrage eingebracht haben. Es ging Ihnen letztlich nicht um die Probleme der Kinder in der Hauptschule, sondern darum, noch einmal zu dokumentieren, dass Sie in der Bildungspolitik einen anderen Weg als die Grünen vorhaben, den auch mittlerweile die SPD einschlägt und der tatsächlich eine grundlegende Reform des deutschen Schulsystems von unten an, vom Kindergarten über die Grundschule bis zum Abitur, vorsieht.
Herr Bürger, insofern möchte ich auch noch einmal das zurückweisen, was Sie über die sechsjährige Grundschule gesagt haben, denn so, wie Sie das gesagt haben, war das unterschwellig eine Diffamierung der Grundschularbeit heute. Hingegen wissen wir, dass all das, was Herr Lemke bei der Beantwortung der Großen Anfrage hat aufschreiben lassen, Projektarbeit, Bewegung nach außen in den Stadtteilen, in das wahre Leben der Schule hinein und moderne Unterrichtsmethoden, Maßnahmen sind, die wenigstens in der Grundschule schon lange Zeit besser und weiter sind als in den weiterführenden Schulen, wenn auch nicht vollkommen und nicht überall auf dem neuesten Stand entwickelt. Wir können von der Grundschule lernen. Deshalb ist eine sechsjährige Grundschule keine Bedrohung, sondern eine Chance zum gemeinsamen Lernen.
Meine Damen und Herren, wir haben viele politische Übereinstimmungen in den letzten Tagen hier in den Debatten gehabt. Wenn es in einem Punkt bei dieser Wahl tatsächlich um eine Art Richtungsentscheidung geht – gehen wir nach vorn, oder gehen wir zurück, geben wir allen Kindern eine Chance, oder geben wir wenigen Kindern eine Chance? – dann ist es in der Bildungspolitik, und da gibt es Vereinbarkeiten und Unvereinbarkeiten. In den Fragen aber, die wir jetzt heute hier diskutieren, in welche Richtung soll sich unsere Schule entwickeln, und welche Chancen haben in dieser Schule die Kinder, auch wirklich Abschlüsse zu machen, da ist die Differenz wirklich im Augenblick sehr, sehr groß, und da ist die Entscheidung der Wähler auch klar: Wer sich für die CDU entscheidet, entscheidet sich für einen anderen Weg, für einen Weg, der den Kindern nicht die Chancen gibt, die wir ihnen öffnen wollen.
Frau Senatorin, jetzt frage ich Sie wieder als Vertreterin des Senats und nicht für das Ressort, ich glaube, das ist unsere Aufgabe.
Es ist gut, dass es jetzt schon für die Geschäftsordnung Beifall gibt in diesem Haus.
Frau Senatorin, ich frage Sie und damit den Senat: Ist Ihnen bekannt, ob eine etwaige Regattastrecke an dieser oder anderer Stelle in irgendwelchen Finanzplanungen des Senats auftaucht oder anderweitige Finanzierungsvorstellungen bestehen, die schon von irgendwelchen politischen Gremien, etwa dem Senat, beschlossen worden sind?
Sie haben eben gesagt, der Bedarfsträger! Darf ich daraus schließen, dass Sie damit den Senator für Sport meinen?
Herr Senator, ich habe Verständnis dafür, dass es zeitlich etwas knapp ist, um uns heute schon etwas sagen
zu können. Sind Sie denn bereit, nach den Sommerferien, sagen wir, zum 1. September, den zuständigen Deputationen – ich sage ausdrücklich, das ist nicht nur Bildung oder Sport, wir fragen hier den Senat, ich darf daran erinnern, dass wir das Problem heute schon einmal hatten, und es ist unabhängig davon, wer Senator ist – sowie, ich gehe davon aus, dass es die auch geben wird, der für die Jugend zuständigen Deputation darüber zu berichten? Ich finde, wenn der Senat so ein Konzept erarbeitet, soll er auch den Bereich der Kinder einbeziehen, die noch nicht schulpflichtig sind, weil da hohe motorische Defizite und ein großer Erziehungsbedarf bestehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Änderung des Schulgesetzes, die die große Koalition hier heute vorlegt, bedeutet, dass künftig nicht mehr der Elternwille über die Schullaufbahn des Kindes entscheidet, sondern der Lehrerwille, in manchen Fällen kann man manchmal auch Lehrerwillkür sagen, das sage ich jetzt auch bewusst. Tatsächlich ist es heute so, dass die Schulen, sprich die Lehrer eine Empfeh––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
lung aussprechen für die weitere Schullaufbahn des Kindes nach dem sechsten Jahrgang. Die Eltern werden darüber beraten, und sie entscheiden danach. Sie entscheiden an manchen Schulen auch in mehreren Fällen anders als die Schulen. Sie können sagen, das sind Fehlentscheidungen zugunsten oder zu Lasten der Kinder, je nachdem. Ich kenne mindestens genauso viele Fehlentscheidungen von Lehrern zu Lasten der Kinder.
Ich will heute nicht aus meinem persönlichen Familienleben plaudern, weil ich mit diesen Einstufungen bei meinen eigenen Kindern genug Erfahrung habe. Das ist aber auch nicht der Kern der Sache. In Wirklichkeit beschließen Sie jetzt heute, dass die Schule eine Empfehlung ausspricht und nur in dem Fall, wenn die Eltern nach Beratung in der Schulkonferenz dem Rat der Schule nicht folgen, von der Schule insgesamt noch einmal beraten werden, und wenn sie dann immer noch nicht dem Rat der Schule folgen, dann müssen die Kinder eine Aufnahmeprüfung machen. So etwas habe ich in den fünfziger Jahren beim Gymnasium machen müssen, meine Damen und Herren.
Ich komme gleich darauf! Was Sie hier in Wirklichkeit beschließen, ist eigentlich eine Anklageschrift gegen das jetzige bremische Schulsystem, und ich will Ihnen jetzt gern erläutern, warum das so ist!
In allen Wahlprogrammen, in dem der SPD und auch der CDU, steht, dass es künftig darum geht, die Kinder individuell zu fördern. Alle Wahlaussagen der Parteien in diesem Haus sagen, wir brauchen mehr Kinder mit besseren und höheren Bildungsabschlüssen. Ich dachte, das war bis jetzt Konsens.
Tatsächlich, Herr Bürger, ist es in Bremen heute so, dass 50 Prozent der Kinder in der Schule einmal sitzen bleiben – 50 Prozent, das können wir nicht bestreiten, wir haben das in der Bildungsdeputation vorgelegt bekommen –, dass über zehn Prozent der Kinder zurückgestuft werden in andere Schularten, und immer von oben nach unten, vom Gymnasium in die Realschule, von der Realschule in die Hauptschule, oder in der Grundschule erst einmal ein Jahr zurückgestellt werden oder da, weil es da keine Nichtversetzung im klassischen Sinne gibt, auch zurückgestuft werden. Das ist die Realität dieser Schule.
Was heißt denn das? Sind die Bremer Schülerinnen und Schüler dümmer als in anderen Bundesländern? Sind sie dümmer als in Schweden, Finnland, Großbritannien oder Frankreich, wo sehr viel mehr Kinder Abitur machen? Nein, das wird hier keiner behaupten wollen! Woran kann es denn dann liegen, dass die individuelle Förderung der Kinder in den einzelnen Schulen, egal ob in der Hauptschule, in der Realschule oder auf dem Gymnasium, nicht ausreichend stattfindet? Das wäre doch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass mehr Kinder höhere Abschlüsse machen, als sie jetzt durch Willen der Lehrer nach dem Notenbild herunterzustufen. Das verbessert nicht die Chancen, sondern verschlechtert sie.
Herr Rohmeyer hat gesagt, wir nehmen Rücksicht auf die Kinder! Sie mögen ja im Einzelfall völlig Recht haben, aber in Wirklichkeit versperren Sie den Kindern einen besseren Bildungsabschluss, denn Sie wissen, dass diese Schule in Bremen das unter den heutigen Bedingungen offensichtlich nicht leisten kann. Sie kann es deshalb nicht leisten, das ist mein einziger Bezug zu Pisa in dieser Debatte, weil, wie die Pisa-Studie ergeben hat, nicht nur Bremer Lehrer, sondern niedersächsische, nordrhein-westfälische, Berliner oder bayerische Lehrer überhaupt nicht darauf vorbereitet sind, mit Kindern umzugehen, die aus unterschiedlichen sozialen Schichten, unterschiedlichen ethnischen Bereichen kommen und auch verschiedene Vorbildungen haben. Die deutsche Schule kann damit nicht umgehen, und deshalb muss sie die Kinder sortieren. Die Sortierung ist, das haben alle Untersuchungen in Bremen gezeigt, die nach unten.
Wenn Sie das statt den Eltern der Schule übertragen, dann unterstützen Sie diejenigen, die sowieso die Homogenität, die Gleichheit, die Gleichmäßigkeit in der Klasse und im Unterricht lieben und die gerade nicht wollen, dass so viele unterschiedliche Kinder mit unterschiedlichen Problemen in ihrer Klasse sind. Das bewirken Sie hierdurch, und damit zementieren Sie die Kritik am Schulsystem, die ja richtig ist, auf längere Zeit zu Lasten der Kinder, denen Sie die Aufstiegschancen nehmen.
Allemal ist mir da ein falscher Elternwille lieber als ein falscher Lehrerwille, der nämlich so aussieht, dass die Chancen der Kinder verhindert werden.
Was machen denn die Kinder mit einer Hauptschulempfehlung durch, die aus bildungsfernen Schichten oder gar von Migranten kommen, die sich nicht
trauen, zur Schule zu gehen und zu sagen, mein Kind müsste aber auf die Realschule, oder mein Kind müsste auf das Gymnasium? Was machen die denn durch, Herr Bürger?
Jetzt werde ich doch persönlich!
Von meinen beiden Kindern studiert heute eines, das andere ist in der gymnasialen Oberstufe, das eine hatte eine Realschulempfehlung, das andere eine Hauptschulempfehlung. Sie sind auch nicht dümmer als andere, aber sie haben Eltern, die sich gegen die Schule unter dem alten Recht, das wir hatten, durchgesetzt haben. Im neuen Recht werden wir es alle sehr viel schwerer haben, und wenn das nicht Eltern sind wie wir, die hier sitzen, vielen Dank für die Bildungschancen!
Das ist der Kerngrund, warum wir sagen, wir lehnen das hier heute ab. Es gibt viele weitere Gründe, meine Damen und Herren, der Zentralelternbeirat hat ja einige vorgetragen. Es ist Unsinn, so etwas hier zu beschließen, ehe die künftige Struktur der Schule klar ist, wie es weitergeht: Gibt es eine sechsjährige Grundschule, gibt es die Entscheidung nach Klasse vier? Es gibt keine Notwendigkeit, das heute für das nächste Schuljahr zu regeln, selbst wenn Sie meinen, dass einige Eltern eine Fehlentscheidung treffen. Die Fehlentscheidung der Lehrer wiegt so viel wie die der Eltern, habe ich gesagt.
Dann gibt es noch einen Kernpunkt, an den ich zumindest die Sozialdemokraten bei dieser Entscheidung erinnern möchte! Diese Gesetzesänderung ist in der Tat doch nur notwendig, weil wir ein dreigliedriges Schulsystem haben und hier auf der rechten Seite im Haus jemand sitzt, der dieses dreigliedrige Schulsystem wie in Hannover, und wie es jetzt auch in Hamburg geschieht, zementieren und festmauern möchte bis in alle Ewigkeit. Das ist doch nicht das Schulsystem der Zukunft, wir werden das heute noch an anderer Stelle diskutieren, meine Damen und Herren!
Das ist doch kein modernes Schulsystem! Diese ganze Frage der falschen Schulwahl gibt es nur, weil es dieses Schulsystem gibt. Wer das heute hier auch noch so beschließen will, dass dann den Eltern das
Recht genommen wird und die Lehrer das zementieren sollen, dann, sage ich Ihnen, treffen Sie wirklich im Kern eine Entscheidung gegen die Kinder, im Kern gegen eine Reform des Schulsystems und geben selbst zu, dass das, was Sie hier in Bremen in der bremischen Schule treiben, nicht die Zukunft vor sich hat, sondern dass es eigentlich schon die Zukunft hinter sich hat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Lemke, wir sind in vielen Fällen in dieser Bürgerschaft einer Meinung gewesen, vielleicht häufiger, als Sie mit der CDU oder der SPD waren.
Toben Sie sich einmal ein bisschen aus, dann rede ich weiter mit Herrn Lemke!
So heiter ist die Frage leider nicht, über die wir heute reden, wie Sie sie jetzt im Augenblick gern nehmen möchten, weil Herr Senator Lemke sich das jetzt gefallen lassen muss, dass man ihm sagt, Sie können sich nicht hinstellen, die richtigen Ziele vertreten und dann jetzt hier ein Gesetz machen, das mit diesen richtigen Zielen in Wirklichkeit gar nichts zu tun hat!
Es geht um die Zukunft unserer Schule und damit um die Zukunft der Kinder, die jetzt Schulkinder sind und die Schulkinder werden wollen. Sie haben die ganze Zeit jetzt nur davon geredet, dass man den armen Kindern die Qualen ersparen muss, in der falschen Schule zu sein. Ich sage Ihnen: Wir beide kennen Lehrer, Herr Lemke, Sie so gut wie ich. Ich gehöre bestimmt zu den Letzten, die hier normalerweise Lehrerbeschimpfungen machen, aber ich weiß, dass viele Lehrer in den Schulen sagen, sie haben die falschen Kinder, egal, in welcher Schule man ist, sie haben immer die falschen Kinder, weil sie mit einem Teil der Kinder nicht klarkommen, und wenn sie die nicht hätten, wäre alles in Ordnung. Das ist die Tatsache.
Mit dem, was Sie jetzt hier heute vorschlagen, überlassen wir die Entscheidung lieber der Schule als den Eltern! Sie geben jetzt auch noch Zahlen in den Raum, oder es war Herr Rohmeyer, und sagen, in 90 Prozent der Fälle ist das auch gar kein Problem. Natürlich ist das in 90 Prozent der Fälle kein Problem, weil die Eltern auch aus eigenem Gefühl so entscheiden, wie das in der Schule entschieden wird. Wir haben 50 000 Kinder und Jugendliche an allgemeinbildenden Schulen im Land Bremen, das heißt, es sind 5000, nämlich zehn Prozent dieser Schüler, für die offensichtlich nicht richtig entschie––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
den wird. Ich finde, das sind 5000 zu viel, meine Damen und Herren!
Um mindestens diese 5000 geht es heute. Sie können hundert Mal von Durchlässigkeit reden: Das System und das, was Sie heute mit vorschlagen, ist das System der Durchlässigkeit von oben nach unten, keine Bremer Spezialität, aber eine bundesdeutsche Spezialität, wie Sie auch bei McKinsey nachlesen können! Wir können das ja zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren. Worauf es doch ankommt: Wir waren beide zusammen in Finnland, Herr Lemke, und ich kann mich gut an den Schulleiter erinnern, der uns gesagt hat, bei uns gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Wir sorgen dafür, dass jedes Kind in dieser Schule eine Hoffnung hat und die Eltern mit. Das ist die richtige Einstellung. Es werden nicht alle zu den gleichen Ergebnissen kommen, aber es werden alle mit gleicher Intensität und mit gleicher Qualität gefördert werden müssen. Das ist die positive Entscheidung, die wir erst zu treffen haben, ehe wir dann gesetzliche Entscheidungen über irgendetwas anderes treffen.
Sie lösen das Pisa-Problem quantitativ, weniger Kinder in weiterführenden Schulen, das führt zu besseren Ergebnissen, diesen Weg hat uns Bayern schon vorgemacht! Natürlich hat die bayerische Hauptschule bessere Ergebnisse, wenn es weniger Gymnasien gibt. Ob das für die Kinder im Land insgesamt gut ist, will ich bestreiten, für die bayerischen Hochschulen bestimmt nicht, denn die importieren ihre Studenten aus anderen Bundesländern, weil sie nicht selbst im eigenen Land genug produzieren! Ich glaube, Herr Senator Lemke, wir können uns schnell wieder vereinen, wenn wir wirklich diesen Punkt in Angriff nehmen und die Schule so organisieren würden, dass alle Kinder die bestmögliche Förderung haben und Sie nicht dem Drängen der Union nachgeben, die in Wirklichkeit immer noch etwas anderes will. Manchmal verstehe ich, ehrlich gesagt, auch gar nicht, warum, aber das muss offensichtlich so sein. Herr Rohmeyer hat neulich in einer Diskussion, die ich mit ihm hatte, gesagt, das ist nun einmal das Programm der CDU, das müssen wir vertreten.
Das ist das Programm der CDU, das dreigliedrige Schulsystem, haben Sie öffentlich gesagt, das müssen wir vertreten!
Umso besser, Herr Rohmeyer! Dann stehen Sie eben dazu, dann stehen Sie eben mittelfristig und historisch bildungspolitisch im Abseits, auch wenn Sie heute in dieser Republik meinen, Sie stünden obenan.
Alles Weitere in dieser Frage, glaube ich, werden wir nach dem 25. Mai klären. Ich bin da guter Hoffnung, dass die Eltern, wenn man sie wirklich über Bildungspolitik entscheiden ließe, anders entscheiden würden. Herr Rohmeyer hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitiert, ich zitiere einfach nur die „Norddeutsche“: „Schule, Eltern In den Sandwehen sagen Nein zum Gymnasium!“
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bündnis 90/ Die Grünen haben an den Senat eine Anfrage gestellt unter dem Titel „Nun auch McKinsey“. Es klingt etwas rätselhaft für diejenigen, die nicht alle Unterlagen lesen, das kann man ja von niemandem hier im Haus verlangen, aber es ist eine einfache Auflösung. „Nun auch McKinsey“ bezieht sich nicht nur auf McKinsey, sondern darauf, dass verschiedene Einrichtungen und Organisationen der Wirtschaft eine grundlegendere Reform auch im Bildungssystem der Republik gefordert haben.
Kern dieser Forderung, und danach fragen wir den Senat, wie er es bewertet, ist die Aussage, die wir heute schon in einem anderen Zusammenhang mehrfach angesprochen haben: es komme künftig darauf an, im Bildungssystem der Zukunft jedes Kind besser zu fördern. Die bessere Förderung jedes einzel––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nen Kindes sei wiederum am besten zu erreichen, wenn sie möglichst lange nicht nach verschiedenen Schulformen differenziert – man kann es auch einfacher sagen – gemeinsam in einer Schule unterrichtet werden. So ist der Kernpunkt der Aussagen. Es ist nicht nur McKinsey, die bekannte Wirtschaftsberatungs- und Unternehmensberatungsorganisation, die weltweit operiert und die von daher natürlich ihre Vergleiche zieht. Wir alle wissen, dass McKinsey auch schon in Bremen tätig war. Die Tätigkeiten haben unterschiedliche Zustimmung in unterschiedlichen Bereichen gefunden, immerhin noch eine Menge mehr als die Ergebnisse von Roland Berger, die wir vier Jahre später in diesem Hause hatten. Insofern wird hier niemand von uns sagen, dass Wirtschaftsberatungsorganisationen die sind, die den Stein der Weisen gefunden haben. Ich finde, es ist schon ein bemerkenswerter Wandel, dass ein solches Unternehmen sich nicht nur einfach beschäftigt mit der Rationalisierung betrieblicher und wirtschaftlicher Zusammenhänge und mit der Beratung von Firmen und Staatsverwaltungen, wie sie künftig besser aufgestellt und organisiert sein sollen, sondern mit grundsätzlichen Problemen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, wie es das Bildungssystem ist. Es ist übrigens nicht nur McKinsey, das ist heute auch schon einmal zitiert worden, sondern auch der Baden-Württembergische Handwerkstag – das ist die Handwerkskammer des Landes Baden-Württemberg, um das für alle klar zu machen, nicht irgendwer, sondern die Handwerkskammer eines ganzen Landes – hat sich ähnlich geäußert wie McKinsey. Wir haben den Senat gefragt, wie er diese Entwicklung bewertet. Ich sage einmal ganz vorsichtig, der Senat hat sich sehr zurückhaltend verhalten.
Was soll er denn machen, genau das ist der Kernpunkt! Was soll er denn machen, weil wir in der Frage des Bildungssystems, der Zukunft des Bildungssystems die Situation haben, dass die politischen Auffassungen dieses Hauses, dieses Parlaments, und dieser Republik insgesamt, trotz weitgehend einheitlicher Einschätzungen der Ergebnisse der verschiedenen internationalen Vergleichsuntersuchungen, in denen Bremen und die Bundesrepublik insgesamt nicht gut abschneiden, diametral verschieden sind. Man kann das ganz einfach sagen: Durch dieses Haus und durch dieses Land Bremen zieht sich bildungspolitisch ein Grand Canyon von einer Tiefe, die nicht zu überwinden zu sein scheint.
Wir haben diese Debatte heute nicht auf die Tagesordnung gesetzt, um uns noch einmal sagen zu
lassen, wie groß die Meinungsunterschiede sind, sondern um einen Ansatz zu finden, der uns in der Zukunft weiterhilft. Darum geht es heute. Darum berufen wir uns auch ausdrücklich auf Organisationen und Unternehmen, die ein wirtschaftliches Interesse an der Bildung haben und nicht ein allgemein demokratisches Interesse. Wenn wir uns darüber einig sind, dass Bildung ein allgemeines Bürgerrecht für jeden ist und dass Bildung notwendig ist zur Aufrechterhaltung und Entwicklung der Demokratie, wenn wir uns gleichzeitig darüber einig sind, dass gute Bildungschancen für eine Gesellschaft und ihre wirtschaftliche Zukunft in einem gemeinsamen Europa wichtig sind, dann müssen wir uns auch das anhören, was solche Unternehmen und Organisationen zur künftigen Bildungspolitik sagen.
Ausgangspunkt bei McKinsey ist zu sagen, dass die Zukunft unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems von der Qualität der Bildung, der Qualität der Abschlüsse und von der Chance, möglichst viele gute Abschlüsse zu erreichen, abhängt, und der Baden-Württembergische Handwerkstag, der sich nun konkret mit den Auswirkungen der Bildungspolitik beschäftigen muss, weil er natürlich in seinen Mitgliedsbetrieben die Kinder und Jugendlichen nach dem Schulsystem vor Augen geführt bekommt, sagt, wir bekommen heute nicht die Jugendlichen, die das Handwerk für die Zukunft braucht, unsere Schule bildet sie so nicht aus. Er sagt aber gleichzeitig, nicht die Stärkung der Hauptschule, nicht die Stärkung der Gymnasien, nicht die Stärkung der Realschule ist die richtige Lösung, weil diese Einrichtungen die falschen Bildungsinhalte für die falschen Kinder – um das Wort noch einmal zu nennen – produzieren, aber nicht auf die Zukunft gerichtet sind, sondern die zukünftige Bildungspolitik hat ganz andere Zielrichtungen als nur die traditionelle gymnasiale Bildung, als nur das, was man sich unter handwerklicher Arbeit heute vorstellt. Das ist etwas Integriertes, Kopf- und Handarbeit, Intelligenz und praktische Fähigkeiten, nicht in jedem einzelnen Kind, aber im Bildungssystem. Das ist die zentrale Aussage für die Entwicklung unserer Gesellschaft.
Ich will das jetzt nicht mit irgendeiner Polemik hier anführen, sondern nur sagen, wir müssen das zur Kenntnis nehmen, weil es die Wirklichkeit ist, und wir hinken bildungspolitisch weit hinter der Wirklichkeit zurück. Andere europäische Staaten haben in Situationen, als es ihnen wirtschaftlich schlecht ging – –. Schweden war in den siebziger Jahren ökonomisch schlecht dran, Finnland war zu Beginn der achtziger Jahre, als sie die große Bildungsreform durchgesetzt haben, ökonomisch ziemlich am Ende Europas. Heute stehen diese Länder trotz der ökonomischen Probleme, die im Zuge der Globalisierung überall wirken, sehr viel besser da, als die Bundesrepublik Deutschland heute dasteht. Das hat et
was damit zu tun, dass diese Länder frühzeitig auf Bildung gesetzt haben, nicht aber nur auf ökonomisches Wachstum. Herr Kollege Pflugradt, ich will nicht noch einmal die Diskussion haben, die wir gestern hatten. Er hat gestern gesagt, wir sollten ökonomisches Wachstum nicht missachten. Er hat ja Recht, aber deshalb sage ich, nicht nur auf ökonomisches Wachstum setzen, sondern auch auf Wachstum der Bildungschancen.
Heute sagen in dieser Republik nach der letzten Shell-Jugendstudie 52 Prozent aller Jugendlichen, sie würden, wenn sie die Chance dazu haben, das Abitur anstreben. Das allein sagt genug über das Bewusstsein unter den Jugendlichen, wie wichtig für sie gute und hohe Bildungsabschlüsse sind. Ich finde, es wäre das Beste, was wir tun könnten, wenn wir dem gerecht werden, dem möglichst schnell nachkommen und ihnen die Chance geben.
Ich weiß, dass der Grand Canyon tief ist, und es ist vorhin ja auch schon wieder gesagt worden in der Debatte über das Schulgesetz, dennoch, glaube ich, müssten wir zuerst zwei Dinge tun, nämlich Brücken bauen, damit man von der einen auf die andere Seite gehen kann, um schließlich daraus Konsequenzen zu ziehen. Brücken über diesen Grand Canyon zu bauen heißt, dass die Leute, die heute auf der rechten Seite stehen, auch auf die linke Seite wechseln können, um sehen zu können, was da richtig ist, und andersherum. Dazu will ich noch einmal auf McKinsey zurückkommen, weil sie uns Handreichungen dafür geben. McKinsey sagt, eine dieser Brücken ist, Bildung so früh wie möglich. Bildung so früh wie möglich heißt, nicht Sprachstandstests nach dem fünften Lebensjahr, sondern die Institution Kindergarten als Bildungseinrichtung für den Eintritt der Kinder dahin gehend zu begreifen, diese Institution aufzuwerten und vor allen Dingen, so sagt es McKinsey, auch die Menschen, die dort arbeiten, die Erzieherinnen, anders zu qualifizieren, höher zu bewerten, auch besser zu bezahlen,
damit dieser Bildungsanspruch durchgesetzt werden kann. Das Gleiche gilt für die Grundschule, verbal sind wir uns darüber einig. Dann sage ich: Gehen wir über die Brücke und fangen nicht irgendwo damit an, sondern fangen wirklich ganz unten im System an, um zu einer neuen Schule zu kommen! Wenn wir das können, dann können wir auch sehen, wie sich das oben schrittweise weiterentwickelt.
Die zweite Brücke, die McKinsey nennt, ist Qualität, Qualität, Qualität! Ich glaube, das ist eine Brücke, über die viele gehen müssen, die bis jetzt auf der linken Seite standen und historisch die Gesamtschule für etwas Richtiges gehalten haben. Die bisherige Gesamtschule hat viele Jahre lang die Qualität, die Qualität als Leistung, Wissen und Fertigkeiten nicht so wichtig genommen wie soziale Fähigkeiten. Beides zu vereinen und zu fördern, das ist die Aufgabe der gemeinsamen Schule der Zukunft.
Wenn die linke Seite über diese Brücke geht zu denjenigen – –. Herr Bürger, da gebe ich Ihnen gern nachträglich Recht nach vielen Bildungsdebatten, die wir hier geführt haben, Sie haben das schon vor 15 Jahren gesagt, es hat lange gedauert, bis andere da angekommen sind, dass es notwendig ist. Das aber stellt noch nicht die Organisationsform, gemeinsam zu unterrichten, in Frage, sondern nur, wie bis jetzt in dieser Organisationsform unterrichtet worden ist.
Deshalb sage ich, es müssen diejenigen, die bis jetzt die klassische Gesamtschule vertreten haben, auch über eine Brücke gehen. McKinsey sagt, weder das dreigliedrige Schulsystem noch die Gesamtschule, wie wir sie kennen, ist die Zukunft. McKinsey sagt, wir müssen von vorn anfangen, von unten, bei der Grundschule, beim Kindergarten, dann aufbauen, die Kinder möglichst lange zusammen lassen. Ich sage das nicht, weil das mittlerweile grünes Programm ist, sondern ich sage das, weil hier gesellschaftlich wichtige Kräfte in eine Richtung drängen, die sie als zukunftsfähig aus einem Vergleich in Europa sehen. Allein das ist ein Argument, das wir übernehmen müssen.
Die letzte Brücke, die uns McKinsey bietet, ist die der Finanzen. Sie sagen, wir müssen neue Finanzquellen schaffen, aber wir müssen auch mehr in diese Bildung investieren. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die vier Jahre, die wir hier vielleicht Abgeordnete sind in einer Legislaturperiode, nicht dazu führen werden, dass wir die Ergebnisse sehen. Es dauert 15 oder 20 Jahre. Wer Schulreformen in Europa gesehen hat, die tragfähig waren wie in Schweden oder in Finnland, der weiß, dass es 15, 20 oder sogar 25 Jahre dauert, bis die Ergebnisse in der Gesellschaft ankommen.
Das ist gerade der Grund, heute und von unten anzufangen und auch für die finanziellen Prioritäten. Ich bin es so leid, dass hier immer gesagt wird, wir sind ein Haushaltsnotlageland, wir haben das Geld nicht, und wir haben so viel Wichtigeres zu tun! Ich mache heute nicht die platte Polemik über den Space-Park und so weiter, jeder in diesem Land sieht, wo Geld hingeht. Wir wollen künftig sehen, dass das Geld in die Investitionen in die Zukunft geht, auch wenn es keine haushaltsrechtliche Investition ist, das ist die Investition in unsere Kinder, und das ist hier der Hauptpunkt, meine Damen und Herren!
Als letzten Satz dazu! Wer sich mit diesen Stellungnahmen ernsthaft beschäftigt, der muss sich auch ernsthaft damit beschäftigen, dass es effizienter, auch ökonomisch effizienter ist, die Kinder zusammen zu lassen, damit möglichst viele eine Chance haben.
Das ist der Weg der Zukunft, und darum haben wir hier heute noch einmal die Frage von McKinsey zur Frage dieses Hauses gemacht, damit Sie dazu sagen können, wie Sie die Zukunftsperspektiven in einem modernen Bildungssystem in einem modernen Europa sehen, nicht aber in der Vergangenheit des vorherigen Jahrhunderts.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Soweit es sich um Glaubenssätze handelt, werden wir wahrscheinlich wirklich nicht weiterkommen. Wir müssen nur akzeptieren, Herr Kollege Rohmeyer, nachdem die bildungspolitische Debatte jetzt im letzten Jahr in Deutschland und natürlich auch in Bremen so heftig geworden ist und die Qualität des Schulsystems bei uns in Deutschland insgesamt und in Bremen insbesondere auf dem Prüfstand der öffentlichen Meinung steht, aber auch auf dem Prüfstand derjenigen, die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sich in diesem System befinden, der Lehrer und Lehrerinnen, der Schülerinnen und Schüler und vor allen Dingen auch der Eltern, dass wir um klare und zukunftsweisende Entscheidungen nicht herumkommen.
Eines müssen wir gelernt haben, ich sage das selbst, das ist auch selbstkritisch: Wir haben Anfang des vorigen Jahrzehnts die Forderung nach Schulvielfalt unterstützt. Jeder hat sie verschieden interpretiert, aber wir haben sie im Grundsatz unterstützt. Was daraus geworden ist, ist ein bildungspolitischer Flickenteppich in dieser Stadt, der eines nicht garantiert, eine gleichbleibende und durchgängige – ich sage das einmal so technokratisch – Qualität aller unserer Schulen! Dieser Flickenteppich kostet aber sehr viel Geld, nicht nur in den Gesamtschulen, ich will das gar nicht bestreiten, Herr Eckhoff ist jetzt gar nicht da, der neulich gesagt hat, dass da besonders viel Geld ausgegeben wird. Er kostet auch in den Gymnasien 6000 Euro pro Schüler und in den Hauptschulen 6000 Euro pro Schüler nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes im letzten Bericht, bei den Grundschülern nur 4200 Euro. Da sieht man gleich, wie das verteilt ist.
Es wird also viel Geld, auch im Verhältnis zu anderen Ländern, in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Bildungssystem ausgegeben. Es ist ein Flickenteppich. Es ist einer, dessen Qualität beschränkt ist, sage ich einmal ganz vorsichtig. Einzelne Schulen sind top, andere Schulen sind nicht so top, und hier steht eine grundlegende Reform an. Was McKinsey sagt, Frau Jansen hat es schon zitiert, Herr Rohmeyer, es ist nicht so, dass jeder nur das zitiert, was ihm passt. Ich habe vorhin ausdrücklich gesagt, dass sie sagen, weder Dreigliedrigkeit noch die Gesamtschule, nämlich die, die wir bisher hatten, sondern individuelle Förderung und späte institutionelle Trennung in Schultypen, so steht es in dieser Presseerklärung vor den Sätzen, die Sie eben zitiert haben, ausdrücklich zu lesen! Lassen wir es doch auch so beisammen wie diejenigen, die es gesagt haben!
Wir sollten uns damit auseinander setzen, dass es offensichtlich in solchen Schulen, und das hat nicht nur etwas mit der Bevölkerungsgröße und -struktur anderer Länder zu tun, sondern auch mit den pädagogischen Konzepten, die dahinter stehen, in einer schwedischen Schule für jede Schülerin und jeden Schüler einen individuellen Lehrplan gibt. Der wird durch ein Portfolio, wie das so technisch heißt, ständig offen gelegt und überprüft, und er wird intern in der Schule, von den Eltern und extern von einer relativ unabhängigen Institution alle drei Jahre bewertet. Das ist eine Frage der Qualität, aber es findet in einer Schule statt, weil es hier Qualitätssicherung gibt. Dadurch wird dieses Schulsystem nicht teurer, sondern am Ende billiger, weil viele getrennte Schulen mit vielen getrennten Systemen und vielen getrennten Lehrmethoden letztlich teurer werden.
Das lehrt uns auch unsere Gesamtschule, wie wir sie hier haben, im Verhältnis und in Konkurrenz zu anderen Schulen.
Deshalb sage ich noch einmal, wir brauchen eine moderne Schuldebatte und nicht eine Debatte, die zurückgeht in das vorige Jahrhundert.
Deshalb ist die Debatte über die dreijährige Schule oder Gesamtschule der siebziger Jahre tot. Wir haben die McKinsey-Diskussion hier nicht noch einmal angefangen, nicht, weil wir nicht wissen, dass nicht der deutsche Arbeitgeberverband oder andere Interessenverbände etwas anderes sagen, sondern weil wir natürlich die Positionen herausgreifen, die sich mit der Modernität und mit der Zukunft unseres Landes beschäftigen und nicht mit denjenigen, die nur an Traditionen festhalten wollen.
In dem Sinne habe ich mich jetzt hier bemüht, bei diesem Tagesordnungspunkt noch einmal zu versuchen, die Debatte sachlich zu führen und auf die Kernpunkte zu beschränken, denn egal, wer regiert, er ist gezwungen, sich damit auseinander zu setzen und mit den Notwendigkeiten der Unternehmen und dem Wunsch der jungen Menschen, einen möglichst guten und möglichst hohen Abschluss zu haben. Das zu erreichen schaffen wir eben nicht, indem wir die Schüler früh sortieren, sondern indem wir sie möglichst lange zusammenlassen und individuell fördern. Das ist meine feste Überzeugung, und ich glaube, dass diese Überzeugung auch praktische Konsequenzen haben muss, die nach der Wahl in diesem Haus, aber nicht nur in diesem Haus, sondern vor allen Dingen auch in der Öffentlichkeit mit Eltern und Schülern zu führen ist, so dass Sie in einem Punkt Recht haben, Herr Rohmeyer: Wenn wir nicht diejenigen mitnehmen, die in dem System arbeiten, die darin leben oder die darin ein direktes Interesse haben, dann wird sich tatsächlich nichts bewegen, sondern dann gibt es Grabenkriege, Grand Canyons und was es sonst noch an schroffen Gegensätzen geographischer Art in dieser Welt gibt. Das wollen wir gerade nicht!
Es handelt sich um Menschen, aber es handelt sich auch um die Zukunft der Menschen. Das mag jetzt pathetisch klingen, aber ich glaube, darum haben wir uns zu kümmern, bei allen Detail- und Aufräumarbeiten, die zu machen sind. Appellieren nützt hier nichts, aber Verstand, davon gehe ich aus, haben die meisten Abgeordneten doch, und den kann man auch einmal in der Bildungspolitik benutzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dafür, dass wir uns mit dem befassen, was uns hier heute zur Beschlussfassung vorliegt, und nicht mit den schönen Worten, die Sie gesprochen haben, Frau Hövelmann.
Wir sollen hier heute über eine Änderung des Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetzes und über eine Änderung des Bremischen Beamtengesetzes sprechen. Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetz, das ist erstens ein schrecklicher Begriff, zweitens sagt er uns aber, dass die Arbeitszeit der Lehrer in offensichtlich unterschiedliche Teile zerfällt, meine Damen und Herren. Frau Hövelmann hat eingangs darauf hingewiesen.
Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern ziemlich alt, deshalb hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon in der letzten Legislaturperiode beantragt, diese Lehrerarbeitszeit insgesamt zu berücksichtigen und nicht nur auf die Unterrichtsstunden Wert zu legen. Das ist in der letzten Legislaturperiode abgelehnt worden. Informelle Bemühungen der damaligen Bildungssenatorin, in dieser Frage mit der Gewerkschaft übereinzukommen, sind gescheitert, ich muss ehrlich sagen, weil damals die Lehrer auch noch so simpel gestrickt waren und gesagt haben, lieber eine oder zwei Stunden Unterrichtsverpflichtung mehr, als insgesamt über die Arbeitszeit zu reden. Das war dumm!
Das war dumm, fand ich! Bündnis 90/Die Grünen hat noch vor den Beratungen des runden Tisches Bildung im Mai letzten Jahres erneut einen Antrag gestellt, und dieser Antrag läuft darauf hinaus, erstens die Arbeitszeit insgesamt neu zu regeln, und tatsächlich war das Interesse dahinter, das auch Frau Hövelmann benannt hat, nämlich alle Tätigkeiten zu erfassen und unter Umständen auch zu differen––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
zieren nach Fächern, Schulstufen und einzelnen Tätigkeiten in der Schule.
Zweitens haben wir aber gesagt, dieser Prozess muss von unten beginnen, er muss mit den Beschäftigten gemeinsam ausgehandelt werden, denn sonst trägt es nicht, und gesetzliche Regelungen, die für Beamte notwendig sind, stehen am Ende. Aber das Übrige ist Sache gemeinsamer Verhandlungen. Ich glaube, die Zeit dafür ist auch reif, weil die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft mindestens – wie es beim Beamtenbund ist, weiß ich nicht so genau, er ist da eher zögerlich – in ihrem Bundesvorstand ausdrücklich festgelegt hat, dass sie für diese Beratungen und Verhandlungen offen ist. Von der Bremer GEW wissen wir es mittlerweile auch, wenn es vielleicht auch noch nicht jeden Lehrer in der Schule erreicht hat.
Dieser Antrag ist damals einheitlich hier vom Parlament unterstützt und zur Konkretisierung und Ausführung an die Bildungsdeputation überwiesen worden. Da liegt er. Wie ich jetzt vom Senat gehört habe, soll er im Mai, also in der letzten Sitzung, noch vor der Wahl beraten werden und dann vielleicht an die Bürgerschaft zurückkommen. Ich will jetzt nicht darüber rechten, warum das so lange dauert, aber wenn es so lange dauert, sehe ich überhaupt keinen Anlass und Grund, und unsere Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen sieht das auch nicht, vorweg heute hier einzelne Elemente von oben herab ohne Diskussion mit den Betroffenen, ohne Diskussion in der Bildungsdeputation, darüber haben wir gar nicht geredet, zu regeln.
Das ist der falsche Weg, um das durchzusetzen, was wir für die Arbeitszeit für richtig halten, meine Damen und Herren.
Jetzt komme ich auf den Kern zurück. Frau Hövelmann beklagt, es geht hier nur um Unterrichtsstunden. In der Tat! In dem Gesetz geht es im Wesentlichen erst einmal nur um Unterrichtsstunden. Es geht nämlich darum, dass aufgrund dieser Tarifregelung, des Kompromisses, der da verhandelt worden ist, die Arbeitszeit für Lehrerinnen und Lehrer, und zwar die Unterrichtsverpflichtung, um jeweils eine Stunde erhöht werden kann.
Zwar steht darin, das kann später in höherem Alter kompensiert werden, dazu sollen Arbeitszeitkonten eingerichtet werden, das ist aber doch absoluter Quark, meine Damen und Herren, das so zu regeln! Wenn wir eine neue Arbeitszeitregelung für Lehrer wollen, dann können wir doch nicht heute im Vorgriff schon sagen, wir machen Arbeitszeitkonten, so dass ihr später weniger unterrichten müsst! Ich weiß doch noch nicht, wie die neue Arbeitszeitregelung aussieht, Sie wissen es nicht, Herr Rohmeyer weiß es nicht. Wir treffen aber heute vorab Festlegungen
zu Lasten derjenigen, die jetzt und heute in den Schulen unterrichten und unter 50 Jahren sind.
Was heißt das denn konkret? Das heißt, dass künftig Grundschullehrerinnen zwei Jahre lang 29 Stunden unterrichten, und das ist bundesdeutscher Rekord, das ist Europarekord, ich will nicht von Weltrekord reden, denn in der Dritten Welt ist das anders, und das in einer Zeit, in der wir Lehrerinnen und Lehrer auf dem Markt suchen! Da werden sich doch die Lehrerinnen und Lehrer, die aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen hierher kommen sollen, sagen, ich bin doch nicht bekloppt, gehe nach Bremen, und da muss ich noch mehr tun als bei uns zu Hause, und ob ich das jemals gutgeschrieben bekomme, weiß ich nicht. Nein, so geht diese Regelung nicht!
Wenn es um die Finanzierung dieses Kompromisses geht, Frau Hövelmann, dann gibt es auch andere Möglichkeiten. Es geht darum, dass das Personalbudget eingehalten wird. Wir haben in Finnland gelernt, wie man anders mit Unterrichtsstunden umgehen kann, zum Beispiel bei älteren Schülern, und dabei vielleicht auch etwas am Budget sparen kann. Wir haben viel im Ausland gelernt über Personalmix an den Schulen bis in den Unterricht hinein. Darüber kann man auch ernsthaft reden, und das spart auch Geld.
Meine Damen und Herren, es geht bei diesem Kompromiss nicht darum, mehr Unterrichtsstunden anzusetzen, sondern es geht doch darum, das materiell zu kompensieren. Ich sage Ihnen, es gibt dazu andere Möglichkeiten, die man vernünftig verhandeln kann. Es gibt keinerlei Zwang, das heute durch dieses Gesetz so zu regeln, das uns nur die Zukunft verbaut.
Jetzt komme ich noch einmal zu der 35-StundenAnwesenheitspflicht-Möglichkeit in der Schule! Wir sind uns alle einig darüber, dass wir neue Regelungen brauchen. Wir sind uns darüber einig, das haben Sie auch noch gesagt, dass die von unten getragen werden müssen. Sie sind in den Schulen, die das heute wollen, auch nach dem jetzigen Gesetz möglich. Sie haben in der Bildungsdeputation gerade vor einer Woche einen Modellversuch für eine Schule verabschiedet, der 35 Stunden Anwesenheit in der Schule vorsieht, gemeinsam auf Beschluss der Schule. Das ist möglich, und dieser Beschluss war auch möglich ohne diese Gesetzesänderung. Dafür gibt es keine zwingende Regelung.
Jetzt aber das von oben herab vorzuschreiben, ohne dass es diese Arbeitsplätze in Schulen gibt, ohne
dass es auch nur einen Entwurf einer Rechtsverordnung gibt, die noch kommen soll, in der steht, wie das im Einzelnen gestaltet werden kann, das ist doch wirklich das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen: die Leute mitnehmen, die Leute dafür gewinnen, das möglichst schnell durchzusetzen, statt jetzt von oben her zu verordnen!
Der runde Tisch hat gesagt, die rechtlichen, organisatorischen und materiellen Voraussetzungen für diese neuen Regelungen zu schaffen, damit ist es nicht getan, dass wir hier heute sagen, wir ändern das Gesetz und erlauben das, wo es gar nicht zwingend nötig ist, sondern wir sollen das Gesamtpaket an Voraussetzungen schaffen. Sie haben uns dabei an Ihrer Seite, weil wir selbst den Antrag hier eingebracht haben, und wir möchten, dass dieser gesamte Antrag so abgearbeitet wird, wie wir das im Mai letzten Jahres hier alle einvernehmlich beraten haben, und nicht irgendwelche Regelungen vorwegnehmen, mit denen wir uns dann letztlich nur einen Balken in den Weg legen, über den wir stolpern, ohne die Gesamtarbeit geschafft zu haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Rohmeyer hat schon bei seinen ersten Worten, und das hat er durch seinen Beitrag noch verstärkt, eigentlich deutlich gemacht, dass er im Grunde die gleiche Position vertritt, die ich hier auch vertreten habe. Es ist selten, dass die CDU bildungspolitisch das Gleiche vertritt wie die Grünen, aber es ist nicht ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
schlecht, wenn es da Einsicht gibt. Bloß, Herr Kollege Rohmeyer, unter den Umständen kann ich nicht gut verstehen, warum Sie jetzt doch sagen, wir sollen das Ganze in erster und zweiter Lesung beschließen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag zur Güte und schlage Ihnen vor, worauf wir uns vielleicht verständigen könnten.
Erstens: Wir verabschieden heute die Änderung des Bremischen Beamtengesetzes. Die hat unmittelbar etwas mit dem Kompromiss, den Herr Koschnick ausgehandelt hat, zu tun. Das können wir auch in erster und zweiter Lesung machen.
Zweitens, ich sage das, auch wenn es die GEW vielleicht nicht erfreuen wird: Wir beschließen in erster Lesung das Gesetz über die Lehrerarbeitszeitaufteilung, überweisen das an die Deputation für Bildung und kommen damit erst hier zur zweiten Lesung zurück, wenn diese Verhandlungen und Gespräche, die Richtlinien und die Abarbeitung des Antrags der Grünen in der Deputation erfolgt ist. Dann haben wir eine vernünftige Grundlage, all das einzulösen, was Frau Hövelmann bildungspolitisch gefordert hat und was Herr Rohmeyer gegenüber den Lehrern, der Öffentlichkeit als „Mitnehmen“ bezeichnet hat.
Ich glaube, mit diesem Verfahren könnten wir eigentlich das, was wir jetzt alle hier vorgetragen haben, lösen, weil es keinen Zwang gibt, das heute zu verabschieden. Die Frage des Budgets und der Kompensation für die angestellten Lehrer, ich glaube, darüber könnten wir dann auch in Ruhe reden, Sie können auch in Ruhe mit den Gewerkschaften darüber reden. Ich habe angedeutet, dass es andere Möglichkeiten gibt, vielleicht gibt es noch mehr, als ich mir habe einfallen lassen, als die einfachste, dümmste und alle weiteren Schritte eher behindernde Lösung, die Sie hier vorschlagen.
Soweit mein Vorschlag, heute nur die erste Lesung durchzuführen und zu überweisen und das Beamtengesetz hier zu verabschieden!
Eine Zwischenbemerkung: Herr Bürgermeister Perschau, bevor wir uns hier in einer unsinnigen Diskussion verrennen, Frau Linnert meint die Ostertorstraße, nicht den Ostertorsteinweg. Sie geht von der Doms
heide bis zur Kreuzung Am Wall. Dort liegen die Gerichte und das ehemalige Polizeihaus, sonst nichts! Um diese Straße geht es!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben eben an dem Beitrag des Abgeordneten Tittmann gesehen, dass es wenig hilft, mit parlamentarischen Tricks zu versuchen, jemanden hier an der Rede zu hindern. Er hat dennoch geredet. Ich glaube, wir sollten das künftig lassen. Es hätte uns nicht geschadet, das zusammen zu diskutieren. Es ändert an der Sache nichts, meine Damen und Herren.
Bündnis 90/Die Grünen hat sich von Anfang an für den Erhalt der Edith-Stein-Schule ausgesprochen, sobald diese Nachricht in Bremerhaven bekannt war. Deshalb treten wir auch dem Antrag, den die Koalition hier vorgelegt hat, selbstverständlich bei und unterstützen ihn, obgleich ich glaube, jeder, der den Antrag gelesen hat, weiß, dass er nicht mehr als weiße Salbe ist. Er ist eine Solidaritätsbekundung, ohne dass er in der Sache hilft. Ich bedauere das, weil im Vorfeld angekündigt war, dass die Koalition jetzt endlich das wahr machen will, was im Koalitionsvertrag steht, nämlich schrittweise die Mittel für die privaten Schulen zu erhöhen.
Wir verabschieden morgen einen Nachtragshaushalt, und es wäre eine Möglichkeit gewesen, zusammen mit der Erhöhung der Bildungsausgaben, die nach Pisa dringend nötig war, auch die Privatschulen wenigstens schrittweise an den Bundesdurchschnitt heranzuführen. Ich bedauere es ausdrücklich, dass Sie sich nicht in der Lage gesehen haben, da zumindest vom Schuljahr 2003/2004 an einen ersten kleinen Schritt zu gehen. Für ein halbes Jahr wäre es etwa eine Größenordnung von einer halben Million Euro gewesen, meine Damen und Herren, zumal – der Kollege Rohmeyer weiß das ja – wir vor etwa zwei Monaten eine Veranstaltung mit den Schulen in privater Trägerschaft gehabt haben –
Herr Kollege Rohmeyer, das ist jetzt hier nicht Gegenstand der Debatte! –, in der Sie sehr vollmundig zugesagt haben, dass das mit Beginn des nächsten Schuljahres auch tatsächlich passieren würde. Nun ist das nicht der Fall.
Ich sage, dass diese Mittelerhöhung jetzt natürlich nicht die Edith-Stein-Schule auf jeden Fall ge––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
rettet hätte. Sie wäre nur ein klares Zeichen dafür gewesen, dass wir gerade nach Pisa den Auftrag ernst nehmen, das öffentliche Schulwesen auszubauen, und das liegt mir in erster Linie am Herzen, so dass es wettbewerbsfähig, konkurrenzfähig auch gegenüber manchen Privatschulen ist, die glauben, besser zu sein, oder derzeit auch noch tatsächlich besser sind als das öffentliche Schulwesen. Das ist mein erstes Ziel dabei. Zweitens sollte man den Privatschulen die Möglichkeit geben, ihr Personal, ihre Sachmittel so auszustatten, wie es die öffentlichen Schulen tun, damit die Konkurrenz und der Wettbewerb aufrechterhalten werden. Ich sage ausdrücklich, wir sind nicht die Vorreiter des Privatschulwesens wie die FDP, aber wir Grünen halten die privaten Schulen in einem geeigneten Rahmen für eine ordentliche und angebrachte und natürlich auch verfassungsmäßig garantierte Konkurrenz zum öffentlichen Schulwesen, dem sich das öffentliche Schulsystem stellen muss und stellen soll, solange diese Privatschulen nicht ausschließlich weltanschaulich oder religiös ausgerichtete Gemeinschaften sind. Dafür, meine ich, sollte kein Platz sein.
Meine Damen und Herren, die Frage der EdithStein-Schule in Bremerhaven weist aber noch auf einen ganz anderen Aspekt hin, den die Kollegin Jansen schon angedeutet hat: Wir haben es bei dem Schulträger mit einer Glaubensgemeinschaft zu tun, einer sehr großen in dieser Republik, die sehr oft auch wie ein Wirtschaftsunternehmen oder sogar als ein Wirtschaftsunternehmen auftritt. Genau das passiert jetzt in Bremerhaven. Im Grunde verhält sich die katholische Kirche so, als ob hier ein Unternehmen in Konkurs gegangen ist, das man einmal kurzerhand schließen kann. Das deutsche Insolvenzrecht ist in der Beziehung besser als das deutsche Privatschulrecht. Es gibt nämlich eine Chance zur Erhaltung solcher Unternehmen, zwingt unter Umständen sogar dazu, während das deutsche Privatschulrecht so angelegt ist, dass man offensichtlich – zumindest in Bremen, aber so, wie ich informiert bin, geht es in anderen Bundesländern auch so – über Nacht eine Schule einfach schließen kann, Schüler und Lehrer der öffentlichen Hand vor die Nase werfen kann, damit noch ein bisschen Kosten erzeugen, zumindest die Kosten für Lehr- und Lernmittel entstehen dann im öffentlichen Bereich, und im Übrigen die Hände in Unschuld reiben und sagen kann, ja, Bremerhaven ist eine Diaspora, da lohnt sich der Katholizismus offensichtlich nicht so sehr wie in Süddeutschland, also sparen wir das Geld da lieber ein und stecken es woandershin. Das ist die Realität. Ich spitze das einmal wirklich so zu, aber das ist leider die Realität in Bremerhaven. Bremerhaven ist nicht nur in anderen Fragen, sondern auch in dieser Frage die gebeutelte Stadt.
Deshalb möchte ich den Gedanken der Kollegin Jansen ausdrücklich aufgreifen. Wir schließen bei allen möglichen Zuwendungsempfängern Kontrakte. Im Sozialbereich ist das gang und gäbe, im Kulturbereich wird das gerade vorbereitet. Ich finde, dass wir unser Privatschulgesetz daraufhin überprüfen müssen, wie wir auch mit Privatschulträgern Kontrakte vereinbaren können, die ein solches Vorgehen unmöglich machen, wie es jetzt gerade die katholische Kirche in Bremerhaven durchführt.
Das ist eine Aufforderung an uns selbst als Gesetzgeber, aber insbesondere auch an den Senat, die rechtlichen Möglichkeiten dazu zu prüfen und vorzubereiten.
Was kann man konkret tun? Da ist Senator Lemke natürlich in seinen Gesprächen gefragt. Konkret Mittel zur Verfügung stellen kann, glaube ich, für die Übergangszeit, ehe es mehr Gelder für Privatschulen gibt – und die Koalition wird das jetzt nicht zu Jahresbeginn tun – nur die Stadtgemeinde Bremerhaven, denn sie kann einer Schule auch eine einmalige Unterstützung gewähren, zumal es die einzige Privatschule in der Stadtgemeinde Bremerhaven ist. Wir als Landesgesetzgeber müssen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber allen Schulen beachten. Deshalb ist es natürlich richtig, dass wir hier keine Einzelfallhilfen beschließen können.
Ich kann mich nur dem anschließen, was die Koalitionsvertreter gesagt haben, Herr Senator: Glückauf beim Bischoff!
Ich will von hier aus noch einmal sagen: Eine Kirche, die Kinder, Eltern und Lehrer behandelt, wie jeder Großkonzern in dieser Republik es sich kaum mehr zu trauen wagt, eine solche Kirche hat die öffentliche Schelte, die sie jetzt bekommt, voll und ganz verdient.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Knapp elf Monate nach dem Vorliegen der Pisa-Studie, der internationalen Vergleichsstudie über die Leistungsfähigkeit der nationalen Bildungssysteme, knapp fünf Monate nach dem Bekanntwerden der deutschen Vergleichsstudie, der Studie zwischen den Bundesländern, hat der Senat der Bürgerschaft jetzt erste Antworten zur Lösung der dort aufgeworfenen Fragen vorgelegt. Ich sage schon einmal vorab: Das, was der Senat uns heute vorlegt, ist erstens ungenügend, und zweitens wird es unwirksam sein.
Ungenügend deshalb, weil es weite Teile einer notwendigen Schulreform nicht ausführt und nicht betrachtet! Es ist keine klare Aussage darüber enthalten, wie unser zukünftiges Schulsystem aussehen soll. Ungenügend auch deshalb, weil sie wichtige Felder, nämlich die Frage der Selbständigkeit der Schulen, wie das Personal künftig aus- und fortgebildet wird und welches Personal in den Schulen unterrichten soll, nur kursorisch behandelt! Note: ungenügend!
Unwirksam, das ist eigentlich der wichtigere Punkt, so vermute ich, werden diese Ergebnissen der Beratungen der großen Koalition und der Senatsberatungen deshalb sein, weil sie auf die Kernprobleme, die die Pisa-Studien für das Bildungssystem herausgearbeitet haben, nicht hinreichend eingehen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ich darf noch einmal an den Kernpunkt der PisaStudien erinnern. Fünfzehnjährige Schülerinnen und Schüler haben in der Bundesrepublik Deutschland im Durchschnitt keine hinreichende Lesekompetenz, sie sind nicht gut genug in der Mathematik und verstehen nicht genug von Naturwissenschaften. Gemessen am internationalen Standard der Industriestaaten liegen die deutschen Schüler im Durchschnitt im unteren Drittel, und – das ist für Bremen so verheerend – die Bremer Schülerinnen und Schüler liegen in der Bundesrepublik wieder am Ende der Leistungsskala. Damit liegt Bremen, gemessen an anderen Staaten, weltweit fast am Ende. Das sind bestürzende Ergebnisse. Diesen Ergebnissen müssen wir uns stellen.
Der Kern, warum dies in Deutschland so ist, wird auch in den Pisa-Studien herausgearbeitet, er liegt nämlich darin, dass in Deutschland die Schüler, die aus so genannten bildungsfernen Familien kommen, wie sozial schwachen Familien, aus Migrantenfamilien und Zuwandererfamilien, besonders geringe Chancen auf einen guten Schulabschluss haben. Dass das so ist, das finde ich erst recht bestürzend.
Dies wiederum führt dazu, dass wir im Endergebnis in Deutschland auch unterdurchschnittlich wenig Schüler haben, die einen hohen Schulabschluss machen. Weder der Realschulabschluss noch die Zahl der Abiturienten entsprechen dem europäischen Durchschnitt und erst recht nicht dem Durchschnitt hoch entwickelter, in der Bildungsskala an der Spitze liegender Länder wie den skandinavischen Ländern. Bei den Abiturienten liegen wir in Deutschland deutlich unter 30 Prozent im Bundesschnitt, in Europa sind es 45 Prozent, die skandinavischen Länder liegen bei über 50 Prozent bis zu 65 Prozent in Schweden.
Das sind Maßstäbe, an denen wir künftig gemessen werden müssen. Ich sage, auf diese Probleme geht die Antwort des Senats nicht hinreichend ein, und weil sie sich diesen Problemen nicht ausreichend stellt, werden auch die Vorschläge nicht die Wirkung haben, die sie im Hinblick auf Pisa haben müssten. Andere Wirkungen können sie vielleicht haben.
Meine Damen und Herren, als die Ergebnisse der Pisa-E-Studie bekannt wurden, hat sich der Präsident des Senats in Windeseile zu Wort gemeldet und alle Schuld für das schlechte Abschneiden Bremens auf seine Schultern, und wie er dann sagte, auch auf die Schultern der Sozialdemokratischen Partei, die viele Jahre in Bremen für das Bildungsressort verantwortlich ist, geladen. Wenn ich nachrechne, sind es, glaube ich, 56 Jahre.
Ich fand das Verhalten ein bisschen vorschnell, wenn es auch den Bildungssenator vielleicht entlastet haben mag, der hier erst wenige Jahre beteiligt ist. Vorschnell fand ich es deshalb, weil es sich nicht
allein um ein sozialdemokratisches Problem handelt, sondern um ein Problem, wie man überhaupt an Bildungspolitik in den letzten Jahren herangegangen ist.
Der Fehler liegt doch nicht darin, dass eine große politische Partei wie die Sozialdemokraten, aber auch andere in den siebziger Jahren Chancengleichheit gefordert haben, also bessere Chancen für die Kinder, die aus sozial schwachen und bildungsfernen Schichten kommen, sondern der Fehler lag darin, wie mit dieser Chancengleichheit umgegangen worden ist. Es ist nämlich damit umgegangen worden, und das betrifft nicht nur die Sozialdemokraten, das betrifft viele Lehrer, Bildungsgewerkschafter, auch viele Eltern und auch die Grünen, als ob hier ein ökonomisches Problem zu lösen sei, nämlich das Problem der Umverteilung.
Aus der Einsicht, die auch vor 30 Jahren schon bestand, dass bildungsferne Familien eben nicht genügend Chancen bieten, um nach oben zu kommen, haben die Bildungspolitiker, vor allen Dingen natürlich die sozialdemokratischen Kultusminister, die Lehre gezogen, dass es darum ging, Bildungschancen umzuverteilen. Das heißt, man hat sich vor allen Dingen der Gruppe der bildungsfernen Familien und ihren Kindern zugewandt. Der ganze Rest spielte in der Schulorganisation und in der Pädagogik eigentlich keine wichtige Rolle mehr.
Ich nenne das eine ökonomische Herangehensweise, weil man Bildung nicht umverteilen kann. Bei Bildung geht es um ein individuelles Gut. Es geht darum, dass Bildung ein Teil der Persönlichkeitsentwicklung ist und dass jedes einzelne Kind mit guter Bildung ausgestattet auch gute, bessere Chancen in dieser Gesellschaft hat. Das ist der Kern. Das Problem löst man nicht durch Umverteilung, sondern indem man auf alle Kinder, auf die sozial schwachen Familien und auf die anderen gleichermaßen eingeht, um das Bildungsniveau insgesamt in der Gesellschaft und in der Schule zu heben.
Diese Einsicht kann jetzt nicht umgekehrt dazu führen, dass man jetzt nur noch die Besten und die Elite fördert, sondern es geht tatsächlich, und das ist unser Credo als Grüne, um jedes Kind. Insofern, meine Damen und Herren, greift die Selbstbezichtigung von Herrn Scherf, so nett sie auch nach außen klingen mag, einfach zu kurz, weil sie uns nicht hilft, die Probleme, die wir jetzt in der Schule haben, zu lösen.
Der Vorschlag des Senats, die Antwort auf unsere Große Anfrage, löst das Kernproblem nicht, im Gegenteil, er macht klar, wenn man einmal genauer hinschaut, ich will mich jetzt nur auf dieses Kernproblem konzentrieren, nicht auf viele andere Dinge, dass man nach wie vor davon ausgeht, dass Kinder in der Schule relativ früh nach Herkunft, nach
Leistungsstand, nach Niveau sortiert werden und dass diese Kinder getrennte Schullaufbahnen in Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien einschlagen sollen. Dieser Gedanke durchzieht diese Antwort, und der Gedanke der Sortierung, ich mache das einmal an ein paar Beispielen klar, ist geradezu mit Händen zu greifen.
Ich betrachte jetzt nicht den Bereich des Kindergartens und den Beginn der Grundschule. In der Antwort des Senats stehen viele vernünftige Sachen, wie man Kinder fördert. Aber sobald die Kinder den Beginn der Grundschule verlassen haben, fängt der Gedanke der Sortierung doch schon wieder an.
Ab der dritten Klasse sollen künftig in der Grundschule verbindlich Noten erteilt werden. Heute können Eltern und Lehrer in gemeinsamer Entscheidung frei wählen, ob Noten gegeben oder ob Entwicklungsberichte über die Kinder abgegeben werden. Die Notenvergabe macht nur dann einen Sinn, wenn nach diesen Noten auch sortiert wird, und folgerichtig sollen die Lehrerinnen und Lehrer künftig auf der Grundlage der Noten der Schule entscheiden, welche Schullaufbahn die Kinder nach der Grundschule einschlagen. Die Lehrerinnen und Lehrer sollen das entscheiden, aber nicht mehr die Eltern.
Abgesehen davon, dass ich Ihnen sage, dass es noch einen Aufschrei der Eltern geben wird, wenn man ihnen dieses Recht einfach wegnimmt, ist es meiner Ansicht nach, wenn man Pisa liest, auch Unsinn, denn die Pisa-Studie hat gerade für Deutschland ergeben, dass die deutschen Lehrerinnen und Lehrer zu 75 Prozent nicht in der Lage sind, die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler richtig zu bewerten. Gerade die sollen sortieren?
Gleichzeitig hat die Pisa-Studie ergeben, dass, wenn die deutschen Lehrerinnen und Lehrer sortieren, sie nach dem Gesichtspunkt der Homogenität von Lerngruppen sortieren, nämlich immer Schüler, die etwa eine gleich starke Leistung ihrer Meinung nach haben, auch zusammenlassen. Das führt geradezu zu dem, was wir heute haben, nämlich zu einer frühen Sortierung. Der Vorschlag ist in dieser Hinsicht geradezu ein Vorschlag, der das Gegenteil von dem bewirken wird, was Pisa uns eigentlich sagt: Lasst die Kinder länger gemeinsam heterogen, wie das so schön in der Bildungssprache heißt, zusammen in der Schule, und sortiert sie nicht so früh, wie das heute der Fall ist.
Der Gedanke der frühen Sortierung wird natürlich noch dadurch bestärkt, dass keine Aussage zur Zukunft der Grundschule getroffen wird. Wenn es nach der CDU geht, dann gibt es die heutige vier
jährige Grundschule, und dann wird endgültig schon nach vier Schuljahren sortiert.
Nun hat uns Herr Albers, der Landesvorsitzende der SPD, heute mitgeteilt, es sei doch gut so, dass der Wähler entscheiden könne, ob das nach vier Jahren oder später passiert. Ich will gar nichts dazu sagen, dass es nicht gut ist, dass Wähler entscheiden, aber derjenige, der sagt, der Wähler soll entscheiden, der muss dann auch sagen, wie er entscheiden soll. Wie er entscheiden soll, heißt dann, er kann nicht für eine große Koalition entscheiden, wenn sich ein Partner der großen Koalition weigert, die verlängerte Grundschule durchzuführen. Wer etwas anderes als eine Sortierung nach vier Jahren will, der muss auch öffentlich sagen, dass er eine andere Koalition will. Das ist natürlich die Konsequenz aus der Wählerentscheidung.
Noch ein Punkt, dass es offensichtlich nicht darum geht, mehr Kindern bessere Abschlüsse zu ermöglichen! Es steht in der Vereinbarung, dass künftig Haupt- und Realschulabschluss durch eine zentrale Prüfung vergeben werden sollen. Schauen wir uns einmal an, was das heute bedeutet, wenn das eingeführt wird!
Wir haben das Schulsystem, wie es ist. Wir kennen die Leistung in diesem Schulsystem, und künftig werden die Schüler in der zehnten Klasse zentral geprüft, ob sie überhaupt den Abschluss bekommen. Ich gehe jede Wette ein, wir werden in den nächsten Jahren weniger, aber nicht mehr Hauptund Realschulabschlüsse haben, wenn das so gemacht wird. Wir werden zudem die Schüler nicht in einen modernen Unterricht bekommen, sondern wir fordern sie geradezu auf, unter den jetzigen Bedingungen nur für diese Prüfung zu lernen, damit sie irgendwie durch die Prüfung kommen. Das ist doch nach den Pisa-Ergebnissen absoluter Unsinn und stärkt im Augenblick nur die Selektionswirkung dieses Bildungssystems.