Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Ich eröffne die 33. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und Vertreter der Presse.

Auf dem Besucherrang begrüße ich eine zehnte Klasse der Gesamtschule Ost und eine kurdische Frauengruppe aus Bremen-Nord, letztere wird wohl noch kommen.

Herzlich willkommen, und ich wünsche Ihnen einen spannenden Vormittag!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ausbau des Containerterminals CT IV

Mitteilung des Senats vom 19. Dezember 2000 (Drucksache 15/575)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Hattig.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schramm.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn sich niemand drängelt, dann berichte ich nicht für den Senat, aber vielleicht argumentiere ich dagegen, man wird sehen,

(Heiterkeit – Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Sind Sie noch unentschlossen?)

was einem während der Rede so alles einfällt, denn so inhaltsschwanger ist die Antwort des Senats nicht, dass einem dazu nicht noch etwas einfallen würde. Es handelt sich ja um die Debatte CT IV, Ausbau vor Weddewarden in Bremerhaven. Wir haben das, glaube ich, nicht das erste Mal kontrovers diskutiert. Hier prallen wirklich die Argumente gegeneinander. Wir haben immer gesagt, der Ausbau von CT IV ist vor Weddewarden ökologisch fatal, aber auch ökonomisch nicht notwendig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Debatte hat immerhin erbracht, dass der Senat einen Zwischenbericht zu den zahlreichen Fragen, die wir als Plenum gestellt haben, vorlegen soll, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

und dieser Bericht liegt nun vor. Ich denke aber, er ist eher unklar, als dass er mehr Klarheit in den Sachstand des Verfahrens bringen würde.

Einiges wird aber doch deutlich, wenn man die Antwort des Senats genauer anschaut. Es wird deutlich, dass es sich nicht nur um einen Ausbau CT IV a handelt, also um eine erste Stufe, sondern dass geplant wird, zwei Stufen in einer Länge von über 1500 Metern auszubauen bis an die Landesgrenze Bremens heran. Das, denke ich, hat doch eine neue Qualität der Eingriffstiefe dieses Ausbaus, die vorher so deutlich nicht artikuliert worden ist, meine Damen und Herren. Wir tun gut daran – –.

(Unruhe – Glocke)

Herr Kollege Schramm, ich stelle eine doch nicht unerhebliche Unruhe im Plenarsaal fest. Ich bitte Sie doch, dem Redner Ihre Aufmerksamkeit zu schenken! – Bitte, Herr Schramm!

Vielen Dank, Herr Präsident!

Die katastrophalen ökologischen Auswirkungen, die der Ausbau auf die anliegenden Dörfer haben wird, nicht nur auf Weddewarden, sondern auch auf Imsum und auf Dorum, wenn diese Planung dann realisiert werden soll, meine Damen und Herren, haben mit der ersten Ausbaustufe nur noch wenig zu tun. Das wird sich um eine radikale Veränderung des Landschaftsbildes handeln, das muss man hier auch noch einmal ganz klar und deutlich sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was der Senat sagt, ist, dass das Landschaftsprogramm, was ja 1991 von der Bürgerschaft beschlossen worden ist, geändert werden muss. Hintergrund ist, dass die Ausgleichsflächen, die wir damals für den Bau von CT III a ausgewiesen haben, jetzt noch einmal ausgeglichen werden müssen, das heißt, wir haben hier einen Ausgleich des Ausgleichs. Das bringt natürlich erhebliche Probleme mit sich.

In der Umweltdeputation ist diese Frage bereits diskutiert worden, und ich zitiere einmal die Argumentation, die dort vorgetragen worden ist, über die Schutzwürdigkeit des Gebiets, über das wir hier sprechen. Dort heißt es: „Der Entwicklungsraum Außenweser mit Wurster Watt verfügt über höchste Schutz- und Erhaltungspriorität.“ Oder an anderer Stelle: „Die zu nutzenden Salzwiesen im Vordeichsgelände genießen höchste Schutzpriorität.“ Oder, meine Damen und Herren, an anderer Stelle: „Hinsichtlich des Landschaftsbildes besteht höchste Erhaltungspriorität.“ Ich frage Sie: Wenn es eine höchste Schutzpriorität gibt, warum können Sie dann diese Schutzpriorität so einfach aufgeben? Höher als

hoch geht ja nun wirklich nicht mehr, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Frage stellt sich natürlich gleich im Anschluss: Wenn es eine höchste Schutzpriorität gibt, warum melden Sie diese höchste Schutzpriorität eigentlich nicht an für ein Gebiet, das es ist, nämlich als Naturschutzgebiet, als Vogelschutzgebiet und als Gebiet der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in Brüssel, meine Damen und Herren? Da gehört es hin!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Legal, illegal, schnurzegal!)

In der Senatsmitteilung steht allerdings nicht, und das hätte uns natürlich interessiert, wie viele Flächen an Ausgleich eigentlich benötigt werden. Das ist doch eine spannende Frage: Wann steht diese Fläche eigentlich zur Verfügung, wie weit sind die Verhandlungen mit Niedersachsen? Denken Sie doch nicht, dass Niedersachsen sich so einfach kolonialisieren lässt und einfach die Flächen hergibt, Naturschutz gegen Arbeitsplätze! So einfach wird es nicht sein, meine Damen und Herren!

Sie halten uns vor, welche Flächen eigentlich für den Ausgleich vorgesehen sind und was diese Ausgleichsflächen kosten werden. Sie halten uns auch die Kostenermittlung des gesamten Ausbaus vor. Das haben Sie auch in der Umweltdeputation nicht vorgelegt. Die Umweltexperten sprechen davon, dass zirka 1000 Hektar an Ausgleichsflächen zur Verfügung gestellt werden müssten. Das ist kein Pappenstiel, meine Damen und Herren, und wir verlangen von dem Senat, dass er in einem Bericht, den er hier vorlegt, auch einmal darlegt, welche Ausgleichsflächen er denn eigentlich in Erwägung zieht, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Senat sagt uns auch nicht, dass es jetzt zunehmend immer mehr Widerstände gegen das Vorgehen des Senats gibt. In Nordenham gibt es Widerstände! Im gesamten Land Wursten gibt es Widerstände! In Dorum und in den betroffenen Dörfern um Imsum gibt es Widerstände! Was auch ganz neu auf der Tagesordnung ist, ist, dass es jetzt einen Widerstand gegen den Ausbau von CT III a gibt, von dem wir alle gedacht haben, er wäre schon in trockenen Tüchern. Es ist ja auch verständlich, meine Damen und Herren, wenn der Senat seine Versprechen bricht, die er einmal gegeben hat, nämlich nicht mehr über den Grauwallkanal auszubauen, dann halten sich natürlich die Betroffenen nicht mehr an ihre Versprechen, nicht zu klagen gegen den Aus

bau CT III a, und das halten wir für angemessen und richtig, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weddewarden hat sich neuen, sachkundigen Rechtsbeistand geholt, der aus der Auseinandersetzung in Hamburg mit dem berühmten Mühlenberger Loch resultiert, meine Damen und Herren. Der Anwalt hat doch relative Erfolge

(Zuruf des Abg. T e i s e r [CDU])

gegen die Zuschüttung des Mühlenberger Lochs erreicht und hat sehr seriöse, sachkundige Argumente vorgetragen, mit denen der Senat sich auseinander setzen muss. Diese Argumente gelten natürlich auch für das Vordeichsgelände in Bremerhaven. Auch von dieser Argumentation findet sich in der Senatsantwort kein Wort!

Interessant ist, dass es neue Urteile gibt, auch die werden in der Antwort des Senats in keiner Weise erwähnt, neue Urteile auf der Ebene der Europäischen Union, die sagen, wenn ein Schutzgebiet ein Schutzgebiet ist, und das ist ja wohl unumstritten, und es wird in Brüssel nicht angemeldet als FFHoder Vogelschutzgebiet, dann besteht weiterhin ein so genanntes Eingriffsverbot. Das heißt, es gibt einen Schutz dieses Gebiets gegen vorzeitige Bebauung, und dieses Eingriffsverbot hat eine höhere Schutzwirkung, als würde dieses Gebiet angemeldet worden sein, meine Damen und Herren! Das muss man sich klar machen, wenn man sich den Zeitplan, den der Senat für die Bebauung hier vorlegt, einmal vor Augen führt. Das heißt also, das Eingriffsverbot schützt dieses Gebiet mehr, als es der Senat vorgibt, meine Damen und Herren, und das finden wir eigentlich richtig so.

Eine ökonomische Frage, die noch angesprochen werden muss, die auch geklärt werden muss, die auch nicht in der Senatsantwort vorhanden ist, ist die Frage, wie der Ausbau CT IV in Konkurrenz oder meinetwegen auch in Kongruenz zum Ausbau eines neuen Tiefwasserhafens in Cuxhaven oder in Wilhelmshaven steht. Das ist eine sehr wichtige ökonomische Frage, weil es hier nämlich darum geht, eventuell Milliardenbeträge an Steuergeldern zu verschwenden, meine Damen und Herren, und das interessiert natürlich die Europäische Union.

Darüber verliert aber der Senat kein Wort. Allerdings verliert darüber der Vorstandsvorsitzende der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft ein Wort, der diese ganze Problematik viel differenzierter sieht. Er hat in einem „Nordsee-Zeitung“-Interview im Februar verlautbaren lassen, dass es beim Ausbau von CT IV ein gewisses Risiko gibt, nämlich das Risiko für Bremerhaven, falls die BLG nicht selbst Betreiber eines neuen Tiefwasserhafens werden sollte und falls nicht Wilhelmshaven der neue Standort sein

sollte. Dann gibt es ein gewisses Risiko in der Konkurrenz Bremerhaven zu einem neuen Betreiber, mag er aus dem fernen Osten kommen oder sonst aus der weiten Welt. Auf jeden Fall wird sich hier dann die Konkurrenzsituation dermaßen verschärfen, dass ein weiterer Tiefwasserhafen für Bremerhaven eine ernst zu nehmende Konkurrenz ist, die dann so scharf sein wird, dass der Ausbau von CT IV von vornherein eigentlich ökonomisch sinnlos ist, weil der Hafen in Bremerhaven keine Chance hätte zu überleben, meine Damen und Herren!

Das ist eine ganz entscheidende Frage, die geklärt werden muss, bevor der Ausbau CT IV vorangetrieben wird. Es muss die Standortfrage und Betreiberfrage eines neuen Tiefwasserhafens geklärt werden, sonst kann man sich für einen Ausbau CTIV nicht entscheiden.

Das will übrigens auch die Europäische Union. Sie verlangt diese Koppelung von neuem Tiefwasserhafen und Ausbau CT IV, weil natürlich auch neue Varianten geprüft werden müssen und weil Parallelinvestitionen aus ökonomischer Sicht heraus überprüft werden müssen. Diese Frage wird in dem Senatsbericht in keiner Weise angerissen, noch nicht einmal problematisiert. Ich denke, darin besteht eine große Lücke dieses Berichts, und es wäre schön, wenn der Senat in einem neuen Bericht hier nachliefern würde.

Wir meinen also, der Bericht, der jetzt vorliegt, ist nicht besonders aussagekräftig. Wir meinen, wir müssen das Gebiet als FFH-Gebiet nachmelden. Der Senat soll uns gefälligst umfassend über den Stand des Verfahrens berichten, und vor allen Dingen soll er klären, wie die Finanzierung gesichert werden soll. Es war immer eine Frage des Ausbaus, hier für einen Großteil, wenn nicht zu 100 Prozent private Investoren zu gewinnen, nur, über die Finanzierungsfrage verliert der Senat kein Wort. Das ist aber natürlich eine sehr wichtige Frage, bei der wir meinen, dass das Parlament dann auch in Transparenz entscheiden muss.

Fazit: Der Bericht des Senats ist gut gemeint, aber er stellt nicht die Antworten auf unsere intensiven Fragen zur Verfügung, so dass dieser Bericht sozusagen als mangelhaft zu beurteilen ist. Ich hoffe, dass der Senat hier mündlich vielleicht noch einige Sachaufklärung liefern kann. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu der Mitteilung des Senats mit der Drucksachen-Nummer 15/575, Ausbau des Containerterminals CT IV, nehme ich im Namen der Deutschen Volksunion wie folgt Stellung:

Mit Freuden habe ich zur Kenntnis genommen, dass das angestrebte Ziel, die erste Baustufe für den CT IV möglichst zeitnah erstellen zu können, nun endlich von Ihnen in Angriff genommen wird. Dass wir nun endlich einen Bericht zur Kostenermittlung im Frühsommer 2001 erhalten sollen, ist ebenfalls erfreulich. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich schon im letzten Jahr hier einen DVU-Antrag eingebracht habe mit der Überschrift „Ausbau CT IV“. Den haben Sie damals alle einstimmig abgelehnt. Insofern freut es mich natürlich sehr, dass Sie heute, auch wenn es etwas spät ist, endlich zur Vernunft gekommen sind und diesen schon vor einem Jahr gestellten DVU-Antrag fast wortgleich hier und heute mit der Mitteilung des Senats, Drucksache 15/575, Ausbau des CT IV, behandeln. Das ist schon einmal sehr erfreulich!

Ich habe diesbezüglich hier auch einen Antrag eingebracht, Sie auch, der auch mehrheitlich beschlossen worden ist. Wenn die Deutsche Volksunion mit solchen Machenschaften zum Ziel kommt und Anträge durchbringt, indem Sie hier erst einmal alles grundsätzlich von der DVU ablehnen, dann vielleicht später den einen oder anderen DVU-Antrag fast wortgleich wieder einbringen, der dann hier beschlossen wird, so soll mir das auch Recht sein.