Protocol of the Session on June 21, 2001

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Ich eröffne die 39. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich eine Gruppe der betrieblichen Suchtkrankenhilfe. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Gemäß Paragraph 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt: Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe, Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Juni 2001, Drucksache 15/762. Gemäß Paragraph 21 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung muss das Plenum zunächst einen Beschluss über die Dringlichkeit des Antrages herbeiführen. Meine Damen und Herren, wer einer dringlichen Behandlung des Antrages seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt einer dringlichen Behandlung zu.

(Einstimmig)

Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag mit Tagesordnungspunkt 17, Veränderungen in der gymnasialen Oberstufe, zu verbinden. Ich höre keinen Widerspruch. – Dann werden wir so verfahren. Nachträglich wurde interfraktionell vereinbart, heute Nachmittag nach den miteinander verbundenen Tagesordnungspunkten 16 und 43, Bremisches Gesetz zur Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, den Tagesordnungspunkt 37, Beteiligung Bremens an der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste, aufzurufen. Wird das Wort zu den interfraktionellen Absprachen gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, wer mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, gerade noch zur rechten Zeit betritt das Geburtstagskind den Plenarsaal. Ich gratuliere dem Abgeordneten Ronald-Mike Neumeyer zu seinem heutigen, ich darf sagen, vierzigsten Geburtstag ganz herzlich.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir treten dann in die Tagesordnung ein.

Neubürgeragentur jetzt auf den Weg bringen!

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 18. Mai 2001 (Drucksache 15/725)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Wischer.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute hier in der Bürgerschaft mit dem Thema Neubürger und Bemühungen um die Neubürger ein für Bremen bedeutsames und auch für seine Existenz wichtiges Thema. In den letzten 20 Jahren ist es uns insgesamt bisher nicht gelungen, den Abwanderungstrend aus Bremen und Bremerhaven zu stoppen.

Als Stadtstaat oder als Zwei-Städte-Staat leiden wir unter dieser Abwanderung mehr als andere Großstädte, die den gleichen Erosionsprozess in den letzten Jahren zu verzeichnen haben. Wir leiden deshalb mehr, weil, wie man in diesen Wochen auch wieder sieht, auf Bundesebene die Verhandlungen über einen Länderfinanzausgleich häufig komplizierter sind als die internen Finanzausgleiche in den jeweiligen Flächenländern. Wenn man sich die Bewertungen solcher Städte wie München, Hannover und Stuttgart anschaut, sieht man, welche Gewichtungen diesen Städten bei der Behandlung des jeweils internen Finanzausgleiches in den jeweiligen Bundesländern zuteil werden. Alle werden mit 175 bis 220 bewertet.

Wir müssen also unsere Anstrengungen insbesondere darauf richten, das Problem selbst zu lösen und in den Griff zu bekommen. Aus diesem Grund freut es mich, dass wir heute gemeinsam mit unserem Koalitionspartner einen Antrag vorlegen, der die Bemühungen um die Neubürgerinnen und Neubürger für das Land Bremen, für die Städte Bremen und Bremerhaven, konsequent unterstreicht und auch entsprechend dokumentiert.

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Sehr geehrte Damen und Herren, in den letzten 20 Jahren sind sowohl aus Bremen als auch aus Bremerhaven sehr viele Personen abgewandert. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Es wäre, glaube ich, müßig, sich jetzt gegenseitig Schuldzuweisungen zu machen. Der Trend in den anderen Städten dokumentiert, dass es sich insgesamt um ein bundesweites Problem handelt. Um die Bedeutung der Neubürger insgesamt noch einmal auch gerade für unsere beiden Regionen zu bezeichnen – –.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sonst war das immer unser Problem!)

Ja, Herr Dr. Kuhn, wenn es sonst immer Ihr Problem war, dann seien Sie doch froh, dass ich heute keine Schuldzuweisungen mache! Das ist aus Ihrer Sicht doch ein Fortschritt.

(Beifall bei der CDU)

Wer sich den neuesten Bericht des Sparkassenund Giroverbandes Hamburg anschaut, stellt fest, dass dort für die Seestadt Bremerhaven gesagt wird, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Fast 40 Prozent der Unternehmensneugründungen wurden von Personen vorgenommen, die ihren Wohnsitz vorher nicht in Bremerhaven hatten.“ Diese Zahl als ein Beispiel für viele Zahlen, die man in dem Zusammenhang zwischen Wohnsitz und insbesondere auch der Bedeutung eines Arbeitsmarktes herstellen kann, einer wechselseitigen Wirkung, unterstreicht noch einmal ganz bedeutend die Wichtigkeit dieses Themas.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie können die Anstrengungen aussehen? Ich glaube, zunächst einmal ist es wichtig, dass die Neubürgeragentur auf eine breite gesellschaftliche Ebene gestellt wird, dass sie nicht nur ein Instrument von Politik, ein Behördeninstrument ist, sondern uns gelingen muss, möglichst viele Initiativen und Unternehmen in Bremen und Bremerhaven in diese Neubürgeragentur einzubinden, damit sich ein breites Bündnis dieses Themas annimmt, sehr geehrte Damen und Herren.

Wie muss Sie weiter aussehen? Die Neubürgeragentur muss möglichst früh die Neubürger erreichen. Dies kann in konkreten Kooperationsvereinbarungen mit den Unternehmen passieren, die zum Beispiel in Annoncen Stellen ausgeschrieben haben, die Fachpersonal suchen beziehungsweise gefunden haben. Gleichzeitig mit dem Schritt, mit dem sich ein Bürger entschließt, nach Bremen oder in die Region Bremen zu kommen, muss die Neubürgeragentur in der Lage sein, zu dieser Person auch entsprechend Kontakt aufzunehmen, damit ihr möglichst frühzeitig die Vorteile der Standorte Bremen und Bremerhaven deutlich gemacht werden, sehr geehrte Damen und Herren.

Dazu gibt es verschiedenste Instrumentarien zu nutzen. Zum einen natürlich die herkömmlichen Instrumentarien wie zum Beispiel Zeitungsanzeigen et cetera. Im Zusammenhang mit der Neubürgeragentur spielen aber insbesondere die neuen Medien eine immer stärkere Rolle. Wir müssen unsere positiven Bewertungen, die wir im Bereich des Internetanspruchs haben, der Internetdarstellung des Bundeslandes Bremen nutzen, um auch insgesamt das Thema Neubürger aggressiv anzugehen und entsprechend auch vorzubereiten.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Die bekommen ja Angst, wenn Sie das aggressiv angehen!)

Ich hoffe nicht, dass ich Ihnen so leicht Angst mache, Frau Linnert!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Mir nicht!)

Dann bin ich beruhigt!

(Zuruf von der SPD: Offensiv!)

Wir müssen dieses Thema also offensiv angehen

(Beifall bei der SPD)

und insbesondere die neuen Medien nutzen.

Wir stellen uns das so vor, dass Bremen für die zu erhoffenden Neubremer und Neubremerhavener ein entsprechendes Angebot unterbreitet und dieses Angebot dann entsprechend den Anforderungen gerecht wird. Derjenige, der nach Bremen kommt, soll also über Internet die Möglichkeiten haben auszusuchen: Was sucht er? Wohnung, Haus und so weiter! Welches Gebiet braucht er in Bremen? Soll es zum Beispiel eine Verzahnung mit der Frage nach Kindergartenplätzen geben? Es müssen zusätzliche Angebote über das Internet generiert werden, so dass dieses neue Medium insgesamt sehr stark die Notwendigkeiten darstellt, die die Leute brauchen, beziehungsweise das Internet das darstellt, was die Leute tatsächlich suchen. Wenn es uns gelingen sollte, dieses Internet entsprechend für eine positive Imagekampagne für Bremen zu nutzen, so ist uns, glaube ich, dort ein ganz erheblicher Schritt im Bereich einer Neubürgeragentur gelungen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir dürfen aber auch die herkömmlichen Bereiche nicht vergessen! Insbesondere müssen wir uns sicherlich auch überlegen, wie wir in den Stadtteilen für eine Neubürgeragentur entsprechende Ansprechpartner zur Verfügung stellen. Eine Möglichkeit dafür wäre sicherlich der Bereich der Ortsämter, die man in ein solches Konzept einbinden sollte, sehr geehrte Damen

(A) (C)

(B) (D)

und Herren, um unsere Debatte, die wir ja auch am Dienstag hier geführt haben, noch einmal um ein entsprechendes Angebot zu erweitern.

Was ist weiter wichtig? Wichtig ist, dass es ein entsprechendes zielgruppenorientiertes Angebot gibt. Das heißt, wir müssen die Pakete, die wir den Neubürgerinnen und Neubürgern anbieten, auf den jeweiligen Bedarf zuschneiden. Es ist selbstverständlich, dass natürlich insbesondere den Jungen, denjenigen, die hier zum Beispiel zum Studium in die Region Bremen kommen wollen, ein anderes Angebot gemacht werden und eine andere Öffentlichkeit zur Verfügung stehen muss als Familien, die vielleicht den zweiten oder dritten Arbeitsplatz in ihrer beruflichen Laufbahn in der Region Bremen wählen.

Darüber hinaus muss sich professionell darum gekümmert werden, wenn es größere Betriebsverlagerungen nach Bremen gibt – wir haben zum Beispiel in wenigen Monaten die Frage der Flugsicherung, die einige hundert Arbeitsplätze hier in die Region bringt beziehungsweise die Arbeitsplätze nach Bremen verlegt und die Leute in der Region ein entsprechendes Angebot an Wohnungen und Häusern suchen –, dass zielorientiert bei solchen Betriebsverlagerungen zusammengearbeitet und das Angebot entsprechend unterbreitet wird, damit zielgerichtet insgesamt ein passgenaues Angebot für die Neubürgerinnen und Neubürger gemacht werden kann. Das heißt, auch da ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme sehr wichtig.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Thema ist vielschichtig. Ich will auch noch einen Satz dazu sagen, weil ich auch davon ausgehe, dass wir in diesem Bereich sicherlich noch einmal intensiv diskutieren müssen: Bisher haben wir uns in einem Wettlauf insbesondere auch um die Kräfte, die ihr Studium beendet oder absolviert haben, befunden. Ich glaube, wenn wir eine Chance haben möchten, mit der Region Bremen im weiteren Wettbewerb mit Regionen wie München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Berlin oder Hamburg, dann müssen wir uns überlegen, wie wir insbesondere auch an eine sehr junge Klientel zielgerichteter herankommen. Die Studienortwahl entscheidet sich hauptsächlich im Alter zwischen 16 und 18 Jahren.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Na!)

Vielleicht auch ein bisschen später, das hängt davon ab, wann das Abitur gemacht wird. Sagen wir, zwischen 16 und 20 Jahren, Frau Hövelmann!

Ich glaube, wenn wir uns intensiver um diese Zielgruppe kümmern, dann haben wir auch eine Chance, Bremen schon für den Studienbeginner als einen sehr attraktiven Standort darzustellen. Eine unserer Schwächen ist, wenn man sich die Zahlen der Universität zum Beispiel anschaut, dass sehr viele Studenten aus der Region kommen, es aber sehr we

nig Wanderungsbewegungen aus anderen Regionen nach Bremen gibt. Deshalb müssen wir auch insbesondere für die Zielgruppen der Sechzehn- bis Zwanzigjährigen eine offensive Kampagne machen, in der wir Bremen insbesondere auch für junge Menschen als attraktiven Lebensmittelpunkt darstellen, um diese Leute verstärkt in die Region Bremen und nach Möglichkeit nach Bremen zu locken.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir befinden uns mit der Debatte heute am Anfang der Diskussion. Wir möchten vom Senat ein entsprechendes Konzept bis Ende September vorgelegt bekommen. Ich lade alle dazu ein, sich an dieser Diskussion zu beteiligen, die Kammern, die Interessenvertreter, die Gewerkschaften und so weiter, damit wir dieses Ziel auf ein möglichst breites Bündnis stellen, damit Bremen und Bremerhaven den Abwanderungsfluss stoppen und wir nach Möglichkeit gemeinsam eine Umkehr dieser Bewegung hinbekommen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)