Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich die Klassen 9 a, 9 b und 9 e der Oberschule In den Sandwehen, Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fortbildungskurses zur/zum Verwaltungsfachangestellte/n, Studentinnen und Studenten des Studienganges „Komplexes Entscheiden“ der Universität Bremen und
Gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt, bei dem interfraktionell vereinbart wurde, ihn nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen. Es handelt sich insoweit um den Tagesordnungspunkt 79, Nationaler Ausstieg aus der Glyphosat-Anwendung, Dringlichkeitsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und DIE LINKE, Drucksache 19/1440.
1. Aufstiegsfortbildungen stärker mit Studium gleichstellen - Einführung einer „Meisterprämie“ im Land Bremen prüfen Antrag der Fraktion der CDU vom 6. Dezember 2017 (Drucksache 19/1439)
2. Opfer des § 175 Strafgesetzbuch dürfen bei den Renten nicht benachteiligt werden Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 6. Dezember 2017 (Drucksache 19/1441)
Nachträglich wurde interfraktionell vereinbart, den Tagesordnungspunkt 79, Nationaler Ausstieg aus der Glyphosat-Anwendung, nach Tagesordnungspunkt 1, Aktuelle Stunde, aufzurufen. Der Tagesordnungspunkt 74, Konsensliste, wird dann nach dem Tagesordnungspunkt 79 aufgerufen.
Für die Aktuelle Stunde sind zwei Themen frist- und formgerecht eingebracht worden, und zwar erstens „Erneute Entlassung von Untersuchungshäftlingen - Justizsenator Günthner, übernehmen Sie endlich Verantwortung!“ auf Antrag des Abgeordneten Timke und Gruppe Bürger in Wut.
Das zweite Thema lautet auf Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Schaefer und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie des Abgeordneten Tschöpe und Fraktion der SPD: „Glyphosat aus dem Verkehr ziehen: Einsatz in Bremen und bundesweit verbieten!“.
Erneute Entlassung von Untersuchungshäftlingen - Justizsenator Günthner, übernehmen Sie endlich Verantwortung!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Vor zwei Wochen hat das Hanseatische Oberlandesgericht die Haftbefehle gegen vier Untersuchungshäftlinge aufgehoben und drei der vier Inhaftierten aus der Justizvollzugsanstalt entlassen, weil es das Landgericht aufgrund von Arbeitsüberlastung nicht geschafft hatte, die Durchführung der Hauptverhandlung in Absprache mit den Strafverteidigern in einem vertretbaren Zeitraum zu koordinieren. Der vierte Inhaftierte konnte nicht entlassen werden, weil er wegen einer anderen Tat eine weitere Freiheitsstrafe zu verbüßen hat.
Den vier Tatverdächtigen sowie einem weiteren Beschuldigten wird seitens der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, im Juli dieses Jahres Polizeibeamte in Bremerhaven im Rahmen einer Routinekontrolle unter anderem mit abgeschlagenen Glasflaschen und Pfefferspray angegriffen und dabei fünf Beamte verletzt zu haben. Alle Angeklagten sind hinlänglich polizeibekannt, unter anderem auch wegen Körperverletzungsdelikten.
Eigentlich, meine Damen und Herren, darf es Haftentlassung wegen einer Überlastung der Justiz nicht geben, denn Haftsachen haben höchste Priorität bei der Terminierung von Verhandlungstagen. In Bremen ist der Verhandlungsstau bei den Gerichten allerdings so groß, dass man das Gerichtsverfahren zwar fristgerecht hätte anberaumen können, aber es dann offenbar nicht gelang, den weiteren Verlauf der Terminierung mit den Strafverteidigern abzustimmen.
Die Haftentlassung von drei Gewalttätern, meine Damen und Herren, ist nicht nur ein Schlag in das Gesicht für die am Einsatz beteiligten Polizeibeamten, es ist auch ein Armutszeugnis für eine Justizbehörde, die dafür Sorge zu tragen hat, dass ein so rechtswidriges Verhalten zeitnah sanktioniert wird.
Darüber hinaus erschüttert solch eine Freilassung natürlich auch das Rechtsempfinden vieler Menschen in Bremen und Bremerhaven, die zu Recht erwarten können, dass solch ein Angriff auf die Polizeibeamten zeitnah und konsequent geahndet wird. Letztlich ist diese Haftentlassung auch das falsche Signal an die Rechtsbrecher, die sich nach ihrer Freilassung nicht nur in den sozialen Netzwerken für ihren juristischen Sieg haben feiern lassen, sondern obendrein auch schon wieder gegen Bremerhavener Polizeibeamte gepöbelt haben.
Lassen Sie mich hier eines zu Anfang meines Redebeitrages ganz deutlich machen, damit im weiteren Verlauf dieser Parlamentsdebatte auch kein falscher Zungenschlag in die Beratung kommt: Die BIW-Gruppe kritisiert mit dieser Aktuellen Stunde nicht die Arbeit der Richterinnen und Richter oder der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen in Bremen und Bremerhaven. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser beiden Berufsgruppen leisten tagtäglich und angesichts der steigenden Arbeitsbelastung eine sehr gute Arbeit. Wenn man hier jemanden kritisieren muss, dann einzig und allein den rot-grünen Senat und allen voran Justizsenator Martin Günthner, der die Verantwortung für die
Er hat es in den letzten Jahren nicht nur versäumt, die Personalprobleme bei der Justiz zu beheben, sondern er taucht auch dann immer wieder ab, wenn es in diesem Ressortbereich Probleme gibt.
Weder zur Haftentlassung der Gewalttäter vor zwei Wochen noch zu anderen Justizpannen der Vergangenheit äußerte sich der Senator selbst, sondern er schickte stets seine Staatsräte vor, die dann der Öffentlichkeit erklären mussten, dass diese Justizpannen einzig und allein im Organisations- und Verantwortungsbereich der Gerichte liegen. Dass man als Senator aber politische Verantwortung für die mangelhafte personelle Ausstattung bei den Gerichten trägt, die ja erst Auslöser für einige Justizpannen waren, blendet Senator Günthner offenbar vollkommen aus.
Nun kam es natürlich auch in anderen Bundesländern schon einmal vor, dass Untersuchungshäftlinge nach der Regeldauer von sechs Monaten aus der Haft entlassen wurden, weil der Strafprozess nicht fristgerecht anberaumt werden konnte. Der Unterschied zwischen Bremen und den anderen Bundesländern ist allerdings, dass die Haftentlassung in den meisten anderen Bundesländern jeweils Einzelfälle waren. In Bremen hingegen ist die Freilassung der Gewalttäter aber eben kein Einzelfall mehr. Es ist nämlich gerade einmal ein Jahr her, meine Damen und Herren, dass zwei Tatverdächtige auf Anweisung des Bremer Oberlandesgerichts aus der Justizvollzugsanstalt entlassen wurden, weil die in der Strafprozessordnung festgeschriebene Regeldauer der Untersuchungshaft von sechs Monaten überschritten war, ohne dass ein Gerichtsverfahren anberaumt werden konnte.
Den damals in Freiheit entlassenen zwei bulgarischen Angeklagten wurde Menschenhandel, Zuhälterei und Körperverletzung vorgeworfen, also Taten, die eine erschreckende Rohheit offenbaren. Die Peiniger sollen drei Frauen im Bremerhavener Rotlichtmilieu über mehrere Jahre zur Prostitution gezwungen haben. Die Freilassung der Inhaftierten war auch in diesem Fall genau das falsche Signal an die Tatverdächtigen, die ihren Opfern nicht nur körperliches Leid zugefügt, sondern sich auch am Elend der Zwangsprostituierten finanziell bereichert hatten.
Meine Damen und Herren, dass es überhaupt zu so drastischen Maßnahmen wie einer Haftentlassung kommt, hat doch einen einfachen Grund: Die Bremer Justiz arbeitet seit Jahren am Limit, denn sie hat keine personellen Reserven mehr. Allein beim Bremer Landgericht gab es zwischen 2006 und 2016 trotz einer steigenden Zahl von Verfahrenseingängen sogar eine leichte Stellenminderung von 1,7 Prozent.
Dass man eine Arbeitsverdichtung nicht mit einem Stellenabbau bewältigen kann, das war den jeweiligen Koalitionären sicherlich bekannt, geändert hat man das aber nicht. So muss man sich heute nicht wundern, dass man aus den Vorjahren noch Aktenberge aus Altverfahren im dreistelligen Bereich vor sich herschiebt, die man schon fast baurechtlich betrachten kann.
Richtig ist, meine Damen und Herren, dass der rotgrüne Senat im vergangenen Jahr eine weitere Kammer eingerichtet hat, um den Verfahrensstau abzubauen. Richtig ist auch, dass dieses Parlament gestern im Rahmen der Haushaltsberatung die Schaffung von zusätzlichen Richterstellen beschlossen hat. Falsch wäre es aber zu glauben, dass man mit diesen beiden Maßnahmen die Überlastung bei der Justiz spürbar mildern kann. Die zusätzlichen Stellen werden nicht ausreichen, um den steigenden Arbeitsaufwand in der Justiz zu bewältigen. Das ist nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein und wird die Arbeitsverdichtung bei den Gerichten nicht nachhaltig lösen, und an einen Abbau der Altfälle ist dann auch nicht zu denken.
Meine Damen und Herren, der Bremische Richterbund warnt schon lange, dass die personelle Ausstattung der Bremer Justiz völlig unzureichend ist und dass deswegen nur besonders priorisierte Strafsachen, wie schwere Gewalt und Sexualdelikte oder Haftsachen verhandelt werden. Die anderen Verfahren bleiben dann jahrelang liegen. Das Verfahren zu dem Baustellenüberfall in der Neustadt im August 2013 ist beispielsweise zu nennen.
Damals überfielen Angehörige eines ethnischen Familienclans vier Bauarbeiter und verletzten diese erheblich. Einem der Opfer wurde mit einem Mes
ser eine 15 Zentimeter lange Stichwunde am Rücken zugefügt. Die Polizei konnte sechs Tatverdächtige im Alter zwischen 15 und 38 Jahren festnehmen. Die Männer waren allesamt polizeibekannt und hatten bereits zahlreiche Eintragungen im Polizeicomputer, in einem Fall waren es sogar 145 Eintragungen.
Die Staatsanwaltschaft hat am 16. Dezember, nicht 2016, nicht 2015, nicht 2014, sondern am 16. Dezember 2013, also genau vor vier Jahren, meine Damen und Herren, Anklage beim Bremer Landgericht erhoben. In den letzten vier Jahren hat es das Landgericht nicht geschafft, die Hauptverhandlung zu eröffnen. Das Gericht kann aufgrund der Arbeitsüberlastung derzeit auch noch nicht abschätzen, wann es zu einer Terminierung des Verfahrens kommt. Meine Damen und Herren, mit einer solch langen Zeitspanne zwischen Anklageerhebung und Prozessbeginn sendet die Bremer Justiz genau das falsche Signal an das kriminelle Milieu!
Nicht nur das, denn es ist überhaupt fraglich, ob es irgendwann einmal zu einer Verurteilung kommt, zumal die überlange Zeitspanne zwischen Anklageerhebung und Prozessbeginn nicht nur die Wahrheitsfindung des Gerichts behindert, es macht es auch für die Staatsanwaltschaft fast unmöglich, eine verurteilungsfähige Beweisführung vor Gericht zu gewährleisten. Wichtige Zeugen können sich nämlich vier, fünf oder sechs Jahre nach dem Tatgeschehen schon gar nicht mehr an alle Details erinnern oder sind vielleicht Jahre nach dem Tatgeschehen für die Staatsanwaltschaften auch nicht mehr auffindbar. Je größer der zeitliche Abstand zwischen Tat und Gerichtsverhandlung ist, desto höher ist also auch die Chance der Täter, dass sie den Gerichtssaal straffrei verlassen. Das aber können wir den Opfern der Straftaten nicht zumuten.