Protocol of the Session on January 24, 2018

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Auszubildende gleichstellen -

auch in der öffentlichen Mobilität!‟ - Auszubildende und Studierende gleichzustellen, das klingt gut. Aber sind die Verhältnisse wirklich vergleichbar?

Zu den Fakten! Das SemesterTicket kostet aktuell 177,42 Euro - das sind 29,57 pro Monat für das gesamte VBN-Tarifgebiet - und gilt, Nachtzuschläge inklusive, für alle Studenten. Es gibt nur wenige Befreiungen, zum Beispiel bei Beurlaubungen wie Auslandssemestern oder bei Nachweis einer Schwerbehinderung. Bei sozialen Härten gibt es die Möglichkeit der Rückzahlung.

Ein Schüler-MonatsTicket der BSAG Zone 1 kostet 47,40 Euro ohne Nachtzuschläge. Bei einem möglichen JobTicket wären es 41,80 Euro. In Bremerhaven sind die Kosten eines Schüler-MonatsTickets mit 40,10 Euro etwas günstiger.

Nach einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung haben Auszubildende im Jahr 2015 durchschnittlich 832 Euro pro Monat verdient. Es gibt aber Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Ich nenne einige Beispiele, was Auszubildende tatsächlich verdienen: eine Maurerin/ein Maurer ungefähr 1 057 Euro, Mechatroniker, Industriemechaniker oder Kauffrauen/Kaufmänner für Versicherungen und Finanzen fast 1 000 Euro. Aber es gibt natürlich auch Berufe, in denen die Ausbildungsvergütungen sehr viel niedriger sind, wie zum Beispiel bei Friseurinnen und Friseuren mit 494 Euro oder bei Bäckerinnen und Bäckern mit 600 Euro.

Wie sieht es finanziell bei den Studierenden aus? Das BAföG beträgt knapp 650 Euro, Grundbedarf 399 Euro plus Wohnpauschale 250 Euro.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: 735 in Bremen!)

Während die überwiegende Anzahl von Studierenden nicht am Wohnort studiert, wohnen die meisten Azubis zu Hause und haben dadurch monatlich mehr Geld zur freien Verfügung. Bei den Studierenden hat jeder ein SemesterTicket, bei den Azubis hat leider nur ein wesentlich geringerer Anteil das SchülerTicket.

Das zeigt, dass eine Gleichstellung mit einer notwendig verpflichtenden Einführung eines AzubiTickets nicht praktikabel ist. Dieses wäre zur ermäßigten Preisgestaltung notwendig, hätte aber, wie eben auch schon angeführt, einen hohen Verwaltungsaufwand zur Folge. Die Frage ist auch, wer

diesen Verwaltungsaufwand tatsächlich betreiben sollte.

Im Übrigen würde bei einer Gleichstellung des Azubi- mit dem SemesterTicket sicherlich auch die Verpflichtung aller Studierenden schwerlich zu halten sein. Man muss wirklich überlegen, was man miteinander vergleicht, weil es selbstverständlich auch Studierende gibt, die ein SemesterTicket bezahlen müssen, es aber nicht nutzen.

Ich bin der Auffassung, dass vor einer möglichen Gleichstellung von Studierenden und Auszubildenden über die Vor- und Nachteile und die Machbarkeit in der zuständigen Deputation noch intensiv beraten werden muss. Eine Verbesserung des derzeitigen Schüler- beziehungsweise AzubiTickets wäre meines Erachtens möglich, indem zumindest der Nachtlinien-Zuschlag einbezogen wird, wie es zurzeit beim JobTicket und SemesterTicket der Fall ist.

Insgesamt halte ich eine Diskussion über die Preise des Nahverkehrs in dem Sinne, wie dies Herr Saxe hier angeführt hat, für notwendig. Ich denke, die Mobilität im öffentlichen Bereich müsste günstiger gestaltet werden. Das ist eine Diskussion, die wir anhand dieses Antrages nicht führen, aber in Zukunft auf jeden Fall führen sollten.

Die SPD stimmt dem Antrag auf Überweisung in die Verkehrsdeputation zu und hofft auf eine fruchtbare Diskussion und ein vernünftiges Ergebnis. - Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe LINKE, Ihre Anträge sind immer sehr charmant. Als gerecht Denkender meint man: Mensch, da haben sie eigentlich recht!

(Abg. Frau Strunge [DIE LINKE]: Genau!)

So ging es mir auch beim Lesen dieses Antrags. Ich war fast geneigt zu sagen: Prima, das unterstützen wir! Ich finde gut, dass wir den Antrag erst einmal überweisen. Das werden wir mittragen.

Frau Sprehe hat zu Recht kleinteilig aufgedröselt, was man miteinander vergleicht. Vielen Dank da

für! Herr Saxe hat in sehr charmanter Art vorgetragen. Ich hatte eher den Eindruck, es handelt sich um eine Oppositionsrede.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir sind einfach ehrlich und selbstkritisch, Herr Strohmann!)

Seine Ausführungen zu den Fahrpreisen und dazu, was alles in diesem Land schiefläuft, klang so, als hätten das andere gemacht. Aber der Aufsichtsratsvorsitzende der BSAG ist nach meiner Erkenntnis nach wie vor bei den Grünen.

Ich komme zu den steigenden Fahrpreisen. Zum 1. Januar 2018 wurde der Preis für den normalen Einzelfahrschein auf 2,80 Euro erhöht. Das ist hier irgendwann einmal beschlossen worden. Es handelt sich um einen Kontrakt in der Gesamtfinanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Das haben wir hier alle gemeinsam gemacht. Wir müssen uns jetzt entscheiden, wie es weitergeht.

Ich halte es für äußerst problematisch, hier gemeinsam eine Kalkulationsgrundlage zu schaffen und dann Einzelteile herauszubrechen und eine Ungerechtigkeitsschiene zu fahren. Deswegen bin ich bereit, über das eine oder andere zu reden, zum Beispiel über die Zahl. Ich kannte sie auch nicht genau.

Das SchülerTicket mit 47 Euro können sich wahrscheinlich die meisten leisten. Gefühlt ist es erst einmal teurer. Es gibt Modelle, bei denen man sagt, dass man das umgeht und anders macht. Vati fährt morgens sowieso in die Stadt und nimmt die Tochter mit; dann braucht sie nur die Rückfahrt mit der BOB-Karte, und unter dem Strich spart sie. Das kann es nicht sein. Der Vorteil des SchülerTickets besteht zum Beispiel darin, dass sich die Schülerin in ihrer Freizeit nicht mit dem Auto fahren lässt, sondern Nahverkehrsmittel benutzt. Deswegen müssen wir eine vernünftige Diskussion führen, ehrlich und offen, ergebnisoffen und unideologisch, und fragen, wie wir das finanzieren können, wie wir das gegengerechnet bekommen.

Ich spreche die Sitzung der Baudeputation an. Ich weiß, wie das ist. Dort haben wir eine straffe Tagesordnung. Einmal eben zehn Minuten Schaufensterreden zu halten, ist nicht das, was ich mir vorstelle. Ich glaube, wir müssen uns da - -.

(Zuruf Abg. Frau Neumeyer [CDU])

Nein, in der Baudeputation ist es nicht so, aber häufig in politischen Gremien.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Welche Deputation meinst du jetzt?)

Wenn wir das wirklich ernst meinen, sollten wir uns ein bisschen tiefer in das Thema einarbeiten und vielleicht einen Workshop durchführen.

(Abg. Frau Sprehe [SPD]: Ach so!)

Ich bin kein so großer Fan von Workshops, aber ich glaube, hier würde sich das, vielleicht mit der BSAG zusammen, lohnen, sodass man ein konzeptionell vernünftiges Ergebnis für alle bekommt, mit dem alle leben können, bei dem alle ihr Klientel bedienen können. Meine Sorge ist immer: Alles, was wir hier in dieser Stadt beschließen, Kindergartenbeiträge, Fahrscheine, Schülertickets, geht zulasten der Mittelschicht, und wir wundern uns, dass sie einfach abhaut und verschwindet. Wir brauchen diese Menschen in der Stadt, wir brauchen es, dass sie hier wohnen, dass sie hier Steuern zahlen, dass sie ihre Kinder hier zur Schule bringen. Wir sollten - das ist ein wenig meine Befürchtung - keine Klientelpolitik machen. Das steht uns nicht an. Deswegen bin ich ein bisschen vorsichtig. Aber mit einer Überweisung sind wir einverstanden. - Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Deutschendorf.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unser Ziel, den ÖPNV zu stärken. Wir arbeiten daran, ihn stetig weiterzuentwickeln. Mehr Menschen sollen ihn nutzen. Der Anteil des öffentlichen Personennahverkehrs am Mobilitätsmix, im Modal Split, soll weiter wachsen. Daran wird intensiv gearbeitet. Beispiele davon haben wir einige, zum Beispiel die aktuelle Anschaffung der neuen Straßenbahnen, der geplante Ausbau des Liniennetzes. Natürlich gehören passende Ticketangebote dazu.

Wir sind auch immer an weiteren Neuerungen und sinnvollen Ergänzungen interessiert. Gern sind wir bereit, gute Ideen aufzugreifen und gegebenenfalls umzusetzen, denn wir wollen weiterhin innovativ und auf der Höhe der Zeit bleiben. Insofern schauen wir uns immer mit großem Interesse Beispiele an, wie das an anderer Stelle gelingt und ge

macht wird. Herr Saxe hat das Beispiel Wien angesprochen. Das Beispiel aus Hessen mit dem Schülerticket kenne ich persönlich sehr genau. Ich war auf kommunaler Seite daran beteiligt, als wir darüber gesprochen haben, wie das gelingen und vor allem finanziert werden kann. Dabei muss man wissen, dass das schon etwas kostet. In Hessen hat das Land zusätzlich zu all dem, was man in den Pott geworfen hat, 20 Millionen Euro bereitgestellt, um das Schülerticket zu realisieren. Das muss einem in dieser Diskussion auch klar sein.

Meine Damen und Herren, das Ziel, die Ausbildung als Bildungsgang an sich attraktiver zu machen, die duale Ausbildung zu stärken, ist unstrittig sinnvoll. Was die Frage der Mobilität angeht, gibt es hier bereits attraktive passende Angebote. Sie sind schon angesprochen worden: das Schüler- und AuszubildendenTicket oder die Möglichkeit für denjenigen, der in der Ausbildung in einem Betrieb ist, der das JobTicket anbietet. Dann ist es noch einmal ermäßigt. Das wird bereits heute durch das Land mit 5,6 Millionen Euro jährlich gefördert. Das ist kein Witz, sondern eine erkleckliche Summe, die wir aufbringen.

Wenn es jetzt darum geht, das Angebot auszuweiten, weiter zu verbessern, sind wir demgegenüber offen eingestellt. Wenn noch eine Schippe draufgelegt werden soll, müssen wir auch darüber sprechen, wie das am Ende finanziert wird. Auch ich finde es richtig, an dieser Stelle die Arbeitgeber mit ins Gespräch, mit an den Tisch zu bringen und zu fragen, welches ihr Anteil sein kann, den sie zum Gelingen dieses Vorhabens in die Gespräche und Verhandlungen mit dem VBN, in die einzutreten wäre, einbringen können.

Kurz zum Stichwort SemesterTicket! Es ist zum Vergleich herangezogen worden. Deutlich geworden ist, dass es hier erhebliche Unterschiede gibt. Mit der Hochschule und dem AStA als direkten Verhandlungspartnern und der Finanzierung über den Studentenbeitrag sind das einfach ganz andere Bedingungen, die an dieser Stelle leider schwerlich zu übertragen sind. Insofern sind wir gefordert, gemeinsam über Lösungen zu sprechen. Wir sind gern bereit, tiefer in die Diskussion einzusteigen, für eine weitere Verbesserung der Faktenlage Daten zusammenzutragen, die Rahmenbedingungen klarzumachen und in der Deputation gemeinsam weiter darüber zu diskutieren. - Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft vorgesehen.

Wer dieser Überweisung des Antrags der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/1135 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.