Protocol of the Session on March 27, 2019

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Dann haben Sie noch die Atomkraft angesprochen, da muss man auch einmal sagen, wie es wirklich war. 2010 hat Frau Merkel der Atomindustrie noch die Verlängerung der Atomenergie versprochen. Dann ist 2011 im März ein schreckliches Unglück passiert, Fukushima. Da waren viele Wahlen hinterher, kurz darauf auch in Bremen. Bündnis 90/Die Grünen haben die ganze Zeit für den Atomausstieg geworben und da konnte man dann plötzlich sehen, dass die Bundesregierung es nach einem schlimmen Unglück dann erst einmal geändert hat, weil es keinen gesellschaftlichen Konsens mehr für Atomenergie in Deutschland gab.

Herr Janßen, zu Ihnen wollte ich auch noch einmal etwas sagen. Ihr Antrag zu der Kohlekraft ist in Bremen nicht durchgekommen. Warum? Weil Sie gefordert haben, dass man sich mit der SWB in Gesprächen darüber auseinandersetzt, wie wir den Kohleausstieg in Bremen realisieren können. Das hat aber der Senator zu der Zeit schon längst getan. Das halte ich dann ehrlich gesagt für einen Placebo-Antrag.

Wenn Sie den ÖPNV- und den Straßenbahnausbau einfordern: Das war, glaube ich, die Fraktion DIE LINKE, die die Linie 1 immer wieder abgelehnt und blockiert hat, also tun Sie nicht so, als ob Sie hier für den ÖPNV-Ausbau wären. In Deputationen gibt es ja auch Abstimmungsverhalten und wenn man für den ÖPNV-Ausbau ist, dann muss man sich auch dafür aussprechen und dann entsprechend abstimmen. Deswegen finde ich das nicht richtig, so zu tun, als ob man den ÖPNV-Ausbau hier will, und dann gleichzeitig, wenn es vor Ort heikel wird, den Ausbau auszubremsen. Ich bin gespannt, wie viel sie dann wirklich eines Tages umsetzen werden.

Als Letztes zu Herrn Remkes: Es gibt sehr viele Studien von Versicherungen, die eines zeigen – und

das hat Herr Dr. Buhlert auch gerade vorhin noch einmal hineinkommentiert –: Klimaanpassung und die Folgen des Klimawandels sind teurer als ein Klimaschutz. Deswegen sollten wir uns wirklich alle gemeinsam für konsequenten Klimaschutz auf den Weg machen! – Vielen Dank.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Senator Dr. Lohse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang dieser Woche hatte mich die Jugendkirche Bremen in ihren Garten Eden 2.0 in Gröpelingen eingeladen, um eine Ausstellung über nachhaltigen Konsum und fair erzeugte und gehandelte Produkte zu eröffnen. Da waren viele junge und engagierte Menschen, die sich intensiv Gedanken über die Naturzerstörung, den Ressourcenverbrauch und die dramatische Veränderung des Weltklimas machen, die uns der Weltklimarat IPCC erst im Oktober letzten Jahres mit seinem Sonderbericht wieder vor Augen geführt hat.

Da schoss mir plötzlich die Frage in den Kopf, wo eigentlich die letzten 40 Jahre geblieben sind und was wir in diesen letzten 40 Jahren erreicht haben. Denn gegen Naturzerstörung und Ressourcenverbrauch habe ich selbst schon vor 40 Jahren vielfach demonstriert, mich engagiert und ich habe mich, wie viele andere meiner Generation auch, damals entschieden, meine persönliche Kraft und meinen Beruf den Fragen von Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung zu widmen.

Aber was haben wir erreicht? Viele kleine Verbesserungen: Unsere Flüsse sind wieder sauberer als damals, die Luftbelastung mit Feinstaub und schädlichen Gasen konnte gesenkt werden, die Produkte enthalten weniger Schadstoffe, vieles, das früher weggeworfen wurde, wird heute recycelt und es konnten zahlreiche Naturschutzgebiete eingeweiht werden. Das gilt zumindest hier in Europa und in anderen reichen Ländern, wenn auch keineswegs überall auf der Welt.

Aber bei den großen Fragen, die langfristig das Überleben der Menschheit gefährden, sind wir auf halbem Wege stecken geblieben und viele Entwicklungen laufen wieder in die falsche Richtung. Das globale Artensterben schreitet weiter voran, die Natur wird vielfach zerstört, es werden von Jahr zu Jahr mehr Ressourcen verbraucht und die Emis

sionen von CO2 und anderen Treibhausgasen steigen Jahr für Jahr an, obwohl wir seit 30 Jahren über deren Schädlichkeit für das Weltklima genau Bescheid wissen.

Während wir in den Parlamenten – so auch hier – in zähen Details der Tagespolitik um jeden Millimeter mehr Klimaschutz hart gerungen haben, ist die Bedeutung des Themas in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr in den Hintergrund gedrängt worden. In einer vor rund einem Jahr durchgeführten Umfrage zu den wichtigsten Themen in der Politik landeten Klima und Umwelt auf Platz neun, hinter Flüchtlingen, Sozialem, Bildung, Renten, dem deutschen Volk, innerer Sicherheit, der Familienpolitik und dem Arbeitsmarkt. Das sind alles wichtige Themen, aber Rang neun für ein Überlebensthema der Menschheit, das ist zu wenig.

Deshalb ist es ein Glück, dass sich endlich wieder eine außerparlamentarische Umweltbewegung lautstark artikuliert und dass sie auch öffentlich wahrgenommen wird. Damit sie wahrgenommen wird, muss sie stören und das tut sie. Gestört haben die Besetzerinnen und Besetzer im Hambacher Forst, damit die gedankenlose Abholzung dieses uralten Waldes nur für den Zweck, noch mehr Braunkohle zu fördern, endlich gestoppt wird.

(Abgeordneter Rohmeyer [CDU]: Was Bündnis 90/Die Grünen beschlossen haben.)

Den täglichen Trott stören nun auch die Schülerinnen und Schüler, die ausgehend von anfangs nur einer einzigen Person nun schon seit drei Monaten unüberhörbar eine entschlossene und radikale Umweltschutzpolitik in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen zur Einhaltung des 1,5Grad-Zieles und für globale Klimagerechtigkeit einfordern.

Meine Damen und Herren, dass diese Schülerinnen und Schüler stören, das ist gut so. Natürlich kann man diskutieren, ob hier die Schulpflicht verletzt wird. Ich würde Nachsicht empfehlen, das würde ich auch meinen eigenen Kindern gegenüber tun. Man kann den Tonfall der Slogans und Vorwürfe als harsch und provozierend empfinden, auch da sollten wir nachsichtig sein, in der Sache haben die Jugendlichen Recht. Und man kann darauf verweisen, wie gering der jeweilige Einfluss auf der eigenen politischen Handlungsebene ist und wie viel größer der Hebel und die Klimaschutzpotenziale auf einer anderen Ebene sind. Dann verweist die Kommune auf das Land, das Land auf den

Bund, der Bund auf die EU und die EU dann wiederum auf die riesigen Klimaschutzpotenziale im kommunalen Bereich. Das ist zwar alles richtig, aber es hilft nichts.

Vielmehr sollten wir den Schülerinnen und Schülern dankbar für die Störung sein, die sie uns zumuten, und wir sollten die Demonstrationen zum Anlass nehmen, um uns ehrlich Rechenschaft abzulegen, an welcher Stelle wir hier in Bremen im Klimaschutz stehen und wie wir weiter vorankommen.

Wir haben ein Klimaschutz- und Energieprogramm, CO2-Reduktionsziele, die wir für das Jahr 2020 verfehlen werden, das Klimaschutzgesetz und mein Ressort wird in den nächsten Tagen vorlegen, wie wir mehr Tempo im Klimaschutz aufnehmen können, damit wir hier in Bremen wenigstens bis zum Jahr 2030 auf 50 Prozent CO2-Minderung kommen werden.

Dafür werden wir vier Dinge brauchen: Wir brauchen einen kühlen Kopf und klaren Verstand, wir brauchen noch mehr Kreativität zur Entwicklung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen. Vor allem brauchen wir Mut und Bereitschaft zur Veränderung, damit nicht jedes Windrad, jede neue Straßenbahnlinie, jedes Bauverbot im Überschwemmungsgebiet und jeder Vorschlag für eine Erhöhung der Parkgebühren, ein Tempolimit auf Autobahnen, der gelegentliche Verzicht auf Fleisch oder eine Einpreisung der CO2-Emission in den Preis von Kraftstoffen und Flugtickets einen wütenden Proteststurm hervorruft, mit dem Effekt, dass Regierenden, gerade auch in einer Koalition, sehr schnell der Mut verlässt, an solchen Vorschlägen festzuhalten und diese auch umzusetzen.

Schließlich wird es sowohl in Bezug auf die finanziellen Mittel als auch auf das Personal erhebliche zusätzliche Ressourcen erfordern. Bremen muss für eine klimagerechte Mobilitätswende, für die Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplans, den die EU-Kommission als besonders nachhaltig ausgezeichnet hat, für nachhaltiges Bauen – hier hat die öffentliche Hand eine wichtige Vorbildfunktion – und nicht zuletzt für die konsequente Fortsetzung und Weiterentwicklung der nachhaltigen Beschaffung, mit der wir hier in Bremen schon vor zehn Jahren begonnen haben, mehr tun als bisher.

Ich gehe davon aus – und damit möchte ich schließen –, dass wir hier in Bremen für diesen Weg einen nennenswerten Anteil der zusätzlichen Mittel aus dem Länderfinanzausgleich werden aufbringen

müssen. Bei den bisherigen Vorschlägen, die ich zur Verwendung dieser Mittel gehört habe, kommt der Klimaschutz, wenn überhaupt, etwa an neunter Stelle vor. Wenn das so bleiben soll, dann werden alle hier gehaltenen Reden für mehr Klimaschutz reine Lippenbekenntnisse bleiben, denen kaum Taten folgen werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Mittagspause eintreten, gebe ich noch einmal die restlichen Redezeiten für den vierten Teil der Aktuellen Stunde nach der Mittagspause bekannt: Die Fraktion der SPD verfügt noch über elf Minuten Redezeit, die Fraktion der CDU über zehn Minuten, die Fraktion der FDP über neun Minuten, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über fünf Minuten, die Fraktion DIE LINKE über sechs Minuten und der Senat über 14 Minuten. Die Aktuelle Stunde rufen wir nach der Mittagspause wieder auf, im Anschluss die Konsensliste und danach fahren wir mit den gesetzten Tagesordnungspunkten fort.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung der Sitzung 13.40 Uhr)

Vizepräsidentin Dogan eröffnet die Sitzung wieder um 15.15 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Polizeibeamte aus Bremerhaven und Cuxhaven.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir setzen die Tagesordnung mit dem vierten Thema der Aktuellen Stunde fort, im Anschluss daran wird der Tagesordnungspunkt 83 mit den damit verbundenen Tagesordnungspunkten 84 bis 86 behandelt.

Nachträglich wurde interfraktionell vereinbart, den Tagesordnungspunkt 5 für die Märzsitzungen auszusetzen.

Ich rufe das vierte Thema der Aktuellen Stunde auf:

Scholz-Pläne stoppen – Bund muss weiter Verantwortung für Flüchtlinge übernehmen

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Sieling.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anlass für die Aktuelle Stunde, die die Fraktion der CDU eingereicht hatte, ist der Entwurf des Bundeshaushalts, den Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz dem Bundeskabinett vorgelegt hat und der vorsieht, dass die Erstattung für flüchtlingsbedingte Mehrausgaben an die Gemeinden, also die Zuschüsse an die Länder für die Gemeinden, in den nächsten Jahren dramatisch sinken soll.

Wir halten das für einen Angriff auf die solide Finanzierung von Kommunen. Wir halten es für einen einseitigen Abschied von einer zwischen Bund und Ländern getroffenen Vereinbarung über föderale Finanzen. Wir halten es, meine sehr verehrten Damen und Herren, für einen Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung.

(Beifall CDU)

Um das Ausmaß eines solchen Vorschlages zu erkennen, ist es gut, sich zu vergegenwärtigen, wie zurzeit die Lastenverteilung der flüchtlingsbedingten Mehrausgaben in Bremen und im Bund ist. Bevor ich das tue, möchte ich sagen, dass ich dankbar bin, dass wir in Bremen in den Debatten der vergangenen Jahre über die Frage der Migration nach Deutschland und der Aufnahme von Flüchtlingen in Bremen und Bremerhaven im Parlament zwar an der einen oder anderen Stelle unterschiedliche politische Positionierungen hatten, aber immer, wie ich finde, mit sachlichen Argumenten um den besseren Weg gerungen haben und nicht der Versuchung erlegen sind, in die ideologischen Grabenkämpfe der vergangenen Jahre zurückzukehren.

Bremen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat ein Klima der Willkommenskultur für die von Not und Elend und Vertreibung betroffenen Menschen in Bremen und Bremerhaven geschaffen. Wir haben gemeinsam die Grundlage dafür gelegt, dass die Rechtspopulisten und Rechtsradikalen in

Bremen schlechtere Chancen haben als in anderen Ländern. Dafür möchte ich mich bei allen Fraktionen im Parlament ganz herzlich bedanken.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Ein guter Teil dieser Verständigung, die wir im Parlament getroffen haben, hing damit zusammen, dass im Jahr 2016 zwischen den Ministerpräsidenten und dem damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – im Nachhinein, Herr Bürgermeister Sieling, kann man sagen – ein erbitterter Kampf über die Frage gefochten wurde, wie die zweifelsfrei, und zwar fast ausschließlich, in den Gemeinden entstehenden Mehrkosten getragen werden. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung zugesagt, dem Bundestag regelmäßig über den Abfluss und die Anforderung solcher Mittel zu berichten, und zwar immer zum 31. Mai eines Jahres für das zurückliegende Haushaltsjahr.

Deswegen ist der letzte Bericht, der vorliegt, der für das Jahr 2017. Dem ist zu entnehmen, in welchem Umfang sich der Bund an den Mehrkosten in den Ländern beteiligt. Nur zur Erinnerung: Wir reden über Kosten, die für Unterkunft und Lebenshaltung während des Asylverfahrens entstehen, für Unterkunft und Lebenshaltung der Menschen, die auf Dauer oder auf längere Zeit bei uns bleiben müssen, weil in ihren Heimatländern Krieg und Verfolgung drohen und sie aus ganz unterschiedlichen Gründen bei uns geduldet werden. Wir reden über die unverzichtbaren Kosten für die wertvollen Integrationskurse, um diesen Menschen anders als in früheren Jahren möglichst schnell Zugang zu allen Kreisen unserer Bevölkerung zu ermöglichen.

Wir reden über die Möglichkeiten, die der Bund geschaffen hat, um die Kinderbetreuungssituation zu verbessern, weil viele dieser Flüchtlingsfamilien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern zu uns kommen und wir als Staat, als Stadt, ein Interesse daran haben, dass diese Kinder möglichst schnell in die Kita, in die Schule und unter gleichaltrige deutsche Kinder, die hier geboren und groß geworden sind, und andere Kinder mit Migrationserfahrung aufgenommen und dort betreut werden.