Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es noch eines Belegs bedurft hätte, aus welchem Grund diese Aktuelle Stunde heute von Ihnen beantragt worden ist, dann hat ihn Kollege Wintermeyer eben abgeliefert.
Natürlich geht es der CDU nicht um die Verteidigung der SPD – auf die können wir, Herr Kollege Wintermeyer, in der Tat gerne verzichten.
Es geht Ihnen auch nicht um die historische Wahrheit über den Tod von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Es geht Ihnen nicht um zwei tote Kommunisten, sondern um sechs lebendige – oder um das, was Sie dafür halten.
Meine Damen und Herren, die Hessische SPD weicht der historischen Debatte nicht aus. Wir sind stolz auf die Geschichte der SPD als der Partei von Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität.
Wir kennen aber auch die Fehler, die es in der Geschichte unserer Partei gegeben hat, einer Partei, die mehr Krisen, Kriege und Diktaturen überstanden hat als alle anderen heutigen Parteien zusammengenommen, und die deswegen auch mehr Gelegenheiten hatte, Fehler zu machen.
Meine Damen und Herren, sprechen wir nun über Verantwortung. Die einzige Kraft, die von Anfang bis zum Ende für die Weimarer Demokratie Verantwortung übernommen hat, war die SPD.
Daher ist sie in der gesamten Geschichte der Weimarer Demokratie sowohl von rechter als auch linker Seite Diffamierungen ausgesetzt gewesen. Die Parolen „November-Verbrecher“ und „Dolchstoß“ dienten als Rechtfertigung für den politischen Mord von rechts.
Die Sozialfaschismuspropaganda vertiefte die Spaltung der Arbeiterbewegung und diente als Legitimation für ei
Meine Damen und Herren, die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ist eines der scheußlichsten politischen Verbrechen der deutschen Geschichte.Die Täter waren moralisch verrohte und ideologisch verblendete Männer. Männer dieses Schlages waren für die große Mehrzahl der unzähligen politischen Morde in der Weimarer Republik verantwortlich: Freikorps, Feme-Organisationen, nationalistische, völkische, antisemitische Geheimbünde aller Art, genährt von den tiefen Krisen der Zeit und bezahlt mit dem Geld mächtiger, politischer und wirtschaftlicher Kreise.
Die SPD hatte für die entstehende demokratische Republik Verantwortung übernommen. Daraus ergab sich die Verantwortung der SPD,insbesondere von Gustav Noske, für die Niederschlagung des sogenannten Spartakusaufstandes. Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ist natürlich nur vor diesem Hintergrund erklärbar. Aber die Quellen, die Noske und damit die SPD unmittelbar oder mittelbar für diese Morde verantwortlich machen, sind und bleiben in höchstem Maße fragwürdig. Das gilt insbesondere für den Major Pabst, der tatsächlich den militärischen Befehl zum Mord gab. Deswegen muss, wer eine solche Beschuldigung aufrechterhält, den historischen Beweis dafür erbringen.
Meine Damen und Herren,wie der sogenannte Spartakusaufstand selbst sowie seine Niederschlagung durch die damalige Reichsregierung zu bewerten sind und ob man sich dabei tatsächlich der Hilfe der Freikorps bedienen durfte oder musste, darüber streitet die historische Forschung von Anfang an. Arthur Rosenberg, der eine noch immer lesenswerte Geschichte der Weimarer Republik geschrieben hat und dessen politischer Weg über die USPD, die KPD und nach dem Jahre 1927 in die SPD führte, urteilt z. B. folgendermaßen:
Man konnte von der Regierung nicht verlangen, dass sie, ausgestattet mit dem Vertrauen der großen Volksmehrheit, vor ein paar tausend Bewaffneten kapitulierte.... Seine
Fehler im Januar und den folgenden Monaten liegen überhaupt nicht auf dem moralischen, sondern auf dem politischen Gebiet. Das Verhängnis für die deutsche Republik kam nicht dadurch, dass Noske Gewalt anwandte, sondern mit welchen Truppen er Gewalt anwandte.
Ich komme nun zum Schluss. Rosa Luxemburg und auch Karl Liebknecht bleiben große Figuren der deutschen Arbeiterbewegung. Der Respekt vor ihrer Person und ihrem Schicksal sollte daran hindern, ihren grausamen Tod für die politische Tagesauseinandersetzung zu instrumentalisieren
oder alte Mythen und Legenden künstlich am Leben zu erhalten – von welcher Seite und in welchem Interesse auch immer. – Ich danke Ihnen.
Herr Kollege Merz, herzlichen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Al-Wazir das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Wissler hat in einem Interview mit der Zeitung „Junge Welt“ auf die Frage,was sie dazu sagt,dass der rechte Flügel der Hessen-SPD die Forderung durchgesetzt hat, DIE LINKE müsse auf das Grundgesetz schwören und sich von der DDR distanzieren, gesagt:
Wir haben bisher schon mehrfach deutlich gemacht, wie wir zur DDR und zum Grundgesetz stehen, wir brauchen keinen Aufarbeitungsprozess. Umgekehrt könnten wir ja auch von der SPD fordern, ihre eigenen Fehler aufzuarbeiten... Oder dafür, dass die SPD für die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich ist.
Ich habe einmal auf die Internetseite der Partei DIE LINKE geschaut, die ihren Sitz im Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin hat. Auf der Internetseite der Partei DIE LINKE wird gesagt:
Die Erinnerung an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die beiden aus der Sozialdemokratie hervorgegangenen Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die im Januar 1919 von rechten Freikorpssoldaten ermordet wurden, hat das Jahrhundert der Extreme überlebt.
Das deutet darauf hin, dass es eine zumindest sehr eingeschränkte historische Sicht ist, da selbst auf der Internetseite der LINKEN gesagt wird, wer nun wirklich für die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich ist.
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die beiden Führer der KPD, waren entschiedene Gegner der „bürgerlichen“ Demokratie, wie sie in Deutschland aus der militärischen Niederlage und der Revolution hervorging. Die Ordnung, für die sie kämpften, konnte aber schon deswegen nicht demokratisch sein, weil sie nicht die geringste Chance hatte, eine Mehrheit zu finden. Die Erhebung einer linksradikalen Minderheit,
der sich Luxemburg mit sehr viel größerem inneren Widerstreben als Liebknecht anschloss, musste niedergeworfen werden – wenn auch gewiss nicht mit den Gewaltexzessen, für die in hohem Maße der sozialdemokratische Volksbeauftragte Gustav Noske verantwortlich war.Aber auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hatten zu der Gewaltes
Ich möchte von meiner Seite noch hinzufügen: Es war ein hinterhältiger Mord – nichts anderes. Ich finde, wenn diese Debatte zu irgendetwas beitragen kann, dann vielleicht dazu, dass die Union heute sagt, dass eine Interpretation, wie sie noch im Jahre 1962 unter der Regierung Adenauer im Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung zu lesen war, dass nämlich die damaligen Ereignisse eine standrechtliche Erschießung gewesen seien, der historischen Wahrheit ebenfalls widerspricht.
Frau Wissler, ich habe am Montag dem „Spiegel“ entnommen, dass in Ihrer Wohnung ein Bücherregal steht, in dem zweieinhalb Reihen durch die dicken blauen Schwarten der Marx/Engels-Gesamtausgabe belegt sind. Sie sagten hierzu, ein theoretisches Fundament sei nun mal in der Politik wichtig. Dem stimme ich ausdrücklich zu.Aber es gibt nicht nur eine Wahrheit; und Geschichte wurde schon immer unterschiedlich interpretiert. Daher glaube ich,dass man sein Geschichtsbild nicht allein den Büchern von Bernt Engelmann sowie Veröffentlichungen im PahlRugenstein Verlag entnehmen sollte.
Herr Minister Bouffier, nicht allein. – Karl Marx hat einmal gesagt, die Philosophen hätten die Welt lediglich unterschiedlich interpretiert, es komme aber darauf an, sie zu verändern. Daher ist es immer gut, Bücher zu lesen, aber eben nicht nur bestimmte.
Liebe Kollegin Wissler, wenn man im Vorstand der Partei sitzt, die heute ihren legitimen Sitz im Karl-LiebknechtHaus hat, dann hat man eine besondere Verantwortung und sollte schauen, was aus den theoretischen Anleitungen real geworden ist. Daher sind wir der Meinung, dass die Partei DIE LINKE eine ganz besondere Verantwortung dafür hat, die Geschichte der DDR sauber zu interpretieren sowie genau zu wissen, welche dramatischen Fehler aufgrund theoretischer Anleitungen erwachsen sind.
Frau Wissler, damit Sie am Wochenende etwas zu lesen haben, schenke ich Ihnen ein Buch mit dem Titel: „Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich“. Es ist ein Buch,das sich mit einer Lebensgeschichte in der DDR befasst. Der Autor ist Jens Bisky. Sie können Ihren Parteivorsitzenden, Herrn Lothar Bisky, fragen, ob sein Sohn recht hat. – Vielen Dank.