Herr Ministerpräsident, ich beschäftige mich schon etwas länger mit dem Fluglärm und dem Frankfurter Flughafen als Sie.
Ich weiß, dass man, wenn man denen die Hand reicht, nachher die Finger nachzählen muss. Das unterscheidet uns halt.
Herr Ministerpräsident, gleichzeitig widersprechen Ihre Ankündigungen Ihren realen Taten. Wenn Sie ankündigen, die Bahnen zwischen 5 und 6 Uhr abwechselnd zu nutzen – das sind die berühmten „DROps early morning“ in Ihrem Maßnahmenpaket –, dann hört sich das nach Lärmpausen und Einschränkungen an. Allerdings: Die gleiche Regierung, die in Leipzig gegen das Nachtflugverbot klagt, spricht sich jetzt für zusätzliche Lärmpausen in der Zeit danach aus. Da ist die spannende Frage: Wer soll das glauben?
Ich gebe Ihnen ehrlich zu, als ich das letzten Mittwoch gehört habe – „DROps early morning“ –, habe ich gedacht: Mensch, da haben sie wirklich etwas erreicht. – Dann habe ich mir einmal angeschaut, was da verteilt wurde. Da ist mir aufgefallen, dass bei den Dedicated Runway Operations, also den sogenannten DROps, sowohl in der Westrichtung wie auch in der Ostbetriebsrichtung immer nur die Starts aufgezeichnet sind. Als ich ein bisschen nachgefragt habe, wurde mir gesagt, Herr Riedle von der DFS habe immer nur von Starts geredet.
der weiß, dass zwischen 5 und 6 Uhr fast keine Starts stattfinden. Um das einmal konkret zu machen: Letzten Sonntag, also vor zwei Tagen, gab es in der Zeit zwischen 5 und 6 Uhr sechs Starts, aber 34 Landungen. Heute hat es in der Zeit zwischen 5 und 6 Uhr zwei Starts und 35 Landungen gegeben. Sie wollen sich dafür feiern lassen, dass Sie diese zwei Starts jetzt auf eine Bahn konzentrieren. Großartig, Herr Ministerpräsident, eine großartige Geschichte.
Sie versuchen schon wieder, die Leute für dumm zu verkaufen. Sie tricksen schon wieder. Man könnte fast meinen, Dirk Metz ist zurück.
Es bleibt dabei: Eine verbindliche Ausweitung des Nachtflugverbots auf die gesetzliche Nacht von 22 bis 6 Uhr gehört auf die Tagesordnung. Es gibt ein Ruhebedürfnis, das länger ist als im besten Fall sechs Stunden.
Die Erhöhung der Gegenanflugstrecken und andere entlastende Maßnahmen der DFS sind nichts Großartiges, sondern längst überfällige Maßnahmen, die ausdrücklich zu begrüßen sind, die aber schon im Jahr 2000 oder im Jahr 2007 auf der Tagesordnung hätten stehen können – übrigens damals auch schon einmal versprochen wurden.
Herr Ministerpräsident, offensichtlich haben Sie auch weiterhin keine Vorstellung davon, dass das, was Lufthansa, Fraport und DFS Ihnen da einflüstern, nicht immer ein guter Vorschlag ist.
Der Ahnungsloseste von allen ist übrigens Boris Rhein. Boris Rhein rannte die letzten Wochen durch Frankfurt und erklärte, er werde dafür sorgen, dass eine Abflugroute verändert wird. Ergebnis ist die Ankündigung in Ihrem Maßnahmenpaket, die Flugroute N 07 (kurz) weniger und dafür die Flugroute N 07 (lang) öfter zu benutzen. Das ist übrigens ein erneutes Beispiel nur mit dem Frankfurter OB-Wahlkampf zu erklärender Panik.
Von keinerlei Sachkenntnis getrübt, versucht die Landesregierung, die Menschen für dumm zu verkaufen. Wenn die gleiche Zahl der Flugbewegungen von einer Route auf die andere verlagert wird, dann ist dies keine Lärmreduzierung, sondern einfach nur eine Umverteilung des Lärms.
Sagen Sie einmal, Herr Boddenberg, Sie wohnen doch in Sachsenhausen. Wissen Sie, wo die N 07 (lang) eigentlich langgeht? Die geht über Sachsenhausen, die geht über Oberrad, die geht über Offenbach und über Bergen-Enkheim. Dass noch nicht einmal Sie in der Lage waren, dem Kollegen Boris Rhein zu erklären, dass eine zusätzliche Belastung von Sachsenhausen, Oberrad und Bergen-Enkheim ihm in seinem OB-Wahlkampf sicherlich nichts nützen wird, das ist Ihr Problem. Dass Boris Rhein keine Ahnung hat, dafür kann ich nichts.
Aber es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass offensichtlich Panik herrscht und Sie sich jetzt in irgendeiner Form glauben, davon verabschieden zu müssen, wofür Sie immer stehen. Ich sage noch einmal: Das Ziel dieses Ausbaus war nicht die Verteilung des Lärms. Das Ziel dieses Ausbaus sind mehr Flugbewegungen und damit mehr Lärm. Darum kommen Sie nicht herum, wenn Sie nicht irgendwann zu dem Punkt kommen, dass Sie sagen: Es gibt eine Obergrenze von Flugbewegungen, eine Obergrenze von Lärm. – Genau das ist der Punkt, vor dem Sie sich herumdrücken. Da hilft auch kein Aufkaufprogramm.
Herr Al-Wazir, Sie haben die N 07 (lang) und (kurz) angesprochen. Haben Sie sich in dem Zusammenhang auch einmal die Überflughöhen angeschaut, wenn es um mögliche Verlagerungen auf die lange Version geht? Ich habe eben von der anderen Seite zwischengerufen, was ich nicht darf: Ich kenne jeden Meter dort. – Dann schauen Sie bitte einmal in das Papier. Dort gibt es keine Festlegung, sondern eine Prüfungszusage, die ich nicht nur sehr ernst nehme, sondern von der ich auch erwarte, dass es am Ende weniger Betroffenheiten in Summe gibt.
Ich kenne die N 07 (kurz). Die N 07 (kurz) biegt bei Ostwind – nur bei Ostwind, er ist in ungefähr einem Drittel der Fälle –
Ich glaube, sie sind bei ungefähr 300 m. – Sie geht dann weiter über die Frankfurter Kernstadt und wird am Ende wahrscheinlich über Bad Homburg auf die alte Route führen. Die N 07 (lang) geht über Teile von Sachsenhausen, über Oberrad, über Offenbach, am Ende über Fechenheim und Bergen-Enkheim und macht dann die Kurve.
Herr Boddenberg, die N 07 (ultralang), die dort genannt wurde, gibt es eben bisher nicht. Ich finde, die Tatsache, dass wir beide das wissen, der Ministerpräsident und Boris Rhein es aber nicht wissen, ist ein echtes Problem.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Michael Boddenberg (CDU): Nicht wir beide, ich weiß das!)
Herr Boddenberg, ich finde es aber spannend, dass die Regierung, der Sie angehören, eine Woche vor der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts Karten veröffentlicht, aus denen klar wird, dass weitere Veränderungen und damit auch andere Betroffenheiten geplant sind. Ich bin sehr gespannt darauf, wie das Bundesverwaltungsgericht bewertet, dass die Landesregierung schon jetzt weitere Veränderungen vorhat, die offensichtlich nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses gewesen sind
und die ein weiteres Indiz dafür sind, dass im Planfeststellungsverfahren offensichtlich keine ordentliche Abwägung stattgefunden hat. Ich bin immer gespannter auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Das hat der VGH aber anders gesehen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Antrag, über den Sie gleich abstimmen werden. Das ist der Antrag meiner Fraktion. Der sagt erstens: Wir sehen uns nach den jüngsten Äußerungen von Regierungsmitgliedern – zuletzt der Ministerpräsident, gerade eben – deutlich darin bestätigt, dass die bestehenden Fluglärmbelastungen verringert werden müssen. Der allererste Schritt dafür ist – das können Sie meinetwegen noch zu Beginn der mündlichen Verhandlung machen –, dass Sie endlich Ihre Klage gegen das Nachtflugverbot zurückziehen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))
Zweiter Punkt. Wir glauben, dass Sie auf lange Sicht die Menschen nur dann nicht immer weiter zusätzlich belas
ten, wenn wir die Zahl der Flugbewegungen und damit die Höhe der Lärmbelastungen deckeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine absolute Obergrenze und nicht immer weiteres, grenzenloses Wachstum.
Wir glauben im Übrigen, dass Sie sich einmal zu Gemüte führen sollen, was Herr Bundesverkehrsminister Ramsauer in der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 29. Januar gesagt hat. Das ist ein schöner Satz:
Ebenso wahr ist aber, dass die betroffene Bevölkerung in Süddeutschland mit über 100.000 Flugbewegungen eine schwere und nicht hinnehmbare Belastung zu erdulden hat. Ich muss diese Belastung reduzieren.
Die spannende Frage ist, was der Bevölkerung im RheinMain-Gebiet zusätzlich zugemutet werden soll, was der Bevölkerung in Süddeutschland angeblich nicht zuzumuten ist. Genau an diesem Punkt werden wir die spannende Debatte führen, ob wir einen Flughafen haben, der an der völlig falschen Stelle liegt.
Der Kollege Wagner, der vorhin gesagt hat, ich solle nicht hinausgehen, wenn er redet, und der jetzt draußen ist, hat die Startbahn West angesprochen, und dass wir immer dagegen gewesen seien. Ich sage Ihnen sehr deutlich: In München hat es in den Sechzigerjahren eine Entscheidung gegeben, von Riem nach Erding zu gehen. Wir haben in Berlin jetzt die Situation, dass zwei Innenstadtflughäfen geschlossen werden und dafür ein anderer Flughafen ausgebaut wird, mit zusätzlichen Betroffenen – das ist wahr –, aber unter dem Strich werden sehr viele Menschen keinen Fluglärm mehr haben.
In Frankfurt wurde in den Sechzigerjahren entschieden, das Terminal 1 nach Abriss des alten Gebäudes an genau der Stelle zu bauen, wo es jetzt steht. Dann hat man gesagt: Jetzt bauen wir eine Startbahn West. – Das ist die einzige Bahn eines Interkontinentalflughafens, die nur in eine Richtung genutzt wird. Normalerweise nutzt man Bahnen in vier Richtungen, nämlich zum Landen und zum Starten und je nach Windrichtung in unterschiedlichen Richtungen. Nur die Startbahn West nutzt man nur in eine Richtung. – Jetzt hat man die nächste Bahn gebaut, die nur in zwei Richtungen genutzt werden kann, nämlich nur zum Landen, weil dieser Flughafen an der falschen Stelle liegt.