Das Gleiche gilt für die Frage der sozialen Kriterien in der Wirtschaftsförderung. Wir haben eine Reihe von Wirtschaftsförderungsinstrumente, z. B. EFRE oder GRW. Aber in Hessen gibt es noch nicht einmal eine Diskussion darüber, wie wir soziale Kriterien in die Wirtschaftsförderung einbinden können. Das führt dazu, dass z. B. die Frage, wie viele Unternehmen, die gefördert werden, eigentlich einen Betriebsrat haben, mit der eigentlich ziemlich peinlichen Zahl 15 % beantwortet werden muss. Nur 15 % der geförderten Unternehmen haben einen Betriebsrat. Aus unserer Sicht ist das falsche Industriepolitik; denn wir wollen natürlich Unternehmen fördern, die sich auch an die Gesetze halten. Es gibt nun einmal ein Betriebsverfassungsgesetz. Warum also sollen wir Unternehmen fördern, die sich daran nicht halten?
Das Gleiche gilt für die Zahlung von Tariflöhnen. Ja, ich weiß, die Landesregierung sagt, Mindestlöhne sollen eingehalten werden. Das ist inzwischen ja auch gesetzlich Pflicht, und es soll dauerhafte Beschäftigung gefördert werden. Aber worüber wir eigentlich reden müssen, ist: Wir sollten eigentlich nur Unternehmen fördern, die nach Tariflöhnen bezahlen und nicht nur nach Mindestlöhnen.
Von daher gibt es in der hessischen Wirtschaftspolitik noch einiges zu tun, und wir werden das, Kollege Rentsch, in Zukunft ohne Sie machen. Ich kann Ihnen im Namen meiner Fraktion sagen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren – die Debatten waren aus unserer Sicht konstruktiv. Wir haben hoffentlich auch voneinander ge
lernt, zumindest haben wir uns im Sinne des Landes und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger immer darum bemüht, eine Position zu finden, die zum Guten des Landes ist. Ich wünsche Ihnen auch im Namen meiner Fraktion alles Gute für Ihre berufliche Zukunft und vor allen Dingen Gesundheit, ohne die ja alles nichts ist, und ansonsten viel Glück und Gottes Segen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und der FDP – Florian Rentsch (FDP): Danke!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, wenn wir über die Industrie in Hessen reden, sollten wir als Erstes einmal die Menschen würdigen, die tagtäglich in der Industrie arbeiten, die den Wohlstand in diesem Land erarbeiten. Das kam doch in den Anträgen ein bisschen kurz. Deswegen möchte ich damit beginnen.
Wenn ich mir den Antrag der FDP anschaue – Herr Rentsch, recht geben kann ich Ihnen auch heute nicht,
aber ich glaube, das würde Sie an Ihrem vorletzten Tag hier im Landtag auch nur unnötig verstören, wenn ich Ihnen recht geben würde.
(Florian Rentsch (FDP): Sehr schön, Frau Wissler! – Zurufe von der LINKEN und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Genau, wir machen so weiter wie bisher. – Ihr Antrag hat wenig Neues. Es ist das, was die FDP eigentlich immer sagt, kurz zusammengefasst: Klimaschutzplan, der Schutz vor giftiger Atemluft in den Städten oder vor Fluglärm, Windkraftausbau und erneuerbare Energien – all das belastet angeblich die arme hessische Wirtschaft, und Sie wollen – so steht es in Ihrem Antrag – alle Diskussionen und Planungen, die den Industriestandort Hessen belasten, sofort beenden. Stattdessen wollen Sie eigentlich am besten nur noch Straßen bauen. Das ist vielleicht auch etwas verkürzt, aber ich glaube, im Wesentlichen ist das die Grundaussage Ihres Antrags.
Meine Damen und Herren, ich finde, das alles hat mit einer zukunftsgerichteten Industriepolitik, die gesellschaftlichen Wohlstand schafft und gute Arbeit sichert, ziemlich wenig zu tun. Trotz der Industrieapokalypse, die Sie ja teilweise hier heraufbeschworen haben, gehören Hessen und das Rhein-Main-Gebiet zu den am stärksten prosperierenden Regionen Europas. Dafür verantwortlich, das habe ich eben schon angesprochen, sind vor allem die Menschen, die tagtäglich Werte erschaffen, sei es am Band oder in der Werkstatt. Das sind die Menschen, denen dieser Wohlstand zu verdanken ist.
Diese Menschen müssen gut entlohnt werden. Über ein Jahrzehnt ist der Reallohn stagniert oder sogar gesunken.
Erst 2014 wurde das Reallohnniveau von 2000 wieder übertroffen. Am Tiefpunkt, 2009, lagen die realen Bruttolöhne um 4,3 % niedriger als im Jahr 2000. Auch das ist eine Folge der Deregulierung am Arbeitsmarkt und des wachsenden Niedriglohnsektors.
Ich finde – da will ich dem Kollegen Grüger explizit recht geben –, in der Tat muss auch bei der Industrieförderung natürlich berücksichtigt werden, ob sich Unternehmen an Tarifverträge halten, ob das Betriebsverfassungsgesetz eingehalten ist und die Mitbestimmungsrechte garantiert sind. All das finde ich in der Tat wichtig, wenn wir über das Thema Industrieförderung sprechen.
Natürlich brauchen wir nach Jahren des Kürzens, nach immer weiter sinkenden Investitionsquoten im Namen der Schuldenbremse – ich habe nie verstanden, was daran generationengerecht sein soll, wenn wir unseren Kindern und Enkeln irgendwann einmal eine marode Infrastruktur vererben – mehr Investitionen.
Das betrifft viel mehr Lebensbereiche, als die FDP hier in ihrem Antrag aufgezeigt hat, wo es vor allem darum geht, möglichst viele Straßen zu asphaltieren. Die ausbleibenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur beeinträchtigen die Lebensqualität der Menschen und das Funktionieren von Wirtschaftskreisläufen. Die zusehends zerbröselnden Straßenbrücken und verfallenden Bahnhöfe sind nur die auffälligsten Spitzen des Eisbergs.
Gerade das rasant wachsende Rhein-Main-Gebiet bräuchte dringend eine erhebliche Kapazitätserweiterung im Bereich des ÖPNV, dessen Zustand seit dem Ende der Achtzigerjahre weitgehend stagniert.
Stattdessen richten Sie vor allem den Blick wieder in Richtung Flughafen und auf die Frage des Flughafenausbaus. Wir haben das eben schon lange diskutiert. Dieser Flughafen kann nicht immer weiter wachsen, weil er eben inmitten eines Ballungsgebiets liegt. Deswegen wird auch hier der ganze Irrsinn dieser Wachstumslogik deutlich, die Sie in Ihrem Antrag abfeiern. Bei begrenzten Ressourcen – im Fall des Flughafens der Platz und die Belastbarkeit der Anwohner und der Umwelt – kann es kein unbegrenztes Wachstum geben.
Deshalb ist Ihre Ablehnung jeglicher Kapazitätsbeschränkung des Flughafens absolut kontraproduktiv, zumal man anmerken muss, dass die Kapazitätsbeschränkungen, die Schwarz-Grün dem Flughafen auferlegt, in der Praxis relativ folgenlos sind. Meine Damen und Herren, deswegen fliegt ja kein Flugzeug weniger, sondern in Zukunft vermutlich mehr.
Ich will auch noch etwas zum Lieblingsfeind der Don-Quichotte-Partei FDP im Kampf gegen die Windräder, den Klimaschutz und das Erneuerbare-Energien-Gesetz sagen.
Wir haben die Situation, dass wir nicht zu viel Klimaschutz und nicht zu viel Energiewende haben, sondern das die Bemühungen heute längst nicht ausreichen. Sie reichen
nicht aus, um das im internationalen Klimaabkommen von Paris vereinbarte Ziel zu erreichen, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, und sie reichen nicht aus, um diese Klimaschutzziele wirksam umzusetzen. Natürlich schränken – das ist, was die FDP beklagt – Maßnahmen zum Klimaschutz die Industrie in ihrer unternehmerischen Freiheit ein. Das ist richtig, und das sollen sie ja;
denn die Betriebe, die sich nicht anpassen, die sich nicht modernisieren und schmutzig bleiben wollen, werden letztlich keine Zukunft haben. Das heißt, die Modernisierung der Industrie in Hessen macht sie erst zukunftsfähig. Ich finde es wichtig, das auch politisch zu flankieren. Wir werden Umbrüche erleben, und die Automobilindustrie ist das beste Beispiel. Ich glaube schon, dass man für einen solchen Umbau einer Industrie auch politische Maßnahmen braucht, um das zu begleiten, damit eben gerade die Arbeitsplätze gesichert sind.
Deswegen finde ich die Debatte um die Industrierabatte im EEG absolut kontraproduktiv. Wir verteuern den Strom für andere Unternehmen und Privatkunden, und sie belohnen doch quasi die alte schmutzige Industrie. Energieverschwendung in der Industrie wird doch damit quasi gefördert. Wer zu viel Energie einspart, droht aus der Ausnahmeregelung zu fallen. Deshalb, finde ich, macht sich die jetzige Bundesregierung mitschuldig an der steigenden EEG-Umlage und letztlich an der Sabotage der Klimaziele.
Auch in Hessen wäre im Klimaschutz sehr viel mehr möglich. Auch beim Klimaschutz müsste einiges mehr passieren, als das in der Realität der Fall ist.
Nun sorgen Sie sich um die Innovationskraft des Bundeslandes Hessen. Aber das stärkt man nicht durch Straßen oder durch Flugzeuge. Innovation findet z. B. an den Hochschulen statt. Dort hinein müsste mehr Geld fließen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir eine andere Wohnungspolitik brauchen, damit die Menschen, die an den Hochschulen studieren, Wohnraum zur Verfügung haben.
Deswegen: Gute Industriepolitik ist mehr als Profitmaximierung für die Konzerne bei gleichzeitiger Abschaffung von Sozial- und Umweltstandards und dem Bau möglichst vieler Straßen. Wir wollen eine Wirtschaft, die den Menschen gute Arbeit schafft, und das weitgehend im Einklang von Mensch und Natur.
Und ja, wir wollen eine deutliche Steigerung öffentlicher Investitionen in Bildung, in Gesundheit, in Klimaschutz, in Infrastruktur und Mobilität. Das kommt den Menschen und ihrer Lebensqualität direkt zugute und stärkt so natürlich auch die Wirtschaft. Wir wollen gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen besser schützen. Wir wollen auch eine größere Unterstützung der Unternehmen, die ihre Produktion umstellen auf energie- und rohstoffeffiziente Verfahren und Qualitätsprodukte.
In diesem Sinne müssten die Wirtschaftsförderung und die Industriepolitik des Landes neu ausgerichtet und stärker den sozialen Zielen und dem Erhalt von Arbeitsplätzen verpflichtet werden. Bei Insolvenzen und Massenentlas
sungen wäre z. B. mein Anspruch, dass eine Landesregierung aktiv eingreift und sich auf die Seite der Beschäftigten stellt.
Meine Damen und Herren, kurzum, die Landesregierung könnte einiges mehr tun, um gute Arbeitsplätze und eine saubere, Wohlstand schaffende Industrie zum Nutzen aller zusammenzubringen, und das ist unser Punkt bei diesem Antrag.
Lieber Florian Rentsch, Sie haben eben gesagt, Sie haben gerade Ihre letzte Rede hier im Landtag gehalten. Ich finde, es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass Sie die FDP-Fraktion verlassen, um Genosse zu werden; denn Sie wechseln zum Bundesverband der genossenschaftlichen Sparda-Banken.
Ich meine, zu sagen, dass wir nicht immer einer Meinung waren, wäre vielleicht eine kleine Untertreibung der Tatsachen. Trotzdem haben wir den einen oder anderen Antrag zusammen gemacht. Vielen Dank dafür.
Es bleibt mir noch, Ihnen persönlich und Ihrer Familie alles Gute zu wünschen für die neue Tätigkeit, persönlich alles Gute und vor allem Gesundheit. Auf Wiedersehen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, die FDP hat sich für diesen Setzpunkt einen guten Titel überlegt: Wirtschafts- und Industriestandort Hessen stärken. Sie haben einen wirklich guten Titel gewählt, weil dieser Titel genau das beschreibt, was diese Koalition aus CDU und GRÜNEN seit mehr als drei Jahren erfolgreich tut.