Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Wenn Sie hier vortragen, dass heute mehr regenerativ erzeugter Strom im Netz sei als vor x Jahren: Toll, aber wenn Sie ein einziges Windrad oder eine einzige Solarzelle mehr installiert hätten, dann wäre noch eine Kilowattstunde Strom mehr im Netz. Was ist denn das für ein Leistungskriterium? Ich kann Ihnen einmal ein schönes Kriterium nennen: Wie hoch ist der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch in Hessen? Da kommen Sie noch nicht einmal auf 1 %. Das sind die Fakten, über die ich gerne diskutieren würde, aber Sie gehen nicht darauf ein. Das kann doch keine Erfolg versprechende Strategie sein, wenn solche Zahlen dabei herauskommen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Dorn, Herr Al-Wazir, wenn Sie sich neuerdings in Sachen Energiepolitik in Deutschland auf die Marketingabteilung von Aldi Süd berufen, dann rate ich Ihnen, sich Ihre Verbündeten noch einmal genau anzuschauen. Sie sollten versuchen, den Fakten in die Augen zu schauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Grüger, Sie sprechen von Arbeitsplätzen, von einem „grünen Jobwunder“. Sie haben in dem Bericht doch gelesen, wie sich die Beschäftigung seit 2012 entwickelt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Seit 2012 flossen in diesen Bereich Subventionen im Umfang von 60 Milliarden €. Die Beschäftigung ist in Hessen im gleichen Zeitraum um 30 % gesunken – trotz der Subventionen in Höhe von 60 Milliarden €. Sie sollten aufhören, immer wieder Dinge aus der Vergangenheit zu erzählen. Die entsprechen den heutigen Fakten nicht mehr.

(Beifall bei der FDP)

Herr Al-Wazir, was haben Sie den 800 Siemens-Mitarbeitern, die in Offenbach Gasturbinen entwerfen, gesagt? Haben Sie gesagt: „Es ist meine Verantwortung, meine falsche Energiepolitik, dass Sie heute keinen Job mehr haben“? Haben Sie das gesagt?

(Beifall bei der FDP)

Ihre Energiepolitik hat mittlerweile enorme Auswirkungen auf die Industrie in Deutschland. Die Solarwafer werden doch in China, in Taiwan oder anderswo produziert, aber nicht mehr in Deutschland. Das Geld fließt doch aus Deutschland ab.

(Beifall bei der FDP)

Hören Sie auf mit Ihren Behauptungen, die von gestern sind. Schauen Sie bitte einmal in die Zukunft. Wir alle reden über Digitalisierung. Jeder ist für die Digitalisierung. Glaubt einer, dass wir die Digitalisierung nicht vorantreiben müssen? Glauben Sie das, Herr Minister? – Nein. Und das ist auch richtig, denn die Digitalisierung wird kommen. Wissen Sie, was die Digitalisierung braucht? Sie braucht Energie. Jetzt nenne ich Ihnen einmal eine Zahl: 15 TWh Strom verbrauchen die Rechenzentren, und es werden jeden Tag mehr. Wenn Sie eine Google-Suchanfrage losschicken, dann haben zwei oder drei Rechenzentren irgendwo auf der Welt einen zusätzlichen Energieverbrauch. Mit dem Strom, den eine einzige Google-Suchanfrage verbraucht, können Sie eine LED-Lampe eine Stunde lang brennen lassen. Sie werden doch nicht glauben, dass der Energieverbrauch geringer wird. Nein, die Digitalisierung wird in der Zukunft ein Energietreiber sein.

(Beifall bei der FDP – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn Ihre Antwort?)

Sie können doch nicht glauben, dass Sie mit Techniken und Ideen aus dem Mittelalter den Energiehunger der Zukunft stillen können.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben es verstanden! Wie lautet Ihre Antwort?)

Der Strompreis hat sich zwischen 2010 und heute verdoppelt, und zwar für jeden stinknormalen Haushalt in Hessen. Das ist eine enorme Herausforderung. Wenn Sie wirklich sparen wollen, dann beenden Sie Geltungsdauer des EEG. Beenden Sie diese bürokratische Subventionsmaschine.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie mir bei dem Thema nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens dem IPCC. Das IPCC sagt, das EEG mache die Energiepolitik in Deutschland nicht besser, sondern nur teurer.

Mein Schlusswort: Beenden Sie Ihre falsche Politik, nehmen Sie die Realität endlich zur Kenntnis.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Rock. – Als Nächster spricht Herr Abg. Grüger für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte sehr, Herr Kollege.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Um das vorweg klarzustellen: Wenn die FDP gegen Windmühlen kämpft, dann ist Herr Rock natürlich der Don Quichotte und nicht der Sancho Pansa, denn Sancho Pansa hat ja versucht, Don Quichotte daran zu hindern, gegen die Windmühlen zu kämpfen.

(Minister Tarek Al-Wazir: Aber erfolglos! – Heiter- keit und Beifall bei der SPD)

Er hat es, wohlgemerkt, erfolglos versucht.

(Unruhe)

Ich würde mich an diesem Punkt nicht streiten, aber das musste einmal klargestellt werden.

Aber, Herr Minister, ich danke Ihnen für den Hinweis, dass zu dem Primärenergieaufkommen auch der Energieverbrauch durch den Verkehr gezählt wird. Da haben wir eine Steigerung; das frisst den Anteil der erneuerbaren Energien wieder auf. Das ist natürlich auch das Malen nach Zahlen, das die FDP da betreibt: Ich suche mir eine Größe, bei der das möglichst schlecht aussieht. – Dabei hat das mit der Windkraft gar nichts zu tun – aber gut, egal. Herr Minister Al-Wazir, Sie sind auch Verkehrsminister.

(Beifall bei der SPD)

Insofern ist das Thema Verkehrswende auch mit aufgerufen. Ich weiß, es ist endlos schwierig, die Verkehrswende auf den Weg zu bringen. Aber die Verkehrswende müssen wir dabei mit betrachten; denn der steigende Verkehr, auch der steigende Güterverkehr, konterkariert alle Bemühungen in anderen Bereichen. Das ist etwas, was Hessen in besonderer Weise betrifft, weil Hessen ein Transitland für den Güter- und den Personenverkehr darstellt und den Flughafen hat. Das alles geht auf unsere Energierechnung. Das muss man verstehen, das muss man kennen, und dann muss man auch wissen, wie man dagegen vorgeht.

Apropos wissen, wie man dagegen vorgeht: Herr Rock, mir geht es wirklich richtig auf den Keks, wenn sich jemand hinstellt und sagt: „Das ist Scheiße, das ist Scheiße, und das ist Scheiße“

(Clemens Reif (CDU): Na, na, na! – Weitere Zurufe von der CDU)

Entschuldigung, ich nehme es zurück und sage stattdessen: „Das ist nicht gut, das ist nicht gut, und das ist nicht gut“ –,

(Heiterkeit bei der SPD)

aber selbst keinen einzigen Vorschlag macht, wie es anders gehen soll.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich Sie richtig verstehe, kommt bei Ihnen der Strom aus der Steckdose, und dahin kommt er irgendwie – keine Ahnung, freie Energie. Da sind wir wieder bei dem Thema Aluhüte. Die Energie kommt also irgendwie in die Steckdose rein.

(René Rock (FDP): Nein, raus!)

Vielleicht sind es auch die Atomkraftwerke; ich weiß es nicht. So erkläre ich mir die Hinwendung der FDP zum Klimaschutz und zur CO2-Minderung. Das ist übrigens auch der Grund, warum Präsident Macron das mit der CO2-Minderung so toll findet: Das ist die beste Förderungsmaßnahme für Atomkraftwerke. Das denkt er zumindest. Es gibt nämlich zwei Möglichkeiten, den CO2-Ausstoss zu mindern: Die eine Möglichkeit ist die Nutzung der erneuerbaren Energien, die andere der Rückgriff auf Atomkraftwerke. Wir haben uns gegen die Atomkraftwerke entschieden, weil die aus ganz anderen Gründen ziemlich gefährlich sind.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich habe das Gefühl, die FDP spekuliert darauf, dass es die Atomkraftwerke sein sollen.

(René Rock (FDP): Wir?)

Dann müssen Sie aber auch einmal offen und ehrlich bekennen, dass das Ihre Ziele sind. Das, was Sie nämlich bisher an Konstruktivem dazu gesagt haben, ist die Debatte nicht wert. Ich finde, dass man, wenn man sagt: „Dagegen bin ich, dagegen bin ich, und dagegen bin ich“, so ehrlich sein muss, zu erklären, wofür man eigentlich ist.

(Beifall bei der SPD – René Rock (FDP): Nein! Das hängen Sie uns nicht an!)

Im Zusammenhang mit dem Thema „Belastung der Industrie“ möchte ich einen letzten Punkt aufgreifen.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Die Debatte lohnt sich doch!)

Wenn Sie den Bericht der Landesregierung gelesen hätten, wüssten Sie, dort steht, dass der Wert von 9,2 TWh Energie in der besonderen Ausgleichsregelung des EEG festgelegt ist. Für diejenigen, die sich nicht so gut damit auskennen: Bei der besonderen Ausgleichsregelung handelt es sich um die sogenannten Industrierabatte. 9,2 TWh – das ist ein Viertel des gesamten Stromverbrauchs in Hessen.

Diese Unternehmen haben einen Strompreis, der in Europa fast konkurrenzlos günstig ist, weil sie die EEG-Umlage nicht bezahlen müssen. Es sind sehr viele große Industrieunternehmen in Hessen, die auf diese Art und Weise davon profitieren. Darüber kann man unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit einmal diskutieren.

(René Rock (FDP): Wer hat das erfunden? Die SPD hat es erfunden!)

Ja, ich war an der Schaffung der besonderen Ausgleichsregelung beteiligt. Das kann ich Ihnen sagen. Ich habe das aus guten Gründen gemacht: Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb mit Unternehmen aus Staaten stehen, in denen der Strom subventioniert wird und es keine Energiewende gibt, haben ein riesengroßes Problem. Ich stehe nach wie vor dazu.

Aber, Herr Rock, das sind die Fakten, mit denen man sich befassen muss, wenn man sich hierhin stellt und sagt: Die arme Industrie ist so stark belastet. – Ein großer Teil der Industrie in Hessen ist stark entlastet. Das muss man der Wahrheit halber hier auch einmal sagen.