Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Herr Kollege van Ooyen, Fakt ist: CETA ist das modernste Abkommen seiner Art.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja, ja!)

Auch da reden wir schlicht auf der Basis des jetzt vorliegenden, endverhandelten Textes. Es werden in diesem Abkommen sowohl Umwelt- als auch Verbraucherschutzstandards garantiert. Auch die im Fokus der Diskussion stehenden Schiedsgerichte – man kann die unterschiedlichen Argumente verfolgen – werden in einer Art und Weise modernisiert, wie wir es noch bei keinem anderen Freihandelsabkommen erreicht haben, das Deutschland oder die Europäische Union abgeschlossen hat.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Haben Sie schon einmal zur Kenntnis genommen, was deutsche Richter dazu sagen?)

Frau Kollegin, dieses Abkommen wird zum ersten Mal die Möglichkeit bieten, mithilfe von unabhängigen Gerichten auf willkürliches Staatshandeln zu reagieren. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit, das zu erreichen, was wir als Freie Demokraten – auch als europäische Liberale – schon lange gern hätten: einen internationalen Handelsgerichtshof, der eine öffentliche Instanz darstellt, mit deren Hilfe auch solche Gerichtsverfahren ordentlich durchgeführt werden können. Da ist CETA ein großer Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, außerdem werden durch CETA auch maßgebliche Standards bei sozialen Fragen geregelt. Die liegen Ihnen doch sonst so am Herzen. Ich kann mich an die Landtagsanhörung zu TTIP erinnern und an die Diskussion über die ILO-Kernarbeitsnormen. Auch das werden wir mit CETA erreichen; denn beide Vertragspartner sind sich einig, solche Standards zu vereinbaren.

Außerdem werden wir – Frau Kollegin Hammann hat darauf schon hingewiesen – bei wichtigen Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge einen Fortschritt erreichen, z. B. bei der Frage der Privatisierung bzw. Nicht-Privatisierung von

Wasser. Das ist etwas, was die Gemüter der Menschen auf der Straße immer bewegt hat. Herr van Ooyen, Sie müssten denjenigen, die Sie zu den Demonstrationen aufrufen, fairerweise eigentlich sagen, dass sich genau diese Themen mittlerweile überholt haben, weil CETA diese ordentlich abarbeitet.

(Beifall bei der FDP – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Es geht eben nicht um die Sache, das ist das Problem!)

Mit Verlaub, Frau Kollegin Hammann, dazu passt auch nicht, dass GRÜNE wie z. B. der Landesverband in Sachsen-Anhalt laut dafür werben, über Fahrtkostenerstattungen einen Ausflug nach Berlin zur Demo zu machen. Ich weiß nicht, ob dann eher der Ausflug oder die Demonstration im Vordergrund steht, die sachliche Debatte jedenfalls nicht.

(Beifall bei der FDP)

Summa summarum ist bei nüchterner Betrachtung festzustellen: Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger bei CETA sind gewahrt; und man kann diesem Freihandelsabkommen guten Gewissens zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Aber ich habe ohnehin das Gefühl – das finde ich ausgesprochen schade, weil ich finde, dass es die falschen Schablonen sind, nach denen hier agiert wird –, dass es in der öffentlichen Auseinandersetzung längst nicht mehr um den Austausch sachlicher Argumente geht. Mit dem Schüren von Ressentiments, dem Erfinden absurder Mythen und Märchen und mit blanker Panikmache, Herr van Ooyen, bedienen sich die CETA-Gegner aus dem linken Lager eines Argumentationsstils, den ich sonst nur von der AfD kenne.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben keine Lösungen. Sie haben keine Rezepte für die Welt, für die Arbeitsplätze von morgen oder für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Sie haben nur Ihr ideologisches „Njet“ und fallen damit den Menschen, die in diesem Land für ihr Auskommen sorgen müssen, ihre Arbeitsplätze erhalten oder neue Arbeitsplätze schaffen wollen, in den Rücken.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nein, mehr Kooperation!)

Das entspricht jedenfalls in meinen Augen nicht den Wünschen und Weiterentwicklungschancen, die die Menschen in diesem Land haben und brauchen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): In allen Ländern, oder?)

Sehr geehrter Herr van Ooyen, ich halte es zumindest für wert, darüber nachzudenken, und meines Erachtens ist es gar fragwürdig, für wen diese vereinigten CETA-Gegner überhaupt diesen völlig überzogenen emotionalen Kampf führen. Für wen oder in Kooperation mit wem gehen Sie denn da auf die Straße? Ist das noch der Industriearbeitnehmer?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die Gewerkschaften!)

Mit den Gewerkschaften; das ist ein wunderbares Beispiel, Frau Wissler.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, natürlich!)

Wer steht denn von den großen Gewerkschaften bei der Frage CETA noch bei Ihnen? Ist die IG Metall an dem Aufruf beteiligt? Haben Sie die IG BCE auf Ihrer Seite? – Mitnichten. Sie wissen, dass gerade die Industriegewerkschaften für Arbeitsplätze, für die Menschen in unserem Lande kämpfen.

(Fortgesetzte Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Kollegin Wissler, Sie können für Ihre Fraktion hier gern noch einmal reden.

Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der IG BCE, das ist immerhin die drittgrößte Mitgliedsgewerkschaft des DGB, hat sich lobend über CETA geäußert und für Zustimmung geworben. Das kann ich hier einmal zeigen.

(Die Rednerin hält ein Schriftstück hoch.)

Es ist ein wirklich lesenswerter Beitrag des „Spiegels“, ein Interview mit der Überschrift: „Wir haben uns durchgesetzt“. Er weist darauf hin, dass der Einsatz der Gewerkschaften bei diesem Freihandelsabkommen gefruchtet habe und dass es deswegen unredlich sei, in dieser Art und Weise vorzugehen, wie Sie das hier tun.

(Beifall bei der FDP)

Gerade die Senkung der Zölle – 99 % der Zölle werden im bilateralen Handel mit Kanada und der Europäischen Union abgeschafft – sichert Arbeitsplätze in Deutschland, Frau Kollegin Wissler.

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Es gibt eben auch die Möglichkeit, Standards nach unseren Normen zu setzen. Europäische Normen zu globalisieren, gibt uns die Möglichkeit, gegen die Absenkung von Standards vorzugehen und das internationale Wettrennen darum, wer die Normen macht, damit sie eben nicht zulasten unserer Arbeitsplätze gehen, zu gewinnen. Ich glaube, wir als Hessen haben großes Interesse daran, diesem Abkommen zuzustimmen.

Herr Kollege Reif, es würde mich nach dem windelweichen Antrag Ihrer Koalition wirklich brennend interessieren, ob Sie dem Abkommen im Bundesrat zustimmen oder nicht. Denn das, was Sie hier erzählt haben, steht mitnichten in diesem Antrag drin. Das wird auch der Grund sein, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als Nächster spricht Herr Abg. Grüger von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich damit anfangen, zu sagen: Wer internationalen Handel gestalten will, muss verhandeln. – Jetzt muss ich

das allerdings ein bisschen ändern. Nachdem ich jetzt so viele Lobeshymnen auf unseren Bundeswirtschaftsminister, zu seiner segensvollen Tätigkeit, gehört habe, ohne dass auch nur ein einziges Mal sein Name erwähnt worden wäre, muss ich das jetzt tun und fragen: Wer hat es denn gemacht? Wer hat denn dafür gesorgt, dass alle diese Änderungen bei CETA stattgefunden haben, die jetzt alle so lobend erwähnt haben? – Das waren der Bundeswirtschaftsminister sowie der Reformdruck der europäischen Sozialdemokratie.

(Beifall bei der SPD – Heike Hofmann (SPD): Hört, hört!)

Es ist gerade deutlich geworden, dass die ursprüngliche Idee von CETA reformbedürftig war. Aber all das, was ich jetzt insbesondere aus Richtung der GRÜNEN und der FDP an Vorteilen von CETA gehört habe, würde es nicht geben, hätten wir nicht Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Gäbe es keine europäische Sozialdemokratie, die entsprechenden Druck aufgebaut hat, gäbe es dies aber auch nicht. Das ist eine simple Tatsache.

Wir machen keinen Hehl daraus, dass uns trotzdem ein multilaterales Abkommen auf WTO-Ebene viel lieber gewesen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Aber man muss auch pragmatisch zur Kenntnis nehmen, dass das nicht möglich war. Wir haben alle, zumindest diejenigen, die so etwas verfolgen, mitbekommen, dass die Doha-Runde gescheitert ist. Ergo macht es Sinn, sich als EU zu überlegen, Handelsverträge mit anderen Staaten abzuschließen. Wenn man das macht, dann muss man sich natürlich überlegen, unter welchen Prämissen man das macht. Wir machen auch keinen Hehl daraus, dass die Prämissen wie auch der Weg der Verhandlungen für uns am Anfang eher problematisch waren, insbesondere wie sich Karel De Gucht das Verhandlungsmandat hat erteilen lassen. Das war problematisch, und das war ein Geburtsfehler.

Ich denke, dies erschwert die Debatten bis heute und macht es notwendig, immer wieder zu erklären, worum es eigentlich geht und was sich alles verändert hat. Aber all das darf uns doch nicht daran hindern, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und den Vertragsentwurf entsprechend zu ändern sowie in den Vertrag hineinzubringen, was unserer Meinung nach für unser Land gut ist, bzw. aus dem Vertragsentwurf herauszunehmen, was nach unserer Überzeugung für unser Land nicht gut ist.

Die SPD hat sich dieser Verantwortung frühzeitig gestellt und frühzeitig definiert, wie ein Handelsvertrag im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, auch der Bürgerinnen und Bürger Hessens, aussehen sollte. Dies findet sich sowohl im Hessischen Landtag in unserem Antrag Drucks. 19/358 wie auch in unseren sogenannten „Roten Linien“ der Bundes-SPD. Auf dieser Basis unterstützen wir unseren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowohl bei den Verhandlungen zu TTIP als auch zu CETA.

(Beifall bei der SPD)

Nur, um das hier festzuhalten: Die Gleichsetzung von TTIP und CETA ist nach aktuellem Stand der Verhandlungen nicht mehr möglich. Wir haben bei CETA vieles er

reicht, was bei TTIP offensichtlich nicht erreichbar ist. Das ist auch der Grund, warum jetzt immer von „toten Pferden“ geredet wird. Die Verhandlungen um TTIP haben sich ganz offensichtlich an vielen Punkten festgefahren.