Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

reicht, was bei TTIP offensichtlich nicht erreichbar ist. Das ist auch der Grund, warum jetzt immer von „toten Pferden“ geredet wird. Die Verhandlungen um TTIP haben sich ganz offensichtlich an vielen Punkten festgefahren.

Das liegt auch daran, dass die US-Amerikaner das Thema ILO-Kernarbeitsnormen überhaupt nicht anfassen wollen. Bei der Öffnung der amerikanischen Märkte für öffentliche Ausschreibungen scheinen die Amerikaner nach dem Motto zu verfahren: Die Europäer sollen ihre Märkte öffnen, die amerikanischen Märkte werden nicht geöffnet. Buy american – das ist keine Verhandlung auf Augenhöhe. Das ist der Grund, warum es mit TTIP nicht klappt. Diese Problematik haben wir bei CETA nicht. Ganz im Gegenteil: Die kanadische Regierung ist bereit, ihre Märkte weitgehend für unsere Produkte zu öffnen, vice versa. Deswegen ist CETA eine andere Geschichte als TTIP.

(Beifall bei der SPD)

Es hat aber auch in anderen Bereichen Erfolge gegeben, z. B. wird die kommunale Daseinsvorsorge in der CETANegativliste von Privatisierungsvorgaben ausgenommen. Damit ist dieser Teil des Antrags der Fraktion DIE LINKE bereits obsolet. Wir werden mit CETA den Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge haben. Bei TTIP ist das noch nicht vorgesehen. Das ist ein Grund mehr dafür, zu sagen, dass es eine erfolgreiche Verhandlungsführung des Bundeswirtschaftsministers war, die dazu geführt hat, dass wir überhaupt so weit gekommen sind.

Auch die öffentlich-rechtliche und weitgehend transparente Gestaltung des in CETA vorgesehenen Handelsgerichtshofs ist ein Verhandlungserfolg des Bundeswirtschaftsministers. Der DGB hat noch Änderungen bei den Modalitäten der Bezahlung der Handelsrichterinnen und Handelsrichter angemahnt. Ich bin mir sicher, dass auch dies ein Punkt bei den morgigen Verhandlungen des Bundeswirtschaftsministers mit der kanadischen Regierung sein wird.

Ich bin mir sicher, ein weiterer Punkt wird auch die vorläufige Anwendung von CETA sein. Wie Sie wissen, hat die EU-Kommission CETA inzwischen nach heftigsten Protesten als sogenanntes gemischtes Abkommen eingestuft, nachdem sie ursprünglich der Meinung war, es sei ein EUonly-Abkommen.

Es gibt beispielsweise ein Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums, das ca. zwei Jahre alt ist, in dem sehr klar dargestellt wird, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt.

Das ist auch gut so. Das sage ich nicht nur als Abgeordneter eines Parlaments, das sage ich auch vor dem Hintergrund der Transparenz und der Debatte, die wir um CETA haben, wenn wir am Schluss in den Parlamenten darüber reden werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)

Es darf natürlich nicht sein, dass durch die vorläufige Anwendung Recht geschaffen wird, das dem Votum dieser Parlamente am Ende entgegenläuft. Diese Argumentation ist richtig.

Darüber wird bis zuletzt verhandelt. Eine vorläufige Anwendung der sogenannten Investitionsschutzklausel ist natürlich nicht akzeptabel. Das ist völlig klar. Trotzdem haben wir ein Interesse daran, wenn wir uns darauf einigen, dass CETA in der Tendenz richtig ist, dass zumindest alle

Zollbeschränkungen so schnell wie möglich aufgehoben werden. Über die anderen Sachen muss man dann später reden. Davon haben wir aber einen Vorteil. Deswegen sollten wir das differenziert betrachten und nicht alles über einen Kamm scheren.

(Beifall bei der SPD)

Die kanadische Regierung hat angekündigt, im Rahmen der CETA-Ratifizierung auch die von Kanada bislang noch nicht anerkannten Kernarbeitsnormen zu ratifizieren. Die umfassende Anerkennung von Arbeitnehmerrechten war sowohl für die Gewerkschaften wie auch für die SPD immer eine zentrale Forderung. Meine Damen und Herren, es ist ein Erfolg, dass wir uns auch damit bei CETA durchgesetzt haben. Dies ist übrigens auch ein Grund dafür, dass die größte Einzelgewerkschaft der Welt – sie ist gerade schon genannt worden, meine IG Metall – Zustimmung zum Kurs des Bundeswirtschaftsministers bei den Verhandlungen zur Ausgestaltung von CETA signalisiert hat, wie übrigens auch die IG BCE.

(Nicola Beer (FDP): Aha!)

Am Ende kommt die Stunde der Parlamente. In Deutschland sind das Bundestag und Bundesrat. Da bin ich sehr gespannt, wie die Landesregierungen in Thüringen, liebe LINKE, und in Hessen, liebe Bündnisgrünen, abstimmen werden. Verstehe ich nämlich die Demo-Aufrufe und öffentlichen Erklärungen von den LINKEN und den GRÜNEN auf Bundesebene richtig,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

dann muss schon heute feststehen, dass sich alle Länder mit linker oder grüner Regierungsbeteiligung im Bundesrat enthalten werden.

Dann müssten die GRÜNEN jetzt konsequenterweise dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen. Stattdessen kommt wieder ein Feststellungs- und Wiederholungsantrag daher, in dem festgestellt wird, dass man darüber nachdenken müsse und man schon wiederholt darüber nachgedacht habe.

(Michael Boddenberg (CDU): Wir sind nicht der Bundesrat!)

Daraus kann man noch nicht so ganz heraushören, wie sich die Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Zukunft verhalten wird.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Nun habe ich ja gesagt, dass die Stunde der Parlamente noch kommt. Wir werden dem natürlich mit großem Interesse entgegensehen, wie sich Hessen an diesem Punkt verhalten wird. Wir hoffen, dass wir zu diesem Punkt auch eine Debatte haben werden.

Wir wollen von hier aus, aus dem Hessischen Landtag, dem Bundeswirtschaftsminister ein positives Signal für seine morgige Reise nach Kanada geben: Verhandeln Sie mit Unterstützung des Hessischen Landtags hart mit der kanadischen Regierung, im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten und für die Zukunft unseres Landes.

Deswegen werden wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ablehnen. Wir werden auch den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen. Wir fordern die anderen Fraktionen auf, es uns gleichzutun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grüger. – Spricht jemand für die Landesregierung? – Herr Staatsminister Al-Wazir, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben mit Blick auf die anstehende Beschlussfassung beim Treffen der EU-Handelsminister Ende September in den letzten Wochen viel über CETA diskutiert. Ich merke zunehmend, dass die Debatte ein bisschen durcheinandergeht. Wir reden jetzt über CETA, über das Abkommen mit Kanada. Wir reden nicht über TTIP. Da muss man durchaus sagen, dass sich in den letzten Monaten einiges verändert hat. Manche werfen da ziemlich viel durcheinander. Deswegen ist es angebracht, am Anfang etwas Grundsätzliches dazu zu sagen, und zwar aus Sicht der Landesregierung.

Was uns wichtig ist, und was mir wichtig ist: Aus ökonomischer Sicht sind freier Handel und ein freier Zugang zu internationalen Märkten grundsätzlich positiv zu bewerten. Natürlich steht dies unter der Voraussetzung, dass dies für alle Seiten unter fairen Rahmenbedingungen geschieht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die international ausgerichtete hessische Wirtschaft würden sich mit einem Freihandelsabkommen mit Kanada Potenziale für wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung, Innovationskraft und Produktivitätszuwachs ergeben. Auch hessische Unternehmen könnten von einem vereinfachten Zugang mit geringeren bürokratischen Hürden zum kanadischen Markt profitieren.

CETA würde den kanadischen Markt für europäische Unternehmen weitgehend öffnen und auch umgekehrt. Wenn wir uns betrachten, dass Hessen als Investitionsstandort bereits jetzt ein Drittel des für Deutschland insgesamt ausgewiesenen Investitionsbestands aus Kanada hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Hessen besonders profitieren würde, wenn kanadische Unternehmen hier investieren, eher groß.

Noch einmal: Freihandelsabkommen sind zunächst grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings gilt, das hat der Landtag schon mehrfach festgestellt, dass die Standards im Umwelt- und im Gesundheitsbereich, beim Verbraucherschutz und auch die kommunale Daseinsvorsorge nicht gefährdet oder ausgehebelt werden können. Auch da gilt sehr deutlich: Da darf man die Nase nicht zu weit oben haben.

(Lachen der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich rede jetzt als Beispiel über TTIP. Am Anfang der Debatte wurde viel über das Chlorhühnchen geredet. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: ein geschlachtetes Huhn durch ein Chlorbad zu ziehen, oder im Laufe des Lebens ganz viel Antibiotika reinzuschmeißen. – An dieser Stelle wäre ich dafür, beides zu lassen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Man sollte also nicht glauben, dass europäische Standards in jedem Fall immer besser sind. Es kann auch einmal andersherum sein.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist nicht unser Argument!)

Ich stelle fest, dass wir hier sehr viel Misstrauen in der Gesellschaft haben. Das muss man sehr ernst nehmen. Wir haben sehr viel Misstrauen, und dieses Misstrauen hat viel damit zu tun, dass wir eine transparentere Verhandlungspraxis nötig gehabt hätten. Das stelle ich ausdrücklich fest.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vi- zepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vor- sitz.)

Das wäre förderlich gewesen für gesellschaftliche Akzeptanz und auch für Glaubwürdigkeit. Diese Transparenz wurde sowohl bei den CETA- wie auch bei den TTIP-Verhandlungen vernachlässigt, wobei zur Wahrheit auch dazugehört: Hätte es keine TTIP-Verhandlungen gegeben, würden wir jetzt wahrscheinlich auch nicht über CETA reden, sondern es wäre einfach ein Abkommen abgeschlossen und wahrscheinlich auch ohne große Diskussionen ratifiziert worden.

Die Frage ist – Stichwort: Transparenz –: Womit haben wir es jetzt zu tun? Inzwischen gibt es zwar eine deutsche Version des CETA-Verhandlungsstandes. Ob diese Fassung wirklich den finalen CETA-Text darstellt, bleibt abzuwarten. Wie im Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschrieben, gibt es gegenwärtig durchaus noch Bestrebungen, Änderungen bzw. Ergänzungen an dem Abkommen vorzunehmen. Auf jeden Fall muss das endgültige Ergebnis von nationaler Seite geprüft werden.

Also: Ob es überhaupt zu einem Abkommen in Sachen TTIP kommt, ist momentan zumindest fraglich. Am Ende werden wir abwarten, was CETA angeht, wie das endgültige Ergebnis sein wird. Dann ist die europäische Ebene am Zug. Dann kommt die nationale Ebene, und dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, käme der Bundesrat.

Ich bin ausdrücklich dankbar dafür – denn auch das ist ein Teil des Misstrauens, mit dem wir es zu tun haben –, dass inzwischen auch auf europäischer Ebene klargestellt wurde, dass wir es mit einem gemischten Abkommen zu tun haben. Das heißt, dass die Notwendigkeit der Zustimmung der nationalen Parlamente vorhanden ist. Das bedeutet, dass wir uns genau betrachten werden, was ein solches Abkommen an etwaigen Auswirkungen für uns hätte, weil am Ende Kompetenzen und Befugnisse der Länder und der Kommunen betroffen sein werden. Deswegen ist der Bundesrat am Ende am Zug.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, um den Namen einmal zu nennen,

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

hat im Juli angekündigt, dass die Bundesregierung ein Ratifizierungsgesetz zu CETA vorlegen werde, mit dem sich sowohl Bundestag als auch Bundesrat befassen sollen. Wir warten also auch an dieser Stelle ab, was die Bundesregierung vorlegt.

Ich will ausdrücklich sagen: Es ist auch noch nicht zu spät, wenn es um inhaltliche Diskussionen geht, zumindest bei den Punkten, die nicht ausschließlich in den Kompetenzbereich der EU fallen und deshalb von einer vorläufigen Anwendung ausgenommen werden.

Deswegen will ich ausdrücklich noch einmal feststellen: Die politische Handlungsfähigkeit der betroffenen Nationalstaaten, auch der Länder und Kommunen, darf nicht eingeschränkt werden. Ich glaube, da sind wir uns einig. Wir dürfen auch nicht ein Freihandelsabkommen haben – das sehe ich bei CETA allerdings nicht –, das in die rechtsstaatliche Souveränität eines Landes eingreift. Bestehendes nationales Recht sollte nicht durch ein solches Abkommen beeinträchtigt oder ausgehöhlt werden.

Wir reden neben der Abschaffung von Zöllen auch von der Abschaffung von sogenannten nicht tarifären Handelshemmnissen. Beispielsweise sollen Standards und Normen angeglichen werden. Das ist grundsätzlich völlig richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Man ist in Deutschland manchmal stolz auf die sogenannte Deutsche Industrienorm. Das war einmal der Versuch, Standards zu schaffen. Ich glaube, dass auch klar sein muss, dass es nicht um eine Angleichung auf dem niedrigsten Niveau gehen soll, wenn es z. B. um das Vorsorgeprinzip bei Umwelt- und Verbraucherschutz, bei Arbeitsschutz oder auch bei Tarifrecht geht.

Aber auch an dieser Stelle: Manchmal ist es so, dass die europäischen Standards nicht die besten sind. Ich stelle immer wieder fest, dass es viele Menschen gibt, auch welche in diesem Haus, auch TTIP-kritische,