Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

nein –, des Denkmalschutzgesetzes vorgelegt haben. Ich will aber auch sagen: Mein Dank gilt ausdrücklich den Oppositionsfraktionen von SPD und Linkspartei für eine wirklich konstruktive Beratung, was sich am Ende auch in den Änderungen des Gesetzentwurfs niedergeschlagen hat.

Herzlichen Dank. Ich freue mich, wenn Sie den Gesetzentwurf zum Gesetz erheben. Ich bin sehr sicher, dass wir die hessischen Denkmäler weiterhin auf hohem Niveau würdigen und dafür sorgen können, dass ihr Erhalt gesichert ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit ist die zweite Lesung vollzogen worden.

Ich lasse über diesen Gesetzentwurf abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Das ist die FDP-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Ich stelle damit fest, dass dem Gesetzentwurf mit großer Mehrheit zugestimmt worden ist. Er wird damit zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe nun einen Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend freiwillige Ausreise und Abschiebungen ausreisepflichtiger Personen, Drucks. 19/4130, auf. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann nehmen wir ihn als Punkt 50 in die Tagesordnung auf und rufen ihn mit Tagesordnungspunkt 48 auf. – Dem wird einstimmig gefolgt.

Damit rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 45 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und DIE LINKE sowie der Abg. Öztürk (frakti- onslos) betreffend Solidaritätserklärung des Hessischen Landtags mit den Journalistinnen und Journalisten, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und Abgeordneten der HDP in der Türkei – Drucks. 19/4118 –

mit Tagesordnungspunkt 46:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend Türkei: europäische Werte leben, Menschenrechte wahren, Demokratie fördern, Presse- und Meinungsfreiheit achten, Oppositionsrechte gewährleisten – Drucks. 19/4119 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Zu Beginn hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Vorsitzender der SPD, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich zunächst bei allen Beteiligten bedanken, dass es möglich war, dieses Thema am Ende dieser Plenarwoche noch aufzurufen.

Am 15. und 16. Juli dieses Jahres haben sich nicht nur die Augen der Welt, sondern auch unsere eigenen auf die Bilder des Militärputschs in der Türkei gerichtet. Die Niederschlagung des Putschs gegen die demokratisch gewählte Regierung unter AKP-Führung wurde weltweit, so auch von der Bundesrepublik Deutschland, begrüßt, und zahlreiche Solidaritätserklärungen haben in diesen Tagen die tür

kische Regierung erreicht. Alle waren froh, dass dieser Putsch am Ende verhindert werden konnte, weil sich Menschen aller Lebensbereiche gegen den illegitimen Militärputsch stellten: Türken und Kurden, Aleviten, Schiiten und Sunniten, die AKP, die CHP und die HDP. Viele andere in der gesamten türkischen Zivilgesellschaft standen in dieser schweren Stunde zusammen, und das hat uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesen Stunden Hoffnung auf eine demokratischere Türkei gemacht.

(Beifall)

Diese Hoffnung starb in dem Augenblick, als die Regierung Erdogan mit Verhaftungen und Verfolgungen ohne rechtstaatliche Verfahren begann. Massenentlassungen, Berichte über Folter- und Säuberungslisten sprechen eine eindeutige Sprache. Mit der Wiedereinführung der Todesstrafe kündigte die türkische Regierung

(Unruhe auf der Regierungsbank – Günter Rudolph (SPD): Vielleicht kann man auf der Regierungsbank auch einmal zuhören!)

danke schön – die Beitrittsverhandlungen zur EU einseitig und erklärte sie für gescheitert. Wir hoffen nach wie vor auf eine Kehrtwende.

(Beifall – Unruhe auf der Regierungsbank)

Vielleicht können Sie einfach draußen weitermachen; es stört wirklich; ich muss mich ein bisschen mehr konzentrieren als sonst. – Aus der legitimen rechtsstaatlichen Aufarbeitung des Putschs ist längst – das sage ich heute sehr bewusst – ein Gegenputsch geworden.

Deshalb wollen wir uns mit dieser Erklärung, die wir zusammen mit der Linkspartei und mit Mürvet Öztürk eingereicht haben, solidarisch erklären mit den Abgeordneten unserer – damit meine ich vor allem die sozialdemokratischen – Schwesterparteien in der Türkei, nämlich den Abgeordneten der HDP und der CHP, die beide mit uns verschwistert sind. Wir wollen uns aber auch mit all den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, den Journalistinnen und Journalisten und all denjenigen, die sich für die Demokratie einsetzen, solidarisch zeigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich hatte die Gelegenheit, vor wenigen Wochen auf der Frankfurter Buchmesse mit Can Dündar, Chefredakteur von „Cumhuriyet“ ausführlich im öffentlichen Raum zu diskutieren. Danach haben wir noch ein sehr langes persönliches Gespräch geführt. Seine größte Sorge – wir haben das in der Fraktion nicht diskutiert, deswegen weiß ich nicht, was die Mehrheitsmeinung meiner Fraktion ist, ich sage es für mich persönlich – teile ich. Auch ich bin nicht von der Entscheidung des Europäischen Parlaments überzeugt, die Beitrittsverhandlungen einfach auszusetzen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Can Dündar hat in diesem Gespräch sehr emotional vor einer Situation gewarnt, auf die wir unmittelbar zusteuern. Er hat gesagt, wenn die Türkei in eine Isolation gerate, wird es am meisten Erdogan und seiner Politik nutzen. Er hat inständig darum gebeten, dass die Brücken in die türkische Zivilgesellschaft, in die türkischen Medien und in die

türkische Politik nicht abgebrochen werden und gerade jetzt Kontakte hergestellt werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Das möchte ich als Appell in diese Runde sagen, auch mit Blick auf die besondere Rolle, die Hessen mit der Partnerschaft mit Bursa hat. Jetzt darf man die Gesprächsfäden nicht abreißen lassen. Jetzt brauchen diejenigen, die unter schwierigsten Bedingungen versuchen, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen, Menschen hier, aber auch dort, die bereit sind, auch öffentlich zu sagen, dass sie an ihrer Seite stehen.

Wir haben auf der Grundlage der „Hamburger Erklärung“ von Abgeordneten von CDU, SPD, FDP, GRÜNEN und Linkspartei einen Antrag eingebracht. Ich hätte mir gewünscht, dass es möglich gewesen wäre, wenigstens dieses Mal zu einer gemeinsamen Entschließung zu kommen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Die SPD-Fraktion wird ausdrücklich dem Beschlusstext von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zustimmen. Weil es aber gerade die Initiative der fraktionslosen Abg. Mürvet Öztürk gewesen ist, die auf uns alle zugekommen ist und gefragt hat, ob wir nicht ein einziges Mal, in einer Situation, in der es um die Bedrohung von Demokratie und Freiheit geht, zusammenstehen können, fanden wir es schade, dass es nicht gelungen ist. Vielleicht gelingt es in der Abstimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP so- wie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege Utter, CDUFraktion, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder Umsturz einer demokratisch legitimierten Regierung durch Militär oder andere Kräfte, auch jeder Versuch dazu, ist falsch, ist undemokratisch und ist zu verurteilen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das gilt auch für den zum Glück gescheiterten Putsch türkischer Militärs vom 15. Juli. Es ist gut, dass die Menschen in dieser Nacht ihre Demokratie verteidigt haben. Eine türkische Militärdiktatur könnte kein Partner für Europa, Deutschland und Hessen sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Vorgänge in der Türkei werden in Deutschland und besonders in Hessen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Unsere Beziehungen sind eng und zahlreich. Aber nun steht das alles auf dem Spiel. Auch unsere Partnerschaft mit der Provinz Bursa leidet unter der aktuellen Entwicklung. Die Türkei ist ein wichtiger Verbündeter, ein wichtiger Partner, ja, auch ein langjähriger Freund. Deshalb beunruhigt uns die Situation in der Türkei jetzt ganz besonders.

Die Türkei spielt eine wichtige Rolle für Europa und für die Gemeinschaft der freien Staaten. Doch sie scheint das jetzt zu verlassen. Wir sind auch dadurch betroffen, dass allein in Hessen 160.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund leben.

Ich erfahre es auch immer im Gespräch, wie gespalten diese Gemeinden sind. Sie sind in der jetzigen Situation hinund hergerissen, nicht wissend, wo ihre Loyalität ist und wie sie sich verhalten sollen. Beschuldigungen und Hass spalten die Familien. Das ist ganz schlecht.

Es gehört aber auch dazu, dass man in einer Partnerschaft offen ausspricht, was einen besorgt, und offen sagt, was nicht geht. Für eine gute Partnerschaft mit uns ist es nicht akzeptabel, Grundlagen des Rechtsstaats und der Demokratie auszuschalten. Für eine gute Partnerschaft mit uns ist es nicht akzeptabel, führende Politiker und Abgeordnete, intellektuelle Journalisten und Andersdenkende festzunehmen und ohne Prozess einzusperren. Für eine gute Partnerschaft mit uns ist es nicht akzeptabel, Zehntausende Bedienstete, Lehrer, Professoren wegen ihrer politischen Ansichten zu entlassen oder zu drangsalieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Heute, was für eine Ironie, ist in der Türkei der Tag der Lehrerinnen und Lehrer. So viele Lehrerinnen und Lehrer haben dort keine Arbeit mehr.

Natürlich ist eine Strafverfolgung als Folge des Putsches erforderlich und auch legitim, aber die muss transparent und mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgen. Jeder Einzelfall muss geprüft werden. Auf keinen Fall können massenweise und pauschal Menschen in Haft genommen werden, ohne zu prüfen, ob sie irgendetwas damit zu tun hatten.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ohne Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit kann es keine Demokratie und keinen Rechtsstaat geben.

Für eine Partnerschaft mit uns, wenn man sie will – Herr Schäfer-Gümbel hat es auch gesagt –, ist die Einführung der Todesstrafe ein Punkt, zu dem wir sagen: Da geht es nicht weiter. Dann machen auch Verhandlungen über die Mitgliedschaft in der EU keinen Sinn mehr.

Man will es gar nicht sagen, dieses fürchterliche Gesetz, um Kindesmissbrauch durch Eheschließung zu legitimieren, ist weit weg von unseren Werten.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Europa hat bei dieser Frage nicht gekuscht. Wir sagen eindeutig, was wir davon halten. Auch wenn man sich die Beitrittsverhandlungen anschaut, muss man sagen, dass sie seit einiger Zeit auf der Stelle treten; nicht, weil Europa nicht wollte, sondern weil in der Türkei nur Rückschritte zu beobachten sind.