Im Jahr 2000 wurden im Bereich der betrieblichen Ausbildung 12 850 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen, während eine fast gleich große Zahl von Jugendlichen,
nämlich 12 364, in das erste Jahr beruflicher Vollzeitschulen eingetreten sind. Von diesen Jugendlichen haben 5650 oder 45,7 Prozent eine Ausbildung an einer Berufsfachschule angefangen. Die Anzahl der Jugendlichen, die mittlerweile eine Berufsfachschule besuchen, ist damit in den letzten Jahren in Hamburg kontinuierlich gestiegen.
Für diese Entwicklung führt der Senat in der Vorbemerkung zu dieser Großen Anfrage als einzige Begründung das Fehlen von Plätzen in dualen Ausbildungsgängen an. Die Realität, Frau Goetsch, ist jedoch eine andere; das wissen auch Sie sehr genau. In den letzten drei Jahren konnte die Hamburger Wirtschaft die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsplätze um 729 steigern, während sich andererseits die Anzahl der Hamburger Schulabgänger um 351 verringert hat.
Diese Entwicklung hätte für sich allein betrachtet zu einer deutlichen Verringerung der Nachfrage der Ausbildungsangebote bei beruflichen Vollzeitschulen führen müssen. Auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt werden aber seit Jahren schon durch leistungsfähige Bewerber aus anderen Bundesländern, insbesondere in kaufmännischen Berufen wie Versicherungs- und Bankkaufmann, Hamburger Absolventen entsprechend verdrängt. Mittlerweile bleiben in einigen Berufen bedauerlicherweise, beispielsweise im Bereich des Handwerks, Ausbildungsplätze unbesetzt, da qualifizierte Bewerber fehlen.
Weil das so ist, Frau Senatorin Pape, ist die alleinige Begründung, die in der Vorbemerkung der Großen Anfrage steht, natürlich nicht die einzige. Hieran haben aber die Berufsfachschulen – damit haben Sie recht, Frau Goetsch – ihren Anteil, da sie manches Mal doch in direkter Konkurrenz zur dualen Ausbildung stehen. Wie der Großen Anfrage, Anlage 5, zu entnehmen ist, kommen insgesamt 4766 Schüler der Berufsfachschulen von Realschulen, Gesamtschulen oder Gymnasien, stehen damit in direkter Konkurrenz zur dualen Ausbildung und damit dem System selbst nicht mehr zur Verfügung.
Erschwerend kommt hinzu, daß die Jugendlichen sich für die Berufsfachschulen wesentlich früher anmelden müssen. So hatten beispielsweise die verbliebenen sechs Höheren Handelsschulen, die erfahrungsgemäß nicht von Hauptschülern, sondern von Realschülern nachgefragt werden, bereits zum 1.April 2001 322 Anmeldungen zu verzeichnen. Diese Jugendlichen werden in diesem Jahr für Ausbildungsplätze im Bereich des dualen Systems leider nicht mehr zur Verfügung stehen, während insbesondere im Handwerk, aber auch in einigen Dienstleistungsberufen dringend Auszubildende gesucht werden.
Mit einer großen Anzahl von Berufsfachschulen, mittlerweile 29 unterschiedliche Formen an 37 verschiedenen Standorten, baut die Schulbehörde damit in Teilen bewußt eine Konkurrenz zum System der dualen Ausbildung auf.
Allein im letzten Jahr – Herr Frank hat es gerade erwähnt – sind bereits vier neue vollqualifizierende Berufsfachschulen entstanden. Die Begründung, die die Behörde anführt, ist in weiten Teilen allerdings falsch, da es teilweise bereits vergleichbare duale Ausbildungsberufe gibt oder entsprechende Zusatzqualifikationen für bestehende Ausbildungsgänge.
Den Jugendlichen jedenfalls, Frau Senatorin, die diese neuen Berufsfachschulen besuchen, helfen Sie kaum, da der Praxisanteil im Gegensatz zur dualen Ausbildung bei
nur circa 20 Prozent liegt. Die Berufsfachschulen, insbesondere die teilqualifizierenden, Frau Goetsch – insofern sind wir hier anderer Meinung als Sie –, können auch einen wesentlichen Beitrag zur Minderung der Effekte des gespaltenen Ausbildungsmarktes in Hamburg leisten, damit ihnen einerseits die gezielte Vorbereitung auf eine anschließende duale Ausbildung möglich ist und andererseits der Ausgleich vorhandener schulischer Defizite ermöglicht werden kann.
Insbesondere bieten diese Schulen Chancen für Hauptschüler – Sie hatten das erwähnt, und es ist richtig – sowie für ausländische Schülerinnen und Schüler, da diese in bestimmten Bereichen an den allgemeinbildenden Schulen noch eine zu geringe Bildungsbeteiligung aufweisen. Daher ergeben sich hier Chancen und Fördermöglichkeiten für benachteiligte Jugendliche in unserer Stadt.
Deshalb ist es in der Tat um so unverständlicher, Frau Senatorin, daß in diesem Zusammenhang der Senat keine Angaben über Art und Umfang der Sprachförderung gemacht hat, wie auch nicht zu den anderen Formen der individuellen Förderung. Gerade angesichts des relativ hohen Anteils ausländischer Jugendlicher von knapp 26 Prozent wäre die Beantwortung dieser Fragen für uns alle hilfreich gewesen. Auch der Senat mußte in dem Zusammenhang einräumen, daß unter anderem auch mangelnde Sprachkompetenz mehrfach zum Nichtbestehen des sogenannten Probehalbjahres geführt hat.
Frau Goetsch hat zu Recht erwähnt, Frau Senatorin Pape, daß in der Anfrage detaillierte Angaben zum Verbleib aller Jugendlichen, die das Probehalbjahr nicht erfolgreich bestanden haben, fehlen und daß ebenfalls keine Angaben zum Bereich des vorzeitigen Abbruchs in der Anfrage gemacht wurden.
Frau Senatorin, an dieser Stelle nenne ich einen Punkt, der außerhalb der Berufsfachschulen liegt. Wir hatten im letzten Schulausschuß generell zum Thema Verbleibanalyse und Abbruchquote, über das Problem der Evaluierung und die Frage gesprochen, wie wir bei Produktionsschulen, Berufsfachschulen und der Evaluierung des Erfolgs des Jugendsofortprogramms und anderer Dinge überhaupt mit den Jugendlichen umgehen wollen. Wir müssen dahin kommen, daß wir uns mittels Analysen insbesondere auch über den Verbleib entsprechende Gedanken machen. Dieses trifft deshalb auch auf die Berufsfachschulen genauso zu.
Abschließend läßt sich feststellen, daß eine ziellose Ausweitung des Angebots an Berufsfachschulen – wie bisher – fatal und am Markt vorbei wäre. Wir müssen dazu kommen, alle Potentiale im dualen Ausbildungssystem optimal auszuschöpfen, insbesondere dort, wo niedrigere Eingangsqualifikationen vorausgesetzt werden. Entsprechende Konzepte – auch von der CDU – liegen in Teilen auf dem Tisch. Wir müssen dazu kommen, diese Potentiale neben den Berufsfachschulen weiter auszuschöpfen, damit es uns generell gelingt, mit ihnen einen direkten Einstieg der Jugendlichen in das duale Ausbildungssystem zu ermöglichen. – Vielen Dank.
den Rednern für diese sehr sachliche, detaillierte und qualifizierte Debatte bedanken, die vielleicht ein bißchen wenig in die Ohren all derer dringen konnte, die hier sitzen. Das finde ich sehr bedauerlich, und ich würde mir deswegen wünschen, dieses Thema in einer weiteren Diskussion zu vertiefen. Wir haben über Teile dieser Fragen auch in der letzten Schulausschußsitzung schon diskutiert.
Die Berufsfachschule ist ein bedarfsgerechtes, maßgeschneidertes und ausgesprochen flexibles Bildungsangebot, und deswegen wird sie in dieser Stadt auch immer eine Zukunft haben. Das muß sie auch haben, denn sie macht in Teilen außerordentlich sinnvolle und auch notwendige Angebote – ich kann mich auf Stichworte beschränken, weil vieles hier schon ausgeführt worden ist. Sie erhöht die Durchlässigkeit des Schulsystems, indem sie Schülern mit Hauptschulabschlüssen weitergehende Schulabschlüsse ermöglicht, sie vermittelt berufliche Teilkompetenzen, die die Chancen eines Teils von Jugendlichen mit schwachen Schulabschlüssen durchaus verbessern und ihnen eine Chance bieten, doch einen Ausbildungsvertrag im dualen System abschließen zu können, und es ist zum Teil auch eine Pufferfunktion, wie es hier schon beschrieben worden ist. Gesamtgesellschaftlich gesehen ist es natürlich nicht erfreulich, daß wir eine solche Pufferfunktion brauchen, aber für den einzelnen und die einzelne ist es ein Vorteil, daß es diese Möglichkeit gibt, weil sich dadurch die individuellen Chancen verbessern können. Zum anderen bietet die Berufsfachschule voll qualifizierende Ausbildung in Bereichen, in denen noch niemals dual ausgebildet worden ist. Es ist überall dort sinnvoll, voll qualifizierende Bildungsgänge auszubauen, wo es Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Absolventinnen und Absolventen gibt.
Ich will noch auf eine weitere, aus meiner Sicht ausgesprochen vorteilhafte Funktion von Berufsfachschulen eingehen, und da stimme ich mit Herrn Drews so gar nicht überein. Berufsfachschulen können nämlich sehr wohl die Fehlentwicklung in einzelnen Sektoren des Ausbildungsmarkts kompensieren. Ich will Ihnen mal ein Beispiel nennen, das auch Herr Drews hier aufgegriffen hat, nämlich die Ausbildung in Medienberufen. Was stellen wir fest? Wir stellen fest, daß im dualen Bereich eine ganze Menge Plätze mit so hohen Voraussetzungen angeboten werden, daß sie für etliche Schülerinnen und Schüler nicht erreichbar sind.
Meine Damen und Herren! Ich möchte um ein bißchen mehr Aufmerksamkeit bitten und möchte das auch nicht so häufig tun müssen.
Man kann sich sehr wohl fragen, ob eigentlich dieses hohe Anforderungsniveau im Verhältnis zu dem steht, was tatsächlich nachher im Beruf gebraucht wird. Auf der anderen Seite haben wir ein großes Interesse von jungen Leuten an Ausbildung in diesem Bereich, und wir wissen auch, daß es für Jugendliche mit weit weniger hohen Qualifikationen durchaus möglich ist, nach Absolvieren dieser Bildungsgänge sehr gute Jobs zu bekommen. Insofern sind die voll qualifizierenden Bildungsgänge, die wir eingerichtet haben, erstens keine Konkurrenz, weil sie nämlich ein Ausbildungsange
bot für diesen Bereich für Jugendliche sind, die die dualen Ausbildungsplätze nicht bekommen könnten. Zweitens sind sie eine gute Möglichkeit für viele, in diesem Bereich einen sehr guten Übergang ins Berufsleben zu bekommen. Und drittens würden auch Sie, Herr Drews, feststellen, daß die Schnittmenge gering ist, wenn Sie einmal gucken würden, welche Qualifikationen in den dualen Ausbildungsgängen, die wir schon haben, und welche Art von Ausbildung und Kompetenzen in den von uns schulisch eingerichteten Ausbildungsgängen vermittelt werden. Insofern stimmt unsere Aussage: Dies ist ein zusätzliches Angebot, ein Nischenangebot, das dem dualen Bereich keine Konkurrenz macht.
Wenn sich das eines Tages ändern sollte, würde ich es außerordentlich begrüßen, wenn die Firmen für alle diese Jugendlichen solche Ausbildungsplätze im dualen Bereich zur Verfügung stellen würden.
Deswegen erfüllen Berufsfachschulen eine wichtige Qualifizierungsfunktion, müssen aber laufend überdacht und weiterentwickelt werden. Ich würde mich aber außerordentlich freuen, wenn es in den nächsten Jahren bei einem steigenden Angebot dualer Ausbildungsplätze gelingen würde, die Angebote im Berufsfachschulbereich auf die Größenordnung zurückzuführen, die sinnvoll und notwendig ist. Aber bis es so weit ist, ist das Berufsfachschulangebot auch ein Angebot an alle Jugendlichen in dieser Stadt, die keinen dualen Ausbildungsplatz bekommen. Wir lassen niemanden im Regen stehen, wir bieten allen jungen Leuten in dieser Stadt eine berufliche Qualifikation, um ihnen einen Einstieg ins Berufsleben und damit eine Lebensperspektive zu bieten. – Vielen Dank.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf, Drucksache 16/6003: Große Anfrage der SPD-Fraktion zum Naturschutzgebiet Höltigbaum.
Wird hierzu eine Besprechung beantragt? – Das ist der Fall. – Wird dies unterstützt? Das ist auch der Fall. Dann wird die Besprechung für die nächste Sitzung vorgesehen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13, Drucksache 16/5953, sowie 15 bis 22, Drucksachen 16/6011 bis 16/6018, auf: Große Anfragen der CDU-Fraktion zu verschiedenen Themen.
[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Norddeutsche Zusammenarbeit und Informationspolitik des Senats – Drucksache 16/5953 –]
[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Gemeinsame Zukunft der städtischen Wohnungsunternehmen SAGA und GWG – Drucksache 16/6011 –]