Protocol of the Session on July 11, 2001

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In der Tat, das sind komplizierte Fragen, um die es da geht. Diese Polizisten werden nicht zu Unrecht zwei, teilweise drei Jahre ausgebildet, weil sie solch einen schwierigen Stoff beherrschen müssen.

(Dr. Holger Christier SPD: Ihre Polizisten kommen voll ausgebildet aus dem Kreißsaal!)

BGS-Beamte können nicht von heute auf morgen den Dienst in Hamburg aufnehmen. Sie müßten mindestens ein halbes Jahr umgeschult werden auf die Situation. Wenn man das nicht tun sollte – wir werden das sicherlich noch hören –, dann ist das völlig unverantwortlich.

Im übrigen kommt es auch darauf an, daß man entsprechende Kapazitäten bei der Staatsanwaltschaft schafft, denn wir haben gelernt, daß das Verabreichen von Brechmitteln erst nach staatsanwaltschaftlicher Anordnung erfolgen dürfen soll. Aber, meine Damen und Herren, Staatsanwälte arbeiten üblicherweise montags bis freitags von 8 Uhr bis 17 Uhr. Die meiste Zeit des Tages ist eben die andere Zeit, und dann gibt es auch noch das Wochenende. Es muß also gelingen, daß auch Staatsanwälte für diesen Bereitschaftsdienst zur Verfügung stehen. Dies ist noch nicht geregelt.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Die müssen erst noch ausgebildet werden!)

(Heino Vahldieck CDU)

Insofern ist das Ganze unausgegoren, es ist ein Wahlkampfbluff, es ist viel heiße Luft, es ist Wahlkampfgetöse, es wird – wie ich schon einmal an dieser Stelle gesagt habe – die sicherheitspolitische Windmaschine angeworfen, sie bläst zwar erheblich, aber es kommt nur ein ganz laues Lüftlein raus.

(Doris Mandel SPD: Wir lassen nun die Luft aus Ihrem Ballon! Das ärgert Sie gewaltig!)

Wir halten das für unglaubwürdig. Wir sind der Auffassung, daß dies eine Sache ist, die spätestens am 23. September gegen 18 Uhr abgeblasen wird, und dann wird es so weitergehen wie immer. Das hat sozialdemokratische Tradition, und darauf verlassen wir uns. Wir hoffen, daß die Bürger das auch noch erinnern werden, daß kein Verlaß auf die Last-minute-Aktivitäten ist, die bei der SPD Tradition haben. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Mahr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Vahldieck, eines möchte ich vorab klarstellen: Eindimensionale Konzepte, wie sie die CDU heute mit ihrem Antrag vorgelegt hat und die allein auf Repression abzielen, lehnt die GAL-Fraktion ab.

Die Reaktion der CDU auf das vorgelegte Handlungskonzept ist denn auch mehr als durchsichtig. Ole von Beust, der größte Opportunist in diesem Parlament,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das sind Sie!)

wirft der rotgrünen...

(Glocke)

Moment, Herr Abgeordneter, wenn ich klingele, bitte ich Sie, Ihre Rede zu unterbrechen. Ich erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf.

Herr von Beust wirft der rotgrünen Koalition Opportunismus vor

(Beifall bei der CDU)

und beklagt, meine Damen und Herren, daß das Konzept mit heißer Nadel gestrickt sei. Wie wenig glaubwürdig das ist, das zeigt der heute eingebrachte phantasielose, repressionsfixierte CDU-Antrag. Da hat die Nadel ja wohl richtig geglüht.

Der Abgeordnete Wersich beklagt mit Krokodilstränen, daß das Handlungskonzept erforderliche Jugendhilfemaßnahmen für jugendliche deutsche Straftäter nicht berücksichtige. Das ist, Herr Wersich, so richtig wie falsch. Richtig ist, daß diese Fragestellung nicht unmittelbar mit dem Handlungskonzept vorgestellt worden ist. Falsch ist, daß der Senat hierzu nichts zu sagen hat. Gerade erst gestern hat der Senat ausführlich sein Konzept zur Bekämpfung der Jugendkriminalität im Zusammenhang dargestellt, das genau diese Fragen beantwortet. Ich mache auch kein Hehl daraus, daß ich heute mit ambivalenten Gefühlen zum Thema spreche, und das hat seine Gründe.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ja!)

Einerseits freue ich mich, daß es uns endlich gelungen ist, lange eingeforderte Projekte im Bereich der Drogenhilfe

maßnahmen verläßlich eingeleitet zu wissen. Projekte, die bisher leider am Umsetzungswillen des Koalitionspartners und der großen Koalition im Bezirk Mitte gescheitert waren. Es liegt mir fern, das jetzt Erreichte als Ei des Kolumbus abzufeiern

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das wäre ja noch besser!)

oder gar als Lösung des Problems, aber es ist ein deutlicher Schritt gemacht worden, wo es künftig in der Drogenpolitik hingehen muß, und das nicht erst nach der Wahl.

Die GAL-Fraktion hat für die entsprechenden Projekte auf dem Prinzip der Gleichzeitigkeit bestanden. Dies wird zum Beispiel deutlich am Beispiel des zweiten Gesundheitsraumes. Bis zur endgültigen Einrichtung und bestimmungsmäßigen Übergabe des Raumes wird eine mobile Einrichtung südlich der Adenauerallee betrieben werden. Zwei niedrigschwellige Einrichtungen für Alkoholabhängige in der Böckmannstraße und im Hamburger Westen werden hoffentlich ebenso zur Entspannung der Situation beitragen wie die sozialtherapeutische Arbeit mit Crackkonsumenten und der notwendige Ruheraum für diese Süchtigen.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ein absolutes Rum- geeiere!)

Wie unsere Fraktionsanhörung deutlich gemacht hat, kennen Crackabhängige weder Tag noch Nacht. Für sie endet der Tag dann, wenn das Geld ausgegangen ist und sie vor Erschöpfung nicht mehr können, mitunter nach 72 Stunden.

Auch die vorgesehenen Jugendhilfemaßnahmen werden von der GAL-Fraktion ausdrücklich begrüßt. Insbesondere die neue Vormundschaftsregelung bei über sechzehnjährigen Flüchtlingen stellt aus unserer Sicht einen wirklichen Durchbruch dar und lindert die Ungerechtigkeiten des Ausländerrechts.

Die GAL-Fraktion hält es grundsätzlich für richtig, daß drogenpolitische Maßnahmen auch einen repressiven Teil haben müssen. Niemand von uns bestreitet, daß sich Menschen durch Drogenhandel und Drogenkonsum in der Öffentlichkeit verunsichert und in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlen. Aber nicht jedes Mittel ist nach unserer Ansicht angemessen und geeignet.

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke: Dann sag doch mal, was geeignet ist!)

Damit, Frau Uhl, komme ich zur anderen Seite der Medaille.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Na endlich!)

Innensenator Herr Scholz hat den Ball der Opposition und der Boulevardpresse aufgegriffen und unter anderem angekündigt, die symbolträchtige Brechmittelvergabe als angeblich notwendige Maßnahme bei der Bekämpfung des Betäubungsmittelmißbrauchs anwenden zu lassen. Hier bestand bisher Einigkeit in der Koalition, daß die vorhandenen Möglichkeiten zur Strafverfolgung ausreichten. Ich kenne keine Zahlen, die das widerlegen. Die GAL-Fraktion bezweifelt, daß der Einsatz von Brechmitteln geeignet ist, das angestrebte Ziel für dieses Mittel in angemessener Weise zu erreichen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Dann macht es doch nicht!)

(Heino Vahldieck CDU)

A C

B D

Niemand von der GAL hat sich für dieses Mittel stark gemacht.

(Karen Koop CDU: Aber zugestimmt haben Sie alle!)

Wir haben aber auch keinen Weg gefunden, es letztlich zu verhindern, ohne die Hilfemaßnahmen zu gefährden. Ich darf daran erinnern, daß Hamburg seine eigenen Erfahrungen mit der Brechmittelvergabe hinter sich hat. Nach dem PUA „Hamburger Polizei“ war sich die Mehrheit dieses Hauses eigentlich darüber einig, daß Brechmittelvergabe unzulässig sei.

(Elke Thomas CDU: Na bitte!)

Diese Meinungsbildung stützte sich auf die Stellungnahme der Gerichtsmedizin, der Staatsanwaltschaft

(Heino Vahldieck CDU: Es gibt neue Erkenntnisse!)

und auf die Protokolle des Untersuchungsausschusses über die polizeiliche Praxis am PR 11. Im selben Jahr 1996 entschied zudem das OLG in Frankfurt, daß die gewaltsame Brechmittelvergabe zur Beweismittelsicherstellung weder auf Paragraph 81a Strafprozeßordnung gegründet werden könne noch mit der Menschenwürde zu vereinbaren sei. Mittlerweile hat es mehrere OLG-Urteile gegeben, die gegenteilig entschieden haben. Das OLG Düsseldorf sah nicht die Bedenken des OLG Frankfurt. Seine Entscheidung wurde vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten, kam aber nicht zur Entscheidung. Gleichwohl ließen die Richter in der Begründung durchblicken, daß die Maßnahme im Hinblick auf die Menschenwürde und den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit – wie es dort etwas kryptisch formuliert ist – grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begegnet.