Manfred Mahr

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Vahldieck, eines möchte ich vorab klarstellen: Eindimensionale Konzepte, wie sie die CDU heute mit ihrem Antrag vorgelegt hat und die allein auf Repression abzielen, lehnt die GAL-Fraktion ab.
Die Reaktion der CDU auf das vorgelegte Handlungskonzept ist denn auch mehr als durchsichtig. Ole von Beust, der größte Opportunist in diesem Parlament,
wirft der rotgrünen...
Herr von Beust wirft der rotgrünen Koalition Opportunismus vor
und beklagt, meine Damen und Herren, daß das Konzept mit heißer Nadel gestrickt sei. Wie wenig glaubwürdig das ist, das zeigt der heute eingebrachte phantasielose, repressionsfixierte CDU-Antrag. Da hat die Nadel ja wohl richtig geglüht.
Der Abgeordnete Wersich beklagt mit Krokodilstränen, daß das Handlungskonzept erforderliche Jugendhilfemaßnahmen für jugendliche deutsche Straftäter nicht berücksichtige. Das ist, Herr Wersich, so richtig wie falsch. Richtig ist, daß diese Fragestellung nicht unmittelbar mit dem Handlungskonzept vorgestellt worden ist. Falsch ist, daß der Senat hierzu nichts zu sagen hat. Gerade erst gestern hat der Senat ausführlich sein Konzept zur Bekämpfung der Jugendkriminalität im Zusammenhang dargestellt, das genau diese Fragen beantwortet. Ich mache auch kein Hehl daraus, daß ich heute mit ambivalenten Gefühlen zum Thema spreche, und das hat seine Gründe.
Einerseits freue ich mich, daß es uns endlich gelungen ist, lange eingeforderte Projekte im Bereich der Drogenhilfe
maßnahmen verläßlich eingeleitet zu wissen. Projekte, die bisher leider am Umsetzungswillen des Koalitionspartners und der großen Koalition im Bezirk Mitte gescheitert waren. Es liegt mir fern, das jetzt Erreichte als Ei des Kolumbus abzufeiern
oder gar als Lösung des Problems, aber es ist ein deutlicher Schritt gemacht worden, wo es künftig in der Drogenpolitik hingehen muß, und das nicht erst nach der Wahl.
Die GAL-Fraktion hat für die entsprechenden Projekte auf dem Prinzip der Gleichzeitigkeit bestanden. Dies wird zum Beispiel deutlich am Beispiel des zweiten Gesundheitsraumes. Bis zur endgültigen Einrichtung und bestimmungsmäßigen Übergabe des Raumes wird eine mobile Einrichtung südlich der Adenauerallee betrieben werden. Zwei niedrigschwellige Einrichtungen für Alkoholabhängige in der Böckmannstraße und im Hamburger Westen werden hoffentlich ebenso zur Entspannung der Situation beitragen wie die sozialtherapeutische Arbeit mit Crackkonsumenten und der notwendige Ruheraum für diese Süchtigen.
Wie unsere Fraktionsanhörung deutlich gemacht hat, kennen Crackabhängige weder Tag noch Nacht. Für sie endet der Tag dann, wenn das Geld ausgegangen ist und sie vor Erschöpfung nicht mehr können, mitunter nach 72 Stunden.
Auch die vorgesehenen Jugendhilfemaßnahmen werden von der GAL-Fraktion ausdrücklich begrüßt. Insbesondere die neue Vormundschaftsregelung bei über sechzehnjährigen Flüchtlingen stellt aus unserer Sicht einen wirklichen Durchbruch dar und lindert die Ungerechtigkeiten des Ausländerrechts.
Die GAL-Fraktion hält es grundsätzlich für richtig, daß drogenpolitische Maßnahmen auch einen repressiven Teil haben müssen. Niemand von uns bestreitet, daß sich Menschen durch Drogenhandel und Drogenkonsum in der Öffentlichkeit verunsichert und in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlen. Aber nicht jedes Mittel ist nach unserer Ansicht angemessen und geeignet.
Damit, Frau Uhl, komme ich zur anderen Seite der Medaille.
Innensenator Herr Scholz hat den Ball der Opposition und der Boulevardpresse aufgegriffen und unter anderem angekündigt, die symbolträchtige Brechmittelvergabe als angeblich notwendige Maßnahme bei der Bekämpfung des Betäubungsmittelmißbrauchs anwenden zu lassen. Hier bestand bisher Einigkeit in der Koalition, daß die vorhandenen Möglichkeiten zur Strafverfolgung ausreichten. Ich kenne keine Zahlen, die das widerlegen. Die GAL-Fraktion bezweifelt, daß der Einsatz von Brechmitteln geeignet ist, das angestrebte Ziel für dieses Mittel in angemessener Weise zu erreichen.
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Niemand von der GAL hat sich für dieses Mittel stark gemacht.
Wir haben aber auch keinen Weg gefunden, es letztlich zu verhindern, ohne die Hilfemaßnahmen zu gefährden. Ich darf daran erinnern, daß Hamburg seine eigenen Erfahrungen mit der Brechmittelvergabe hinter sich hat. Nach dem PUA „Hamburger Polizei“ war sich die Mehrheit dieses Hauses eigentlich darüber einig, daß Brechmittelvergabe unzulässig sei.
Diese Meinungsbildung stützte sich auf die Stellungnahme der Gerichtsmedizin, der Staatsanwaltschaft
und auf die Protokolle des Untersuchungsausschusses über die polizeiliche Praxis am PR 11. Im selben Jahr 1996 entschied zudem das OLG in Frankfurt, daß die gewaltsame Brechmittelvergabe zur Beweismittelsicherstellung weder auf Paragraph 81a Strafprozeßordnung gegründet werden könne noch mit der Menschenwürde zu vereinbaren sei. Mittlerweile hat es mehrere OLG-Urteile gegeben, die gegenteilig entschieden haben. Das OLG Düsseldorf sah nicht die Bedenken des OLG Frankfurt. Seine Entscheidung wurde vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten, kam aber nicht zur Entscheidung. Gleichwohl ließen die Richter in der Begründung durchblicken, daß die Maßnahme im Hinblick auf die Menschenwürde und den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit – wie es dort etwas kryptisch formuliert ist – grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begegnet.
Die folgenden Gerichtsentscheide des OLG Bremen und des Kammergerichts Berlin griffen diesen Hinweis auf und entschieden entsprechend gegen die Kläger. Das Verfassungsgericht hat es aber offengelassen, wie es in der Sache selbst entschieden hätte. Soweit zur Rechtslage.
Alles in allem kann gesagt werden, daß die überwiegende Anzahl der Urteile die Anwendung der Brechmittel auch unter Gewaltanwendung nicht als rechtswidrig ansehen. Gleichwohl, meine Damen und Herren, gilt auch hier, daß nicht alles gemacht werden muß, was rechtlich möglich wäre. Der Innensenator hat sich anders entschieden. Ich darf aber in diesem Zusammenhang ausdrücklich folgendes festhalten:
Der beantragende Polizeibeamte, der anordnende Staatsanwalt und der durchführende Arzt haben jeder für sich und seinen Bereich die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu prüfen. Diese Prüfung im Einzelfall kann ihnen auch kein Innensenator und keine CDU-Fraktion abnehmen.
Die Durchführung der Brechmittelvergabe darf nur nach den Regeln der ärztlichen Kunst und nur dann erfolgen, wenn keine Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen zu befürchten sind; so der Gesetzestext.
Wie wichtig diese Hinweise sind, zeigen Zahlen, wie sie zur Zeit aus Bremen und Berlin kolportiert werden. Sie zeigen,
daß die von uns durchgesetzte Evaluierung tatsächlich unverzichtbar ist. Wenn in Berlin angeblich 40 Prozent und in Bremen sogar 50 Prozent des Brechmitteleinsatzes keine Beweismittel zutage gefördert haben,
dann wäre nach meinem Dafürhalten in diesen Fällen leichtfertig eine die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit beeinträchtigende Maßnahme angeordnet worden, und das, meine Damen und Herren, wäre nicht hinnehmbar.
Sollten in Hamburg, Herr Wersich, am Ende der Untersuchung ähnliche Ergebnisse festgestellt werden, wäre aus meiner Sicht ein Festhalten an diesem Mittel – unabhängig davon, wie wir persönlich dazu stehen – unverantwortlich und politisch nicht durchzuhalten.
Reden Sie doch keinen Unsinn, Frau Sudmann.
Auch die anderen repressiven Maßnahmen gehen zum Teil an die Grenze des Verträglichen.
Wir haben uns letztlich darauf eingelassen, weil sie – wie die Videoüberwachung, das verschärfte Vorgehen gegen Konsumenten und die geplante Sondernutzungsvergabe – ausdrücklich auf den Hauptbahnhof beschränkt bleiben sollen und uns signalisiert wurde, daß es die von uns durchgesetzten Hilfemaßnahmen nur im Paket geben würde.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Mit dem neuen Drogenkonzept erfolgt nicht der ganz große Wurf.
Wir sind auch nicht mit allem glücklich.
Aber es werden wichtige Weichen in die richtige Richtung gestellt.
Ungelöst, Frau Blumenthal, bleibt die Frage, wo die Abhängigen ihren Stoff herkriegen sollen. Die kontrollierte Abgabe von Heroin bleibt deshalb auf der Tagesordnung und muß endlich einer Lösung zugeführt werden. Damit würde zumindest einem Teil der Szene der Beschaffungsdruck genommen, und sie müßten ihren Stoff nicht mehr illegal auf der Straße erwerben und konsumieren. Gut wäre es auch, wenn Senator Scholz noch einige Worte darüber verlieren würde, wie er ein Vertreiben der Szene in andere Stadtteile verhindern will.
Sollten sich entsprechende Entwicklungen, zum Beispiel erneut im Schanzenviertel, abzeichnen,
wäre eine schnelle Reaktion unabdingbar. Die GAL wird eine Verlagerung der Szene in andere Quartiere nicht hinnehmen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Antrag der CDU: Wenn es etwas zu begrüßen gibt, dann nur eines: Hoffentlich werden wir bald wieder zur Sachpolitik zurückkehren.
Meine Fraktion und ich haben Verständnis für den Rücktritt von Senator Wrocklage. Ausschlaggebend für diesen Schritt waren mit Sicherheit nicht die Substanzlosigkeit, die öffentlich erhobenen Vorwürfe, die sich die Opposition zu eigen gemacht hat.
Das Ziel vor Augen, der erste gewesen sein zu wollen, den Senator zur Strecke gebracht zu haben, dürfte das Motiv so mancher gewesen sein, die in den letzten Wochen in merkwürdiger Allianz gegen unseren Innensenator agitiert haben.
Ich bin nicht der Meinung, daß wir uns im politischen Tagesgeschäft mit Samthandschuhen anfassen sollten. Aber es gibt wirklich Grenzen des guten Geschmacks.
Einige Beispiele: Wenn die CDU und manche Medien auf anonyme Quellen zurückgreifen, um den Senator mit Vorwürfen zu überziehen – die dieser dann natürlich nicht entkräften kann, weil er kein Gegenüber hat –, sich ein Kom
mentator dazu hinreißen läßt, Polizeiführer für ihren angeblichen Mut zu loben, weil sie ihren Senator anonym mit Schmähkritik überziehen – ich frage Sie und mich, was das eigentlich mit Mut zu tun hat –,
dann stimmt etwas nicht mit der politischen Kultur in dieser Stadt.
Wenn in einem weiteren Bericht triumphierend berichtet wird, bei einem Managementseminar der Polizeiführung hätten Teilnehmer in einer Selbsteinschätzung festgestellt, sie würden zu blindem Aktionismus auf politischen Druck hin neigen, über wen sagt das eigentlich etwas aus? Über den Senator? Oder über diese Führungskräfte?
Ich möchte in diesem Zusammenhang anmerken, daß es gerade der Innensenator war, der sich vehement für neue Führungsinstrumente stark gemacht hat, zu denen auch solche Managementseminare gehören, die zur Selbstkritik einladen sollten.
Das „Hamburger Abendblatt“ zitiert zu Recht auch das Ziel solcher Seminare. Es sollen nämlich relevante Gewohnheiten in der Polizei bezeichnet und Änderungsbedarf ermittelt werden. Recht so, kann ich da nur sagen! Dies wird aber kaum durch Intrigen und Indiskretionen gelingen. Derlei Machenschaften bestätigen nur die vom „Hamburger Abendblatt“ wiederum zitierten Defizite bei der Zivilcourage, Offenheit und Ehrlichkeit.
Die GAL steht wirklich nicht im Verdacht, die Politik des Innensenators kritiklos hingenommen zu haben.
Insbesondere in der Ausländerpolitik haben wir uns immer wieder heftig gestritten und mühsam Kompromisse geschlossen. Aber Herr Wrocklage steht auch für eingeleitete Reformen in der Polizei,
die die GAL-Fraktion nicht nur mitgetragen, sondern ausdrücklich unterstützt hat. Dieser Prozeß ist noch nicht abgeschlossen.
Es muß auch weiterhin gelten, daß der Weg zu einer weiteren Modernisierung, gesellschaftlichen Öffnung und Dialogbereitschaft der Polizei unverzichtbar ist. Hier erwarten auch wir vom neuen Innensenator Impulse und deutliche Akzente.
Reden Sie doch nicht solchen Unsinn!
Damit möchte ich die Vergangenheitsbewältigung vorerst beenden, ich kann aber bei Bedarf gerne nachlegen. Ich möchte zur Gegenwart kommen.
Herr von Beust kritisiert – nachdem er von den Medien aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wurde – den Ersten Bürgermeister wegen angeblich mangelnder Durchsetzungskraft und daß er Probleme mit der Inneren Sicherheit habe. Gleichzeitig verkündet er, daß er weiterhin seinen Sicherheitsberater Kusch in die öffentliche Debatte schikken will, der schon mehrfach seine mangelnde Sachkenntnis öffentlich unter Beweis gestellt hat.
Er – von Beust – sei schließlich Bürgermeisterkandidat und nicht der oberste Sheriff der Stadt. Dafür würden die Bürgerinnen und Bürger Verständnis haben. Sie werden es nicht, Herr von Beust, das kann ich Ihnen versprechen. Sie haben mit dieser Äußerung unter Beweis gestellt
das tut weh, das weiß ich –, daß Ihnen persönlich – nicht Ihrer Fraktion – das Thema Innere Sicherheit in Wahrheit eher lästig und peinlich ist. Der Vorwurf, die rotgrüne Koalition vernachlässige das Thema Innere Sicherheit, fällt auf Sie persönlich zurück.
(Beifall bei der GAL und der SPD Zu Ihren von mangelnder Sachkenntnis getrübten Hinwei- sen auf die Enquete-Kommission kann ich nur fragen: Wa- ren Sie bei den Haushaltsberatungen oder bei den letzten Beratungen zu den Anträgen zur Jugendkriminalität nicht dabei? (Ole von Beust CDU: Was haben Sie denn daraus gemacht?)
Sie begreifen gar nichts, das ist doch der Punkt.
Wir haben entscheidende Veränderungen in der Jugendpolitik herbeigeführt, damit dort endlich etwas passiert.
Die rotgrüne Koalition kann eine erfolgreiche Bilanz der Innenpolitik aufweisen.
Die Logistik der Hamburger Polizei ist die modernste in Deutschland, wenn nicht in Europa. Allerdings setzen wir nicht auf einfache Lösungen, Herr von Beust,
sondern auf differenzierte Antworten, die sicher schwieriger öffentlich zu vermitteln sind. Es ist aber gleichwohl der richtige Weg.
Es gibt Erfolge im repressiven Bereich. Stellvertretend möchte ich das Anti-Raub-Konzept, die Erfolge im Bereich der Modellprostitution und der organisierten Kriminalität mit der konsequenten Gewinnabschöpfung illegaler Profite nennen.
Aber auch im Bereich der Prävention kann sich Rotgrün mit seinen Aufklärungs- und Informationskampagnen durchaus sehen lassen. Das Tabu, über Gewalt an den Schulen zu reden, wurde gebrochen, zahlreiche Initiativen zur zivilen Konfliktlösung in den Stadtteilen und Schulen sprechen eine eigene Sprache. Das ist viel mehr als große Sprüche eines Möchtegern-Bürgermeisters, der noch bei der letzten innenpolitischen Debatte die Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft heruntergespielt hat.
Die GAL steht jedenfalls nicht dafür, die Öffentlichkeit mit Sprechblasen für dumm zu verkaufen.
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Mit Olaf Scholz hat ein Mann mit politischer Führungsstärke das schwere Amt des Innensenators übernommen, der sicher einen völlig anderen Arbeitsstil an den Tag legen wird als seine Vorgänger.
Wir dürfen gespannt sein.
Olaf Scholz hat in mehreren Interviews deutlich gemacht, daß er
Vertrauen in die Polizei habe. Ich hoffe, die Hamburger Polizei weiß diesen Vertrauensvorschuß zu schätzen.
Herr Scholz wird sicherlich noch seine eigenen Erfahrungen machen. Wir haben heute bereits wieder anonyme Hinweise in den Zeitungen nachlesen können.
Es sollte aber auch klar sein, daß der Innensenator nicht der verlängerte Arm der polizeilichen Berufsvertretungen ist. Es darf kein Zweifel daran aufkommen, daß selbstverständlich auch weiterhin der Primat der Politik gilt.
Die GAL-Fraktion wird Innensenator Olaf Scholz bei den weiteren notwendigen Reformschritten innerhalb der Polizei, aber auch auf den anderen Feldern der Innenpolitik konstruktiv und kritisch begleiten und unterstützen. Er hat die Stimmen der gesamten Fraktion erhalten.
Den Antrag der CDU-Fraktion werden wir selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU zieht tatsächlich alle Register, um die Bevölkerung für dumm zu verkaufen.
Wider besseren Wissens wird die Kriminalstatistik dazu mißbraucht,
ein Bedrohungsszenario zu entwerfen, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Natürlich gibt es Kriminalität in dieser Stadt, wer wollte das bezweifeln. Die wird es aber unter jeder Regierungsfarbe geben, sei sie nun schwarz oder rotgrün.
Wie beliebig aber die Fakten sind, die für die CDU ausreichen, um Alarm zu schreien oder zu bagatellisieren, mag man an den Äußerungen von Herrn Vahldieck ablesen. Am
24. Mai 2000 prangerte er die mörderische Gewalt an, die der Besucher einer Diskothek durch das Zünden einer Handgranate ausgelöst hatte. Dem Senat wurde Tatenlosigkeit und Hilflosigkeit vorgeworfen. Mord und Totschlag, so versuchte die CDU zu suggerieren, beherrschten den Hamburger Alltag.
Wenn der Senat jetzt feststellt, daß in Hamburg seit 14 Jahren die niedrigste Zahl von Mord und Totschlagsfällen registriert wurden, macht Herr Vahldieck geltend, daß diese Zahlen für die Bürgerinnen und Bürger nicht entscheidend seien, sondern die Alltagskriminalität. Was gilt denn nun?
Die CDU hat in der Vergangenheit ausdrücklich und wiederholt das Raubkonzept der Innenbehörde begrüßt. Jetzt beklagt sie die gestiegenen Raubzahlen. Ist das Konzept jetzt doch nicht richtig? Oder, wenn es richtig ist, haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, Schwierigkeiten mit der Wahrheit?
Auch wenn Sie und manche Medienvertreter es gern als Schönreden bezeichnen, hat die offensive Politik von Rotgrün zur Aufklärung der Öffentlichkeit und Enttabuisierung der Gewaltdelikte unter Jugendlichen mit Sicherheit dazu beigetragen, daß mehr Delikte ins Hellfeld geraten sind. Das gleiche gilt für die Delikte in häuslichen Bereichen. Und das ist gut so. Daraus läßt sich aber sicherlich nicht der von Ihnen gefolgerte Schluß ziehen, die Gewalt steige, weil wir weniger Polizisten haben. Das ist blanker Unsinn, meine Damen und Herren, und Sie wissen es.
Ich will gern konzedieren, daß die Belastung der Beamten zugenommen hat – das kann ich selbst bezeugen –, aber Hamburg hat noch immer die dritthöchste Polizeidichte in der gesamten Republik. Wer Hamburg im Bereich der öffentlichen Sicherheit Tatenlosigkeit vorwirft, ist blind oder böswillig. Das Programm „Polizeikommissariate“ – ein Millionenprogramm – wurde weiter vorangetrieben,
und die Hamburger Polizei ist die am modernsten ausgestattete Polizei der Republik. Im Bereich der Schwerstkriminalität kann die Polizei durchaus gute Erfolge vorweisen.
Ferner leistet sich Hamburg mit der Kriminologischen Forschungsstelle beim Landeskriminalamt eine Einrichtung, die mit Regionalanalysen auf seriöser Grundlage belastbare Zahlen liefert und damit verhindert, daß die Polizei aus der Bauchlage heraus arbeitet.
So hat die im letzten Jahr nach Vorläufern aus den Jahren 1990 und 1995 festgestellte dritte regionale Analyse in Altona ergeben, daß die subjektive Sicherheit in Altona deutlich gestiegen ist. Der Anteil derjenigen Personen, der angab, sich im Wohnviertel nicht sicher zu fühlen, lag sogar noch unter dem des Jahres 1990. Daran wird auch Ihre Stimmungs- und Panikmache nichts ändern.
Was hätte die CDU wohl gemacht, wenn Frankfurt oder Berlin nach Ihrer Rechnung Spitzenreiter der Kriminalstatistik geworden wäre? Sie hätten sicherlich den Senat gelobt, ob seiner hervorragenden Kriminalpolitik. Oder etwa nicht?
Meine Damen und Herren, daran wird doch deutlich, daß Sie sich die Zahlen so zurechtbiegen, wie es Ihnen gerade paßt. Ich habe von jeher die Auffassung vertreten – damit
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wir uns nicht mißverstehen, das mache ich auch heute noch –, daß die Kriminalstatistik so oder so einen Eindruck vermittelt, wie sich Kriminalität und die Anzeigebereitschaft in der Gesellschaft entwickeln. Sie ist ein Arbeitsnachweis der Polizei, mehr aber auch nicht, alles andere wäre Kaffeesatzleserei. Daß man aus der Analyse der Kriminalstatistik auch Schwerpunkte bilden kann, ist selbstverständlich, und das findet auch statt.
Des weiteren möchte ich noch etwas zur Stellensituation sagen. In einigen Dienststellen ist die Lage tatsächlich angespannt, aber zur Haushaltskonsolidierung gibt es keine Alternative. Wenn jetzt von der CDU und den Gewerkschaften gemeutert wird, daß weitere Stelleneinsparungen geplant seien und damit die Öffentlichkeit getäuscht wurde, ist das absoluter Nonsens. Die Polizeigewerkschaften sind sehr wohl darüber informiert, daß beispielsweise in den Jahren 2002 bis 2006 139 Stellen zur Finanzierung der Hebungsprogramme eingespart werden sollen. Aber da hält man sich lieber zurück, denn es geht ja um den eigenen Vorteil. Das Ganze steht bekanntlich unter dem Vorbehalt, daß die Bürgerschaft zustimmt.
Wenn Sie das wollen, tun Sie das. Sagen Sie es so deutlich auch den Polizeigewerkschaften, dann können wir neu beraten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Beust, etwas hat mich doch nachdenklich gemacht.
Daß Sie in Frage stellen, daß man die Kriminalität im häuslichen Bereich hier erwähnt...
Doch, das haben Sie, Sie haben die häusliche Gewalt mit anderer Kriminalität verglichen.
Herr von Beust, die Schicksale hinter den vier Wänden in dieser Stadt sind schlimmer als in vielen anderen Bereichen.
Haben Sie die verprügelten, die mißhandelten Frauen gesehen, die allein gelassen werden, weil die Polizei ihnen auch nicht helfen kann? Die Frauen in dieser Stadt werden es Ihnen ob dieser Bemerkung danken.
Das wird Ihnen noch vor die Füße fallen, da können Sie ganz sicher sein.
Herr Salchow, Sie haben gesagt, wir würden nichts für die Opfer tun. Es fängt doch bei den Frauen an. Da muß etwas getan werden, damit die überhaupt erst einmal in ihrer Situation gestärkt werden, und Sie bagatellisieren und verharmlosen Familiengewalt. Das finde ich ein starkes Stück.
Sie haben gesagt, wir sollten uns erst einmal damit auseinandersetzen, was Menschen bei Gewalt empfinden. Was soll diese blöde Polemik?
Die Frauen zum Beispiel sind Opfer, und damit setzen wir uns auseinander. Durch die eingeleiteten Maßnahmen aufgrund der Enquete-Kommission setzen wir uns mit den Opfern von Jugendgewalt auseinander, und Sie reden davon, wir würden nichts für die Opfer tun. Das ist blanker Populismus und einfach dummbatzig; anders kann man das nicht mehr sagen.
Ein letzter Satz: Für uns sind nicht die Zahlen in einer Statistik entscheidend,
die Menschen sind das Entscheidende. Entscheidend ist, wie wir den Menschen in dieser Stadt helfen können, und nicht, was wir mit der Kriminalstatistik anfangen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der CDU liefert uns interessante Zahlen und Auskünfte. Doch lassen Sie mich vorab eine Bemerkung machen. Die CDU fragt: „Was ist los im Hamburger Strafvollzug?“, beginnt aber mit Fragen zur Zivilhaft in Glasmoor, denn Abschiebehaftabteilung in Glasmoor ist mitnichten praktizierter Strafvollzug. Das sollten Sie eigentlich wissen. Dort sitzt niemand ein, weil er eine Strafe verbüßt, sondern nur, weil er sich illegal in Deutschland aufgehalten hat. Daß der Status der Gefangenen nicht unwichtig ist, liegt, denke ich, auf der Hand. So sind für Zivilhaft andere Sicherheitsmaßstäbe anzulegen als für die Strafhaft.
Aber kommen wir zu den Zahlen. Ich komme zu leichten Abweichungen zu dem, was Herr Kretschmann gesagt hat, aber von der Aussage her treffen wir uns im Prinzip.
In vier Jahren wurde insgesamt 147 000 Gefangenen 131mal Urlaub, Ausgang und Freigang gewährt. Frau Spethmann sprach es an, 139mal erfolgte ein Mißbrauch, indem Gefangene nicht oder verspätet zurückkehrten. Das entspricht nach meiner Rechnung einer Quote von 0,6 Prozent. Beziehen wir diese Zahl nicht auf die Maßnahmen, sondern auf alle Gefangenen, denen Lockerung gewährt wurde – das sind 13 253 –, ergibt sich eine Versagerquote von 7 Prozent. Das macht – anders ausgedrückt – eine Zahl von 93 Prozent aller Gefangenen, denen Lockerungen gewährt worden sind und die ohne Beanstandungen zurückgekehrt sind.
Ich gehe davon aus, daß auch die CDU der Auffassung ist – auch nach dieser Rede noch, weil wir auch schon andere
Reden von Frau Spethmann gehört haben –, daß Lockerungen im Hinblick auf die Resozialisierung der Gefangenen unverzichtbar sind.
Das vorgelegte Zahlenmaterial zeigt, daß Hamburg die Lockerungsvoraussetzung sorgfältig prüft. Gleichwohl wünschte ich mir in manchen Fällen – und da sind wir sicher gegensätzlicher Meinung, Frau Spethmann – noch mehr Großzügigkeit, um den Erfolg der Vorbereitung für das Leben in Freiheit nach der Entlassung besser abzusichern. Die Förderung einer frühzeitigen Beschäftigung der Täter, die verurteilt worden sind, würde zudem die Aussicht auf einen Erfolg der strafvollzuglichen Behandlung erhöhen. Daran mangelt es meines Erachtens noch, und daran muß man arbeiten.
Besonders bedrückend sind immer wieder Meldungen über Suizide im Strafvollzug. Hierbei sticht natürlicherweise – Insider wissen das – die Untersuchungshaftanstalt besonders hervor. Häufig das erste Mal und unvorbereitet mit einer Haftsituation konfrontiert, kommt es zu Kurzschlußhandlungen, die manchmal dann sogar im vollendeten Suizid enden. So erfolgten 57 Prozent der vollendeten Suizide – soweit man das bei solchen Zahlen in Prozenten ausdrücken kann, das waren vier Fälle – in der Untersuchungshaftanstalt und 37 Prozent aller registrierten Freitodversuche ebenfalls in der Untersuchungshaftanstalt. Das ist schon bedenklich. Trotzdem müssen diese Fälle natürlich in ein Verhältnis zum tatsächlichen Gefangenendurchlauf von vier Jahren gesehen werden. Bei 31000 Gefangenen konnte in 97 Fällen vom Personal die Vollendung eines Suizids verhindert werden. In nur sieben Fällen kam jede Hilfe zu spät.
Aus diesen Zahlen, denke ich mir, kann man den Schluß ziehen, daß insbesondere die Untersuchungshaftanstalt mit dieser besonderen Haftsituation besonders qualifiziertes, sensibilisiertes und belastbares Personal braucht. Vielleicht ließe sich im Hinblick auf diese besonderen Bedingungen der Haft noch einiges verbessern.
Meine Damen und Herren! Daß das Personal der Haftanstalten sehr rege ist, zeigt die Sicherstellung von Drogen und Waffen beziehungsweise zu Waffen umgearbeiteter Gegenstände. Es ist aber auch klar: Wer einen Strafvollzug will, der nicht die Atmosphäre eines Dampfkessels entwickelt, wird zwar – und das wurde eben angesprochen – für Sicherheit nach außen, aber für mehr Freiheit nach innen eintreten müssen. Deshalb wird es im Einzelfall auch immer wieder gelingen, Gegenstände einzuschmuggeln. Das wird so sein. Die Eskalation von Gewalt wird sich nicht nur, aber vor allem dann in Haftanstalten entfalten, wenn Aussichts- und Perspektivlosigkeit den Alltag bestimmen. Hier sind Arbeits-, Ausbildungs- und Beschäftigungsangebote das beste Heilmittel und die beste Antwort. Hier zeichnen sich vorsichtige Verbesserungen ab, die wir in der nächsten Wahlperiode auf jeden Fall noch ausgeweitet wissen wollen.
Die Forderung der CDU nach mehr Personal haben wir heute schon in der Aktuellen Stunde vernommen. Da war es die Polizei, hier sind es die Strafvollzugsbediensteten. Hier wie dort gelten die gleichen Argumente: Geld drucken könnten wir vielleicht, aber dürfen wir nicht. Deshalb sind es vor allem innerorganisatorische Maßnahmen materieller und personeller Art, die Engpässe überwinden helfen müssen. Möglicherweise wäre in bestimmten Anstalten an ein Rotationsmodell zu denken – vielleicht findet das sogar statt und kann die Senatorin etwas dazu sagen –, um nicht wenige Beamte für mehrere Jahre mit besonders
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schwierigen Situationen in Haftanstalten zu konfrontieren. Dieses Rotationsmodell käme dann nicht nur den Beamten zugute, sondern letztlich auch den betroffenen Gefangenen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lüdemann, es ist immer so eine Sache, wenn man jemanden zitiert und nur die eine Hälfte sagt. Wenn ich gesagt habe: Wir müssen damit leben, dann habe ich damit ausgedrückt, daß wir damit leben müssen, daß diese Menschen krank sind, wir ihren Anblick ertragen müssen und daß wir sie nicht aus dieser Stadt wegdefinieren können.
Wir können sie nicht vertreiben; das geht einfach nicht. Wohin denn?
Nein, die lasse ich nicht zu.
Sie haben von der offenen Drogenszene gesprochen, und dazu gehören sowohl die Dealer als auch die Konsumenten. Die Konsumenten halten sich selbstverständlich an den entsprechenden Orten auf, das ist doch bekannt. Wir wissen doch durch die ganzen Debatten, wie die Menschen durch die Stadt getrieben werden. Wir werden es nicht schaffen, sie unsichtbar zu machen; das ist doch der Punkt. Sie können doch nicht an der Wirklichkeit vorbeireden.
Die Debatte um die Aufenthaltsverbote, Herr Lüdemann – da waren Sie hier noch nicht dabei –, haben wir in diesem Hause bereits 1996 geführt. Sie haben im wesentlichen den Gesetzesantrag von damals wiederholt. Schon damals versuchte die CDU die Aufenthaltsverbote im Polizeirecht zu kodifizieren. Das ist zu Recht, wie ich meine, abgelehnt worden.
Wir als GAL-Fraktion haben damals eine Anhörung zu dieser Thematik durchgeführt. Dabei ist von durchaus namhaften Juristen die Fragwürdigkeit dieser Regelung zutage getreten. Es geht ja auch immer darum, was wir damit anrichten, daß wir ganz bestimmte Dinge in unseren Gesetzen ändern.
Sabbeln Sie nicht so dazwischen!
Eine kurze Anmerkung zu Ihrem Gesetzesänderungsvorschlag. In der Überschrift und im Vorspann
– nein – reden Sie von Rauschgiftdealern. Nun ist jeder Kleinkonsument häufig auch Kleindealer. Aber die Frage beantwortet sich aus Ihrem Gesetzesvorschlag von selbst. Darin ist allgemein von Straftaten die Rede, nicht vom Betäubungsmittelgesetz und Dealerei, sondern nein, von Straftaten, egal welcher Qualität. Mit anderen Worten: Entweder Sie überlegen nicht, welche Gesetze Sie schaffen, oder hier soll das große Netz ausgeworfen werden nach dem Motto: Irgend etwas wird schon hängenbleiben.
Sie begehen einen Einbruch in die Rechtskultur, die ich nicht will. Die Maßnahme soll für jede passende Gelegenheit gestrickt werden. Wir haben in den letzten zehn Jahren entsprechende Änderungen gehabt.
Der öffentliche Raum wird immer mehr begrenzt und die Bewegungsfreiheiten der Menschen durch staatliche Aufsicht eingeschränkt. Ihr geplantes Aufenthaltsverbot fügt sich denn auch nahtlos an Ihre Vorstellung von der Videoüberwachung im öffentlichen Raum an. Die GAL-Fraktion steht für die Bewahrung der öffentlichen Sicherheit, aber auch für die Sicherung der Bürgerinnenrechte. Den Systembruch, den die Parlamente – das haben viele heute schon vergessen – seit 1990 durch die Novellierung der Polizeigesetze vollzogen haben, indem sie die sogenannte vorbeugende Verbrechensbekämpfung eingeführt haben, ist aus bürgerrechtlicher Sicht leider immer noch beklagenswert genug. Eine weitere Ausweitung der geltenden Regelungen findet jedenfalls nicht die Zustimmung meiner Fraktion. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den letzten zehn Jahren hat es in der Bundesrepublik über 130 Tötungsdelikte gegeben, die auf rechtsextremistisch motivierte Gewalt zurückzuführen sind. Zu lange wurden diese Wirklichkeit heruntergespielt und im Zweifelsfall rechtsextremistische Hintergründe geleugnet.
Schweden hat vorgemacht, wie man diesem Skandal entgegenwirken kann. Mit EXIT wurde ein Aussteigerprogramm entwickelt, das jungen Menschen einen Weg aus dem Teufelskreis von Gruppendruck und Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufzeigen will.
Häufig ist es schlicht die banale Angst, in die Bedeutungslosigkeit zurückzufallen, die viele hindert, sich aus ihren neonazistischen Freundeskreisen zu lösen. Hier setzt EXIT an.
Seit Herbst letzten Jahres arbeiten Nazi-Aussteiger Ingo Hasselbach und der Rechtsextremismusexperte Bernd Wagner am Aufbau von EXIT Deutschland. Der Bundesinnenminister hat EXIT zur Chefsache erklärt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Federführung übertragen; so konnte man es nachlesen.
Zunächst ist es einmal zu begrüßen, daß die Bundesregierung endlich konkrete Schritte einleitet. Es ist unerträglich, daß Halbwüchsige im Schlepptau gefährlicher Drahtzieher und Demagogen neonazistische Propaganda auf die Straße tragen. Noch schlimmer ist aber das Abgleiten in Terror und Gewalt gegen Migranten, Obdachlose und andere an den Rand der Gesellschaft gedrängte Menschen. Die GAL-Fraktion hält es aber für einen falschen Weg, in erster Linie auf Verfassungsschutz und Polizei zu setzen, statt auf den Selbsthilfecharakter von Ausstiegswilligen zu bauen.
In Schweden befinden sich circa hundert Ex-Neonazis im Aussteigerprogramm, nicht zuletzt deshalb, weil der Initiator ein Ex-Skinhead ist. Unterstützt wird das Programm vom Kulturministerium und von privaten Sponsoren. EXIT hilft beim Verlassen aus der bisherigen Lebenswelt, zeigt neue Orientierungspunkte auf, erstellt Sicherheitskonzepte für betroffene Personen, vermittelt juristischen Beistand, begleitet betroffene Eltern, Lehrer und Sozialarbeiter. Aufklärung und Information der Öffentlichkeit werden durch Netzwerke sichergestellt.
Um nicht mißverstanden zu werden: Wenn es um Sicherheitsfragen geht, sollten selbstverständlich die Fachleute von Polizei und gegebenenfalls auch des Verfassungsschutzes hinzugezogen werden. Tragfähig wird EXIT in Deutschland aber nur dann werden, wenn den Betroffenen kein Programm übergestülpt wird, das mit ihnen erst einmal nur wenig zu tun hat. Die Motivation zum Ausstieg muß vorhanden sein. Nur dann ist ein Erfolg zu erwarten.
Der Weg für den einzelnen wird schwer genug sein. Wie schwer, zeigt das Bekenntnis von Kent Lindal aus Schweden, dem Ex-Neonazi:
„Der Ausstieg war sehr hart, ich hatte niemanden, der mir sagt, wie man damit umgeht, daß die alten Kameraden einen verfolgen und bedrohen, daß man plötzlich keine Freunde mehr hat.“
Der Schritt in die Öffentlichkeit, wie ihn Ingo Hasselbach und Kent Lindal gegangen sind, ist vorbildlich und mutig. Dies kann aber nicht jedem zugemutet werden. Es darf in keinem Fall der Eindruck entstehen, daß es EXIT in Deutschland allein um die Instrumentalisierung Ausstiegswilliger, zur Verunsicherung der Szene geht und das eigentliche Programm in den Hintergrund tritt. Das Scheitern wäre vorprogrammiert. Deshalb sollte das Programm auch vom gesamten Senat vorangetrieben werden und nicht nur von der Innenbehörde.
In den Schulen wird man frühzeitig erkennen, ob Jugendliche in die rechte Szene abzurutschen drohen oder dort sogar schon gelandet sind. Häufig fühlen sich Lehrerinnen und Lehrer in einer solchen Situation überfordert. Deshalb muß die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer praxisnah an den Realitäten ansetzen. EXIT könnte eine Vernetzung von praxisnaher Einzelfallhilfe und Prävention sicherstellen, könnte Hilfestellung leisten. Insofern ist das von Bundesministerin Christine Bergmann gestern vorgestellte Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu begrüßen. Wir dürfen gespannt sein, inwieweit hier eine Verzahnung mit EXIT stattfinden wird.
In erster Linie wird es darum gehen müssen, gefährdete Mitläufer anzusprechen und ihnen Perspektiven aufzuzeigen. Zu Recht wendet EXIT in Schweden ein: Wer nicht wisse, wofür es sich zu leben lohne, der werde sich wohl kaum allein aus moralischer Empörung vom Rechtsextremismus abwenden.
Insofern ist die Bekundung des Innensenators zu begrüßen, daß man sich auf die minderjährigen Mitläufer konzentrieren wolle. Wir dürfen diese Jugendlichen in der Tat nicht aufgeben, Herr Senator, da steht die GAL-Fraktion ganz an Ihrer Seite. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wersich, als ich gehört habe, daß Sie mit der Debatte beginnen, habe ich gedacht, daß die CDU sich dem Thema etwas sachlicher nähern würde.
Leider habe ich mich getäuscht.
In der letzten Woche wurde uns wieder einmal in Wundertütenmanier von Ihnen vorgestellt, was man gegen die Drogenproblematik in Hamburg tun kann. Mehr Polizisten, Verschärfung des Polizeirechts und der Einsatz von Brechmitteln sollen es richten, und dann ist die Welt wieder in Ordnung und Hamburg kann ruhig schlafen. Meine Damen und Herren! Das ist Unsinn. Für wie blöd hält die CDU eigentlich die Menschen in dieser Stadt?
Seit gut zehn Jahren wird mit immer wieder modifizierten Polizeikonzepten und einem deutlich verschärften Polizeirecht versucht, der offenen Szene Herr zu werden. Schon 1991 beklagten sich bei mir Mitarbeiter der Bereitschaftspolizei, welchen Sinn das Vorgehen gegen die Drogenszene hätte. Diese Beamten hatten sehr richtig erkannt, daß sie nur das Elend verwalteten. Sie hatten erkannt, daß diejenigen, die öffentlich den Eindruck erweckten, mit Repression könne man der Drogenproblematik Herr werden, der Bevölkerung Sand in die Augen streuten. Sie waren klüger als mancher Gewerkschaftsfunktionär, der heute öffentlich mit dem Feuer spielt.
Jahr für Jahr werden mehr als 50 000 Platzverweise ausgesprochen. Von 17000 Ingewahrsamnahmen innerhalb von viereinhalb Jahren wurde vom Richter in lediglich 240 Fällen die Fortdauer aus rechtsstaatlichen Gründen aufgehoben. Ja, meine Damen und Herren, der Rechtsstaat gilt auch für diese Menschen.
Wollen Sie das ernsthaft ändern? Wovon reden Sie eigentlich? Wenn der Senat in der Großen Anfrage der SPD mitteilt, daß innerhalb eines Vierteljahres 679 strafrechtlich begründete Festnahmen erfolgt sind,
frage ich Sie, ab wieviel Festnahmen Ihrer Meinung nach eine erfolgreiche Drogenpolitik stattfindet. Das ist wirklich eine absurde Diskussion, meine Damen und Herren.
Die Fragestellung des heutigen Debattenthemas kann man auch auf ganz andere Art und Weise provokativ anders stellen. Können, sollen und wollen wir die Drogenszene unsichtbar machen? Niemand von uns ist angetan, wenn er mit dem Drogenelend konfrontiert wird, es beunruhigt uns, und wir wollen es nicht sehen. Es hat etwas Bedrohliches für unser seelisches Gleichgewicht und stört den Alltag. Wer aber noch ein wenig Menschlichkeit in sich trägt, den muß das Herz zerreißen, wenn er die hektischen Geschäfte beobachtet, in fiebrige Augen blickt und sieht, wie sich Menschen für ein paar Mark verkaufen, um sich den nächsten Schuß zu setzen oder, wie es heißt, Steine zu rauchen.
Die CDU hat der SPD angeboten, das Thema Innere Sicherheit aus dem Wahlkampf herauszuhalten, wenn sie mit ihr ein Sicherheitspaket eingeht und ihr Zehn-Punkte-Programm der Version Kusch erfüllt. Die GAL-Fraktion ist Ihnen wirklich sehr dankbar, meine Damen und Herren, daß Sie, ohne es zu merken, klar und deutlich gemacht haben, wie wenig ernst Sie die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt nehmen. Sie wollen nämlich auf Transparenz verzichten.
Sie wären bereit, im Wahlkampf vor diesem Thema zu kuschen, wenn es Ihnen irgendwie den Zugang zur Macht eröffnen würde. Das wird mit uns nicht passieren.
Meine Damen und Herren! Ich habe, weil ich die Arbeit selber gemacht habe, sehr großes Verständnis für Polizeibeamte, die zur Bekämpfung der offenen Drogenszene eingesetzt wurden, die die unbefriedigende Arbeit beklagen und darunter leiden. Doch die einfachen Antworten der CDU oder von Herrn Schill bedienen bestenfalls die Stammtische. Sie delegieren das Problem ein weiteres Mal auf die Polizei, ohne daß Aussicht besteht, daß es damit nachhaltig gelöst wird. Tatsächlich ist die CDU der Bremser und drückt sich um die wirkliche Problemlösung herum.
Hamburg hat mit seinem Methadon-Programm im Ergebnis mehr für die öffentliche Sicherheit getan, als die Polizei mit Repression schaffen könnte. Das Landeskriminalamt hat im letzten Jahr eine Studie vorgestellt und erstmals wissenschaftlich den Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Beschaffungskriminalität und der Vergabe von Suchtersatzstoffen nachgewiesen.
Dies läßt vermuten, daß die kontrollierte Abgabe von Heroin ähnliche Wirkung zeigen wird.
Wer den Menschen aus dem Teufelskreis von Sucht und Beschaffungskriminalität heraushelfen will, sollte den Senat und die Bundesregierung bei ihren Bemühungen für eine moderne Drogenpolitik unterstützen. Im Alltag wird es immer wieder erforderlich sein, die Auswüchse im Bereich
der offenen Drogenszene durch Polizeipräsenz zu minimieren. Unsichtbar machen können wir sie nicht. Wir sollten auch nicht so tun, daß dies nur mit einer staatlichen Repressionspolitik möglich wäre, die mit einem Rechtsstaat nichts mehr zu tun hätte. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren von der CDU! Was mich wirklich ärgerlich macht,
ist, daß Sie in dieser Frage leider angesichts des Elends dieser Menschen, das wir am Hauptbahnhof und im Umfeld haben,
von einer Schwarzweiß-Welt reden.
Frau Thomas, sagen Sie doch etwas dazu. Kommen Sie nach vorne und halten Sie eine Rede zum Thema und quatschen Sie nicht immer dazwischen.
Sie fordern jede Hilfe für Süchtige und jede Härte für Dealer, aber so einfach ist das nicht; gucken Sie sich doch die Szene an. Da gibt es Süchtige, die Dealer sind, weil sie ihre Sucht damit finanzieren. Sie sagen, Sie wollten hier die Dealer und da die Süchtigen haben; das ist doch nicht die Wirklichkeit. Wo leben Sie denn überhaupt?
Das ist eine Schwarzweiß-Wunschwelt, und Sie übersehen dabei, daß Sie den Problemen dieser Menschen nicht gerecht werden; das unterscheidet sie doch von anderen Kriminalitätsformen. Wir brauchen eine Politik mit Augenmaß, wir brauchen Politiker, Polizisten und Sozialarbeiter, die mit der nötigen Sensibilität vorgehen.
Die einzigen, die heute Ideen präsentiert haben, Herr Wersich, war die rotgrüne Koalition. Sie haben nichts gesagt, gar nichts, außer Brechmittel.
Sie schaffen sich nur einen Berater an, den Sie für viel Geld bezahlen, der keine neuen Ideen in diese Stadt hineinbringt, und erwecken den Eindruck, wenn ein Oberstaatsanwalt aus Süddeutschland hier so etwas einbringe, dann sei das die Weisheit in Person; so ist es doch nicht. Sie sprechen immer für die Polizei, aber wenn Sie einmal in die Polizei hineingehen
und mit Leuten sprechen würden, die mit diesem Thema etwas zu tun haben, dann würde sich Ihnen ein sehr heterogenes Bild darstellen und es nicht so sein, daß die Polizeibeamten sagen, gebt uns Brechmittel, dann kommen wir endlich weiter. So ist die Welt doch nicht.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, meine Damen und Herren von der CDU, sich dem Dialog neu zu öffnen. Wir brauchen einen Konsens in dieser Stadt bei dieser wirklich sehr schwierigen Problematik. Ich bin gerne bereit, meine Position in Frage zu stellen, wenn es überzeugende Argumente gibt. Ich bin gerne bereit für offene Gespräche,
aber für das, was Sie hier liefern, bin ich nicht bereit. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Vahldieck, es ist ein alter Taschenspielertrick,
sich gegen Propaganda zu wehren und sie gleichzeitig zu betreiben; das ist irgendwie ein bißchen unredlich. Was Sie hier mit der Kriminalstatistik alle Jahre wieder betreiben – einen kleinen Ausreißer nach oben oder unten –, quasi den Zustand der öffentlichen Sicherheit zu beschreiben, das macht noch nicht einmal die Polizei. Bei jeder Kriminalstatistik finden Sie eine entsprechende Fußnote, die besagt, daß, bezogen auf die Kriminalstatistik, keine eindeutigen Rückschlüsse auf die öffentliche Sicherheit gezogen werden können.
Und Sonderkommissionen wurden schon gebildet, als die Polizei noch 428 Stellen mehr hatte. Es ist etwas ganz Normales, in besonderen Situationen auch Sondereinheiten zu bilden.
Unter Rotgrün hat sich nach Auffassung der GAL-Fraktion im Bereich der öffentlichen Sicherheit eine deutliche Akzentverschiebung ergeben.
Herr Ehlers, hören Sie zu. – Mehr als bisher wird den Themen Opfer- und Strafentlassenenhilfe, zivile Konfliktregelung und demokratische Kontrolle der Polizei Gewicht beigemessen, ohne dabei den Aspekt von Prävention und Repression zu vernachlässigen.
Nun der Reihe nach an die Adresse der CDU: Hamburg ist bundesweit führend, was die Sachausstattung der Polizei anbelangt. Die noch vor einigen Jahren zu Recht gerügte IuK-Technik – Herr Kleist hat das kurz angesprochen –, insbesondere die computerunterstützte Vorgangsfertigung COMVOR, hat mittlerweile allen anderen Bundesländern den Rang abgelaufen; das gleiche gilt übrigens für die Funkeinsatzzentrale.
Ich hoffe natürlich nicht, daß in Zukunft Maßstab ist, erst alles in die Grütze zu reiten, um dann das bundesweite Vorbild zu sein.
Man muß allerdings, Herr Ehlers, den Status quo sehen, und da wird Hamburg um die IuK-Ausstattung bei der Polizei beneidet. Da wundert es dann schon, wenn man an einer Diskussion mit CDU-Vertretern teilnimmt, die dem Publikum weismachen wollen, die Hamburger Polizei quäle sich noch immer mit Uraltschreibmaschinen ab. Nur Pech, wenn sich dann ein hochrangiger Polizeivertreter auf dem Podium in Rissen veranlaßt fühlt, dieses klarstellen zu müssen.
Man kann sich ja darüber streiten, ob jeder Polizist mit einer Unterziehschutzweste ausgestattet sein muß, wie es die Bürgerschaft kürzlich beschlossen hat. Ich habe für meine Fraktion die Zweifel deutlich gemacht, aber auch hier ist Hamburg den CDU-regierten Ländern weit voraus. In den CDU-regierten Ländern werden notwendige Sparverpflichtungen als Argumente herangezogen, um entsprechende Schritte nicht einleiten zu müssen. So ist das eben, wenn man regieren will.
Auch bei der Fahrzeugausstattung kann Hamburg mit allen anderen Bundesländern hinsichtlich Qualität und Anzahl durchaus mithalten. Personaleinsparungen hin oder her, im Bundesvergleich steht Hamburg mit seinem Personalbestand bei der Polizei durchaus noch gut da – allen Unkenrufen zum Trotz.
Was macht man da als Opposition, der angeblich die bessere Kompetenz im Bereich der öffentlichen Sicherheit zugesprochen wird, die aber kein Bein auf die Erde bekommt? Man holt sich einen Fachmann, der die Defizite der Abgeordneten ausgleichen und die öffentlichen Stammtische bedienen soll.
Ist Ihnen das nicht manchmal peinlich, Herr Vahldieck, wenn die „Bild“-Zeitung, nicht gerade das Herz- und Hausblatt der GAL, Ihnen bescheinigt, daß Sie kaltgestellt worden seien, und das von Herrn Kusch, der lieber ein Jahr lang die Hamburger Verhältnisse still hätte beobachten sollen, bevor er uns mit seinen Weisheiten beehrt hätte, Weisheiten, die nichts anderes darstellen als blanken Populismus.
Aber, meine Damen und Herren von der CDU, Sie müssen viel Geld haben, Sie müssen selbst wissen, ob Sie das Geld zum Fenster herauswerfen wollen: Abgerechnet wird immer nach der Wahl. Und wer sich Herrn Schill zum Maßstab macht, der wird scheitern, da können Sie ganz sicher sein.
Einige kurze Anmerkungen zu Ihren polizeibezogenen Anträgen. Ich will nicht weiter auf Ihre abenteuerlichen Deckungsvorschläge eingehen, die uns Herr Freytag vorgestellt hat. Aber mal eben 428 Polizeistellen zu fordern, die den Haushalt mit etwa 25 Millionen DM zusätzlich belasten würden, ist schon ziemlich dreist. In keiner Koalition der Bundesrepublik würde es Ihnen gelingen, diese Forderungen im Haushalt unterzubringen, und das wissen Sie ganz genau. Fragen Sie einmal Ihre Kolleginnen und Kollegen, die in der Regierung sind.
Der andere Antrag zeigt zumindest, daß Sie etwas lernfähig sind. Sie fordern keine zusätzlichen Polizeidienststellen in jedem Stadtteil mehr, sondern jetzt sind es nur noch zwei, nämlich ein Polizeirevier und eine Außenstelle. Da reibt man sich verwundert die Augen und fragt sich, wie die CDU denn auf diese Lösung gekommen ist.
Ist hier etwa eine signifikant höhere Kriminalität zu verzeichnen als in anderen Stadtteilen? Sind die anderen Stadtteile besser mit Polizeidienststellen versorgt als Lurup oder Eidelstedt? Was ist zum Beispiel mit dem Polizeikommissariat 38 in Rahlstedt, das größte Gebiet in Hamburg? Warum ist nach der Beurteilung der CDU in
Eidelstedt ein größerer Bedarf als in Rahlstedt? Fragen über Fragen, die unbeantwortet bleiben.
Die Lösungsansätze der CDU sind beliebig, Herr Warnholz, und schlichtweg unrealistisch, sie sind Unsinn, wir werden sie deshalb ablehnen.
Die rotgrüne Koalition setzt deshalb weiter auf den Ausbau von Polizeikommissariaten und hat hier deutliche Fortschritte erzielt; das wurde bereits ausgeführt. Die Arbeitsbedingungen der Beamten haben sich erheblich verbessert, und diesen Weg weiter fortzusetzen, ist der richtige Weg. Mit der mittelfristigen Finanzplanung sind bereits die notwendigen Pflöcke eingeschlagen worden.
Zum Thema Jugendkriminalität möchte ich nur wenige Sätze sagen, wir haben in der letzten Bürgerschaftsdebatte darüber ausführlich gesprochen. Rotgrün schafft auch jetzt die finanziellen Voraussetzungen für ein ressortübergreifendes Maßnahmenpaket, das sich sehen lassen kann. Damit ist das Thema nicht erledigt, sondern die Weichen werden richtig gestellt.
Zur Polizeikommission: Eine gut ausgestattete und angemessen bezahlte Polizei muß es sich gefallen lassen, demokratisch kontrolliert zu werden.
Hinzu kommt, daß die Befugniserweiterungen der Polizei, die ihr im Rahmen der Novellierung des Strafprozeßrechts und des Polizeirechts in den letzten zehn Jahren in extensiver Form zuteil geworden sind, eine zusätzliche Form der Kontrolle, wie wir sie in Hamburg modellhaft umgesetzt haben, geradezu unverzichtbar macht.
Sie haben eine heile Welt, Herr Warnholz, das ist das Problem.
Völlig unverständlich bleibt es mir, daß weder die CDU noch die Polizeigewerkschaft in den letzten zwei Jahren das Gespräch mit der Polizeikommission gesucht haben. Dies ist nichts anderes als Ausdruck ideologischer Borniertheit, höflicher läßt sich das leider nicht formulieren, sich bloß nicht mit seiner Auffassung in Frage stellen lassen, der andere könnte ja das eigene Weltbild gefährden und vielleicht recht haben. Hier paßt das geflügelte Wort: Sie reden hier wie der Blinde von der Farbe.
„Die Polizei will geliebt werden“, hat Jan Philipp Reemtsma auf einer Tagung zum polizeilichen Gewaltmonopol treffend formuliert. Nur, das wissen Sie auch, Zuneigung gibt es nicht zum Nulltarif. Fritz Sack hat sich kürzlich auf einer Tagung grüner Innenpolitiker über die Dialogverweigerung der Kritiker beklagt und in netter Form eine Brücke zu schlagen versucht. Zitat:
„Kontrolle ist auch ein Ausdruck von Bedeutung.“
Recht hat er, und Demokratie lebt von Kontrolle, eigentlich auch eine Binsenweisheit.
A C
B D
Die Polizeikommission übt ihren gesetzlichen Auftrag aus, wenn sie einzelnen Vorwürfen nachspürt und ihren Jahresbericht vorlegt. Dies tut sie aber nach dem Willen des Gesetzgebers auch deshalb, weil die Polizei als Trägerin des Gewaltmonopols als einzige Einrichtung, die in diesem Ausmaß physische Gewalt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ausüben darf, Anspruch darauf hat, daß wir ihr unsere besondere Aufmerksamkeit schenken. Daß die bisherigen und weiterhin geltenden Kontrollen nicht ausreichen, hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuß „Hamburger Polizei“ mit deutlicher Mehrheit festgestellt. Daß meine Fraktion gewisse Sympathien für das Anliegen des REGENBOGEN-Antrags hat, die Polizeikommission zumindest teilweise zu professionalisieren, ist auch kein Geheimnis. Wir haben den Antrag gestern gleichwohl abgelehnt, weil auch hier gilt: Politik ist ein mühsames Geschäft. Oder anders ausgedrückt: Eile mit Weile. Der Senat wird im Frühjahr seinen Erfahrungsbericht vorlegen, der sich auch mit dem Status der Ehrenamtlichkeit der Kommission zu beschäftigen haben wird; dann wird man weitersehen. Und wer sicher sein will, daß nach der Wahl in diesem Punkt Bewegung erzielt wird, sollte die notwendigen Konsequenzen ziehen und grün wählen, so einfach ist das.
Zur Polizeiausbildung: Ich habe wiederholt die Reform der Polizeiausbildung angemahnt. Meine Fraktion erwartet, daß der Senat noch in dieser Legislaturperiode der Bürgerschaft seine Vorschläge vorlegt und das Parlament die Weichen in eine überfällige neue Zukunft stellt. Die Reform hätte nach unserer Vorstellung die Freiheit der Lehre und Forschung, den interdisziplinären Ansatz und Dialog von Lehre, Lehrenden und Lernenden, den erhöhten Praxisbezug durch bessere Ausgestaltung der Praxissemester, die verstärkte Einstellung externer Lehrkräfte, vergleichbare Qualitätsstandards mit anderen Fachhochschulabschlüssen und die Öffnung der Hochschuleinrichtungen hin zur Gesellschaft zu gewährleisten.