Protocol of the Session on July 11, 2001

Login to download PDF

Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen. Erstens: Wie kann man von außen begreifen, was da stattgefunden hat? Ich habe es mir folgendermaßen vorgestellt. Herr Professor D. ist 1997 nach Hamburg berufen worden, er ist eine hochanerkannte Kapazität auf seinem Gebiet. Er konnte aber nur kurze Zeit arbeiten, denn er ist im Januar 1998 schwer erkrankt; das ist sehr bedauerlich für jemanden wie ihn. Er hat dann offensichtlich weitergearbeitet. Man fragt sich dann, wie können so viele Ärzte, die mit ihm zusammengearbeitet haben und das auch sahen, so etwas zulassen. Es muß so etwas wie eine Abhängigkeit oder Leibeigenschaft geben. Ich weiß nicht, ob Sie den Brief des wissenschaftlichen Personalrats gelesen haben. Darin bringt man es auf den Punkt. Die Schlüsse, die gezogen werden, teile ich nicht. Es heißt: Warum hat von den beteiligten untergebenen Ärzten keiner etwas gesagt, wo doch alle gesehen haben sollen, daß Herr Professor D. anscheinend nicht mehr operieren konnte. Die Antwort ist so einfach, daß sie außerhalb des UKE wohl keiner wahrhaben will: weil jeder, der das tut, seine berufliche Zukunft in der Medizin an den Nagel hängen kann. Die Abhängigkeiten

der Assistenz- und Oberärzte von ihren Vorgesetzten sind vielfältig. Zumeist haben sie alle nur befristete Verträge, oft nur für zwei bis drei Jahre. Eine Verlängerung ist vielfach von ihrem entsprechenden Wohlverhalten abhängig. Jungen Kolleginnen und Kollegen im UKE wird immer wieder deutlich vor Augen geführt, was mit denjenigen passiert, die nicht bedingungslos Gefolgschaft leisten: Nichtverlängerung von Verträgen, Beschneiden von Forschungsmöglichkeiten, Nichteinteilung zu wichtigen Operationen.

Meine Damen und Herren, hier besteht ein objektiver Mißstand, der geändert werden muß. Das gibt uns einen Hinweis, warum sich manche Leute so verhalten, aber es ist keine Erklärung.

(Dr. Leonhard Hajen SPD: Doch, das ist eine Er- klärung!)

Bei so gravierenden Fällen muß es Zivilcourage geben, auch wenn es Abhängigkeiten gibt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zweitens: Was ist politisch nötig? Der Wissenschaftsausschuß hat von der BWF eine Liste bekommen, in der dokumentiert wurde, was geschehen ist, nachdem der anonyme Brief eingegangen ist. Es ist sofort gehandelt worden. Der Ärztliche Direktor ist aufgefordert worden, Stellung zu nehmen. Es hat Gespräche gegeben, und es wurden Verhaltensregeln klargestellt. Es ist ein Unding, daß dieser Ärztliche Direktor erst einige Monate später eine korrekte Zahl von vorgenommenen Operationen veröffentlicht hat. Die Reaktion, um Beurlaubung zu bitten, ist folgerichtig. Wenn er das nicht getan hätte, wäre er beurlaubt worden. Der Senatorin ist in diesem Fall überhaupt nichts anzulasten, aber es zeigt aus meiner Sicht, daß hier grundsätzlich etwas verändert werden muß; da verstehe ich weder die CDU noch die REGENBOGEN-Gruppe.

Natürlich greift auch genau hier das UKE-Strukturgesetz, das wir morgen verabschieden werden. Danach wird ein Ärztlicher Direktor auf fünf Jahre berufen, der abwählbar ist, der eine gewisse Stärke und Autorität hat und der auf die Kliniken schaut. Ihm wird ein Kuratorium als Kontrollorgan zur Seite gestellt. Ich gehe davon aus, daß ein Ärztlicher Direktor, dessen primäres Ziel es ist, für Qualitätssicherung zu sorgen, damit das UKE mit seinen positiven Leistungen endlich aus den Skandalschlagzeilen herauskommt, dafür sorgen wird, daß solche Schwierigkeiten, wenn sie überhaupt auftreten, nach kurzer Zeit klargestellt und beseitigt werden.

Darum ist es völliger Unsinn, meine Damen und Herren, wenn Sie hier ankündigen, daß es morgen Ärger gibt. Ich kann es verstehen, daß sich die CDU im Wissenschaftsausschuß in ihrem Petitum gegen den Lenkungsdurchgriff des Staates und gegen die staatliche Doppelkontrolle ausgesprochen hat,

(Heiterkeit bei Anja Hajduk GAL)

wie auch dagegen, daß das Kuratorium nicht mit mehr internen Vertretern des UKE besetzt wird. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist notwendig, und das werden wir morgen auch beschließen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Koppke.

(Helgrit Fischer-Menzel SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr de Lorent, über das Strukturgesetz reden wir morgen, dann habe ich auch die Zeit, darauf genauer einzugehen.

An dieser Stelle möchte ich einleitend – auch wenn die SPD es bereits getan hat – noch etwas zur Vorgeschichte sagen. Ich möchte zunächst aus einem Artikel aus der „Morgenpost“ vom Januar 1994 zitieren, mit dem Titel „Fall Bernbeck: Skandal ohne Ende“. Darin heißt es, daß der Hamburger Senat aus dem Bernbeck-Skandal wenig gelernt habe. Mangelnde Aufsicht und Kontrolle, wie bei Bernbeck, führten daher im UKE zum Strahlenskandal.

Der Bernbeck-Skandal in Barmbek war, wie der Abschlußbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses 1986 feststellte, nicht die Schuld eines einzelnen, sondern die Schuld des gesamten Systems. Kasernenhafte Klinikhierarchie unter dem Motto „Der Chef hat immer recht“, karrierebedachter Kadavergehorsam der Untergebenen sowie nicht vorhandene Qualitätskontrolle und -dokumentation ärztlichen Handelns. Der PUA beschloß vor mehr als sieben Jahren – also 1986 – einen Katalog von Änderungsmaßnahmen. Ärztliches Handeln sollte kontrollierbar und transparent werden, und Hierarchien aufgebrochen. Behörden und Ärztekammer sollten ihren Aufsichtspflichten nachkommen.

Soweit der Stand von 1986. Da fragt man sich natürlich: Wo stehen wir heute? Ärztliches Handeln ist kontrollierbar und transparent? Hierarchien sind aufgebrochen worden, und Behörden kommen ihren Aufsichtspflichten nach? Ich denke, daß man sehr deutlich sieht, daß sich seit 1986 nichts geändert hat. Der nächste Skandal hat ja die Stadt bereits ereilt.

Frau Sager rühmt sich hingegen, sie habe sofort alles Notwendige getan und es gebe keine Versäumnisse seitens der Behörde.

(Doris Mandel SPD: Richtig!)

Ich frage mich, Frau Sager, ist das wirklich so?

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Ja!)

Seit fast einem Jahr weiß die Behörde über den jüngsten Skandal Bescheid, und es wurde der Öffentlichkeit und dem Parlament nichts bekanntgegeben; es gab keine Informationen. So war es auch vorgestern im Wissenschaftsausschuß, Herr de Lorent. Vorgelegt wurde eine Datenchronologie ohne Inhalte und Ergebnisse.

(Dr. Roland Salchow CDU: Genau! Herrn de Lorent stört das nicht!)

Nun kann man sich fragen, was Sie getan haben, Frau Sager? Sie haben auf dem normalen Dienstweg eine Stellungnahme des Ärztlichen Direktors erbeten. Als Ihre wesentliche Maßnahme rühmen Sie sich eines neuen Regelwerks, das seit April dieses Jahres existiert. Die Staatsanwaltschaft – das sollte man vielleicht auch noch festhalten – ermittelt wohlgemerkt nicht auf Veranlassung der Behörde.

An diesem Regelwerk sei neu – so haben Sie im Wissenschaftsausschuß vorgetragen –, daß in einem Fall, wie bei Professor D., erstens ein Arzt von seiner Leitungsfunktion befreit wird, er zweitens erst nach einem ärztlichen Gutachten weiter tätig werden darf und daß drittens über das, was dann passiert, der Ärztliche Direktor entscheidet.

Sehen wir uns an, was im Fall Professor D. gelaufen ist. Dazu zitiere ich aus der Stellungnahme des kommissari

schen Leiters der Herzchirurgie an Herrn Professor Leichtweiß vom 13. Oktober 2000, das Ihrer Behörde vorgelegt wurde. Darin heißt es, daß Professor D. erst nachdem von seinem betreuenden Neurologen ein entsprechendes Gutachten vorlag, in dem ihm die Fähigkeit bescheinigt wurde, auch im operativen Bereich tätig zu sein, hier wieder Funktionen übernahm. Darüber sei Professor Leichtweiß immer unterrichtet gewesen, und es wurden mehrere Gespräche mit ihm zusammen geführt.

Wir stellen daher eindeutig fest – auch wenn es damals vielleicht noch kein festgeschriebenes Regelwerk gegeben hat –, daß alle drei Punkte im Falle des Professor D. praktiziert wurden. Es lag ein ärztliches Gutachten vor, erst danach übernahm er wieder seine Funktion, und der Ärztliche Direktor hat mit entschieden, was passiert.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Das stimmt doch gar nicht!)

Das stimmt! Dann haben Sie nicht zugehört.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das stimmt kein bißchen!)

Da es genau so ist, ist es auch eine Unverschämtheit seitens der Senatorin, zu behaupten, daß dieses Regelwerk die entscheidende Maßnahme sei, die die Behörde als Konsequenz dieser Vorfälle installiert habe, damit solche Vorkommnisse in Zukunft vermieden werden können. Sie können nicht vermieden werden, und insofern ist es auch keine ausreichende Maßnahme.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Des weiteren läßt sich zweierlei festhalten. Der Ärztliche Direktor, Herr Leichtweiß, hat sich – natürlich bei laufenden Bezügen – beurlauben lassen. Frau Sager findet das honorig. Gekappt wird natürlich nur die Spitze eines Eisbergs. Strukturen bleiben unangetastet. Das ist auch keine ausreichende Maßnahme. Frau Sager hatte in Ihrer Rede gerade eben noch nicht einmal erkannt, daß es in diesem Bereich Defizite geben könnte.

Zweitens: Im Wissenschaftsausschuß wie auch eben hier haben Sie wieder verkündet, daß Sie eine Kommission zur Untersuchung der Fälle einrichten wollen. Ich frage mich, warum erst jetzt?

(Glocke – Dr. Roland Salchow CDU: Genau! Rich- tige Frage!)

Ich bringe meinen Satz zu Ende. Warum haben Sie nicht viel früher eine medizinische Überprüfung der Fälle in Form von Akteneinsicht veranlaßt? Haben Sie eigentlich irgend etwas getan?

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe jetzt die nächsten Tagesordnungspunkte auf, 72 und 82, Drucksachen 16/6322 und 16/6325, Bericht des Innenausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Antrag der CDU-Fraktion zum Thema Bekämpfung der offenen Drogenszene.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

[Bericht des Innenausschusses über die Drucksache 16/6147: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) – Drucksache 16/6322 –]

[Antrag der Fraktion der CDU: Bekämpfung der offenen Drogenszene – Drucksache 16/6325 –]